Schimpfen zwischen Scherz und Schmerz: Funktionenvielfalt am Beispiel des Wienerischen
Von Oksana Havryliv
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Andererseits legt sie dar, wie unterschiedlich das Schimpfen in den Kulturräumen ist: Im slawischen Sprachraum etwa herrschen sexuell geprägte Ausdrücke vor, während im deutschen Sprachraum vor allem Schimpfwörter aus dem skatologischen Bereich üblich sind.
Die Auseinandersetzung mit verbaler Aggression in Corona-Zeiten offenbart zusätzliche Facetten wie etwa neue Schimpfwörter und Konfliktsituationen.
Eine kundige Einführung in eine Theorie des Schimpfens – seiner Funktionen, seiner Formen und seiner Wirkungen.
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Buchvorschau
Schimpfen zwischen Scherz und Schmerz - Oksana Havryliv
DIE WIENER VORLESUNGEN
Nur eine aufgeklärte Öffentlichkeit, die freien Zugang zu validen Informationen und aktuellen Wissenschaftskonzepten hat, ist in der Lage, sich differenziert mit den gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit auseinanderzusetzen. Mit dem unverwechselbaren Wissenschaftsformat Wiener Vorlesungen leistet die Stadtregierung nun bereits seit mehr als drei Jahrzehnten einen wertvollen demokratiepolitischen Beitrag. Offen für alle, niederschwellig und zugleich hochkarätig werden hier die neuesten Erkenntnisse, Ideen und Fragestellungen aus Wissenschaft und Forschung präsentiert und diskutiert.
Als Forschungsstandort und Universitätsstadt hat die Stadt Wien eine Spitzenposition im mitteleuropäischen Raum inne und sieht es auch in ihrer Verantwortung, Impulsgeberin für aktuelle und zukunftsrelevante Auseinandersetzungen zu sein. So beziehen die Wiener Vorlesungen die Öffentlichkeit in den wissenschafts- und technologiepolitischen Diskurs mit ein und verhandeln Themen, die für die Stadt und ihre Bewohnerinnen und Bewohner besonders relevant sind.
Neu in der langen Geschichte ist das Format Wiener Vorlesungen online – geschuldet natürlich den mit der Covid-19-Pandemie einhergehenden Einschränkungen. Doch aus der Not wurde hier eine Tugend: Mittlerweile sind alle Veranstaltungen jederzeit nachträglich abrufbar und es kann somit auch zeitversetzt an der Diskussion aktuellster Fragestellungen partizipiert werden. Denn gerade in der Krise wurde sichtbar, welche Bedeutung vertrauenswürdige Konzepte der Wissensvermittlung während des Überangebots an Meldungen haben, das allzu oft von Halbwissen, Unwissen und Falschwissen geprägt ist. Das zeitgemäße Veranstaltungsformat trägt dazu bei, Dimensionen abzuschätzen, Fragen zu bewerten und schlussendlich Entscheidungen für das eigene Handeln zu treffen. Eine fundierte Informationsbereitstellung und der öffentliche Diskurs über die Voraussetzungen und Folgen von Forschung ist gerade heute von zentraler Bedeutung.
Besonders wichtig in diesem Zusammenhang ist die breite Diskussion des Nicht- beziehungsweise Noch-nicht-Wissens geworden, das gute Wissenschaft auszeichnet und zu ihrem Selbstverständnis zählt. Mit dieser Ungewissheit des Nicht-Wissens bewusst umzugehen und diese mit der Gesellschaft zu teilen, ist ein weiteres wichtiges Anliegen der Wiener Vorlesungen.
An unterschiedlichen Schauplätzen – denn auch bei ausschließlichen Online-Vorlesungen sollen verschiedene Orte der Stadt zu Stätten der Bildung werden – lädt das Dialogforum prominente Denkerinnen und Denker, den Nachwuchs der Wissenschaft und insbesondere Wissenschaftlerinnen ein, ihre Erkenntnisse und Einsichten über Fachgrenzen und Generationen hinweg mit der Bevölkerung zu teilen.
