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Praxishandbuch Social Media Recruiting: Experten Know-How / Praxistipps / Rechtshinweise
Praxishandbuch Social Media Recruiting: Experten Know-How / Praxistipps / Rechtshinweise
Praxishandbuch Social Media Recruiting: Experten Know-How / Praxistipps / Rechtshinweise
eBook1.646 Seiten13 Stunden

Praxishandbuch Social Media Recruiting: Experten Know-How / Praxistipps / Rechtshinweise

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Über dieses E-Book

Erfahrene Experten zeigen, wie man die wichtigsten Social-Media-Kanäle für die Personalgewinnung erfolgreich nutzen kann. Die Autoren offenbaren ihre Erfolgsgeheimnisse und zeigen auf, wie Sie mit Social Recruiting mehr und besser qualifizierte Bewerber finden. Sie erfahren auch, welche Möglichkeiten es mit „Employer Branding“ für Ihr Unternehmen gibt, um im „War for Talents“ Ihrem Mitbewerber einen Schritt voraus zu sein. Rechtshinweise, Praxisbeispiele, Interviews und Leitfäden sowie eine systematische Gliederung bieten Ihnen eine praktische Entscheidungshilfe für die tägliche Arbeit.

Neu in der 4. Auflage
u.a. „Instagram“, „Recruiting-Videos“, „Corporate Influencer“, „Social Recruiting in der Schweiz und in Österreich“, „HR-Analytics“, „Desinformationsangriffe gegen die Arbeitgebermarke“ sowie aktualisierte Themenkapitel und Praxisinterviews.


SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum11. Sept. 2020
ISBN9783658294380
Praxishandbuch Social Media Recruiting: Experten Know-How / Praxistipps / Rechtshinweise

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    Buchvorschau

    Praxishandbuch Social Media Recruiting - Ralph Dannhäuser

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2020

    R. Dannhäuser (Hrsg.)Praxishandbuch Social Media Recruitinghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-29438-0_1

    1. Trends im Recruiting

    Ralph Dannhäuser¹  

    (1)

    on-connect GmbH, Filderstadt, Deutschland

    Ralph Dannhäuser

    Email: rd@on-connect.de

    Zusammenfassung

    Neben den großen Hauptkapiteln gibt es eine Reihe erwähnenswerter Themen und Trends im Recruiting. In diesem Kapitel erhalten Sie dazu einen kompakten Überblick. Sie finden Beispiele aus der täglichen Praxis, Interviews mit interessanten Persönlichkeiten namhafter Unternehmen sowie einen Link zum führenden HR-Studien-Downloadportal, wo Sie validierte und aktuelle Studienergebnissen finden, die die Themen und Trends belegen.

    1.1 Neue Ideen müssen her

    Der Fachkräftemangel ist nach wie vor das Topthema vieler Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz! Obwohl es seit Herbst 2019 – nach zehn Jahren wirtschaftlichem Aufschwung – die ersten größeren Entlassungswellen, wie zum Beispiel im Automobilsektor und bei dessen Zulieferern gibt, haben nach wie vor viele Branche massive Probleme, ihren Fachkräftebedarf zu decken. Bisher gängige Wege scheinen nicht mehr so zu funktionieren. Fieberhaft wird darüber nachgedacht, wo und wie geeignete Mitarbeiter gefunden werden können. Welche Kanäle funktionieren zur Ansprache potenzieller Mitarbeiter noch? Die Personalsuchenden halten daher händeringend Ausschau nach neuen Ideen, um die besten Talente gewinnen und langfristig an das Unternehmen binden zu können!

    Social Media Recruiting gilt mittlerweile als etabliertes Wundermittel im Wettbewerb gegen den Fachkräftemangel. Zu Recht, denn mittlerweile steht diese Lösung neben den Online-Stellenanzeigen, Karriereseiten von Unternehmen und Mitarbeiterempfehlungen ganz oben auf der Liste unter den beliebtesten Rekrutierungskanälen im deutschsprachigen Raum. Aufgrund des demografischen Wandels hat sich diese Situation in den letzten Jahren spürbar zugespitzt und wird sich in den nächsten Jahren weiter zuspitzen. Diverse Studien aus Forschung, Wirtschaft, Politik und von Branchenverbänden bestätigen diesen Trend ganz eindeutig. Jetzt gilt es mehr denn je, sich die beste Ausgangsposition zu sichern, die eigenen unternehmerischen Hausaufgaben zu machen und zu lernen, wie man das kostbare Gut „qualifizierte Mitarbeiter" für sich gewinnen und binden kann, bevor es andere Unternehmen tun!

    Massive Veränderungen in der Kommunikation in vollem Gange!

