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Die Leiche im Meer. Ostfrieslandkrimi
Die Leiche im Meer. Ostfrieslandkrimi
Die Leiche im Meer. Ostfrieslandkrimi
eBook207 Seiten2 Stunden

Die Leiche im Meer. Ostfrieslandkrimi

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Über dieses E-Book

Eine Wachsleiche im Ostfriesischen Gatje bei Greetsiel! Kapitän Felix Seitz entdeckt während eines Einsatzes mit dem Boot der Wasserschutzpolizei die Leiche eines Mannes im Wattenmeer. Der Tote steckt in einem Leichensack, der offensichtlich vom Mörder mit einem Gewicht beschwert wurde, um ihn am Meeresgrund zu halten. Die Obduktion ergibt, dass der Tote schon etwa ein Jahr unter Wasser lag. Die Greetsieler Kommissare Ruth Fasan und Hagen Reese müssen zunächst herausfinden, um wen es sich bei dem Toten überhaupt handelt. Der junge Mann hatte sich den Namen „Crescentia“ auf die Fußsohle tätowieren lassen. Ist das Tattoo ausgerechnet auf dieser empfindsamen Körperpartie ein Ausdruck übersteigerter Leidenschaft? Liegt in der Unbekannten mit dem außergewöhnlichen Namen der Schlüssel zur Lösung des Falls? Und tatsächlich: Die Ermittler finden eine Frau mit dem Namen Crescentia, und zwar in Greetsiel...

SpracheDeutsch
HerausgeberKlarant
Erscheinungsdatum28. Juli 2022
ISBN9783965866232
Die Leiche im Meer. Ostfrieslandkrimi
Autor

Jan Olsen

Jan Olsen ist das neue Pseudonym eines seit 1991 in verschiedenen Genres erfolgreichen Schriftstellers. Jan ist mit einer Hebamme verheiratet, hat drei inzwischen erwachsene Kinder und darf sich seit Kurzem auch Großvater nennen. Als Kind des Nordens ist er der Nordsee mit all ihren rauen und lieblichen Facetten besonders zugetan und ließ kaum eine Ferienzeit verstreichen, ohne diese Gestade mit seiner Familie zu besuchen. Auch heute noch stehen Ferien an der Nordsee jedes Jahr auf dem Programm. Seine Vorliebe für die Nordsee und die dort lebenden Menschen kann er in seinen Ostfrieslandkrimis nun nach Herzenslust ausleben.

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    Buchvorschau

    Die Leiche im Meer. Ostfrieslandkrimi - Jan Olsen

    Kapitel 1

    Kapitän Felix Seitz stand am Bug des Polizeibootes und blickte übers nächtliche Meer hinweg Richtung Greetsiel. Die Hände um die Reling geschlossen stand er aufrecht da und ließ den kühlen Fahrt­wind über sein braungebranntes Gesicht streichen. Ein paar Strähnen seines dunkelblonden Haars lugten vorwitzig unter der Kapitäns­mütze hervor, und auf seinen markanten Gesichtszügen lag ein versonnener Ausdruck.

    Das Boot der Wasserschutzpolizei war die ganze Nacht über auf großer Revierfahrt gewesen und befand sich nun auf dem Weg in den Heimathafen. Im Emden gab es für die Radbod eine eigene Anlegestelle. Bis das Streifenboot dort anlangte, galt es aber noch, eine Strecke von etwa dreißig Kilometern zurückzulegen.

    Zurzeit bewegte sich das Boot durch das Ostfriesische Gatje, eine tiefe Senke im Wattenmeer, die stets Wasser führte und den Mündungsbereich der Ems markierte. Das Gezeitengewässer mit tidenabhängigen Tiefen bot den Schiffen, die den Hafen in Emden anliefen, Tag und Nacht eine verlässliche Fahrrinne.

    Der Einsatz des Polizeibootes war verhältnismäßig ereignislos verlaufen. Davon abgesehen, dass Seitz den Kapitänen einiger Frachter eine Verwarnung hatte aussprechen müssen, weil ihre Schiffe auf der Wasserstraße jenseits der Ostfriesischen Inseln zu schnell unterwegs gewesen waren, hatte es für die dreiköpfige Mannschaft der Radbod kaum etwas zu tun gegeben.

