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Von der Beliebigkeit zum Idealen - Die Korintherbriefe: Eine heilsgeschichtliche Auslegung
Von der Beliebigkeit zum Idealen - Die Korintherbriefe: Eine heilsgeschichtliche Auslegung
Von der Beliebigkeit zum Idealen - Die Korintherbriefe: Eine heilsgeschichtliche Auslegung
eBook446 Seiten6 Stunden

Von der Beliebigkeit zum Idealen - Die Korintherbriefe: Eine heilsgeschichtliche Auslegung

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Über dieses E-Book

Diese Auslegung der Korintherbriefe des Paulus folgt nicht der kirchlichen Tradition, sondern dem biblischen Text und der historischen Wahrscheinlichkeit. Die Korinther Gemeinde stellt unter den ersten christlichen Gemeinden des ersten Jahrhunderts ein Muster dar für alle kommenden Kirchengenerationen. In ihr gab es alles, was es nicht geben durfte, aber auch alles, was eine lebendige Gemeinde auszeichnete. Und so findet man neben tiefstem Heidentum und Unmoral, jüdischer Gesetzlichkeit und griechischem Freigeist, ebenso Christuszentrierung und Heiligungsbestreben. Paulus provozierte die Juden mit Sonderlehren und stieß zugleich den traditionsfreudigen Nichtjuden vor den Kopf.
Erst Paulus versteht die ganze Fülle und Bandbreite der Erlösung durch Christus, dem auch ein falscher Eifer für die Torah nicht im Wege stehen darf. Das neue Evangelium von Paulus ließ auch die Nichtjuden verstehen, dass es im Kern für sie darum ging, den alten, sündigen Adam loszulassen mit seinen Gewohnheiten und Lüsten und auch die Selbstgerechtigkeitsbemühungen aufzugeben, die sich sogar hinter besonders frommen Werken und einer formalen Torahgerechtigkeit verbergen können.
Das Evangelium ist bei Paulus zwar ein Friedens- und Freiheitsangebot, aber es ist zugleich eine Konfrontation. Im Evangelium wird der sündige Mensch mit der unausweichlichen Wahl konfrontiert, sich von Gott zurechtbringen zu lassen oder es zum eigenen Unheil bleiben zu lassen.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum14. Mai 2018
ISBN9783746913773
Von der Beliebigkeit zum Idealen - Die Korintherbriefe: Eine heilsgeschichtliche Auslegung

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    Buchvorschau

    Von der Beliebigkeit zum Idealen - Die Korintherbriefe - Roman Nies

    Der erste Brief an die Korinther

    Vorbemerkungen

    Aus der Apostelgeschichte des Lukas wissen wir, wie es zu dieser Korinther Gemeinde paulinischer Prägung gekommen ist. Angefangen hat es damit, dass Paulus bei den aus Rom vertriebenen Juden Aquila und Priscilla wohnte. Da er am Sabbat wie üblich in die Synagoge ging, unterhielt er sich dort mit Juden und Griechen *1 und „überzeugte" sie (Ap 18,4). Aber erst als er „Verstärkung" durch Silas und Timotheus bekommen hatte, fing er an das Evangelium zu verkünden - ausdrücklich heißt es „den Juden" - „dass Jesus der Christus sei" (Ap 18,5). Damit verkündete er zunächst einmal das Gleiche wie die anderen Apostel. Juden mit ihren Lehransichten unter sich.

    Die Reaktion des Paulus auf die Verweigerung der Juden lässt darauf schließen, dass es zu einem handfesten Streit gekommen sein muss, denn sonst hätte Paulus nicht gesagt: „Euer Blut komme auf euren Kopf!" (Ap 18,6). Das ist eine harte Aussage. Wenn Gott Paulus das sagen und stehen lässt, ist das tragisch. *2 Man darf aber dennoch nicht die Verheißungen vergessen, die Paulus anderswo (z.B. in Röm 11,26) gemacht hat. Sie belegen, dass die „Verwünschung" nichts an der Rettung Israels ändert und demzufolge nur bedeuten kann, dass ein schweres Gericht Israel bevorsteht. Durch Gerichte bewirkt Gott Haltungsänderungen. Heilsgeschichtlich haben Gerichte an einzelnen und an Gemeinschaften vielfache Auswirkungen, oft auf verschiedenen Ebenen und zu verschiedenen Weltzeiten.

