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Verzweifelte Ohnmacht: Kommissar Friedrichs 1. Fall
Verzweifelte Ohnmacht: Kommissar Friedrichs 1. Fall
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eBook301 Seiten3 Stunden

Verzweifelte Ohnmacht: Kommissar Friedrichs 1. Fall

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Über dieses E-Book

Im Berliner Hotel Novena findet ein Zimmermädchen die nackte Leiche einer Frau, die an Armen und Beinen am Bett gefesselt ist. Kommissar Stephan Friedrich, 47 Jahre alt, übergewichtig, ein Genussmensch, leitet das ermittelnde Team der Berliner Kriminalpolizei. Bei der Toten handelt sich um die Chefärztin Prof. Dr. Monika Betram aus Dresden. Sie starb auf grausame Weise an massivem Blutverlust. Die Verdächtigen: Ein ehemaliger Assistenzarzt, dessen Leben nach der Kündigung aus den Fugen gerät, ein konkurrierender Wissenschaftler, ein Patient, dessen Handlungen in seinem psychotischen Erleben andere ängstigt, eine Mutter, die verbittert nach dem Suizid ihrer Tochter andere dafür verantwortlich macht, eine Affäre, an der eine Familie zu zerbrechen droht und ein korrupter Geschäftsführer.
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum9. Jan. 2018
ISBN9783746904283
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    Buchvorschau

    Verzweifelte Ohnmacht - Frank Godemann

    Kapitel 1

    Friedrich schnaufte zufrieden vor sich hin. Er hatte mit seiner Mannschaft einen Mörder zur Strecke gebracht. Es war zwar nicht sein favorisierter Täter gewesen, aber jetzt konnte seine geliebte Langeweile wieder eintreten. Genussvoll den Weg zur Arbeit zurücklegen, natürlich mit seinem Auto, dem klapprig-gemütlichen Mercedes, Zwischenstopps bei verschiedenen Lebensmittelläden zelebrieren, einige Köstlichkeiten kaufen, den Abendbrottisch im Geiste decken und in seiner Phantasie – ja, was sollte er heute Abend kochen? – schon einmal in ausgewählte Delikatessen beißen. Neben ihm lag seine Teilzeitbeziehung Christie Schilte, eine attraktive Frau, seine langjährige Kochpartnerin. Sie hatten tatsächlich gemeinsame erotische Momente in dieser Nacht erlebt. Würden sie eventuell die Teilzeit aus ihrer Beziehung streichen? Umso mehr war er von dem Hinterhalt überrascht, der ihn sprachlos machte. Schilte öffnete die Augen, lächelte ihn an und lobte die Erlebnisse der Nacht. Er wollte gerade in seiner Eitelkeit noch detaillierter erfahren, wie groß ihre Begeisterung war. Immerhin hatte er sein Bestes gegeben. Soweit war noch alles gut.

    „Du denkst sicherlich darüber nach, ob wir unsere Kochbeziehung umfangreicher ausgestalten. Ich bin nicht abgeneigt. Aber ich finde es unerträglich, mit einem dicken, unästhetischen Mann zusammen zu sein. Ich wundere mich selbst, warum ich dies heute Nacht ausblenden konnte. Aber auf Dauer? Keine Chance!"

    Sie sprach so bestimmt, dass Friedrich keinen Zweifel hatte, dass die Betonung seiner vielen anderen Stärken keinen Einfluss auf ihre Einschätzung haben würde. „Was soll ich tun?" Er biss sich sofort auf die Zunge. Warum sollte er etwas tun? Er schnaufte dieses Mal innerlich. Sie hatte ihn in der Hand.

    „Ich möchte es noch etwas plastischer machen. Es ist für mich ein Hochgefühl des Genusses, im Bett zu frühstücken. Und natürlich käme ab und zu auf Dich zu, das Frühstück vorzubereiten. Ein reichlich gedecktes Tablett, frisches Obst, ein Cappuccino, ein Ei, das Gelbe noch etwas weich."

    Bei der Beschreibung lief Friedrich das Wasser im Munde zusammen und ihm wurde bewusst, dass Frühstückszeit war, er ihr aber nur ein Toastbrot mit Marmelade anbieten konnte.

    „Du hast einen Bierbauch! Im Bett könntest Du das Tablett nicht auf Deinen Bauch stellen. Die ganze Gemütlichkeit wäre dahin. Oder noch schlimmer. Ich müsste das Tablett auf meinen Schoss stellen, die Last alleine tragen. Nein, das geht nicht! Ich will es mal auf eine einfache Formel bringen: Bierbauch, ohne mich. Sicherlich eine Zumutung meinerseits. Aber so ist es nun mal."