    Auch die See hatte sich in den vergangenen Stunden von ihrer gefälligen Seite gezeigt. Der Wellengang war nach wie vor unge­wöhnlich seicht, und das Licht des Halbmondes, der seine Bahn über einen wolkenlosen Himmel zog, tanzte silbrig glitzernd auf den krausen Wogen.

    Am östlichen Horizont kündigte sich mit einem blassblauen Schimmer jetzt die Morgendämmerung an und ließ die Sterne langsam verblassen. Die Ebbe würde ihren Tiefpunkt bald erreichen, und es schien, als würde der blanke Hans für einen Moment müde den Atem anhalten. Wie die geschuppte Haut eines schlummernden teerschwarzen Ungetüms erstreckte sich das gemächlich trocken laufende Wattenmeer nach allen Seiten.

    Kapitän Seitz stellte den Kragen seiner Uniformjacke auf, denn die Herbstkühle griff jetzt mit ihren klammen Fingern nach ihm. In die Wärme des Steuerhauses zurückzukehren, kam für ihn dennoch nicht infrage. Am Bug seines Bootes zu stehen und die vibrierende Kraft des Motors unter seinen Füßen zu spüren, der die Radbod unermüd­lich vorantrieb, gehörte zu den Momenten, die er besonders schätzte. Doch heute berührte ihn der Anblick des Meeres mehr als üblich. Er glaubte, darin eine Bedeutung zu erkennen, die er auf diese Weise so noch nie wahrgenommen hatte.

    Erneut hob er den Blick seiner hellblauen Augen und spähte zur Küste hinüber. Das Festland hob sich wie eine auf dem Wasser ruhende Kruste, wie der Schorf, der die Wunde des blanken Hans bedeckte, vor dem Horizont ab. Hier und da schimmerten ein paar Lichter, aber noch war es zu früh und die meisten Menschen lagen noch in tiefem Schlummer. Erst wenn sie erwachten, würde das künstliche Leuchten zunehmen und schließlich irgendwann mit dem Grau des Morgens verschmelzen. Bis es so weit war, würde es aber noch ein wenig dauern.

    Felix ertappte sich dabei, wie er nach einem Licht am westlichen Ortsrand von Greetsiel Ausschau hielt. Dort irgendwo befand sich das alte Deichhaus, in dem Hauptkommissarin Ruth Fasan lebte. Die Entfernung war jedoch zu groß, um Einzelheiten erkennen zu können. Felix vermutete auch, dass Ruth noch in ihrem Bett lag und friedlich träumte …

    Der Kapitän atmete die würzige Meeresluft tief ein und behielt sie einen Moment lang in seiner Lunge, ehe er ausatmete. Er fühlte, wie sich sein Herzschlag leicht beschleunigte. An Ruth Fasan zu denken, wühlte ihn innerlich auf eine angenehme Art auf und belebte seinen Geist.

    Nachdenklich senkte er den Blick, schaute hinab auf das dunkle Wasser des Gatje mit den glitzernden Splittern Mondlicht darauf. Das Wattenmeer erschien ihm plötzlich wie ein Gleichnis; er meinte, das Wesen der Hauptkommissarin darin zu erblicken. Ruth war geheimnisvoll schön; ihr kühles Äußeres konnte ihm aber nicht verbergen, wie aufwühlend und stürmisch sie beizeiten sein konnte …

    Felix furchte leicht die Stirn. Dass ihm derartige Gedanken durch den Kopf gingen, kannte er von sich gar nicht. Er war ein prag­matisch denkender, konservativer Mensch; romantische Gefühle und der Hang zu schnulzigen Anwandlungen, wie er sie selbst im Stillen nannte, waren ihm fremd. Und dennoch beschäftigten ihn derartige Regungen jetzt.

    »Bist du womöglich in diese Frau verliebt?«, fragte er sich murmelnd.