    Die Art und Weise der Kommunikation zwischen Bewerbern und Unternehmen hat sich durch das Internet im letzten Jahrzehnt fundamental verändert. Die sogenannte „Generation Y ist im Arbeitsmarkt integriert. Sie ist nach 1980 geboren und damit die erste Generation, die weitestgehend mit dem Internet und mit mobiler Kommunikation aufgewachsen ist. Bei der Generation „Z, die ab den 2000er Jahren auf die Welt gekommen ist, sind mobile Medien schon von Kindesbeinen an völlig normal im Alltag integriert. Beide Generationen organisieren sich weltweit über soziale Netzwerke und tauschen sich über diese Netzwerke zu privaten, aber auch beruflichen Themen intensiv aus. Vor diesem Hintergrund verlieren die Unternehmen nach und nach die „Hoheit über den internen und externen Kommunikationsfluss, das heißt die Hoheit darüber, wie, wann, wo und vor allem was über das eigene Unternehmen gesprochen wird. Experten sehen in diesem „Verlust der Informationshoheit einen Paradigmenwechsel in der Kommunikation!

    Revolution des Bewerberverhaltens

    Als Ergebnis erleben wir eine Revolution des Bewerberverhaltens. Die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Die Übermacht der Arbeitgeber gehört der Vergangenheit an. Auf einmal haben die Bewerber die Auswahl, Unternehmen buhlen um die besten Mitarbeiter und müssen in sozialen Netzwerken „Farbe bekennen"! Je nach Zielgruppe und Zielrichtung nutzen Personalsuchende einschlägige Social-Media-Kanäle, wie zum Beispiel XING, LinkedIn, Facebook, Twitter, YouTube, Kununu, Instagram oder Karriere-Blogs für aktives oder passives Social Recruiting.

    Veränderungen der Arbeitswelten

    Die Schlagworte „fortschreitende Digitalisierung, „demografischer Wandel und „Wertewandel sind die entscheidenden Treiber für die einschneidenden Veränderungen in den Arbeitswelten der Unternehmen. Althergebrachte Statussymbole und klassische Belohnungssysteme begeistern die anspruchsvollen Berufseinsteiger und Young Professionals eher nicht. Stattdessen werden bestehende Systeme und der Sinn der Arbeit hinterfragt, und es wird kritisch geprüft, wie sich der Job mit den eigenen Interessen und Werten in Einklang bringen lässt. Dazu werden persönlicher Freiraum sowie zeitliche und räumliche Flexibilität vom Arbeitgeber geradezu selbstverständlich eingefordert. Diese neuen Gegebenheiten zwingen Unternehmen zum massiven Umdenken und Handeln. Auch und gerade im Umgang mit potenziellen Bewerbern, den hauseigenen Recruiting-Prozessen, der Unternehmenskultur, dem Führungsverhalten sowie dem vielfach zitierten „Employer Branding!

    1.2 Der Kampf um die besten Talente findet nicht am Markt, sondern im Unternehmen statt

    Sicherlich kennen Sie diese, oder ähnliche frustrierende Probleme:

    Sie erhalten wenige oder gar keine Bewerbungen auf offene Stellen.

    Sie haben bereits ein Vermögen für Stellenanzeigen ausgegeben – ohne Erfolg damit zu haben.

    Sie bekommen internen Druck aufgrund monatelang unbesetzter Stellen.

    Sie erhalten unpassende Bewerbungen von völlig ungeeigneten Kandidaten.

    Ihre Kandidaten haben parallele Jobangebote und die freie Auswahl.

    Ihr Kandidat taucht im laufenden Bewerbungsprozess plötzlich ab oder meldet sich nicht mehr.

    Sie stehen kurz vor Vertragsabschluss und plötzlich springt Ihr Bewerber ab.

    Das tut weh! Damit sind Sie übrigens nicht allein. Ich kenne die Leidensgeschichten vieler Unternehmen zur Genüge!

    Oftmals hausgemachte Probleme bei der Stellenbesetzung

    Wie gerade erwähnt, hat sich das Bewerberverhalten in vielen Branchen radikal verändert, die Machtverhältnisse haben sich verschoben. Auf einmal haben die Bewerber die freie Auswahl und die Unternehmen bewerben sich um die besten Mitarbeiter.

    Da dürfen keine hausgemachten Fehler den Besetzungserfolg gefährden. Doch genau das passiert interessanterweise in sehr vielen Fällen! Aus Unkenntnis wird gegen Grundregeln des Recruitings verstoßen. Es entstehen vielfach hausgemachte Probleme und Hindernisse bei der Stellenbesetzung. Aus diesem Grund habe ich die entscheidenden Erfolgsfaktoren aus Erfahrungswerten von Stellenbesetzungen der letzten Jahre sowie Feedbacks aus diversen Gesprächen und Trainings mehrerer Hundert Recruiter zusammengetragen und in einem kompakten eBooklet als extra Recruiting-Ratgeber beschrieben. Wenn Sie diese konsequent anwenden, werden Sie schon bald Ihre offenen Stellen deutlich schneller und mit qualifizierten Kandidaten besetzen können.

    eBooklet „Stellenbesetzung leicht gemacht – Die 9 wichtigsten Erfolgsfaktoren!"

