Kindsein ohne Druck: Wie ich meinem Kind bei Stress, Leistungsdruck und Krisen helfe
Von Heike Torggler
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Über dieses E-Book
...für ihr Wohlbefinden sorgen, sie bedingungslos lieben, ihnen Geborgenheit, Sicherheit und Halt geben.
... ab und zu selbst mutig in den Spiegel blicken, ihren Lebensstil und eigene Erwartungshaltungen überdenken.
... die Funken der Begeisterung und Potenziale ihrer Kinder mit entfachen und sie dabei vor wachstumshemmendem Druck oder ungesunden Grenzüberschreitungen schützen.
... Zuversicht vermitteln und ihnen vorleben, wie sie Herausforderungen, Niederlagen und Krisen meistern können.
Der Leistungsdruck unserer modernen Gesellschaft setzt vielen Kindern und Jugendlichen zu. Speziell der Leistungsdruck in der Schule macht den Jüngsten oft zu schaffen. Für Eltern und alle, die Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten, ist es eine Herausforderung, eine gute Balance zwischen entwicklungsförderlicher Anregung, Unterstützung und entspannten Zutrauens zu finden. Die Autorin und Psychologin Heike Torggler begleitet in ihrer Praxis seit vielen Jahren Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die an den negativen gesundheitlichen Folgen von übermäßigem Stress und Druck leiden. In diesem Buch gibt sie uns einen kleinen Einblick in ihre Arbeit und persönlichen Erfahrungen. Als zweifache Mutter spricht sie offen, heiter aber auch kritisch aus, was viele Eltern denken und erleben. Sie zeigt im Buch Wege auf, wie wir uns selbst und unsere Jüngsten vor zu viel Leistungsdruck schützen und mental stärken können, damit sie die unvermeidbaren Hürden und Krisen im Leben leichter meistern.
Heike Torggler
Heike Torggler, 1983 geboren, Psychologin mit Praxis in Bozen und Meran, ist u.a. spezialisiert in den Bereichen Stress- und Burnoutprävention, Traumabehandlung (SE)®, Sportpsychologie und Lernberatung. Seit vielen Jahren hält sie zudem als freie Mitarbeiterin für das Forum Prävention und andere Institutionen Fortbildungen und Seminare im In- und Ausland. Sie lebt naturnah mit ihrer Familie in einer der schönsten Gegenden Südtirols, liebt sportliche Herausforderungen und ist in ihrer Freizeit viel in der Natur unterwegs. Liebevolle Menschen und die Natur sind ihre größten Kraft- und Inspirationsquellen.
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Buchvorschau
Kindsein ohne Druck - Heike Torggler
Die Drucklegung dieses Buches wurde ermöglicht durch die Südtiroler Landesregierung / Abteilung Deutsche Kultur.
Für Eltern und alle, die Kinder auf ihrem Lebensweg begleiten
Nur was das Herz
berührt, gräbt sich in
den Verstand …
Inhalt
Stressen Sie Ihre Kinder?
Stellen Sie sich ein Leben ohne Stress vor …
Sicherer Hafen: Emotionale Geborgenheit
Leistungsunabhängig lieben
Echt in Beziehungen sein
Eigene Grenzen achten
Kindern auf Augenhöhe begegnen
Gemeinsam Gefühle surfen
Miteinander die Seele baumeln lassen
Kinderfreundschaften hegen und pflegen
Von Tieren lernen
Blick in den Spiegel: Werte, Einstellungen und Lebensstil
Glücksforscher werden
Leistungsorientierung dosieren
Stressoren betrachten
Gut für sich selbst sorgen
Giraffensprache lernen
Überzeugungen hinterfragen
Chaos lieben lernen
Den Terminkalender frei machen
Digitale Auszeiten genießen
Gesund und genussvoll miteinander speisen
Erholsam schlafen
In Bewegung bleiben
Mit Musik in Stimmung kommen
Mut zur Kreativität schöpfen
Wellness für die Sinne
Lachen, spielen und Unsinn machen
Funken der Begeisterung: Potenzialentfaltung
Neugier entfachen
Wachsen lassen
Motivation ankurbeln
Motivationskiller erkennen
Potenziale entdecken
Dynamisches Selbstbild entwickeln
Gestaltungsräume schaffen
Auf Belohnung und Bestrafung verzichten
Anerkennung ausdrücken
Mental stärken
Zivilcourage lernen
Hürdenlauf: Kleine und große Hindernisse im Leben
Selbstwirksamkeit erleben
Mit Fehlern clever umgehen
Chancen in der Krise finden
Seelische Not ernst nehmen
Auffälliges Verhalten verstehen
Empathie entwickeln
Ängste überwinden
Dem Tod begegnen
Resilienz festigen
Achtsamkeit praktizieren
Emotionale ERSTE HILFE
Psychohygiene lernen
Gemeinsam neue Wege gehen
Schlusswort
Quellen und Literaturempfehlungen
Stressen Sie Ihre Kinder?