    Was Paulus anbelangt, trifft er in Bezug auf seine Juden eine folgenschwere Entscheidung: „von jetzt an werde ich zu den Nationen gehen." (Ap 18,6) Und das, obwohl viele Juden zum Glauben kamen, aber eben nicht alle! Und auch Nichtjuden kamen zum Glauben an den Messias Israels, denn: „viele Korinther, die hörten, wurden gläubig und ließen sich taufen". (Ap 18,8) Insgesamt blieb Paulus „ein Jahr und sechs Monate" in Korinth „und lehrte unter ihnen das Wort Gottes". Man muss festhalten, das „Gläubigwerden" beinhaltete zunächst einmal nur das Fürwahrhalten, dass Jesus Christus der Messias Israels und damit auch der kommende König der ganzen Welt und aller Nationen sein würde, und dass Er das für alle Menschen geopferte Lamm Gottes ist, zur Vergebung der Sünden. Die Vergebung der Sünden war das zentrale Thema des Judentums. Der gesamte Gebets-, Tempel- und Opferdienst kreiste um dieses Thema. Wie werde ich meine Sünden los, um vor Gott gerecht dastehen zu können. Für die Juden außerhalb Israels war das, was die Jünger Jesu und Paulus lehrten in der Hinsicht reizvoll, als man sich die Pilgerreise nach Jerusalem, um dort am Tempel zu opfern, sparen konnte, wenn dieses neue Evangelium stimmte. Aber wenn man einem Menschen große Geschenke macht, ist er zuerst einmal misstrauisch. Irgendwo gibt es einen Pferdefuß oder eine Fußangel. Noch bedenklicher ist aber folgendes: Das sich beschenken und begnadigen lassen darf nicht in Konkurrenz stehen mit dem Selbstbehauptungswillen und auch nicht einhergehen mit einer Demut, die in Demut ungeübte Menschen leicht mit Demütigung verwechseln können. Zunächst einmal hörte sich das neue Evangelium gut an, aber dann lernte man, dass es im Kern damit zu tun hatte, den alten Adam loszulassen mit seinen Gewohnheiten und Lüsten, was gerade den Korinthern nicht leicht gefallen sein dürfte, das alte Ich zu verleugnen und das Leben auch da aufzugeben, wo es nicht gleich als sündig zu erkennen war. Wenn man mit Jesus ernst machte, musste alles andere in die zweite Reihe oder sogar ganz verschwinden. Das predigten die Jünger Jesu und Paulus ohne Unterschied. Man musste ihnen nur lange genug zuhören und dann war das zuerst geweckte Interesse und die anfängliche Begeisterung für das neue Evangelium verflogen und die alten Üblichkeiten kamen wieder durch. So muss es bei vielen gewesen sein. Das sind mehr als nur Vermutungen, denn die gleichen Prozesse finden sich heute immer noch bei dem Volk, das mit dem Evangelium konfrontiert wird. Das Evangelium ist zwar ein Angebot, ein Friedens- und Freiheitsangebot, aber es ist zugleich eine Konfrontation. Im Evangelium wird der sündige Mensch mit der unausweichlichen Wahl konfrontiert, sich von Gott zurechtbringen zu lassen oder es bleiben zu lassen.

    Die Apostelgeschichte zeigt, dass Paulus bei den Juden nur zum geringen Teil auf Gegenliebe für seine Botschaft stieß. Es kam zu starken Anfeindungen mit den Juden. Die meisten Juden lehnten die Lehren von Paulus ab. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Paulus ist vielleicht sogar der meist gehasste Jude für die Juden. Diese Anfeindungen können darauf zurückzuführen sein, dass Paulus Jesus Christus als Messias verkündete. Aber in Jerusalem haben die Jünger viele Jahre genau diese Botschaft vom Gottessohn und Messias Israels Jesus Christus verkündet und sie blieben dabei weitgehend unbehelligt. In Anbetracht der Tatsache, dass sich die Gemeinde in Jerusalem jahrzehntelang hielt und in der Apostelgeschichte, ebenso wie in den außerbiblischen Überlieferungen nicht von mehr Verfolgungen berichtet worden ist, als die bekannten, nimmt sich das Ausmaß der Verfolgung vergleichsweise minimal aus. Letzten Endes reduzierte sich für viele Juden, das Interesse an einer Reaktion auf das Evangelium der Jünger Jesu auf die Frage: Was gehen uns die peinlichen Vorkommnisse um einen gekreuzigten Wanderprediger in Jerusalem an? Herzlich wenig! Das galt erst recht für die hellenischen Juden! Für sie waren die Apostel nur Wanderprediger, die behaupteten, dass der Messias endlich gekommen war.