    Als Leser dieses Praxishandbuchs empfehle ich Ihnen als weitergehende Lektüre dringend, einen Blick in diesen kompakten Recruiting-Ratgeber zu werfen. Da diese „9 wichtigsten Erfolgsfaktoren" generelle Recruiting-Tipps sind und nicht in direkter Verbindung mit Social Media stehen, behandle ich diese auch nicht in diesem Praxishandbuch. Sie bilden allerdings das Recruiting-Fundament für Ihren Besetzungserfolg! Es sind quasi die Hausaufgaben, die Sie ohnehin erledigen müssen.

    Dieser einzigartige Ratgeber ist in 9 Segmente (Erfolgsfaktoren) unterteilt und hat einen hohen praktischen Nutzen (Abb. 1.1). Weitere Infos finden Sie auf der Website https://​www.​on-connect.​de/​recruiting/​ratgeber/​.

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    Abb. 1.1

    Elektronischer Recruiting-Ratgeber „Die 9 wichtigsten Erfolgsfaktoren bei Ihrer Stellenbesetzung" von Ralph Dannhäuser

    Die Inhalte

    1.

    Das Jobprofil

    2.

    Ihre Arbeitgeberattraktivität

    3.

    Das interne Job-Briefing

    4.

    Optimieren Ihrer Stellenanzeigen – Kontakthürden senken

    5.

    Wertschätzung und positive Kandidatenerfahrung

    6.

    Reaktionszeit, Prozesse und Zeitplanung

    7.

    Aktive Kandidatensuche und -ansprache

    8.

    Arbeitsvertrag und Abschluss

    9.

    Professionelles Onboarding

    1.3 Vom „Post and Pray zum „aktiven Recruiting in sozialen Netzwerken

    Sicher kennen Sie als Personalchef, als Recruiter oder Firmeninhaber folgende Situation: Sie schalten eine Stellenanzeige in Lokalmedien, Fachmedien oder auf Online-Jobbörsen, warten ab, hoffen und beten, dass der passende Bewerber dabei ist. Die im englischen Sprachraum gebräuchliche Redewendung „Post and Pray" beschreibt dieses Verhalten sehr treffend. Die goldenen Zeiten, in denen es darum ging, welche der 200 eingegangenen Bewerbungen aussortiert werden sollen, sind bei den meisten Unternehmen vorbei. Heutzutage müssen Unternehmen kreativer und aktiver in ihren Personalgewinnungsmaßnahmen werden, denn die verfügbaren Fachkräfte werden immer rarer beziehungsweise stehen in festen, ungekündigten Arbeitsverhältnissen. Daher gilt es, vergleichbar mit der Identifikation potenzieller Kunden im aktiven Vertrieb, die Fachkräfte effizient ausfindig zu machen, sie aktiv und auf Augenhöhe anzusprechen, von sich als Arbeitgeber zu überzeugen, für eine Vertragsunterschrift zu gewinnen und schließlich an das eigene Unternehmen zu binden.

    Aus der täglichen Recruiting-Praxis und eigener Erhebung weiß ich, dass beispielsweise auf der Business-Plattform XING nur ca. 10 % der potenziellen Kandidaten aktiv und offenkundig kommunizieren, dass sie aktiv auf Jobsuche sind. Circa 30 % der Kandidaten kategorisiere ich in „latent suchende Kandidaten". Diese kommunizieren ihr Wechselinteresse entweder verborgen oder sind aktuell nicht auf der Suche, aber durchaus offen für interessante Jobangebote. Der Großteil, nämlich über 60 % aller potenziellen Kandidaten, sind passive Kandidaten, die sich aktuell, laut den Angaben in den einzelnen XING-Profilen, nicht für Jobangebote interessieren. Egal ob jemand passiv oder aktiv auf Stellensuche ist, scheinbar sind die allermeisten Berufstätigen offen, ein passendes Jobangebot oder mit einem Personalberater/Recruiter über eine Karrierechance zu sprechen, um zu sehen, ob dieses interessant für sie sein könnte.