    Als er Ruth vor einigen Monaten das erste Mal im Hafen von Greetsiel begegnet war, hatte er sofort gespürt, dass sie etwas Besonderes war. Diese reife Frau mit der rauen Schale, die in der Hamburger Kripo durch eine harte Schule gegangen war und in Greetsiel nun einen Neuanfang beginnen wollte, hatte einen Charme ausgestrahlt, der Felix sofort in den Bann geschlagen hatte. So wie Ruth war auch er nicht mehr der Jüngste, aber das spielte überhaupt keine Rolle, wenn er mit ihr zusammen war. In ihrer Gegenwart fühlte er sich zeitlos jung. Es hatte ihn selbst überrascht, wie sehr er sich bemüht hatte, ihr näher zu kommen. Offenbar hatte er in ihr ebenfalls eine Saite zum Klingen gebracht, denn Ruth zeigte sich nicht abgeneigt, auf seine Annäherungsversuche einzugehen. Kürzlich hatte sie ihn sogar zu einer gemeinsamen Nacht in ihrem Deichhaus eingeladen …

    Plötzlich stutzte Felix. Irgendetwas störte seinen verträumt auf das dunkle Wasser gerichteten Blick. Ein pechschwarzer Schleier ver­hüllte den Mondglanz auf den Wellen. Wie ein langer breiter Schal aus stumpfem schwarzem Samt ruhte das Dunkel auf dem Meer.

    Im nächsten Moment verriet Felix’ geübter Blick, womit er es zu tun hatte: eine auf dem Wasser treibende Ölspur!

    Rasch zog er das Funkgerät von seinem Gürtel. »Petre«, rief er seinen Steuermann an. »Sofort anhalten!«

    Petre Stevens reagierte prompt und ohne Nachfrage. Das Rumoren im Bauch des Küstenbootes schwoll kurz an, als er vollen Gegen­schub gab. Die Radbod verlangsamte die Fahrt und stand dann wankend still. Das Dröhnen der Maschine verebbte und ging in ein gleichmäßiges Tuckern über.

    »Scheinwerfer vor den Bug ausrichten«, gab Seitz über Funk einen weiteren Befehl an das Steuerhaus durch.

    Der schwenkbare Scheinwerfer am Gerätemast flammte auf und riss das Wasser vor dem Bug aus dem Dunkeln. Der Gegenschub der Schiffsschraube hatte das Gatje stark aufgewühlt. Es wallte heftig unter der Oberfläche, aber dort, wo das Öl auf den Wellen lag, verursachte die Unterströmung bloß ein träges Auf und Ab.

    »Speichern Sie die Koordinaten«, sprach Felix in das Funkgerät. »Vor uns liegt ein Ölteppich. Wir werden das ganze Ausmaß dieser Verunreinigung erfassen und versuchen, den Verursacher zu …«

    Der Kapitän brach ab. In der Lichtinsel, die das Wasser vor ihm hell erleuchtete, war ein Gegenstand aufgetaucht. Er schimmerte matt­schwarz im Scheinwerferlicht, und doch schien es sich nicht um Öl zu handeln. Auch hatte das Objekt abseits des Ölteppichs die Ober­fläche durchstoßen, nur wenige Meter vom Bug der Radbod entfernt. Es trieb lang ausgestreckt auf den Wellen der sich langsam legenden Unterströmung, die das Streifenboot verursacht hatte.

    »Sehen Sie das auch?«, hörte Felix die Stimme seines Steuer­mannes aus dem Funkgerät dringen. »Was ist das?«

    Felix beugte sich über die Reling und spähte angestrengt. »Das Objekt ist etwa zwei Meter lang und circa einen halben Meter breit«, informierte er Petre über Funk. Der Kapitän verengte die Augen zu schmalen Schlitzen und betrachtete das Treibgut eingehend. Offen­bar schien es sich um einen in eine schwarze Folie eingewickelten länglichen Gegenstand zu handeln. Die Hülle sah allerdings schon nicht mehr ganz neu aus.

    Felix stieß einen überraschten Laut aus, als er gewahr wurde, dass sich unter der Plastikfolie vage die Konturen eines menschlichen Körpers abzeichneten.

