Gott. Vater, Sohn und Heiliger Geist: Was Christen glauben
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Buchvorschau
Gott. Vater, Sohn und Heiliger Geist - Herbert Vorgrimler
Quellenhinweise
Für wen ist dieses Buch geschrieben?
Um Auskunft gefragt, was Christen glauben, was das Besondere gerade am Christentum sei, antworten viele glaubende Menschen: Dieses Besondere besteht vor allem in zwei großen Glaubensgeheimnissen: erstens im Glauben an die Dreieinigkeit Gottes und zweitens im Glauben an die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus. Vielen Christen sind diese Geheimnisse geläufig. Das vielfach noch vertraute Glaubensbekenntnis enthält die drei Hauptteile über Gott den Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde, über seinen Sohn Jesus Christus, in dem die Menschwerdung Gottes „um unseres Heiles willen" geschah, und über seinen Heiligen Geist, den Lebendigmacher. In den christlichen Gottesdiensten ist immer wieder der Lobpreis zu hören: Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, oder auch: In ihm, in Jesus Christus, und durch ihn und mit ihm sei dir, Gott, allmächtiger Vater, in der Einheit des Heiligen Geistes alle Ehre und Herrlichkeit, jetzt und in Ewigkeit. Amen.
Christliche gläubige Frauen und Männer segnen sich „im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Viele Kirchenlieder besingen die Geheimnisse der Dreieinigkeit und der Menschwerdung Gottes. In der katholischen Frömmigkeit wenden sich der Rosenkranz und der „Engel des Herrn
in besonderer Weise der Menschwerdung zu. In der Taufe auf den Namen des dreieinigen Gottes, im Glaubensbekenntnis, im Vaterunser, im Bekenntnis zum Herrn Jesus und in der Anrufung des Heiligen Geistes sind die getrennten Christen miteinander verbunden.
Ist darüber schon genug gesprochen, geschrieben und gepredigt worden? Wahrscheinlich doch nicht, denn es genügt ja nicht, einfach Formeln zu wiederholen. Über das, was diese Formeln eigentlich meinen, kann man nicht genug nachdenken. Die folgenden Seiten befassen sich zuerst mit der Annäherung an das göttliche Geheimnis. Vielfach besteht der Eindruck – oder ist es mehr als ein bloßer Eindruck, ist es Tatsache? –, dass manche Christen mit dem Wort „Gott hantieren, als könne man es beliebig im Mund führen. Als wüssten alle, was mit „Gott
gemeint sei. Als könne man Gott berechnen, ihm vorschreiben, wie er sich zu verhalten habe. Dass Gott ein ungeheures, unendliches Geheimnis ist, dem ein Mensch sich nur scheu und bescheiden nähern kann, das wird im leichtfertigen Gottesgerede vorlaut übersehen. Eine Besinnung auch im Rahmen der kirchlichen Praxis scheint nicht überflüssig zu sein.
Der nächste Schritt wendet sich der Frage zu, was Christen eigentlich glauben, wenn sie Gott als den Dreieinigen bekennen. Es ist nicht richtig, wenn da und dort vorwurfsvoll gesagt wird, der dreieinige Gott führe im heutigen Christenleben nur eine „Randexistenz". Es bleibt aber doch die Frage, was Christen sich eigentlich dabei denken, wenn sie von der Dreieinigkeit oder, wie man in einem früheren Deutsch gesagt hat, von der Dreifaltigkeit Gottes sprechen. Gewiss sind manche glaubende Menschen mit einem raschen Hinweis auf das Geheimnis zufrieden. Nicht selten ist zu hören: „Das kann man nicht verstehen, das muss man eben glauben." Darf es wirklich keinen Versuch geben, zu verstehen, ob der Gott des christlichen Glaubens ein Einziger ist oder ob er aus drei Gottheiten besteht? Nicht wenige Menschen möchten mit anderen – mit Kindern, Freunden, Nachbarn – überzeugend und verantwortungsvoll über ihren Glauben sprechen können und andere nicht mit der Anweisung abfertigen: „Das muss man eben glauben." Sie sind auch davon überzeugt, dass Gott dem Menschen den Verstand dazu gegeben hat, dass er von ihm Gebrauch mache und nicht auf ihn verzichte. Es ist gewiss nicht mangelnder Glaube oder Ehrfurchtslosigkeit, wenn darüber nachgedacht wird: Wie verhalten sich die Drei des christlichen Glaubens, Vater, Sohn und Heiliger Geist, zu der Eins, zum Bekenntnis des einen Gottes?