    Das bedeutet, dass der Großteil Ihrer klassischen Personalmarketingmaßnahmen verpuffen kann, da diese Maßnahmen von vielen der interessanten Kandidaten, die zwar nicht aktiv auf Jobsuche sind, aber dennoch aktiv angesprochen werden wollen, einfach nicht wahrgenommen werden. Es geht sehr viel Wirkung und Aufmerksamkeit verloren. Werbefachleute sprechen hier von Streuverlusten. Wer liest sich schon freiwillig den Stellenmarkt in der Samstagszeitung oder in Online-Jobbörsen durch, wenn er aktuell mit dem Job und seinem Umfeld zufrieden ist? Ich kenne diese Situation noch gut aus meiner Zeit als Angestellter. Der Drang zur aktiven beruflichen Veränderung kam immer nur dann, wenn ich über- oder unterfordert war, das Umfeld (Führungskraft, Kollegen, Freiräume, Verantwortung, Entlohnung und sonstige Rahmenbedingungen) nicht gestimmt hat und ich mich nicht im sogenannten „Flow" fühlte.

    1.4 Personaler und Vertriebler haben die gleiche Herausforderung!

    Ich behaupte: Der Recruiter im Personalbereich hat die gleiche Herausforderung wie der Verkäufer im Vertrieb. Beide kennen den Entscheidungszeitpunkt ihrer Zielgruppe nicht!

    Für den Recruiter ist der Zeitpunkt des Wechselinteresses seines Kandidaten entscheidend, für den Vertriebsmitarbeiter das Kaufinteresse seines Kunden! Also gilt es im Recruiting wie im Verkauf, die „Pipeline" ordentlich zu füllen und den Zeitraum zwischen Interesse und Wechselbereitschaft mit entsprechenden kommunikativen Maßnahmen, z. B. in Social Media, zu überbrücken. Das bedeutet, dass Sie es sich zur Aufgabe machen sollten, parallel zu Ihren klassischen Recruiting-Maßnahmen eine attraktive Arbeitgebermarke positiv im Hinterkopf Ihrer potenziellen Kandidaten zu verankern. Um das zu realisieren, benötigen Sie wichtige Informationen von Ihrer Zielgruppe. Heutzutage ist das mit Social Media möglich, da die Menschen freiwillig mehr von sich preisgeben, als es noch vor 15 Jahren der Fall war. Wenn Sie sich dies zunutze machen und Beziehungen aufbauen, werden Sie hoch erfolgreich sein! Dieses Fachbuch wird Ihnen diverse Maßnahmen und Möglichkeiten zur effizienten Nutzung von Social Media, für Recruiting und auch zur Stärkung der eigenen Unternehmensmarke aufzeigen. Sie bedienen sich einfach am Buffet und nehmen das, was Ihnen am besten schmeckt und zu Ihrer Situation und Ihrem Umfeld passt.

    Beispiel

    Wenn irgendwann beispielsweise ein neuer Autokauf fällig wird, sollte bei mir im Hinterkopf der Verkäufer meines Vertrauens auftauchen. Falls es ein Verkäufer einer anderen Automarke ist, hat dieser alles richtig gemacht, denn er hat während der Zeit meines Desinteresses eine Beziehung zwischen ihm, seiner Marke und mir geschickt aufgebaut, ohne aufdringlich zu wirken. So ist die Chance für einen Kauf bei ihm deutlich gestiegen! Gleiches gilt für Ihre Arbeitgebermarke und Sie! Egal wie groß und mächtig oder klein und unbekannt Ihre Firma ist, das Schöne an Social Media ist, dass es für alle fast die gleichen Chancen bietet; nicht immer sind die größten Budgets für den Erfolg entscheidend! Kreativität und Aktivität sind gefragter denn je!

    1.5 Aktive Kandidatensuche und -gewinnung im Web

    Definition

    Die sogenannte „Aktive Kandidatensuche und -gewinnung" im Web ist eine ergänzende Personalbeschaffungslösung im „Kampf um die besten Talente". Sie werden in den letzten Jahren häufiger den Begriff „Active Sourcing" gehört oder gelesen haben.

    Analyse und Herleitung:

    Einige von Ihnen kennen den Begriff „Sourcing wahrscheinlich als Teil der Beschaffungsstrategie in der Materialwirtschaft. Zentrales Ziel ist hier die Sicherstellung der Versorgung des Unternehmens mit Ressourcen aller Art bei gleichzeitig so geringen Kosten wie möglich. Der wesentliche Unterschied vom Personalwesen zur Materialwirtschaft liegt hier in den „Menschen und ihren Beziehungen.

    Für mich als erfolgreicher, aktiver Recruiter im Web ist die Königdisziplin des Online-Recruitings die Kompetenz, Mitarbeiter im Web zu finden, auszuwählen und gleichzeitig zu gewinnen. Diese wird Active Sourcing genannt. Voraussetzungen für erfolgreiches Active Sourcing sind eine gute und fundierte Planung, der Aufbau einer klugen Strategie, das Wissen um die Vorgehensweise, die Fähigkeit der Mitarbeiter und das Know-how, die Methoden, Prozesse und Tools virtuos einzusetzen.