    »Es sieht aus wie ein lebloser Mensch«, sprach er ins Funkgerät. »Er ist in irgendetwas eingewickelt, wie es scheint.« Felix richtete sich auf. »Wir werden das Objekt bergen!«, bestimmte er. »Informie­ren Sie Ole; er soll mir helfen, das Beiboot zu Wasser zu lassen und das Treibgut zu sichern.«

    *

    Der Maschinist Ole Gröber setzte das Tochterboot der Radbod mit dem Heckkran auf den Wellen ab. Daraufhin stieg Kapitän Seitz die Sprossenleiter hinab und wechselte in das feste Schlauchboot über. Ole folgte ihm kurz darauf.

    Der Maschinist machte sich sogleich daran, die Haken der Halte­seile loszumachen. Als er damit fertig war, hob er beide Daumen, um seinem Kapitän zu bedeuten, dass sie abfahrbereit waren. Felix, der vor dem Steuerruder stand, gab Gas und manövrierte das Bereit­schaftsboot um die Radbod herum. Vor dem Bug angekommen, drosselte er den Motor.

    »Übernehmen Sie, Ole«, wies er den Maschinisten an und räumte den Platz vor dem Steuerruder. »Bringen Sie uns so nahe wie möglich an das Objekt heran. Aber passen Sie auf, dass es dabei nicht unter Wasser gedrückt wird.«

    »Aye«, bestätigte Ole und griff nach dem Ruder. Er war einen halben Kopf kleiner als Seitz, aber dafür um einiges breiter und stämmiger. Schwielen an seinen Händen zeugten von der harten Arbeit an den Maschinen des Küstenbootes.

    Mit einem Bootshaken bewaffnet stellte sich Felix breitbeinig an die Backbordseite. Er rief Ole ein paar Anweisungen zu, die dieser so geschickt umzusetzen wusste, dass das Tochterboot schließlich längsseits des treibenden Objektes lag; dumpf schlug es gegen den Hartschalenrumpf und tauchte kurz unter.

    Felix zögerte, den Bootshaken für die Bergungsarbeit einzusetzen, denn er befürchtete, mit dem spitzen Haken die Plastikhaut des Objektes aufzureißen. Er legte das Gerät beiseite, kniete sich hin und beugte sich weit über den Wulst des Schlauchbootes. Da das Objekt, das noch immer in das grelle Licht des Scheinwerfers gehüllt war, nur eine halbe Armlänge von ihm entfernt war, konnte er deutlich erkennen, dass es sich tatsächlich um einen menschlichen Körper handelte. Offenbar steckte dieser in einem Leichensack.

    Felix überwand seinen Widerwillen und packte mit beiden Händen zu. Das Plastikmaterial fühlte sich glitschig und leicht brüchig an; es drohte unter seinen Fingern zu reißen. Um dies zu verhindern, umfasste Felix die Schultern des umhüllten Körpers und zog ihn aus dem Wasser. Dass die Ärmel seiner Uniformjacke sich dabei mit Meerwasser vollsogen, bemerkte er kaum. Wie ein großer, schleimi­ger Fisch glitt der Leichnam über den Schlauchbootwulst, als Felix ihn an Bord zog. Mit einem nassen Geräusch schlug das Fußende des Leichensacks auf den Bootsboden auf und ein Schwall Wasser floss daraus hervor. Augenblicklich breitete sich fauliger Geruch aus.

    Erst jetzt wurde Felix gewahr, dass am Fußende ein Stück vom Leichensack abgerissen war. Es fehlte ein etwa vierzig Zentimeter langes Stück. Behutsam ließ er den Oberkörper des Toten nun auf den Boden sinken, trat einen Schritt zurück und presste den nassen Ärmel vor die eigene Nase.

    »Puh!«, rief Ole herüber. »Der Tote stinkt ja schlimmer als verfaulter Fisch!«

    Den Arm weiterhin vor Mund und Nase gepresst hob Felix den Bootshaken auf, schob die Krümmung in das aufgerissene Fußende und hob die Folie an. Als er in den Leichensack hineinsah, bereute er es sofort. Die bleichen Enden von zwei Unterschenkelknochen, die von einer talgigen Masse umgeben waren, waren zum Vorschein gekommen.

