Weniger erziehen - mehr leben!: Alternativen zum Erziehungsstress
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Über dieses E-Book
Das Buch zeigt auf, wie Präventionswissen, Wohlstand, Kleinfamilie und andere heutige Lebensumstände solche Phänomene fördern können. Was ändern?
Aus der Sicht der familienorientierten Systemtherapie zeigt der Autor mit dreissig Jahren Berufserfahrung andere, entlastende Ansätze: Mit Kindern denkt es kindlich, sie sind nur ihrem Alter entsprechend kompetent. Sie benötigen faire Führung, Zeit, die nötige Toleranz. Erziehung besteht mehrheitlich aus vielen Gewohnheiten im Familienleben, die man den Kindern mitgeben kann. Eindenken in Rollen wie Wanderführerin, Hirte oder das Gestalten des Familienklimas sind die Alternativen.
In unzähligen Beratungsgesprächen wurden diese anderen Einstellungen zur Erziehung besprochen; vielen Eltern waren sie eine Hilfe, ihren Kindern wieder eine erbauliche Kinderstube zu geben.
Daniel Niederberger
DANIEL NIEDERBERGER verfügt über langjährige Erfahrung in der Automobilindustrie. Sein Schwerpunkt liegt in Innovationsprozessen, der Gestaltung von Geschäftsmodellen sowie der Unternehmens- und Produktstrategie in der Mobilitätsbranche mit Fokus der Zukunftstechnologiebereiche Elektromobilität, autonomes Fahren und Connected Car. Er gründete 2015 seine eigene Unternehmung New-MobilityBusiness mit dem Ziel, Unternehmen bei der Mobilitätstransformation in strategischen und innovationsgetriebenen Aspekten zu unterstützen. Zuvor war er Management Consultant bei Strategy Engineers sowie Initiator und Leiter der Mobilitätsberatungssparte bei der Invenio AG. Er hat in Großbritannien, den USA und Deutschland Automobilhersteller, mittelständische Akteure und Start-ups beraten. Daniel unterstützt Gründer und Start-ups als Mentor und doziert an einer Münchner Hochschule. Kontakt: daniel@newmobilitybusiness.com
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Buchvorschau
Weniger erziehen - mehr leben! - Daniel Niederberger
Man könnte nicht sagen, ob das Kind seinem Vater die Hand reicht oder ob es der Vater ist, der die Hand seines Sohnes ergreift: Jeden Morgen zur gleichen Zeit vor der Haustür der Rue de la Loi kuscheln sich die kleinen Finger in Désirés Hand, und die Beine des Jungen beeilen sich und machen drei Schritte, wenn dieser ruhige Riese einen Schritt macht.
Georges Simenon, Stammbaum Pedigree, 1948
Mein Dank geht an Josef Duss-von Werdt, der mich in Ausbildung, Supervision und später kollegialen Gesprächen lehrte, möglichst unvoreingenommen über das Menschliche nachzudenken.
Danken möchte ich auch Robert Hartmann, der meiner Fachsprache eine verständliche Note und Lesbarkeit beifügte.
Inhalt
Motivation zu diesem Buch
Schlechtes Gewissen und Schuldgefühle
Kinder, die den Eltern über den Kopf wachsen
Große Ängstlichkeit um die Kinder, «Helikopter-Eltern»
Eltern, die sich bei den Kindern vergewissern
Erschöpfte Eltern und Kinder
Suche nach Gründen
Wie war es früher, wie ist es heute? Ein Vergleich
Familienplanung
Größe der Familienhaushalte
Zukunftswünsche für die Kinder
Kaufkraft und Konsum
Lebensskript
Erziehung und Pädagogik
Psychologie
Hierarchie
Bilder im Kopf
Zusammenfassung
Grundbeziehung zu den Kindern in der Vergangenheit
Veränderung der Grundbeziehung in der heutigen Zeit
Verunsicherung und Schuldgefühle
Voraussetzungen einer sinnvollen Erziehungseinstellung
Aus den Schuldgefühlen herauskommen
Kommunikationsmuster
Wie es bei Kindern denkt
Die Machbarkeit durch Erziehung – wie viel ist gegeben, wie viel ist erzogen?