    Sourcing-Prozesse sind vergleichbar mit den Fachkompetenzen bei einem Autorennen. Wer einen solchen Wettbewerb gewinnen möchte, muss nicht nur wissen, wie man Auto fährt, sondern sich sowohl ebenso Fahrerfahrung unter Rennbedingungen aneignen als auch das spezielle Rennfahrzeug, die Rennstrecke und die Regeln beherrschen.

    Profi-Sourcer legen – wie auch Rennfahrer – besonderes Augenmerk auf den Start und die Grundlagen. Jeder Sourcing-Prozess wird zu einer Sisyphusarbeit, wenn folgende Voraussetzungen als Fundament nicht vorhanden sind:

    Wissen

    Fähigkeit

    Strategie

    Tools

    Prozesse

    Die Voraussetzungen und Erfolgsfaktoren beschreiben wir detailliert im Kapitel „Active Sourcing in der Praxis anhand der „7 Säulen des Active Sourcings. Die Kapitel „So zünden Sie mit XING Ihren Recruiting-Turbo, „Social-Recruiting-Erfolg mit LinkedIn – von Zero to Hero! sowie „Steigerung des Wirkungsgrads durch Social Recruiting und Active Sourcing in der Praxis mit dem Thema „Active Sourcing setzen sich mit dieser Thematik auch auseinander.

    Wie bereits zuvor erwähnt, befinden sich in beruflichen sozialen Netzwerken zum Großteil latent suchende Kandidaten, die den Talentpool eines Unternehmens signifikant erhöhen können. Mit einer aktiven Kandidatenansprache werden Sie deutlich mehr Erfolg haben, indem Sie einen Dialog mit Ihrem potenziellen Kandidaten eröffnen. Falls dieser nicht sofort wechselmotiviert ist, wird er Ihnen eventuell mitteilen, wann und unter welchen Umständen dies der Fall sein wird. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, sich aktiv Empfehlungen aus dessen Netzwerk einzuholen. Das erweitert Ihren Radius spürbar und macht aus einer „Kaltakquise eine „Warmakquise. Gerade für Unternehmen, die nicht so bekannt sind, bietet diese Methode die Möglichkeit, sich bei den potenziellen Kandidaten vorzustellen. Sie sind nur mit dem aktuellen Job im Wettbewerb – und nicht wie sonst mit der großen Konkurrenz an Arbeitgebern. Wenn Sie Bezug nehmen auf die Qualifikationen, Referenzen oder Arbeitsproben des Kandidaten, fühlen sich viele geehrt und freuen sich darüber, wahrgenommen zu werden und interessant sowie begehrt zu sein.

    Eines ist mir in diesem Zusammenhang besonders wichtig zu erwähnen: Unterschätzen Sie den zeitlichen Aufwand von Active Sourcing nicht!

    1.6 Moderne Recruiter müssen Vertriebler und Berater sein

    Zwischen dem Recruiter, wie Sie ihn aus der Vergangenheit kennen, und dem in der heutigen Zeit notwendigen Recruiter liegen Welten! Die Anforderungen an seine Fähigkeiten, an den Recruiter selbst und an das Aufgabenfeld haben sich deutlich erweitert. War der Recruiter in der alten Welt eher „verwaltender Administrator, so ist der Recruiter von heute mehr „Berater und Verkäufer.

    Topanforderungen

    Aus meiner Sicht müssen moderne Recruiter eine sehr hohe Vertriebsorientierung mitbringen, hoch kommunikative Fähigkeiten besitzen, eine aktive Vorgehensweise mit hoher Lernbereitschaft im Umgang mit Web-Technologien haben und gewinnende Persönlichkeiten sein. Gleichzeitig müssen sie den Arbeitsmarkt für ihre Zielgruppen gut kennen und die Erwartungen der Fach- und Führungskräfte managen. Ihnen muss es gelingen, das Unternehmen dem Kandidaten und dem Kandidaten das Unternehmen zu verkaufen!

    Dazu muss der proaktive Recruiter nicht unbedingt ein personalwissenschaftliches Studium oder eine einschlägige Ausbildung im Personalbereich absolviert haben. Um in Zukunft erfolgreiches Recruiting betreiben zu können, benötigen Sie neben einem Umdenken in Ihrem Unternehmen auch einen neuen Typ von Recruiter! Das Kompetenzprofil eines modernen Recruiters, entwickelt vom ICR, Institute for Competitive Recruiting, besteht aus neun funktionalen und neun geschäftsbezogenen Kompetenzen. An dieser Stelle verweise ich auf das Kapitel „Erfolgsfaktoren Social Media Recruiting in Unternehmen" von Hans Fenner, der sich detaillierter mit den Skills eines Recruiters beschäftigt.