    Felix zog den Bootshaken vorsichtig zurück und erneut verdeckte die Plastikfolie die Beinstumpen. »Wir haben, was wir wollten«, rief er Ole zu. »Kehren wir an Bord der Radbod zurück. Wir müssen das Küstenwachzentrum über unseren grausigen Fund unterrichten. Außerdem muss das Schiff ausfindig gemacht werden, das den Ölteppich zurückgelassen hat. Offenbar haben die Seeleute nicht nur ihr Altöl im Wattenmeer entsorgt, sondern auch eine Leiche!«

    Kapitel 2

    Hauptkommissarin Ruth Fasan schlug schlaftrunken die Augen auf. In ihrem Schlafzimmer herrschte trübes Halbdunkel, es war noch viel zu früh, um aufzustehen. Als der fröhliche Klingelton ihres Handys an ihre Ohren drang, ahnte sie, was sie geweckt hatte. Sie drehte sich ihrem Nachttisch zu und tastete nach dem Telefon. Fast hätte sie den Apparat mit den Fingern von der Platte gestoßen, doch sie fasste blitzschnell nach und erwischte das Handy, bevor es hinunterfallen konnte.

    Ruth war ziemlich verblüfft, als ihr auf dem Display angezeigt wurde, dass es sich bei dem Anrufer um Felix Seitz handelte. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, warum der Kapitän der Wasserschutzpolizei sie um diese frühe Morgenstunde anrufen sollte. Sie glaubte, ihn inzwischen gut genug zu kennen, um mit Sicherheit ausschließen zu können, dass sein Anruf einen amourösen Grund haben könnte. Felix war einfach nicht der Typ, der seine Geliebte frühmorgens aus dem Bett klingelte, nur um ihr zu sagen, wie sehr er sich nach ihr verzehrte.

    Oder täuschte sie sich in diesem Punkt etwa? Ein Lächeln umspielte ihre Lippen und sie ließ das Handy noch ein bisschen länger klingeln. Felix sollte ruhig noch ein wenig zappeln, ehe sie ihn erlöste und seinen Anruf entgegennahm. Das würde ihn lehren, was es bedeutete, sie aus dem Schlaf zu reißen.

    Dann fiel ihr ein, dass Felix sich mit seinem Streifenboot gerade auf großer Revierfahrt befand. Dies machte es noch unwahrschein­licher, dass er aus lauter Sehnsucht nach dem Telefon gegriffen hatte. Womöglich war etwas vorgefallen.

    Sie schob sich ein Stück das Bett hinauf und lehnte sich mit dem Rücken in die Kissen. Dann zog sie das Symbol des grünen Telefon­hörers auf dem Bildschirm nach oben und hielt sich das Handy ans Ohr.

    »Hallo Felix«, sagte sie, ehe der Anrufer zu Wort kommen konnte. »Wo brennt’s denn?« Diese Formulierung schien ihr für beide Eventualitäten geeignet, sowohl als Ansprache für einen schmach­tenden Geliebten als auch für den Fall, dass ein Notfall vorlag.

    »Guten Morgen, Ruth«, sagte Felix zurückhaltend. Er zögerte weiterzusprechen, was Ruth vermuten ließ, dass ihm soeben bewusst wurde, dass sein Anruf von ihr möglicherweise anders gedeutet wurde, als er gemeint war, und sie jetzt enttäuscht sein würde, wenn er weitersprach. »Ich … äh …«

    Ruth konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Bisher hatte sie sich noch nie veranlasst gefühlt, Felix mit dem Attribut »süß« zu betiteln. Doch seine momentane Verlegenheit konnte mit keinem anderen Ausdruck besser beschrieben werden.

    »Ich weiß, du sehnst dich nach mir«, befreite sie ihn aus der Bedrängnis. »Aber ich weiß auch, dass das nicht der Grund für deinen Anruf ist.«

    »Ja … nein«, sagte Felix noch immer ein wenig verwirrt. Er räusperte sich. »Wir haben einen

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