Um von den Wiener Vorlesungen zu profitieren, ist kein Studium nötig! Das ideale Publikum zeichnet sich durch große Wachheit und unbändige Neugier auf das Unbekannte und brennende gesellschaftliche Fragen aus. Bei kontrovers zu diskutierenden Themen ist dies umso entscheidender. Wenn hier individuelle Echokammern aufgebrochen werden, die ansonsten zu einer Engführung der Wahrnehmung führen können, hat das niederschwellige Wissenschaftsformat sein Ziel erreicht und den demokratiepolitischen Auftrag aufs Beste erfüllt.
In diesem Sinne freue ich mich, dass die Wiener Vorlesungen mit dieser Publikation nun auch schriftlich vorliegen und einen noch weiteren Adressat*innenkreis erreichen.
Veronica Kaup-Hasler
Stadträtin für Kultur und Wissenschaft
SCHIMPFEN ZWISCHEN SCHERZ UND SCHMERZ
VORWORT UND DANKSAGUNG
Ich freue mich, Sie in mein langjähriges Forschungsthema »verbale Aggression«, in der Umgangssprache als »Schimpfen« bekannt, einweihen zu dürfen. Für jede Wissenschaftlerin und jeden Wissenschaftler ist das öffentliche Interesse an den von ihnen erforschten Themen sehr wichtig. Dieses Interesse ist wie ein Treibstoff, der zum Weiterforschen motiviert.
Das Buch stellt die erweiterte Version der Wiener Vorlesung dar, die ich am 6.7.2021 im »Waggon Salon« im Böhmischen Prater gehalten habe. Diese Vorlesung sowie das anregende Gespräch mit Günter Kaindlstorfer kann unter https://vimeo.com/channels/464934/572524364 angesehen werden. Das Video und das Gespräch sind jugendfrei, das heißt, es kommen dort Beispiele vor, die auch den Kinderohren zuzutrauen beziehungsweise verhüllt sind. Das Buch wurde dagegen mit neuen Beispielen angereichert, die sich durch ausgeprägte Stärke und Vulgarität auszeichnen. Alle diese Beispiele entstammen den schriftlichen und mündlichen Umfragen unter WienerInnen oder den Texten österreichischer SchriftstellerInnen. Mein besonderer Dank geht deshalb an alle, die sich an den Umfragen beteiligt oder mir ihre Beobachtungen, Geschichten und Erinnerungen per Post beziehungsweise E-Mail zugeschickt haben.
Zum Schluss möchte ich mich auch bei meiner Familie bedanken: bei meinen Eltern, Olha und Yevhen, die meine sprachliche Begabung von klein auf gefördert haben und mich auch im Erwachsenenalter bei verschiedenen Projekten unterstützen.
Bei meinem Mann, Tymofiy, der den Text dieses Buches als Erster gelesen, konstruktive Kritik geäußert und wertvolle Anregungen gemacht hat.
Bei meinen Söhnen – Severyn und Luca, die mir nicht nur Belege aus den Jugendsprachen liefern, sondern mich auch ab und zu zum Schimpfen zwischen Scherz und Schmerz verleiten.
Wien und Lviv, im Sommer und Herbst 2021
1. EINFÜHRUNG ODER WARUM DIESES FORSCHUNGSTHEMA?
Mit den »Wiener Vorlesungen« sind bei mir persönliche Erinnerungen verbunden, die zu den Anfängen meiner wissenschaftlichen Tätigkeit zurückreichen. Mit diesen Erinnerungen möchte ich beginnen, denn immer wieder wird mir die Frage gestellt, warum ich mich für ein angeblich »so unappetitliches« Forschungsthema entschieden habe.
Ich studierte Germanistik Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre in der Ukraine, an der Ivan-Franko-Universität in Lviv – diese Stadt kennen Sie vielleicht als Lemberg. Das Studium fand vor dem Hintergrund bahnbrechender Ereignisse statt: Die Sowjetunion brach zusammen, die Ukraine wurde 1991