    Doch Paulus begnügte sich nicht mit der Wiederholung dieser Behauptung. Daher muss man annehmen, dass der größere Streitpunkt für die Juden die Lehre war, dass die Torah nicht mehr oberstes Ziel der religiösen Praktik für einen Juden war und das Missverständnis, dass Paulus lehrte, die Beschneidung sei kein Zeichen für das Volk, das Gott auserwählte. Jesus war für die meisten ein galiläischer Rabbi, dessen Jünger ihn zum Messias erklärt hatten. Jesus war tot. Aber Paulus war lebendig und verkündete im Bereich des hellenischen Judentums etwas, was man als traditionell unjüdisch oder sogar, wenn man Paulus fehlinterpretierte, als anti-jüdisch bezeichnen muss. Das war nicht akzeptabel. Und auch das ist heute noch so. Wenn Lukas davon schreibt, dass die „Juden einmütig gegen Paulus aufstanden", muss es sich um die Mehrheit der Juden gehandelt haben, die ihn vor den Prokonsul von Achaea schleppten und ihn verklagten: „Dieser überredet die Menschen, entgegen dem Gesetz Gott anzubeten." (Ap 18,13) Entgegen dem Gesetz! Also entgegen der Torah, so wie die Juden die Torah verstanden: Das heilige Gesetz Gottes für die Juden. Auch die Juden waren ungeduldig genug, um das, was sie sprachlich als „Olam, verdunkelte, langwährende Zeitdauer, verstanden hatten, in eine Gültigkeit, die immer währt, damit man eine verlässliche, stabile Ordnung hatte, zu verwandeln. Es ist interessanterweise nicht nur der menschliche Wunsch, einen festen Grund zu haben, auf den man bauen kann, sondern auch die menschliche Ungeduld, die ihn dazu bringt, etwas, was zeitlich begrenzt ist, zu verewigen. Schon ein kleiner Schnupfen offenbart die Ungeduld des Menschen. Er protestiert gegen dieses Ungemach, indem er sagt: ich habe diese „laufende Nase schon ewig, nur weil sich nach drei Tagen noch keine Besserung gezeigt hat. Die Torah ist kein Schnupfen, aber sie hat ähnlich wie die Sekretabsonderung des menschlichen Körpers bei Fremdkörperbefall die heilsame Funktion, den Menschen auf den Weg der Besserung zu bringen, ohne selber die Besserung zu sein, freilich auch, ohne selber das Übel zu sein, auch wenn es als solches wahrgenommen wird. Auch die Torah ist ein Mittel zur Besserung, ohne die Besserung und ohne von Übel zu sein. Wenn der Körper heil ist, braucht er keine Mobilisierung der Abwehrstoffe und Sekretabsonderung. Sie währt nicht für immer. Wenn der Mensch in Christus heil geworden ist, braucht er die Torah auch nicht mehr, denn sie ist nur für die, die gegen sie und gegen den Willen Gottes verstoßen (Röm 3,19). Und so hat die menschliche Ungeduld etwas für ewig erklärt, solange die Heilung noch in weiter Ferne scheint. Mit dem Begriff „Olam" ging es den Juden und Christen ganz ähnlich. Da die Torah für „olam" gegeben ist, gilt sie für immer, erklärt man, wohl wissend, dass der Begriff „olam" das nicht, alles andere ausschließend, hergibt, sonst wäre Jonah für immer im Bauch des Fisches gewesen (Jon 2,7) *3 Die Torah wird also, ob bewusst oder nicht, in einen göttlichen Stand versetzt. Folgerichtig wird dieser Götzendienst fortgesetzt, indem manche das „für immer" nach vorne verlängern. Die Torah existiere wie Gott schon immer, wie einige Juden allen Ernstes glauben. Auf eine Absurdität folgt die nächste. *4 Wohlgemerkt wird Paulus nicht angeklagt, Jesus zum Messias gemacht zu haben, sondern die Menschen zu überreden „entgegen dem Gesetz" Gott zu verehren, also gegen die Torah anzugehen. Leider verrät Lukas nicht, ob die Menschen, die Paulus angeblich Irrlehren beibrachte, nur Juden oder auch Nichtjuden waren. Aber auch hier gilt, die hellenistischen Juden sorgten sich nicht sonderlich um das Seelenheil der Nichtjuden. Hätte das ausgerechnet in Korinth anders sein sollen als anderswo? Korinth war für damalige Verhältnisse eine Großstadt, eine der größten im Römischen Reich. Was den moralischen Standard anbelangte, hätte ein frommer Jude sie eher mit Sodom und Gomorrha verglichen. Den Juden hätte es gleichgültig sein können, wenn Paulus Nichtjuden so lehrte wie sie es ganz gewiss gegenüber Juden beanstandet hätten. Aber die Situation war so, dass in die Synagogen auch Nichtjuden kamen. Was immer Paulus den Nichtjuden predigte, hörten auch die Juden, und was er den Juden zu sagen hatte, bekamen auch die Nichtjuden mit, sofern sie mit den Juden verkehrten und in deren Synagogen Besucher waren.

    Was Paulus zu sagen hatte, war eine Botschaft, die so noch nie gehört worden war, denn bisher musste sich ein Nichtjude, wenn er den Gott Abrahams wie ein Jude anbeten wollte und mit den Juden in den Genuss der Verheißungen kommen wollte, sich beschneiden lassen und dann natürlich die ganze Torah halten. Oder zumindest sich zur Torah bekennen, denn tatsächlich gab es keinen einzigen Juden, außer Jesus, der die ganze Torah halten konnte. Der alte Adam ist torah-inkompatibel. Der alte Adam ist ein durch die Torah Getöteter. Er bleibt so lange tot, wie er in Jesus Christus nicht aufersteht.

    Es war für einen Juden nicht einzusehen, warum sich an dem Verhältnis Gottes zum Menschen und insbesondere zum Juden etwas ändern sollte, selbst wenn der Messias gekommen sein sollte. Ganz im Gegenteil, der Messias, das wusste man, würde die ganze Torah halten. Also würden auch seine Getreuen die Torah halten und nichts anderes lehren. Nach jüdischer Tradition herrschte der Glaube vor, dass der Messias die Torah vorbildlich einhalten würde. Und das tat Er ja tatsächlich, als Er dann kam. Aber wenn man schon die Torah nicht richtig in Bezug auf ihre Stellung, ihre Bedeutung und ihren Imperativ nicht richtig erkannt hat, dann kann man auch den, der die Torah nicht nur richtig verstanden hat, sondern auch tadellos umgesetzt hat, erst Recht nicht verstehen. Alles was Paulus dagegen zu sagen hatte, konnte nur falsch sein.

    Die Juden haben Jesus Christus nicht angenommen, weil sie die Torah nicht richtig verstanden haben.

    Damit soll gesagt sein, dass die Missverständnisse über die Torah ausreichen können, dieses Resultat zu erzielen. Selbstverständlich kann es viele weitere Gründe geben, Jesus Christus nicht anzunehmen. Aber wenn man sich einen Götzen schafft, ist es schon wegen dieses Götzen schwer, sich zu Gott zu bekehren. Die Geschichte Israels im Alten Testament illustriert das aufs Deutlichste. Aber, was die Juden nicht anerkennen ist, dass der Götzendienst auch die letzten zweitausend Jahre fortgesetzt wurde. Die Götzen sind nicht Gottwesen des alten Babyloniens, sondern Götzen, die raffiniert getarnt sind. Die Juden haben sie selber getarnt. Einer davon ist die Torah, ursprünglich eine Gabe Gottes, die in der Hand und in der Stirn der Juden, aber auch des Kirchenchristentums zu einem künstlichen und missverständlichen Wesen hochstilisiert wurde, welchem manche frommen Juden gestatten ihr Leben zu beherrschen. Für die überwiegende Zahl der religiösen Juden ist die Torah aber in der Hauptsache eine Orientierung zu Gott hin. Das ist auch eine Funktion, die die Torah haben soll.