Exkurs in die System- und Chaostheorie
Was gehört zu einer positiven Grundbeziehung zu den Kindern?
Die 10 wichtigsten Aspekte
1. Kinder können sich selbst entwickeln
2. Einigermaßen gut ist perfekt
3. Kinder als wichtigste Nebensache betrachten
4. Es braucht nicht immer die Eltern
5. Die zukünftigen Werte der Kinder hat man nicht im Griff
6. Kinder nicht als grundsätzlich gefährdet behandeln
7. Genügend Zeit einräumen für die Selbstorganisation
8. Kinder benötigen Erprobungsspielraum
9. Nicht zu oft und zu intensiv intervenieren
10. Regie führen, damit sich nützliche Gewohnheiten bilden
Den Kindern nützliche Gewohnheiten mitgeben
Gewohnheiten aus Sicht der Neurobiologie
Gewohnheiten aus psychosozialer Sicht
Gewohnheiten aus Sicht des systemischen Denkens
Familiengewohnheiten wirken nachhaltig
Das Leben als Abenteuer gestalten
Der Vorsprung der Eltern
Zwischen Eltern und Kindern besteht eine natürliche Hierarchie
Altersgerecht erklären und mitentscheiden lassen
Auf Augenhöhe oder von oben herab?
Nicht nur verbal, auch physisch kommunizieren
Das mit der Liebe
Grundbeziehung einüben und alltäglich leben
Rollen
Die Wanderführerin
Die Dirigentin
Der Polier
Die Leitkuh
Der Hüttenwart
Schaf- oder Geißenhirt
Und da ist noch Marge Simpson
Häuptling oder Kapitän
Familienklima als Basis der Erziehung
Das Klima als Durchschnitt über eine längere Zeit
Szenen einplanen und regelmäßig inszenieren
Authentisch sein können
Mühsames einplanen
Brachzeiten zugestehen
Dafür sorgen, dass man etwas zusammen zu tun hat
Kinderfreie Zeiten für die Eltern organisieren
Beide Elternseiten zulassen
Aufenthalte bei anderen Leuten sind ein Abenteuer
Auf Wetterwechsel vertrauen, Stürmisches zulassen
Antizipieren
Halb geplant, ein dahintrottendes Leben ohne Schuldgefühle
Hintergrundliteratur
Motivation zu diesem Buch
Seit den 1990er-Jahren schenkt die Erwachsenenwelt den Kindern vermehrt Aufmerksamkeit. Ihre Bedürfnisse und die Gefahren, in die Kinder geraten können, wurden erforscht und beschrieben, es wurden präventive Konzepte kreiert und umgesetzt. Anfang der 2000er-Jahre begann eine breite Initiative unsere Erziehung zu thematisieren. Verschiedenste Kreise und Fachleute fordern seither einen aktiven Erziehungsstil. Zentrale Elemente sind klare Regeln, Fördern und Fordern, die Kinder mit einbeziehen, sie mit beteiligen, mit ihnen auf Augenhöhe gehen und sie richtig anweisen. Ihr Potenzial fördern. Eine ganze Generation von Eltern und Lehrern setzt dies vorbildlich um. Es wird viel erzogen.
Parallel dazu begannen zahlreiche Erwachsene zu beklagen, dass die Kinder so schwierig zu erziehen und schlecht erzogen seien. Kinder wurden zunehmend als «erziehungsschwierig» wahrgenommen. Immer mehr Kinder werden schulpsychologisch abgeklärt, gehen in Therapien, bekommen kinesiologische oder andere Unterstützung.
Eltern untereinander klagen, wie viel Erziehungsarbeit sie erbringen müssen. In den Schulen stellt man fest, dass Eltern von der Schule immer mehr verlangen, während die Eltern ihrerseits beklagen, wie viel sie den Kindern mitgeben müssen, damit sie den Anforderungen der Schule entsprechen können. Zahlreiche Eltern fühlen sich bezüglich ihrer Erziehungsaufgabe unzulänglich, im Vergleich zu anderen Eltern als nicht genügend. Das Wort «Erziehungsstress» tauchte auf. Immer mehr Eltern erleben sich mit ihren Kindern in einem solchen Stress.