    Friedrich schaute auf seinen Bauch, der bessere Zeiten erlebt hat. Oder auch nicht. Er war üppig und lebenslustig ausgestattet. „Ich werde darüber nachdenken, was ich tun kann. Stellen wir jetzt erst einmal das gemeinsame Kochen ein?"

    „Natürlich nicht. Aber der Speiseplan muss sich ändern."

    Das Klingeln des Telefons rettete ihn. Er erschreckte und war überrascht, dieses Gefühl des Erschreckens überhaupt zu erleben. Diese Reaktion war ihm eigentlich fremd. Es musste mit seinem heutigen emotionalen Ausnahmezustand zu tun haben. Er schaute auf die Uhr. Es war 9 Uhr und er hätte schon auf der Arbeit sein sollen.

    „Ja?"

    „Hanusch. Ich habe einen seltsamen Anruf aus einem psychiatrischen Krankenhaus in der Schlossstraße in Charlottenburg erhalten. Ein Psychiater meint, dass ihm ein Patient den Aufenthaltsort einer Leiche beschrieben hat. Da es sich dabei um wohl ein Kapitalverbrechen handelte, müsse er trotz ärztlicher Schweigepflicht die Polizei informieren. Soll ich mich zum Krankenhaus begeben, um genaueres zu erfahren?"

    Friedrich hatte schon Sorge gehabt, dass er wieder Arbeit bekommen würde. Aber dieser Anruf konnte nur in die Rubrik Kuriositäten eingeordnet werden. Seltsame Anrufe erhielten sie im Kommissariat häufig. Morde, die im Nachbarhaus gesehen, in der anliegenden Wohnung gehört, im Park erahnt wurden. Vermutlich würde Berlin nicht mehr unter Wohnungsmangel leiden, wenn sich alle Morde als wahr herausstellten. Ein Psychiater, der eine potentielle Leiche meldet. Das war in dieser Sammlung sicherlich etwas Besonderes.

    „Fahren Sie. Klar! Sie haben meinen Segen. Zu Schilte gewandt. „Ich muss leider aufstehen. Keine Sorge. Ich werde mir Deine Ansage intensiv durch den Kopf gehen lassen.

    Kapitel 2

    Die Klinik lag direkt am Schloss Charlottenburg. Eine wunderschöne Lage. Hans Hanusch nahm beschwingt den Fußweg, der zwischen den Häusern und dem Park verlief. Es war seine letzte Aufgabe vor dem Wochenende. Anschließend wollte er mit seiner Freundin eine Segeltour auf der Mecklenburgischen Seenplatte planen, die am nächsten Wochenende stattfinden sollte. Sie kam zum ersten Mal mit. Er war etwas nervös, ob es gut gehen würde. Immerhin war in vielen Beziehungen Bötchen fahren eine Grenzerfahrung. Entweder es war mit der Stabilität der Beziehung nicht zu vereinbaren, dass einer die Kommandos gab, in diesem Fall er, oder das Wetter entsprach – vorgeschoben - nicht den Urlaubsbedürfnissen. Zu windig, zu sonnig, zu regnerisch – der Phantasie war keine Grenzen gesetzt. Alles ein Vorwand, um die Langeweile auf dem Sonnendeck in Zukunft nicht mehr ertragen zu müssen.

    Dr. Peter Kluge erwartete ihn. Er war der Anrufer, der den potentiellen Mord gemeldet hatte. Auf der Internetseite fand sich nur die Angabe, dass er Oberarzt der Gerontopsychiatrie, einer psychiatrischen Abteilung, ist, die sich auf die Behandlung älterer Menschen spezialisiert hat. Dr. Kluge trat ihm in weißem Kittel entgegen und reichte ihm freundlich die Hand. „Unter Verrückten erzähle ich Ihnen eine verrückte Geschichte, die mich verrückt erscheinen lassen muss. Aber ich kann Ihnen versichern, weder meine Patienten noch ich sind in relevantem Maße verrückter als sie."

    Sie betraten ein chaotisches Arztzimmer, Herr Kluge drückte auf den Knopf einer Cappuccino-Maschine, nicht ohne Hanusch eine Tasse anzubieten, und fläzte sich dann in einen gemütlichen Sessel.