    1.7 Moderne Recruiter werden verstärkt inhouse tätig werden

    Aufgrund der zunehmend steigenden Personalbeschaffungskosten müssen sich Firmen genau überlegen, welche Kanäle sie belegen wollen, um an ihre Wunschkandidaten heranzukommen. Mittlerweile werden für Stellenvermittlungen zwischen 20 % und 30 % vom Bruttojahresgehalt – in Engpasszielgruppen wie der IT-, Engineering- oder Medizinbranche bis zu 40 % – als Erfolgsprovisionen für die Vermittlung einer Festanstellung an beauftragte Personalberater oder Headhunter bezahlt. Zu diesen externen Beschaffungskosten kommen eventuell kostenpflichtige Jobanzeigen in Online-Jobbörsen und gelegentlich auch teure Print-Anzeigen noch hinzu. Nicht zu vergessen die internen Kosten der Personalabteilung, die als – umgangssprachlich – „Ohnehin-da-Kosten" gelegentlich bei der Vollkostenrechnung unter den Tisch fallen.

    Aufgrund dieses steigenden Kostendrucks für die Personalbeschaffung und aufgrund der Veränderung der „klassischen" Personalgewinnungskanäle werden Unternehmen verstärkt dazu übergehen, sich Kompetenz im eigenen Hause aufzubauen.

    Zum einen, um die eigene Wertschöpfung im Wissen um die Gewinnung der besten Talente für sich zu steigern sowie das Employer Branding permanent weiterzuentwickeln, und zum anderen, um die Kosten überschaubarer zu halten.

    Dazu werden sich Unternehmen zwei Wege überlegen und diese kalkulieren:

    1.

    Recruiter in Festanstellung,

    2.

    Recruiter als Freelancer/Interim.

    Je nachdem, in welcher Fristigkeit (kurz-, mittel-, langfristig) und in welcher Quantität der Personalbedarf vorhanden ist und gedeckt werden muss, wird man sich für den einen oder anderen Weg entscheiden. Bei beiden Wegen sind in jedem Fall verschiedene Herausforderungen zu meistern und Grundlagen dafür zu schaffen.

    1.8 Allgemeine Trends im Recruiting

    Trailer

    Das Centre of Human Resources Information Systems (CHRIS) der Universität Bamberg untersucht im Auftrag von Monster Worldwide Deutschland in jährlichen Unternehmensstudien („Recruiting Trends) und Kandidatenstudien („Bewerbungspraxis) die Personalbeschaffung in den Top-1000-Unternehmen und dem Mittelstand in Deutschland. Die Studie wird bereits seit 18 Jahren durchgeführt und ist eine der führenden Studien in diesem Bereich. Seit 2003 hat das CHRIS-Team Antworten von über 4000 teilnehmenden Unternehmen und 130.000 Bewerbern gesammelt.

    Seit einigen Jahren werden die Ergebnisse nach Schwerpunktthemen aufbereitet, damit die komplementären Perspektiven der Unternehmen einerseits und der Stellensuchenden und Karriereinteressierten andererseits noch besser widerspiegelt werden können. 2019 sind die inhaltlichen Schwerpunkte:

    Digitalisierung und Zukunft der Arbeit

    Social Recruiting und Active Sourcing

    Employer Branding

    Mobile Recruiting

    Die Studienergebnisse der letzten Jahre finden Sie unter diesem Link:

    https://​www.​uni-bamberg.​de/​isdl/​chris/​recruiting-trends/​

    Ich möchte die Gelegenheit nutzen und hierzu mit Prof. Dr. Tim Weitzel, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik und Dienstleistungen der Uni Bamberg und Gründer sowie Leiter des Centres of Human Resources Information Systems (CHRIS) sprechen. Seit 18 Jahren erarbeitet er jährlich in Unternehmens- und Kandidatenstudien mit Unterstützung von Monster Worldwide Deutschland Trends in der Personalbeschaffung.

    Interview mit Prof. Dr. Tim Weitzel

    Frage: Herr Prof. Dr. Weitzel, was waren vor zehn Jahren die großen Themen und welche Themen zeichnen sich aktuell ab? Was sind die großen Recruiting-Trends 2019/2020, die die Unternehmen beschäftigen werden?