In meiner über 25-jährigen Tätigkeit als Jugend- und Familienberater bin ich während der letzten zehn Jahre zunehmend den fünf folgenden Phänomenen begegnet:
Schlechtes Gewissen und Schuldgefühle
Eltern schildern, dass sie latent immer so etwas wie ein schlechtes Gewissen ihren Kindern gegenüber haben, auch Schuldgefühle. Sie haben den Eindruck, es nie richtig zu machen, nie alles Mögliche gemacht zu haben, stets ungenügend zu sein. Nachgefragt, woher diese Gefühle kommen, können die meisten keine klare Antwort geben. Viele Eltern mit Schuldgefühlen haben keine Trennung oder Scheidung hinter sich, keinen sozialen Abstieg oder markanten Umgebungswechsel mit ihren Kindern. Auch gut gebildete, sogar psychologisch oder pädagogisch geschulte Eltern beschreiben diese Gefühle. Durchschnittliche, durchaus gute Eltern, die vieles richtig machen und als Eltern die Note gut bis sehr gut verdient hätten, kennen das latent im Nacken sitzende Gefühl, es nie recht zu machen.
Kinder, die den Eltern über den Kopf wachsen
In den Beratungsgesprächen begegnete ich in den letzten zehn Jahren auch zunehmend Eltern, die klagten, ihnen seien die Kinder über den Kopf gewachsen. Es sind vor allem Mütter, die die Hauptlast der Erziehungsarbeit bewältigen, Mütter mit kleinen «Knöpfen» von vier, fünf Jahren, teils auch jünger. Sie schildern, wie ihre Knirpse den Ton angeben, meistens das letzte Wort haben, wie die Kinder sich durchsetzen und den Alltag fast blockieren. Sie erzählen, wie diese zu kleinen Tyrannen geworden sind und die Hierarchie in der Familie umgekehrt haben. Die Kinder haben das Zepter in der Hand.
Oft sind diese Mütter einer Erschöpfung nahe. Häufig bereitet ihnen der nächste Tag schon am Vorabend Kummer. Sie sprechen auch von Eklats: dass sie die Kinder angeschrien hätten, manchmal handgreiflich geworden seien. Und dass es nun auch zu Unstimmigkeiten unter den Eltern gekommen sei, sodass es auch auf der Paarebene Spannungen gebe.
Große Ängstlichkeit um die Kinder, «Helikopter-Eltern»
Manche Eltern kennen, sehen und spüren im Alltag der Kinder eine Vielfalt von Gefahren. Kaum eine Freude ist ohne Gefahr. Kaum etwas Schönes kann nur mal schön sein, etwas Negatives lauert immer. Es sind Eltern, die bemüht sind, dass nichts passiert. Kein Unfall, keine Blessur, kein Kontakt mit einem Krankheitskeim, keine komische Begegnung, keine seltsamen Ereignisse. Nicht Abschätzbares birgt rasch ein erhebliches Risiko. Die Eltern geben sich Mühe, prospektiv Gefahren abzuschätzen, möglichst viel selbst zu organisieren, nahe bei den Kindern und mit dabei zu sein, möglichst viel zu dirigieren und zu orchestrieren. Den Alltag erleben sie als sehr anstrengend. Nicht wenige erleben dies beim ersten Kind, getrauen sich kaum, an ein zweites zu denken und verzichten darauf.
Eltern, die sich bei den Kindern vergewissern
Weniger in Beratungsgesprächen, eher durch Beobachtungen unterwegs bemerkte ich, dass Eltern nach einem Gespräch mit den Kindern noch eine Frage stellen wie: Ist das okay? Verstehst du mich? Hast du mich verstanden? Gell? Die Eltern stellen solche Fragen, nachdem sie den Kindern etwas haben beibringen wollen oder mit ihnen etwas abgesprochen haben. In Beratungsgesprächen mit Eltern von «kleinen Tyrannen» oder mit latenten Schuldgefühlen nachgefragt, ob sie auch am Ende von Anweisungen, Erklärungen und Absprachen mit den Kindern solche Fragen stellen, antworten die meisten mit Ja. Sie machen es so, wie es zahlreiche Sachbücher und Artikel über Erziehung anraten: vorankündigen, auf Augenhöhe gehen, mit den Kindern richtig sprechen, erklären, was läuft, sie mit einbeziehen.
Die Kinder