    „Herr Schüttler ist bereit, nachher persönlich mit Ihnen zu reden, bat mich, sie vorher etwas in sein Leben einzuführen. Er wird bei uns stationär behandelt. Aber vielleicht erst einmal einige Informationen zu seiner aktuellen Situation. Er kommt ins Krankenhaus, da er Zuhause nur noch kraftlos im Bett liegt, ihn das ganze Leben anwidert, er eigentlich denkt, dass es Zeit wäre zu gehen. Sein Leben sei voller von ihm zu verantwortenden Fehler. Er hätte seine Ehefrau nicht heiraten sollen, da er ihr nur geschadet habe, er werde finanziell den Bach runtergehen und seine Frau mit in den Ruin reißen. Ihnen beiden drohe die Obdachlosigkeit. Interessanterweise bestätigt seine Frau beides nicht. Die Rente sichere ihr Leben ab und sie könne nicht erkennen, dass er schweren Schaden angerichtet habe. Bis vor einem Jahr hätten sie ihr gemeinsames Leben emotionslos voller Routine, mit zwischenzeitlichen schönen Momenten gelebt. Dann schlichen sich langsam diese destruktiven Überlegungen in sein Leben ein."

    Die Stirn von Hanusch legte sich in Falten. „Er denkt, obdachlos zu werden?"

    „Er ist sich sicher."

    „Obwohl keine Gefahr besteht? Seltsam. Es müsste ihm doch nur ein Auszug aus seinem Bankkonto gezeigt werden."

    „In diesem Punkt teilt er die Realität mit uns nicht. Es ist nachzuvollziehen, dass er nicht gerade guter Dinge ist. Seine Ehefrau beobachtet seit einem Jahr, dass das Gedächtnis nachlasse, er seine Brille verlege, sich nicht mehr erinnere, was er am Vortag im Neuen Deutschland gelesen habe. Früher konnte er jeden Artikel wortwörtlich zitieren. Aber die Gewissheit zu verarmen, entbehrt jeder Grundlage."

    „Was hat dies alles mit dem angeblichen Mord zu tun?"

    „Wenn das heute, hier und jetzt in einem Nebel zu verschwinden beginnt, gewinnt die Vergangenheit häufig an Bedeutung. Sie besiegt allmählich die Gegenwart. Er erinnert sich nicht mehr an das Geld, welches ausreichend auf dem Konto liegt, lang zurückliegende Erlebnisse sind ihm dagegen präsenter - als ob diese gestern passiert wären. Haben Sie nicht auch schon einmal erlebt, dass ältere Menschen umfangreicher als nötig von ihrer Vergangenheit erzählen, jedes Detail ausgestalten, Namen von Personen nennen, als ob Sie selbst ihnen gestern begegnet wären? Aber den Vetter dritten Grades kennen Sie selbst gar nicht, sind ihm noch nie begegnet. Macht nichts. Es wird weitererzählt."

    „Sie sind auch ein wenig umständlich." Hanusch schaute ungeduldig auf die Uhr. Der Segelturn sollte nicht in Gefahr geraten und bei der bisherigen wortreichen Ausgestaltung konnte das Segelboot durch den ärztlichen Wortschwall davongetragen werden.

    „Sie haben es eilig? Ich versuche, es zu kürzen. Herr Schüttler arbeitete bei der Staatssicherheit und sagt, dass er für den Auslandsgeheimdienst tätig war. Übrigens ein interessantes Phänomen. Wenn er von seiner Tätigkeit für diesen Unrechtsstaat berichtet, zeigt er keinerlei Schuldgefühle. Im Gegenteil: Er zeigt sich Stolz, gegen den Klassenfeind vorgegangen zu sein, überall in den wichtigen Ministerien der BRD Spione untergebracht zu haben. Er lächelt besonders, wenn er von dem Rücktritt von Bundeskanzler Brandt berichtet. Ihm schwillt die Brust an und man muss Sorge haben, dass er die Nationalhymne der DDR zu singen beginnt. Er persönlich hat mit der Brandtschen Spionageaffäre nichts zu tun. Aber er war für andere geheimdienstliche Aktionen höchst selbst zuständig. Glaubwürdig? Ich kann es Ihnen nicht sagen. Das wird ihr Job sein."

    „Aber warum sollte er jetzt sein Schweigen brechen? Das macht doch keinen Sinn." Hanusch hatte immer mehr den Eindruck, dass sein größter Fehler war, den Hörer abzunehmen, als dieser Cappuccino trinkende Arzt ihn anrief.