    Prof. Dr. Weitzel: Vor zehn Jahren kam das „E in E-Recruiting. Unternehmen und Kandidaten lernten, über das Internet miteinander zu kommunizieren. Online-Stellenanzeigen und elektronische Bewerbungen wurden der Standard. Gleichzeitig zeigten sich bleibende und auch über Krisen hinweg stabile Probleme bei der Besetzung etlicher Stellen aufgrund demografischer Effekte, anspruchsvollerer Jobprofile, nicht immer arbeitsmarktgerechter Studien- und Ausbildungswahl der Kandidaten und auch geringer Bewerbermobilität. Seitdem stehen alle großen Trends von Employer Branding über Professionalisierung der Personalbeschaffung, Rekrutierungscontrolling und Prozess-Standardisierung bis Social Media im Zeichen des „War for Talents. Aktuell nehmen natürlich Chancen und erste Erfahrungen mit der Digitalisierung der Personalbeschaffung und datengetriebenen, evidenzbasierten Recruiting-Ansätzen viel Raum ein. Die Leitfrage lautet: „Wie kann Digitalisierung helfen, die Rekrutierung schneller, besser und vielleicht auch ein wenig ‚fairer‘– im Sinne von valider und reliabler Auswahl – zu machen, und die ganze Talent Journey von Erstkontakt bis Mitarbeiterbindung unterstützen?"

    Frage: In meiner täglichen Recruiting-Praxis erlebe ich immer wieder, dass potenzielle Kandidaten keine Lust mehr haben, sich aktiv zu bewerben. Die Erwartungshaltung der Kandidaten scheint sich in den letzten Jahren massiv verändert zu haben. Viele Bewerber wollen von Personalbeschaffern oder Unternehmen aktiv, beispielsweise über Social-Media-Kanäle, angesprochen werden. Was ist an dieser Feststellung dran?

    Prof. Dr. Weitzel: Die passive Bewerbung ist schon lange der Favorit der Kandidaten, und der Fachkräftemangel ist Wasser auf Kandidatenmühlen. Aktuell nutzen 65 % häufig Lebenslaufdatenbanken von Internetstellenbörsen, um sichtbar zu werden, und 60 % haben ein öffentliches Profil in einem Karrierenetzwerk wie XING, danach kommen mit gut 40 % Lebenslaufdatenbanken von Unternehmen. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren war der Wert bei Stellenbörsen etwa halb so hoch und die elektronischen Karrierenetzwerke gab es quasi gar nicht.

    Frage: Über welche Kanäle sprechen Unternehmen heutzutage Kandidaten bevorzugt an und über welche Kanäle wollen Kandidaten überhaupt nicht angesprochen werden?

    Prof. Dr. Weitzel: Für die Unternehmen ist eine Erstansprache über Karrierenetzwerke häufig günstig, da dort eine Kontaktadresse hinterlegt ist und auch rechtlich weniger Probleme erwartet werden. Die Kandidaten sagen über alle Altersgruppen hinweg, sie würden dabei am liebsten per E-Mail angesprochen werden. Insgesamt mögen Kandidaten aller Altersgruppen das Telefon nicht sehr, in der Generation Z sagen nur etwa 2 %, das sei ihr liebster Kanal, angesprochen zu werden. Auch die Jüngeren sind sehr zurückhaltend bei WhatsApp oder Facebook. Schaut man sich Wunsch und Realität der Kandidaten an, wird aus Bewerbersicht vor allem die GenZ viel zu viel angerufen.

    Frage: Haben sich auch die Erwartungen der Kandidaten an Job und Arbeitgeber geändert? Hat beispielsweise der Fachkräftemangel die Kandidaten anspruchsvoller werden lassen?

    Prof. Dr. Weitzel: Vier von fünf Unternehmen sehen sich derzeit in der Tat höheren Anforderungen vor allem von Kandidaten aus knappen Profilgruppen gegenüber. Und die Mehrzahl der Unternehmen reagiert wegen erheblicher Besetzbarkeitsprobleme auch hierauf, z. B. je nach Zielgruppe durch stärkeren Social-Media-Einsatz oder das Ermöglichen flexiblerer Arbeitszeiten und von Homeoffice. Über die Hälfte der Kandidaten wäre übrigens bereit, für mehr Work-Life-Balance auch Gehaltseinbußen hinzunehmen – und hier interessanterweise vor allem diejenigen, die ehedem schon eine überdurchschnittliche Work-Life-Balance haben.

    Frage: Was erwarten die Unternehmen von den Bewerbern, wonach suchen die Recruiter besonders?

    Prof. Dr. Weitzel: Während Studienfach und Note nach wie vor wichtige Selektionskriterien sind, schauen die Unternehmen sogar noch stärker auf Persönlichkeit und Soft Skills. Zwei Drittel halten explizit Soft Skills für wichtiger als Hard Skills. Ich denke, dies liegt daran, dass Soft Skills schwieriger entwickelbar sind. Entsprechend hält auch nur jeder fünfte Recruiter Soft Skills für erlernbar. Dies unterstreicht natürlich erneut die fundamentale Bedeutung des Recruitings.