    Für die Judenfunktionäre und Haushälter des Judentums war ein Zuwachs der Gemeinde durch Proselyten durchaus erstrebenswert, weil das mit mehr Einfluss, mit mehr Macht und mehr Geldzuwachs verbunden war. Jesus kannte das und kommentierte die Folgen kritisch: „Denn ihr durchzieht das Meer und das trockene Land, um einen Proselyten zu machen; und wenn er es geworden ist, so macht ihr ihn zu einem Sohn der Hölle, doppelt so schlimm wie ihr." (Mt 23,15)

    Es ist nicht anzunehmen, dass Paulus den Juden verkündet hat, dass sie nicht mehr die Torah zu halten hätten, sonst wäre genau das der Vorwurf gewesen. Aber Paulus lehrte ja die „Menschen", heißt es ausdrücklich in Ap 18,13, also diejenigen, die sich Gott gegenüber am Tag des Gerichts verantworten mussten. Dass es Juden gab, die Paulus zu Unrecht auch noch verklagten, dass er den Juden die Torah abspenstig machen wollte, war unvermeidlich. Aber diese Anklage war nicht tragfähig.

    Die Juden verstanden bei allem Eifer für die Torah die heilsgeschichtlich umfassende Verkündigung von Paulus nicht. Ihr Fokus war auf Israel und das kommende Gottesreich gerichtet. Wenn Paulus etwas verkündete, was darüber hinausging, oder was davon abzuweichen schien, musste es aus Sicht des streng über die Einhaltung der religiösen Sitten und Gebräuche wachenden Judentums, zu verurteilen sein. Mit der gleichen Logik, wurden auch im Kirchenzeitalter Lehren, die über das Anerkannte hinausgingen, abgelehnt. Die Gemeinde in Korinth hat Paulus sehr lange bei sich gehabt und den Juden gelang es vorerst nicht, erfolgreich gegen Paulus und seine Lehren vorzugehen. Aber seine Proklamation, dass er sich wegen der Taubheit der Juden den Nationen, also den Nichtjuden zuwenden würde, lässt die Möglichkeit offen, dass die Korinther, die er in seinen beiden Korintherbriefen anschreibt, zu einem beträchtlichen Teil zwar Nichtjuden gewesen sein können, dass er aber gerade den Juden ebenso deutlich mitteilen wollte, dass sich die Verweigerung der großen Mehrheit des jüdischen Volkes, dem Evangelium zu glauben, schwerwiegende Konsequenzen nach sich ziehen würde.

    Die große Beschämung

    1 Kor 1,12-13.17-18.21-23.27-29; 2,2.6-7.9-11.14-16; 3,2

    In seinem ersten Brief an die Korinther mahnt Paulus an, dass sie sich nicht darüber streiten sollten, wessen Anhänger man in Glaubensfragen sein sollte. Er zählt einige auf, darunter auch Petrus („Kephas"), bei denen klar ist, dass sie zur Glaubensgemeinschaft derer, die an Jesus Christus glauben, dazugehören.

    Inwiefern deren Verkündigung sich untereinander unterschied, erfährt man nicht. Es wäre aber falsch, daraus zu folgern, dass es darum nicht gegangen wäre in der gegenwärtigen Streitlage. In Korinth legte man anscheinend viel Wert darauf, vom „richtigen" Mann getauft zu werden (1 Kor 1,13). Paulus tritt dem entgegen und argumentiert, dass es nicht darauf ankäme, von wem man getauft worden sei. In Vers 17 kommt aber deutlich zum Vorschein, dass die Taufe – gemeint ist die Wassertaufe – ohnehin keinen hohen Stellenwert bei Paulus hat. Der Grund ist für alle, die Paulus kennen, klar. Allein das Aufgenommen- und Hineingekommensein in Christus ist entscheidend. Das ist eine geistliche Angelegenheit zwischen Gott und dem Menschen. Umso erstaunlicher ist, dass so viele christliche Glaubensgemeinschaften nicht nur sehr viel Wert auf die Wassertaufe legen und erwartungsgemäß untereinander stark zerstritten sind, wie diese Taufe genau vollzogen werden soll, sondern sie halten es auch für eine Bedingung der Rettung. Das heißt also, dass es Kirchen gibt, die nicht allein in Christus die Rettung sehen, sondern auch im Vollzug bestimmter Riten, die der Mensch ableistet oder nicht. Also auch wieder eine Erlösung durch Werke. Das Erstaunen legt sich aber, wenn man sieht, dass die Kirchen zum Teil eine Theologie entwickelt haben, die am Wesentlichen vorbeigeht. Das kann aber nicht überraschen bei Kirchen, die ohne den heiligen Geist dazu verdammt sind, sich in den üblichen menschlichen Hervorhebungen in Bezug auf Unwichtiges und Irrtümer und in der Vernachlässigung in Bezug auf Wesentlichem und unbedingten Wahrheiten zu ergehen. Im Kindergarten liest man Kinderbücher mit einfachen Lebensweisheiten und das Leben vereinfachten Abbildungen. In Kirchen, wo es noch nicht zu viel geistlichem Wachstum gekommen ist, herrschen das Rituelle und Sinnbildliche vor, bei dem im ungünstigsten Fall der Verselbständigung des ursprünglichen Gedankens in eine andere Denkrichtung der Sinn nicht selten eine strukturelle Nähe zum Unsinn hat und oft ein heftige Gegenreaktion der Vernunft hervorrufen müsste, wenn diese nicht vom Religionseifern überlagert wäre. Oft werden einfache Wahrheiten dargestellt, die in der höheren Schule Grundlagen sind, die nicht mehr erwähnt werden müssen, aber auf denen aufgebaut worden ist.