    „Ich vermute, weil er stolz auf sich ist. Wenn die Gedächtnisleistungen zurückgehen, wird die Emotionskontrolle schlechter. Ist nur meine Hypothese, warum er jetzt redet. Wirklich verstehe ich es auch nicht. Aber: Es ist eine aktive Leistung von ihm, zu seinen ‚Erfolgen‘ geschwiegen zu haben. Er hat seine Macht bei der Staatssicherheit genossen, entschieden, welcher Spion an-, welcher abgeschaltet wird? ‚Ich habe die Macht. Ich betätige den roten Knopf‘."

    „Es wird immer verwirrender, was sie reden."

    „In seiner aktuellen Verzweiflung sind seine Emotionen nur dunkel, der Lichtstreif am Horizont ist seine machtvolle Vergangenheit. Indem er davon erzählt, holt er sie wieder hervor, setzt seiner aktuell quälenden Situation etwas entgegen. Sie werden selbst beobachten, wie sich sein Gesicht verändert. Er lächelt nicht, aber die Gesichtszüge gewinnen an Kontur. Als ob jemand gerade ‚Still gestanden! Du bist ein Held der Arbeit‘! ruft. Seine Eitelkeit öffnet ihm den Mund."

    „Was hat er denn nun berichtet?"

    „Er sprach von der ‚Operation Waldeule‘. Die Stasi war in der Namensgebung ausgesprochen kreativ. Die Stasi hatte auch nach dem Untergang der DDR die Macht, sich operativ erfolgreich zu betätigen, z.B. Verräter zu bestrafen. Gerhard Spichler, so soll der Ermordete heißen, habe nach Angaben von Hans Schüttler die sozialistischen Ideen verraten und sie haben ihn dafür bestraft. Aufgespürt, observiert, eingekreist und zugeschlagen."

    „Er hat ihn ermordet?"

    „Nein, dies weist er weit von sich. Er habe sich nie die Hände schmutzig gemacht. Das Superhirn lässt andere arbeiten. Dr. Kluge musste grinsen. „Wenn Menschen schwere Gedächtnisstörungen erleben, ist ein Behandlungsansatz die Reminiszenztherapie. Gute Erinnerungen werden beim Patienten aktiviert, durch Bilder, Musik, Gerüche, gemeinsamem Small talk. Damit schenken sich die Menschen Momente des Glücks beim Abgleiten in die Erinnerungslosigkeit. Er aktiviert seine Spionagegeschichten, erfreut sich seiner Erfolge und der Trübsinn tritt für einige Momente zurück.

    „Warum ist Gerhard Spichler ermordet worden?"

    „Er soll andere Geheimdienstler an den Bundesnachrichtendienst verraten haben, um selbst straffrei auszugehen. Sie saßen für viele Jahre im Gefängnis."

    „Hat er den Ort genannt, an dem wir den Toten finden? Personen benannt, die diesen Mord ausgeführt haben?"

    „Dies wollte er nur mit einem anständigen Staatsfeind besprechen. Kluge schaute sich Hanusch von oben bis unten an. „Sie könnten die geeignete Person sein. Wenn Sie mit Uniform gekommen wären, wäre es noch passender gewesen.

    Hanusch kostete es Mühe, angesichts der ironischen Zwischenbemerkungen den Mund zu halten.

    „Ich hoffe, Sie haben die Landkarten mitgebracht. Nur so kann er Ihnen den Ort des Verbrechens zeigen. Ich hole ihn jetzt."

    Kapitel 3

    Hans Schüttler schleppte sich mühsam ins Arztzimmer und schaute sich ratlos um. Sein Kopf war gesenkt, er wirkte ohne Kraft, die Bewegungen waren langsam.

    „Warum haben Sie mich gerufen, Doktor?"

    „Sie wollten mit jemandem von der Kriminalpolizei sprechen. Können Sie sich daran erinnern?"

    „Tatsächlich? Soll ich ins Gefängnis gebracht werden, da ich meine Familie ruiniert habe. Ich werde meine Kleidung packen und bin dann bereit. Es ist eine gerechte Strafe, die mich erwartet."

    „Herr Schüttler, – Herr Kluge sprach in einem angenehm ruhigen Tonfall – „Sie werden von niemandem abgeholt. Sie sind bei uns sicher und wir werden darauf achten, dass Sie wegen finanzieller Probleme nicht ins Gefängnis kommen.

    „Warum haben Sie mich dann gerufen?"

    „Sie waren in Ihrer Vergangenheit in hoher Funktion bei der Hauptverwaltung Aufklärung tätig."