Ich schon … manchmal.
Meine Kinder beschweren sich dann,
und das zu Recht.
Sie beherrschen die hohe Kunst,
genau dann langsam zu werden,
wenn in mir der Wirbelsturm der Eile
und Erwartungen brodelt.
Ihre Langsamkeit zwingt mich zum Innehalten,
sie schenkt uns Zeit und Raum für Achtsamkeit.
In guten wie in schlechten Zeiten
ein so wertvolles Geschenk.
Danke an Zoe und Lia, meine geliebten Kinder
und geduldigsten Lehrmeisterinnen
Was brauchen Kinder, um sich möglichst glücklich entfalten zu können?
Abgesehen von erfüllten Grundbedürfnissen gar nicht so viel, aber davon manchmal mehr …
Vor allem brauchen sie Eltern, die …
für ihr Wohlbefinden sorgen, sie bedingungslos lieben, ihnen Geborgenheit, Sicherheit und Halt geben;
ab und zu selbst mutig in den Spiegel blicken, ihren Lebensstil und eigene Erwartungshaltungen überdenken;
die Funken der Begeisterung und Potenziale ihrer Kinder mitentfachen und sie dabei vor wachstumshemmendem Druck oder ungesunden Grenzüberschreitungen schützen;
Zuversicht vermitteln und ihnen vorleben, wie sie Herausforderungen, Niederlagen und Krisen meistern können.
Stellen Sie sich ein Leben ohne Stress vor …
Bei der Vorstellung eines komplett stressfreien Lebens atmen Sie vielleicht zunächst entspannt auf. Gleichzeitig taucht vermutlich die Vorahnung auf, dass dies todlangweilig wäre. Ja, die Freude an neuen Herausforderungen, das kunterbunte Familienleben, der Nervenkitzel, wenn Sie an Ihre Grenzen gehen, das Aufgehen im erfüllten Tun, die schönen Überraschungen im Leben … Auch das erleben wir mitunter als Stress und erfreuen uns daran.
Problematisch wird Stress dann – und das ist wissenschaftlich mittlerweile gut erforscht –, wenn wir Situationen oder Anforderungen als negativ, belastend und überwältigend erleben oder das erhöhte Stresslevel in einen Dauerzustand mündet. Die verschiedenen Facetten von Stress und Angstzuständen gehören auch zum Alltag von Kindern. Es liegt an uns Erwachsenen, Überforderung zu erkennen, Kinder vor einer schädlichen Dosis Stress zu schützen und sie in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu stärken. Manche stressreichen Erfahrungen im Leben lassen sich nicht vermeiden, aber in einem schutzgebenden Hafen werden sie leichter ertragen und überwunden.
„Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr!" So lautet die weitverbreitete Meinung, wenn es um Frühförderung geht. Tatsächlich lernen jüngere Kinder u. a. nachweislich leichter Sprachen oder gewisse Sportarten und profitieren von frühem Musikunterricht.
Viele Eltern sind bestrebt, diese frühen Entwicklungsfenster zu nutzen, oder möchten Ihren Kindern das ermöglichen, was ihnen selbst einst verwehrt blieb. Außerdem sind manche Kinder so vielseitig interessiert, dass sie an allen nur erdenklichen Kursen teilnehmen möchten. Demnach gleichen manche Terminkalender von Kindern jenen von Top-Managern.
Um irgendwann zur Weltklasse bestimmter Bereiche zu gehören, ist eine frühe Talentförderung tatsächlich notwendig. Wenn dies das Ziel und die Passion Ihres Kindes ist, dann wollen Sie es vielleicht auf diesem Weg begleiten und setzen alles daran, dass Ihr Kind bestmöglich gefördert wird.