Noch einen Schritt weiter stellt sich die Frage: Was meint eigentlich „Menschwerdung Gottes? Joseph Ratzinger hat in seiner immer noch lesenswerten „Einführung in das Christentum
nachdrücklich darauf hingewiesen, dass der christliche Glaube an die Menschwerdung Gottes nicht sagt, Jesus von Nazaret sei ein „biologisches Mischwesen", halb Gott, halb Mensch, oder Gott habe sich in einen Menschen verwandelt. Darüber ist genauer nachzudenken.
Die „Erlösung, von der der Glaube spricht, hängt engstens mit der „Menschwerdung
zusammen. Erlöst – wovon? Inwiefern ist das Christentum eine „Erlösungsreligion? Inwiefern sind wir erlöst – und inwiefern sind wir nicht erlöst? Solche Fragen haben längst nicht die endgültige Antwort erhalten; darum müssen sie immer neu gestellt werden. Auch wenn eine endgültige Antwort nicht gelingt. Es ist wichtig zu klären, was „Erlösung
nicht ist, weil dadurch eigene Illusionen und Täuschungen anderer vermieden werden.
Die folgenden Seiten werden also geschrieben für Menschen, die verstehen wollen, was sie glauben, und die Fragen an ihren Glauben zulassen. Dabei ist in vielem – nicht in allem – Karl Rahner ein zuverlässiger, ehrlicher Weggefährte. Er wollte zum überlieferten christlichen Glauben hinzu nicht Neues sagen. Er wollte aber auch nicht das Alte alt sagen, in einer verbrauchten Sprache, in nichts mehr sagenden Formeln. Er wollte vielmehr das Alte neu sagen. Das ist auch die Absicht dieses kleinen Buches.
Wer sich ein Leben lang um Gott müht und dabei die Überlieferungen seiner Glaubensgemeinschaft respektiert, der kann nicht die Augen davor verschließen: Es existieren Redeweisen, die einfach nicht in Übereinstimmung zu bringen sind, und das beginnt bereits bei der Heiligen Schrift. Nun handelt es sich um die Überlieferungen der Glaubensgemeinschaft, die sich nach Jesus von Nazaret nennt und sich zu ihm bekennt. Das Bild Jesu ist schon innerhalb des Neuen Testaments in verschiedene Richtungen hin ausgedeutet und übermalt worden. Sie lassen sich nicht harmonisieren. Es ist aber möglich, „hinter" ihnen den ureigenen Gottesglauben Jesu zu erfassen. Ihm kommt der erste Rang vor allen späteren Erweiterungen zu. Das vorliegende Buch möchte sich um keinen Preis von Jesus entfernen.
Die folgenden Seiten zeigen Suchbewegungen und Gedankengänge auf, die der Verfasser den interessierten Menschen ganz persönlich mitteilen, mit ihnen teilen möchte. Dadurch ergab sich oft die Redeweise „wir, „uns
. Niemand sollte dadurch vereinnahmt werden.
Annäherung an das Geheimnis
Ein Buch kann keinen Menschen davon überzeugen, dass Gott existiert, so wenig wie eine Predigt oder wie die Teilnahme am Religionsunterricht. Gott kann weder bewiesen noch anerzogen werden. Im bloßen Nachdenken zeigen sich Gründe für und gegen die Existenz Gottes. Der Unglaube lässt sich nicht zwingend widerlegen. Der Glaube an Gottes Dasein erwächst aus Lebenserfahrungen, die häufig von gegenteiligen Erfahrungen infrage gestellt werden. Auch glaubende Menschen, die in ihrem Alltag nach Gottes Licht und Liebe ausschauen, machen die Erfahrung einer Gottesferne, glaubende Menschen wohl noch eher als Gleichgültige und Gottesleugner. Der Eindruck drängt sich auf, als habe Gott sich von einem abgewendet, als verhalte er sich stumm und abweisend. Dazu kommt auf unserer Seite die Erfahrung, dass unser Herz wegen der vielen unerhört gebliebenen Gebete resigniert, dass unser Geist wegen der vielen ungelösten Rätsel, der unbeantworteten Fragen müde geworden ist. Und noch ein anderer Umstand kann den Glauben immer von Neuem bedrohen: Das eigene fehlgebildete Gewissen oder rigorose Redensarten unerleuchteter Erzieher oder Verkünder können bewirken, dass Menschen sich von Gott überfordert fühlen, in moralischer Hinsicht oder durch religiöse Pflichtübungen, die sie vermeintlich Tag um Tag zu erbringen haben. Bei solchen bedrängten Menschen entsteht ein Überdruss an Gott, ein Widerwille gegenüber demjenigen, der einen vermeintlich ununterbrochen anklagt, fordert und überfordert, ohne Ruhe und Erfüllung zu schenken. Das ist keine neue, heutige, „moderne" Erfahrung. Sie war den Christen des Altertums schon vor mehr als 1500 Jahren bekannt.