    Aber was hier an der Stelle der Kern des Problems war, ist dies: Anscheinend gab es bei den Brüdern die Auffassung, dass Petrus oder Apollos etwas anderes lehrten als Paulus (1 Kor 1,12). Paulus bestätigt das nicht ausdrücklich. Stattdessen mahnt er an, dass man sich auf Christus, den Gekreuzigten besinnen soll. Und so stellt er klar: „Denn Christus hat mich nicht ausgesandt zu taufen, sondern das Evangelium zu verkündigen" (1 Kor 1,17). Man merke: für Paulus gehörte das Taufen nicht notwendigerweise zum Inhalt seines Evangeliums. Noch deutlicher gesagt: Paulus predigte nicht oder nicht immer: „Lasst euch taufen!", weil es nicht zu seinem Evangelium dazugehörte, zumindest nicht zu seiner Schwerpunktverkündigung. Es gehörte aber zweifellos zur Verkündigung von Petrus und den anderen Aposteln, denn sie standen in der Tradition von Johannes dem Täufer und der Verkündigung des messianischen Reiches.

    Auch Paulus steht gegenüber den Juden in dieser Tradition, aber er geht mit seiner Botschaft noch darüber hinaus, weil er - das liest man überall in seinen Schriften heraus, sich als ein aufklärender Gegenüber für die Nichtjuden betrachtete. Wie kam er dazu? Durch den Auftrag, den er vom auferstandenen Christus bekommen hat. Die anderen Apostel haben diesen Zusatzauftrag nicht bekommen. Und so kreuzen sich die Wege der Apostel auch nur selten und sie kommen sich nicht ins Gehege. Das führte der Oberhirte so. *5 Aber andere, die weder bei den Predigten von Jesus, noch bei den Predigten von Paulus dabei waren, konnten das nicht auseinander halten. Und deshalb wurde Paulus auch immer wieder angegriffen, nicht nur von ungläubigen Heiden und Juden, von denen jeder seine eigenen guten Gründe dafür hatte, sondern auch von Glaubensgeschwistern. Glaubenskämpfe sind keine Erfindung späterer Zeiten. Sie gehen aber immer einher mit der Entfaltung menschlicher Eifersüchteleien, wenn sie nicht ganz aus ihnen bestehen.

    Die Streitereien innerhalb einer Glaubensgemeinde von Juden und Nichtjuden, kommen immer auch wegen der verschiedenen Schwerpunktsetzungen im Prozess der Erkennens- und Glaubensgewinnung. Griechen haben einen anderen kulturellen Hintergrund und einen anderen religiösen Horizont als Juden. Vereinfacht könnte man im Hinblick auf die Geistesgeschichte sagen, die griechische Philosophie ist kopflastig, die jüdische Theologie kommt von Herzen. Allerdings nicht wie es wünschenswert wäre. Nach der Bibel ist ja das Herz der Sitz der Vernunft, der Weisheit, des Urteilsvermögens. Aber solange das Herz selbstsüchtig und unbekehrt ist, kommt auch vieles aus dem Herzen, was man „steinern" und böse nennen muss. Mit Herztheologie ist gemeint, dass man immer in seine Überlegungen Gott und die gesamte Schöpfung einzubeziehen versucht und darin einen ganzheitlichen Ansatz gefunden zu haben glaubt, der auch in Richtung auf das Ziel, das Gott mit der Schöpfung hat, hinzudenken lässt. Griechen versuchen über das natürliche, rationale Denkvermögen die Dinge wie sie mit den Sinnen, einschließlich des Denksinns, erfahrbar sind, zu verstehen. Das abendländische Denken ist von beiden Seiten, dem Griechentum bzw. Hellenismus und vom Judentum beeinflusst und geleitet. Während man stolz ist auf die Wurzeln im alten Griechentum, neigt man dazu die jüdischen Wurzeln zu leugnen. Das kommt daher, weil die Griechen das Heil mit Hilfe des menschlichen Vermögens zu erringen suchten, während das Heil bei den Juden in der Hinwendung zum wahren Gott liegt. Mehr noch, das Heil kommt von den Juden (Joh 4,22). Das zu behaupten, ist ein Affront für die Griechen, die sich auf ihr Gelehrtentum etwas einbildeten. Und noch nicht einmal zu unrecht. Die alten Griechen waren sogar so klug, dass sie bemerkt haben, dass es einen ihnen noch unbekannten Gott geben könnte, der für all das verantwortlich sein könnte, was sie bisher noch nicht über die Welt verstanden hatten (Ap 17,23).

    Der Antichrist, d.h. jeder, der im Herzen Anti-Christi ist, ist im Kopf gerne ein Grieche. So stammen auch viele Weltanschauungen und Denkansätze, vor denen in der Bibel gewarnt wird, aus dem alten Griechenland. Dazu gehört beispielsweise auch ein Vorläufer der darwinistischen Evolutionstheorie, welche nichts anderes ist als eine wieder aufgewärmte griechische Denkweise, angereichert mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen, die immer gerade so gedeutet werden, dass sie der Theorie entsprechen, während man Fakten und Daten, die nicht in das Denkschema passen, geflissentlich ignoriert.