Es ist dabei eine sehr verantwortungsvolle Aufgabe für uns Eltern, dafür zu sorgen, dass Kinder nicht nur fachgerecht ausgebildet, sondern auch von pädagogisch kompetenten, fürsorglichen und zugewandten Menschen begleitet werden. Wenn Ihr Kind als Ganzes wahrgenommen wird und seine Bedürfnisse und Grenzen respektiert werden, ermöglicht dies eine gesunde Potenzialentfaltung.
In meiner psychologischen Praxis erlebe ich häufig die Schattenseiten einer frühen einseitigen Förderung. Körperliche Beschwerden, Motivationsverlust, Leistungsdruck und mangelnde freie Zeit erleben viele Kinder und Jugendliche als sehr belastend. Außerdem identifizieren sie sich manchmal so sehr mit ihrer Rolle als Sportler, Musiker, Klassenbester usw., dass für sie ein Stück Welt zusammenbricht, wenn sie mit Misserfolgen und Krisen konfrontiert sind.
Dieses Buch versteht sich nicht als Bedienungsanleitung für ideale Förderung oder ein reibungsloses stressfreies Zusammenleben. Genauso wenig habe ich die Elternweisheit mit dem Löffel gefressen – begebe mich selbst ab und an auf Irrwege wie die allermeisten Menschen, die Kinder ein Stück ihres Lebens begleiten dürfen. Auch Eltern scheitern manchmal an ihrer eigenen Erwartungshaltung, das erlebe ich in der Praxis sogar sehr oft. Versuchen Sie erst gar nicht, es perfekt zu machen! Kinder brauchen keine perfekten Eltern, aber Eltern, die respektvoll mit ihnen umgehen, aus ihren eigenen Fehlern lernen und so mit ihren Kindern wachsen. Entnehmen Sie dieser kleinen Ideenkiste daher auch nur das, was Ihnen gerade im Moment gut und nützlich erscheint.
An welcher Stelle Sie dieses Buch auch immer aufschlagen mögen, ich wünsche Ihnen ein anregendes Lesevergnügen.
Sicherer Hafen: Emotionale Geborgenheit
Das Vertrauen in die Versorgung, das Gefühl von Geborgenheit und die bedingungslose Liebe sind Grundbausteine für die Entwicklung von Resilienz und einem erfüllten inneren Erleben.
Leistungsunabhängig lieben
Natürlich lieben Sie Ihr Kind, aber immerzu und jederzeit? Auch wenn es bockt, nervt, sich in Ihren Augen unmöglich benimmt, Ihre Erwartungen in keinster Weise erfüllt und Sie es am liebsten auf den Mond wünschen?
Vielleicht gehören auch Sie zu den Eltern, denen in diesen Momenten das Herz vor Liebe nicht sichtbar übergeht, und trotzdem lieben Sie Ihr Kind innig. Das emotionale Band, das Eltern mit ihren Kindern verbindet, scheint auf einer tieferen Ebene angesiedelt zu sein; eine Verbindung von Herz zu Herz, robust genug, auch Auseinandersetzungen und schwierigen Momenten zu trotzen. Dieses Band wird über liebevolle Gesten und fürsorgliches Verhalten vonseiten der Eltern Tag für Tag gestärkt. Kinder fühlen sich demnach wenig geliebt, wenn sie ständig verbessert und kritisiert werden. Jedes zugewandte Lächeln, jeder anerkennende Blick, jede achtsame Berührung kann hingegen Ausdruck von Elternliebe sein.
Es gibt unterschiedliche Formen der Liebe, Erich Fromm unterschied zwei Arten der Elternliebe. Leistungsabhängige Liebe erleben Kinder dann, wenn wir unsere Zuneigung in Situationen zum Ausdruck bringen, in denen sie unsere Erwartungen erfüllen, wertvolle Hilfe leisten oder tolle Erfolge erzielen. Bedingungslose Liebe erfahren sie hingegen, wenn sie sich geliebt fühlen, ganz unabhängig davon, was sie tun. Hier steht das SEIN im Vordergrund – nicht das TUN.
Viele Eltern betrachten die bedingungslose Liebe als selbstverständlich und naturgegeben. Das scheint auch so zu sein; um stetig zu wachsen, braucht sie jedoch auch Pflege.