Menschen, die christlich gläubig sein wollen, haben keinen Anlass, voller Hochmut oder Hass auf andere herunterzuschauen, die sich unter Protest oder lautlos vom Gott ihres früheren Glaubens verabschiedet haben. Auch dann nicht, wenn nahe Angehörige, Kinder, Freunde den Gottesglauben aufgegeben haben und der so aufgerissene Graben sehr weh tut. Denn – so will es das Evangelium – Christen dürfen über andere nicht urteilen, geschweige denn sie verurteilen.
Für die Menschen aber, die trotz allem ihren Glauben, ihren Dennoch-Glauben, nicht aufgeben wollen, nennt Karl Rahner zwei Aufgaben:
Die erste Aufgabe besteht darin, sich mit allem Ernst der Frage zu stellen, ob man sich nicht selber Gottesvorstellungen zurecht gemacht habe, enge, verengte, unwahre und vorläufige Gottesbilder, sagt Rahner, „die die Menschen immer bis zu einem gewissen Grad als Götzenbilder aufstellen und so den namenlosen, in Figur und Gestalt, im Bild nicht einfach fangbaren Gott verdrängen". Diese eigenmächtigen Gottesbilder müssten aus den Köpfen und Herzen der Menschen entfernt werden – so benennt Rahner einen wesentlichen Teil dieser ersten Aufgabe. Er bringt ungeschminkt zur Sprache, was Menschen Gott antun:
„Der Gott eines fixen Begriffs – entschuldigen Sie die harte Formulierung [so sagt Rahner selber an dieser Stelle!] –, der Gott der Pfaffen, ist ein Gott, den es nicht gibt. Aber ist nicht dort zu oft ein Götzenbild, und wird es nicht dort angebetet, wo man die Religion, den Glauben, die Kirche, die Botschaft Jesu Christi […] zum Beruf gemacht hat [wie es bei Ordensleuten und Priestern der Fall ist]? Dann identifiziert man im Grunde sich und die Welt, die man selber aufrechterhalten und verteidigen will, mit Gott. Dann ist Gott im Grunde immer nur das erhabene Wort, hinter dem man sich selbst versteckt. Der Gott des fixen Begriffes gegenüber dem Gott der stets wachsenden Erfahrung als einer lebendigen, unendlichen, unbegreiflichen, unsagbaren Wirklichkeit und Person, dieser Gott des fixen Begriffs ist eines dieser Götzenbilder, das wir vermutlich immer wieder auch bei uns entdecken können."
Der Gott des fixen Begriffs, den Rahner hier ein Götzenbild nennt, ist weitgehend ein Produkt früherer – nur früherer? – theologischer Anmaßung. Man hat sich einen Katalog von Eigenschaften zurecht gemacht, die Gott zukommen müssten, und man hat so Gott vorgeschrieben, wie er zu sein habe. Ein Beispiel unter vielen ist die Gerechtigkeit: Wenn Gott gerecht ist, so wie Menschen sich Gerechtigkeit vorstellen, dann hat er Sünder unerbittlich zu strafen, Todsünder sogar mit dem ewigen Feuer der Hölle. Wie viel Ängste und Gewissensnöte sind durch einen solchen fixen Gottesbegriff angerichtet worden?
Doch Rahner benennt noch weitere Beispiele menschlicher Götzenbilder:
„Der süße Gott des Kindes – ist ein weiteres. Der enge Gott des bloß gesetzestreuen Menschen – ist ein anderes. Der gewusste Gott im Gegensatz zum