    Der Jude weiß, dass man wahre Erkenntnis, insofern sie eine Deutung erfordert, nur durch Offenbarung bekommt, wenn eine innerweltliche Wissensquelle nicht zur Verfügung steht. Das ist bei allen Fragen der Fall, die über die innerhalb der Schöpfung erfahrbaren Nachweise hinausdeuten. Vom Sinnlichen ist das Übersinnliche nicht zu erfassen. Das sind alles Fragen, die den menschlichen Geist und Gott betreffen. Lebenswirklichkeiten und Lebensmöglichkeiten, denen man die Existenz nicht absprechen kann und von denen alle Menschen Zeugnis ablegen. Jeder tut so, als habe er einen Geist, ob er ihn verleugnet ist eine andere Sache. Alle Versuche übersinnliche Erfahrungen innerhalb der Schöpfung ursprungsbegründet zu verorten, sind fehlgeschlagen. Dieser Widerstreit der verschiedenen Denkansätze und Deutungshoheiten findet sich auch heute noch im Denken der Kirchen. Unter dem Einfluss der Aufklärung, die sich sogar selber rühmte, das alte Griechentum wieder zu beleben, gingen die Philosophen und Theologen immer mehr dazu über, der Offenbarung Gottes zu misstrauen, weil sie ihrer eigenen Vernunft mehr zutrauten. Dabei verschob sich das Interesse dessen, was man für glaub-würdig hielt immer mehr zugunsten des kritischen Hellenismus. In Folge davon kam es zu Bibelkritik und zum Abfall vom biblischen Glauben. *6

    Dabei hat Immanuel Kant die Begründbarkeit des Zweifels an Gott auch für Nichttheologen widerlegt. Er zeigte die Grenzen der menschlichen Vernunft als Denknotwendigkeit auf. Für Kant war klar, dass eine Offenbarung Gottes dann vorliegt, wenn es eine Grenzüberschreitung vom Jenseitigen, Übersinnlichen hinein in das Geschöpfliche, also unsere Wahrnehmung hinein gibt. Die Behauptung „Gott existiert nicht!" ist deshalb nicht haltbar, da es sich bei Gott um ein Sein handelt, das auch bei Unerkennbarkeit existieren kann. Wenn Gottes Existenz nicht widerlegbar ist, ist nichts, was man zu dem Bereich Seiner Transzendenz rechnen kann, widerlegbar. Damit sind aber auch Wunder denkbar. Und dann kann auch Sein Wort, soweit es Sein Wort ist, nicht widerlegt werden und jede Kritik daran ist unvernünftig. *7 Zu Kants Zeiten galt der Atheismus noch als Kuriosum und intellektueller Selbstmord, sowohl logisch-erkenntnistheoretisch als auch existentiell-persönlich. *8 Die historisch-kritische Theologie, die ab dem 20. Jahrhundert die Akademien beherrschte oder zumindest stark beeinflusste, steht für das vorläufige Ende dieser Sackgassenentwicklung, die bei der Unvernunft angefangen hat, von der Nichtexistenz oder Nichteinmischung von Gott in Seine eigene Schöpfung zu denken, obwohl doch Gott nach Seinem Wort die Schöpfung zu Seiner Verherrlichung geschaffen hat. Er behält also denknotwendig das ureigene Interesse an Seiner schaffenden Präsenz in der Schöpfung. Das nicht wahrhaben zu wollen, ist dogmatischer Unglauben, der zwei schwerwiegende Folgen hat. Man verunehrt Gott und zugleich sich selbst. Verunehrung ist eine Verschmutzung, eine üble Nachrede, eine Schlechtmachung, ein Verfälschen von Gottes guten Absichten gegenüber den Menschen. Der Mensch hat seine Würde zum Menschsein ausschließlich durch Gottes Wertschätzung. Gott erschafft den Menschen, ruft ihn zu sich, erlöst ihn von allen Unfreiheiten und bringt ihn zur Vollendung. Das verleiht dem Menschen Würde.

    Gottes Ziele sind ehrbar, Seine Mittel und Wege auch. Unabhängig davon wie unehrbar und würdelos die menschlichen Zwischentöne im Universum erzeugt werden. Der Darwinismus ist so ein Zwischenton, jegliche andere Form des atheistischen Fürwahrhabenwollens, auch der Naturalismus, der Materialismus. Materie hat keine Würde und bleibt ohne Würde. Sich von Gott zu entfernen, bringt die geistliche Verkümmerung mit sich, ob man dazu einen Sozialismus oder Feminismus oder Konsumismus vertritt, bleibt sich gleich. Wer Gott aus seinem Leben verbannt, verarmt seine Seele und verliert ihre Mitte, man gerät aus dem Gleichgewicht und fällt unaufhaltsam. Man lebt eine Hysterie des Scheiterns. Der Atheismus hat mit dem Verfall des Vertrauens in Gott gemein, dass er synergetisch schwankt zwischen freiwilliger Erblindung und geistlicher Erkrankung *9 Kant kritisierte, beinahe prophetisch, ausgerechnet die Auffassung, dass man der Natur eine Allherrschaft zuerkennen könnte, wie man es im Darwinismus tut. *10 Zu seiner Zeit gab es noch keinen expliziten Darwinismus.