Wie ging es Ihnen damals beim Anblick Ihres friedlich schlafenden Neugeborenen? Vielleicht haben Sie sich einfach nur über die Existenz dieses wunderbaren kleinen Wesens gefreut. Manchmal mischen sich zur Freude auch Ängste, Sorgen, das Gefühl der Überforderung … und dennoch knüpft sich in der Regel das Band der Liebe sehr rasch und bedingungslos. Je größer die Kinder werden, umso mehr scheinen Eltern sich auf das Verhalten zu konzentrieren, Fortschritte zu würdigen und unangebrachtes Benehmen zu tadeln. Die bedingungslose Liebe rückt meist etwas in den Hintergrund. So kann es zwar vorkommen, dass täglich Sätze wie „Ich liebe dich, mein Schatz. Bis später!" fallen, die Liebesbotschaft aber nicht viel mehr als eine Worthülle bleibt. Ob Kinder die bedingungslose Liebe tatsächlich spüren, hängt vielmehr davon ab, wie sehr Eltern selbst Zugang zu ihrer Gefühlswelt haben und sich Zeit gönnen, echte Zuneigung wahrzunehmen und diese auszudrücken.
Hinzu kommen die Fragen: Empfindet Ihr Kind überhaupt das, was Sie als Ausdruck von Liebe betrachten, auch so? Was empfindet Ihr eigenes Kind als liebevoll? Wahrscheinlich sind es nicht die Pausenbrote, die Sie hingebungsvoll streichen, die Wäscheberge, die Sie bügeln, den Shuttle-Service, den Sie leisten, oder das neue Smartphone, sondern eher die Herzenswärme, die es spürt, wenn es bei Ihnen auf dem Schoß sitzt, Ihre Zuwendung, wenn Sie ihm wirklich Aufmerksamkeit schenken. Oder doch auch das Erstere? Vermutlich schon, denn das ist die leistungsabhängige Liebe. Ihr Kind liebt Sie auch dafür, dass Sie seine Erwartungen erfüllen. Doch wären Sie nicht enttäuscht, wenn das alles wäre?
Wer freut sich nicht, wenn eigenes Engagement und gute Leistungen Anerkennung finden. Nichtsdestotrotz scheitern viele Beziehungen genau deshalb, weil sie nur auf leistungsabhängiger Wertschätzung, Attraktivität oder materiellem Status beruhen. Auch die meisten Erwachsenen wünschen sich, in ihrer ganzen Persönlichkeit angenommen und geliebt zu werden, ohne ständig Großartiges leisten zu müssen. Aber viele von uns Großen laufen selbst fleißig im Hamsterrad der Leistungsgesellschaft.
In der Begleitung von Familien merke ich, dass Eltern sich oft unbehaglich fühlen, wenn sie merken, dass sich aufgrund ihrer Erwartungshaltungen die Beziehung zum Kind verändert. Im Anschluss an einen meiner Vorträge meinte ein Vater: „Mein Sohn ist ein so talentierter Läufer, er könnte locker Rennen gewinnen, weil er zu den Besten seiner Altersklasse gehört. Aber vor den Rennen ist er immer so aufgeregt. Neulich bat er mich vor dem Start, nicht von ihm enttäuscht zu sein, wenn er nur Vierter werden würde."
Tatsächlich haben viele Kinder und Jugendliche diese Empfindung. Sie fühlen sich besonders dann als wertvolle Töchter oder Söhne, wenn sie die Erwartungen ihrer Eltern erfüllen. Sie wollen ihre geliebten Eltern keinesfalls enttäuschen. So verinnerlichen sie rasch Leistungsdruck, ohne dass Eltern ihnen diesen bewusst oder gar beabsichtigt auferlegen. Auch in vielen Schulen und Vereinen erfahren leistungsstarke Kinder besondere Aufmerksamkeit.
In der Begleitung von Jugendlichen erfahre ich immer wieder, wie leer und wertlos sie sich fühlen, wenn ihre Anstrengungen nicht von Erfolg gekrönt sind. Auch dann, wenn alles Übrige im Leben rosig wirkt und, von außen betrachtet, kein großer Druck auf ihnen zu lasten scheint. Sie haben sich selbst nur dann lieb, wenn sie ihrem Leistungsideal entsprechen. Ansonsten sind sie am Boden zerstört, erleben sich als wertlos und