    Schüttler hob erstmals den Kopf und schaute Dr. Kluge an.

    „Ja, es war eine gute Zeit. Wir haben viel für unser Vaterland getan."

    „Sie haben mich gebeten, die Kriminalpolizei zu informieren, da Sie einen Mord melden wollten."

    „Ja, ja, Gerhard Spichler, dieser Verräter. Er hat damals, wann war es noch einmal, seine gerechte Strafe erhalten. 1992 oder 1993 starb er. Und wissen Sie, was das Beste ist? Wir haben alle glauben lassen, dass er nach Australien ausgewandert ist. Wie einfach es doch war, den Bundesnachrichtendienst zu täuschen. Wir waren denen immer überlegen, auch nach dem Fall des antifaschistischen Schutzwalls."

    Hanusch schaltete sich in das Gespräch ein. „Darf ich mich Ihnen vorstellen. Hanusch von der Kriminalpolizei in Berlin. Dürfte ich Ihnen einige Fragen stellen?" Hanusch fühlte sich verunsichert, da er noch nie mit einem Menschen eine Befragung durchgeführt hatte, dessen Erinnerungen sich allmählich auflösten.

    „Deshalb sind Sie doch gekommen. Sie müssen bei Befragungen etwas forscher auftreten. Bei Ihnen hat man den Eindruck, dass sie sich in einer Häkelrunde befinden. Die Zeiten ändern sich. Oder werden bei der Polizei verweichlichte Männer eingestellt?"

    Hanusch biss sich auf die Zunge. Dieser arrogante Stasi-Mann sollte ihm nicht den Start ins Wochenende verderben. Also besser gleich zum entscheidenden Punkt kommen.

    „Wo finden wir die Leiche?"

    „Ohne Karte von Brandenburg wird es nicht möglich sein, den genauen Ort zu kennzeichnen."

    Kluge half Schüttler beim Erinnern. „Sie baten mich, dem Kommissar zu übermitteln, dass er eine Landkarte mitbringen soll."

    „Welchen Teil von Brandenburg soll ich vor Ihnen ausbreiten?"

    „Die Region um den Wandlitzer See. Nicht das Sie denken, dass die Leiche beim Ferienhaus von Honecker vergraben ist. Aber in der Nähe befindet sich ein anderer See – der Liepnitzsee. An diesem See hatte Gerhard Spichler eine kleine Datscha. Dort ist er ermordet, in handliche Stücke zerlegt, gewissermaßen filetiert und vergraben worden."

    Hanusch breitete die Karte aus und Schüttler schob ihn unsanft beiseite. „Nun machen Sie mal Platz, damit ich die Karte genau inspizieren kann. Er benötigte einige Momente, um sich zu orientieren. „52° 45ʹ 0ʺ N, 13° 31ʹ 0ʺ O. Das sind die Koordinaten. Ein Mord passiert nicht so häufig. Daher habe ich mir die Koordinaten genau gemerkt. Bei Ützdorf müssen Sie abbiegen. Sie finden eine Blockhütte. Vielleicht ist die Vegetation auf der Rückseite etwas üppiger. Dort müssen sie graben.

    ‚Ein komischer Kauz. Er hat Angst, zu verarmen, alles zu verlieren. Und dann berichtet er von einem Mord, als ob er seine Steuererklärung ausfüllen würde. Mord? Vermutlich einfach eine skurrile Geschichte.‘ Hanusch verzichtete darauf, Fragen zu stellen. Er dachte sich: ‚Erst graben, dann fragen. Ersparte ihnen vermutlich viel Zeit‘. „Vielen Dank für Ihre Informationen! Wir werden Ihrer Aussage nachgehen." Vermutlich war in seiner Stimme der mitschwingende Enthusiasmus zu gering ausgeprägt.

    „Sie glauben mir nicht. Auch gut! Etwas ärgerlich verließ Schüttler das Zimmer, wusste vor dem Zimmer aber nicht, in welche Richtung er musste. Kluge sprang ihm zur Seite, plauderte währenddessen zwangslos mit ihm. Wie Freunde, die sich lange nicht gesehen hatten. Kurz drehte sich Kluge noch um. „Sie können ja wiederkommen, wenn Sie noch Fragen haben. Schüttler ließ erneut die Schultern hängen, wirkte wie in sich gefangen.

    Kapitel 4

    ‚Konnte er selbst die Kollegen in Brandenburg informieren? Oder musste er erst Friedrich einbeziehen‘? Hanusch kam zu dem Schluss, diese Entscheidung selbst treffen zu können. Die Polizeihauptwache Bernau war zuständig. 10 km von Wandlitz entfernt.