    Wenn man auch konstatieren kann, dass der Atheismus in der westlichen Gesellschaft absehbar eine Niedergangskultur angestoßen hat, die auch die Kirchen und den Umgang mit Gottes Wort erfasst hat, so ist das Ende der Abwärtsentwicklung doch noch nicht erreicht. Das endgültige Ende ist aber auch schon erkennbar, es ist schon da und breitet sich nur noch weiter aus. Es ist der Abfall vom christlichen Glauben an den Gott der Bibel. Gerade hieran kann man erkennen, wie stufenartig die westliche Gesellschaft aufgebaut ist. „Christlicher Glauben und „biblischer Glauben sind nicht das Gleiche. Das Christentum hat sich verwurzelt und ausgebreitet und vieles durchdrungen. Es hat eine moralische und missionarische Kraft an sich, ebenso wie der Torahglauben. Das Christentum hat alle Gesellschaftsbereiche befruchtet und sich in vielerlei Hinsicht segensreich ausgewirkt, weil immer wieder gläubige Christen ihre Schaffenskraft und ihre Inspiration in den Fortschritt eingebracht haben. Man denke nur einmal an das Rote Kreuz. Es sind viele Dinge geschehen, für die man gute Gründe anführen kann, sie als größere Wunder zu bezeichnen als sie Jesus vollbracht hat. Es sei denn man sieht im Handeln der Jesusnachfolger auch immer die Handschrift ihres Herrn, dessen verlängerter Arm sie waren. Auf der anderen Seite gibt es die Abscheulichkeiten, die im Namen des Christentums von Kirchenchristen begangen worden sind. Das Christentum hat sich immer wieder vor größeren Errungenschaften ausgebremst, ist zu vermuten, und wechselte immer wieder das Lager zu einem anderen Herrn. Heute macht man es sogar ganz offen und unverschämt. *11

    Während es in den vergangenen Jahrhunderten immer eine breite Übereinstimmung über viele Aspekte des christlichen Glaubens und der christlichen Lebensweise gab, ist diese im 20. Jahrhundert immer mehr im Zerbruch. Sie hat sich inzwischen schon sehr weit zu Beginn des 21. Jahrhunderts aufgelöst, so dass man von einem unvergleichlichen „Abfall vom christlichen Glauben" und erst Recht von einem Abfall vom Glauben an den Schöpfergott der Bibel, der ja in erster Linie immer als moralisch verpflichtender Gott verstanden worden ist, reden kann. Es handelt sich also eher um den Abfall vom Glauben an den biblischen Gott, das ist der Gott, der war und ist und sein wird, weniger von einem wie auch immer zu definierenden „christlichen" Gott. Der Abfall betrifft Christen und Juden, weil nur Christen und Juden mehr vom wahren Gott, der Himmel und Erde erschaffen hat, wissen können, als das bloße Wissen, dass Er Himmel und Erde erschaffen hat. Dass der Abfall von jeglichem Glauben an den biblischen Gott zunimmt, erkennt man daran, dass von Seiten des Kirchenchristentums abgestritten wird, dass der Gott der Bibel die Himmel und die Erde erschaffen wurden. Paulus hat das an anderer Stelle im Römerbrief (Röm 1,18ff) bereits ausgeführt. Dass einmal zu den Gottlosen, die anstelle Gottes natürliche Ursachen für die Entstehung und Bewahrung der Schöpfung annehmen, auch erklärte Nachfolger Jesu Christi, also eben genau dieses Schöpfergottes geben würde, hätte er sich sicher nicht vorstellen können. *12

    Nicht nur der Zweifel an Gottes Schöpferkompetenz ist weit verbreitet. Inzwischen gibt es auch viele, die sich zwar als „Christen" bezeichnen, aber weitere Kompetenzen des biblischen Gottes anzweifeln. Z.B., dass Er der Herr über Leben und Tod ist. Das sind die Sadduzäer-Christen. Sie glauben nicht an die tatsächliche, leibliche Auferstehung Jesu von den Toten. Nur das ist aber der echte Christus, der auch auferstanden ist. Und so kann auch nur der ein „echter" Christ sein, der an den auferstandenen Christus glaubt. Neben den Sadduzäer-Christen, die nur an das Diesseitige glauben, an die Macht der Materie und des Zufalls, was ein machtvolles, steuerndes Eingreifen von Gott nicht braucht, weshalb sie einen deistischen Gott anbeten, gibt es die Pharisäer-Christen. Sie halten den Glauben und die Moral nur dem Schein nach aufrecht. Beim Aufrechterhalten sind sie auch noch gesetzlicher als der Papst. Und dennoch verleugnen sie Gott durch ihre scheinheiligen und antichristlichen Werke.

    Nur der auferstandene Christus ist der echte Christus. Jeder andere, den man sich vorstellt, ist es nicht. Jeder andere ist ein Anti-Christus und die, die an ihn glauben, sind Anti-Christen, denn sie haben anstelle des biblischen Glaubens, also anstelle des Fürwahrhaltens der Bibel, einen anderen Glauben gesetzt. Das gleiche gilt für den Glauben an den Vater, denn er kann nicht vom Glauben an den Sohn getrennt werden. Jeder leugnet den Vater, der in Ihm nicht den Vater des Gottessohnes sieht. Und das wird vom Apostel Johannes als antichristlich markiert (1 Joh 2,22-23). Und deshalb ist nicht nur der Islam der Anti-Christ, sondern viele Kirchenvertreter gehören dazu. Es sind sogar viele der Kirchenoberen. *13 Sie leugnen den Vater und den Sohn ebenso wie die Oberen des Judentums zu Jesu Zeiten, weil sie unter Vater und Sohn jemand anders verstehen als die, die biblisch offenbart worden sind. Paulus hat sich ebenso wenig wie die anderen Apostel in diese Sackgasse hineinmanövrieren lassen, wo man nicht der real existierenden Offenbarung Gottes folgt, ein Wort, dass seit Jahrtausenden genauer bewahrt worden ist, wie jedes Menschenwerk, sondern menschlichen Überlegungen. Die Jünger Jesu und Paulus hatten ihre privaten, persönlichen Gottesstunden erlebt und damit verstanden, dass immer da, wo Gott persönlich in den Lauf der Geschichte eingreift, Offenbarung geschieht, die völlig unabhängig ist von den physikalischen Regelkreisläufen von Ursache und Wirkungen und daher auch nicht für die Menschen messbar ist. Sie ist aber erlebbar und erfahrbar. Diese Thematik greift Paulus hier im ersten Korintherbrief auf. Es geht hier um ganz Grundsätzliches.

    „Denn während Juden Zeichen fordern und Griechen Weisheit suchen ..." (1 Kor 1,22). Paulus kann den Juden, die zurecht mit der Faktizität der Offenbarung rechnen, keine Privatoffenbarung Gottes zusagen. Die Offenbarungen sind zuhauf bereits geschehen. Das Alte Testament ist voll davon und bezeugt sie. Man kann ihre Tatsächlichkeit nur im Unglauben bestreiten. Das Leben und Wirken des Messias Jesus Christus ist ebenso hundertfach bezeugt und bestätigt. Ein nichtgläubiger Jude kann also nicht nach weiteren Offenbarungen verlangen und auf weitere Wunder warten, denn alles, was durch sie bezeugt werden könnte, ist bereits bezeugt. Und die Griechen müssen verstehen, dass ihr Konzept von der menschlichen Vernunft, die eine Wirklichkeit jenseits ihrer gedanklichen Grenzen, nicht annehmen will, die Wirklichkeit nur unzureichend wiedergibt. Das ist der Fehler im Denken aller neuzeitlichen, seit der Moderne auftretenden Philosophen und Theologen, dass sie nur mit einer Wirklichkeit zu rechnen bereit sind, die von ihrem Urteilsvermögen in irdischen Graden ausgemessen werden kann. Länge, Breite, Höhe, das sind ihre drei Dimensionen. Dazu noch die Zeit, die sie schnell aus dem Blick verlieren. Da wird es schon relativ und daraus wird gefolgert, dass geistige Realitäten auch nur relativ sind, obwohl doch der Geist an diese vier Dimensionen gar nicht gebunden ist. Jedenfalls bestätigt das die Bibel. Es ist dieses moderne Denken ein Denken, das nicht bereit ist, dem vermessenen Gedanken entgegenzutreten, dass es ein Darüberhinaus nicht geben darf, weil es die Begrenztheit des Menschen und damit die Beschämung des Menschen zeigen würde. Wer seine Gedanken nur an dieser Welt will messen, hat sich mit Gott bereits vermessen.

    Paulus verdeutlicht, sein Evangelium soll weder die Griechen noch die Juden zufrieden stellen, denn das Ärgernis und die Torheit des Kreuzes bleiben bestehen (1 Kor 1,23). Er will nur den Gekreuzigten predigen (1 Kor 2,2). Er weiß ja, wen der Geist Gottes berührt, der versteht seine Predigt und kann ihr Glauben schenken.

    Wichtig ist nicht, ob das Evangelium Ärgernis verhindert oder den Verstand befriedigt. Er selber hatte sowohl als Jude Ärgernis genommen an diesem Evangelium, als auch ein Unbehagen für seinen Intellekt verspürt. Durch Offenbarung ist er aber dem auferstandenen Christus begegnet. Seither ist der Ärger dem Verständnis gewichen, dass der Messias Jesus Christus ist und dass Er ans Kreuz musste, denn sonst hätte Er die Menschen nicht retten können, retten auch von ihrer endlosen pathologischen Verstrickung in einen Lebensentwurf der Beschämungsverhinderung. Weil die Menschen Experten darin sind, sich weiter zu beschämen, indem sie versuchen, die Beschämung vor Gott zu verbergen, entgeht ihnen auch, dass sie so niemals ihren Intellekt befriedigen können. Das gelingt nur denen, die zu begreifen beginnen, dass Gottes Plan zu Seiner Verherrlichung die Schöpfung zu vollenden, Schritt um Schritt zur Ausführung gelangt und dass alles auf höchst wunderbarer Weise diesem Ziel untergeordnet ist. Das war auch für Paulus eine entscheidende Erkenntnis, die bei seiner Glaubenswende auftauchte.

    Paulus schreibt den Heilsweg allein Gottes Kraft zu (1 Kor 1,18). Was meint er, wenn er sagt: „Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht?" (1 Kor 1,21) Er zitiert dazu aus dem Alten Testament. Dort heißt es bei Jesaja: „Ich will die Weisheit der Weisen vernichten und den Verstand der Verständigen hinwegtun." (Jes 29,14) Die Weisheit der Welt ist eben gerade deshalb Torheit, weil sie nicht mit Gott und Seinen Offenbarungen rechnet. Paulus hat es ja zu Beginn des Römerbriefs bereits ausgeführt, dass Gott sich als Schöpfergott ganz allgemein durch Seine Schöpfungswerke offenbart hat. Dazu braucht es keiner zusätzlichen Offenbarung, dass ein Schöpfergott ist, der am Anfang des Geschaffenen steht. Davon haben alle Völker gewusst. Die Philosophie des Naturalismus, auch eine griechische Erfindung, verneint diese Offenbarung und behauptet stattdessen, dass es nicht notwendig sei, mit einem Schöpfergott zu rechnen, weil alles nur Materie sei, in der einen oder anderen Form, und diese entweder schon immer da sei oder urplötzlich irgendwie aus dem Nichts entstanden sei.

    Das sind zwar törichte Gedanken, aber zu törichten Menschen gehören auch törichte Gedanken. Und ein törichter Gedanke ist, dass diese Torheit keine Torheit sei. Aus Sicht der Bibel sind Gedanken, die den Schöpfergott leugnen, töricht. Auch gerade

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