    Der Kollege lachte. „Ein Mord, der vor 25 Jahren passiert sein soll? Berichtet von einem Mann, der sich nicht erinnert, welchen Weg er eine halbe Stunde zuvor genommen hat. Im unübersichtlichen Dschungel eines psychiatrischen Krankenhauses. Und der dann noch die Koordinaten genau benennen kann. Ich werde sofort ein Sondereinsatzkommando zusammenstellen – wegen Gefahr im Verzug."

    „Sie sind ein echter Witzbold. Mir ist auch die Absurdität der Geschichte bewusst. Aber er war ein hohes Tier bei der Hauptverwaltung Aufklärung."

    „Hauptaufklärung – was?"

    „Hauptverwaltung Aufklärung - zuständig für den Auslandsgeheimdienst der DDR. Geschichte war nicht ihr Wahlfach in der Schule?"

    „Es ist 25 Jahre her. Damals habe ich in der Krippe mit Bauklötzen gespielt."

    Hanusch versuchte den Adrenalinspiegel herunter zu regeln – bei seinem Kollegen und ihm. „Der Psychiater hält die Aussage für glaubwürdig. Er hat mir einen langen Vortrag zum Thema Demenz gehalten. Das einzige, was ich mir gemerkt habe ist, dass die aktuellen Erinnerungen als erstes verschwinden und alte Fakten noch sehr präsent sein können. Könnten Sie jemanden vorbeischicken? Bitte!"

    „Schon gut. Ich schicke einen Wagen. Bewaffnet mit Colt und Spaten. Vielleicht werden die Kollegen es als Abwechslung sehen."

    „Es soll dort eine Blockhütte stehen. Durch das Schilf hindurch ist ein Steg gebaut. Das hat Schüttler, der den Mord angezeigt hat, noch berichtet."

    „Hat Schüttler sich denn als Mörder geoutet? Damit würden die Ermittlungen einfacher werden."

    ‚Der Witzbold war schwer zu ertragen‘. „Sie melden sich bitte, um den Vorgang schnell abschließen zu können. - „Jawohl, Captain!

    Kapitel 5

    „Kopf oder Zahl? Wer verliert muss graben. Der andere kann genüsslich seinen Tee trinken."

    „Wir wechseln uns ab und Du fängst an. Den letzten Penner habe ich vom Rathausplatz vertrieben. Der war eine furchtbare Geruchsbelästigung." Hubert Hennert war kein liebevoller Polizist. Er war meist genervt von seiner Tätigkeit, neigte dazu Konflikte hoch zu kochen. Mehrfach war er knapp an einer Strafanzeige vorbeigekommen.

    Aaron Bellert zog es vor, zu schweigen. Zum Glück war Hennert bei der Polizei die große Ausnahme in punkto abfälligem Reden. Er zeigte sich resistent gegenüber Versuchen, sein Reden und Verhalten zu modifizieren. Von daher Schadensbegrenzung – soweit möglich. Darauf achten, möglichst selten mit ihm in einer Schicht eingeteilt zu sein. Hennert drückte sich immer vor der Arbeit. Daher der Versuch, mit dem Spiel „Kopf oder Zahl" wenigstens zu 50% die Chance zu haben, nicht alleine im Dreck zu scharren.

    Sie mussten sich durch dichtes Gestrüpp arbeiten. Sie fanden die Blockhütte, die schon lange nicht mehr genutzt worden war. Die Tür war verschlossen, die Fenster vom Dreck undurchsichtig, die Wände mit Moos bedeckt. Auf der Rückseite des Blockhauses gab es keinen Baumbestand. Hohe Gräser, kleine Büsche verteilten sich ungleichmäßig auf dem morastigen Boden.

    „Mist! Hier ist alles voller Brennnesseln. Ich habe schon immer gesagt, dass die Hosen bei der Polizei zu kurz sind. Es mag sein, dass dies wieder modern ist, aber es brennt an den Beinen." Hennert bückte sich und kratze sich an beiden brennenden, gleichzeitig juckenden Knöcheln.

    Sie fingen an zu graben. „Ich gebe uns fünf Chancen. Dann haben wir unser Bestes gegeben und können die Aktion abbrechen." Es war schwül und sie fingen an, heftig zu schwitzen. Schweigsam gruben sie. Ein Meter tief. So hatte es der Patient gesagt. Sie müssten ein Meter tief

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