    Frage: Abschließend noch eine Frage. Welche weiteren wichtigen Trends sehen Sie in der Entwicklung von Social Media und Recruiting kurz- und mittelfristig? Wohin geht die Reise?

    Prof. Dr. Weitzel: Die letzten Jahre haben eine deutliche Professionalisierung im Umgang mit Social Media gezeigt. Es wurde klar, dass ein Social-Media-Engagement ernsthaft betrieben sein will, mit Redaktionsplänen und organisationalen Änderungen einhergehen muss und idealerweise Teil eines Kommunikationsportfolios ist, das mit anderen Maßnahmen – online und offline – abzustimmen ist. Wir sehen hier in den letzten Jahren eine deutliche Professionalisierung durch die Branchen hindurch.

    In diesem Zusammenhang sind die Bemühungen um eine bessere Candidate Experience wichtig. Interessanterweise sehen Kandidaten in den letzten Jahren eine sinkende Relevanz von Social Media im Personalwesen. Die Recruiter sehen das aber nicht so. Auch beobachten wir eine neue Hinwendung zu den „professionellen" Kanälen. Auf der Suche nach neuen Arbeitgebern ändern zum Beispiel viele Bewerber zunächst ihr XING-Profil, die wenigsten ihr Facebook-Profil.

    Wohin geht die Recruiting-Reise? Kurzfristig geht es vor allen um die weitere Professionalisierung der Prozesse hin zu einem umfassenden und auch von Kandidaten als nützlich empfundenen Talent-Management. Dazu gehören beispielsweise auch banal klingende, aber schwierige Themen wie Social Media Controlling, um zu lernen und sich systematisch verbessern zu können. Wer weiß schon genug über Kanaleffizienz und -effektivität und wer kann daher schnell genug lernen? Mittelfristig sehen wir fundamentale Änderungen durch Automatisierung, Digitalisierung und datengetriebenes Recruiting. Hier scheinen, ganz ähnlich der Social-Media-Frühzeit, das Verstehen der kulturellen und Wertimplikationen und die Überwindung von Vorurteilen und Ängsten ebenso wichtig zu sein wie die technische Umsetzung. Langfristig werden wir zu ganz neuen Auffassungen von Art und Wert menschlicher Arbeit in unserer Gesellschaft kommen und das „work ebenso wie das „life in Work-Life-Balance deutlich besser ausgestalten können.

    Lieber Herr Prof. Dr. Weitzel, haben Sie vielen Dank für das sehr interessante sowie aufschlussreiche Gespräch und weiterhin viel Erfolg mit Ihren Studien!

    1.9 Google for Jobs

    Fast die Hälfte der deutschen Jobsuchen im Internet starten heutzutage über die „Google-Suche". Kein Wunder also, dass es für Google sehr interessant ist, auch auf diesem Feld aktiv zu sein. Die USA sind hier schon seit 2017 Vorreiter. Seit Mai 2019 ist dieses SERP-Feature (Search Engine Result Pages) nun auch in Deutschland offiziell im Live-Betrieb. Ein Grund, etwas tiefer in die Praxis zu blicken und die Möglichkeiten zu hinterfragen. Dazu spreche ich mit Oliver Reinsch. Aufgrund der permanenten Weiterentwicklungen solcher Features sei hier erwähnt, dass wir das Interview im Dezember 2019 geführt haben.

    Oliver Reinsch ist Gründer und Geschäftsführer der E-Recruiting-Software Connectoor und berät seit mehr als 15 Jahren Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zu dem Thema der modernen Personalbeschaffung. Außerdem ist er ein gefragter Speaker für den Mittelstand. Seine Worte, Ideen und Ansätze rütteln Unternehmer und Personaler auf, über die aktuelle Recruiting-Situation nachzudenken und sich und ihr Unternehmen den neuen Marktanforderungen bei der Personalbeschaffung anzupassen. Über 2500 Unternehmen im DACH-Raum arbeiten schon heute mit den Techniken, Ideen und Lösungsansätzen von Oliver Reinsch und seiner Recruiting-Software. Weitere Infos auf www.connectoor.com und www.oliverreinsch.com.

    Interview mit Oliver Reinsch

    Frage: Herr Reinsch, was genau steckt hinter „Google for Jobs" und wie funktioniert das Ganze?

    Oliver Reinsch: Google Jobs ist keine Stellenbörse, so viel vorneweg. Man kann nicht bei Google eine Stelle veröffentlichen und somit über Google neue Bewerber finden. Google ist, und das wissen Sie wie ich, eine Suchmaschine und genau diese Aufgabe erfüllt auch Google Jobs. Der Blickwinkel muss geändert werden: Man muss sich fragen, wer der primäre Kunde von Google ist – und die Antwort ist schnell gefunden. Es ist immer der Nutzer, der etwas sucht und Ergebnisse bei Google finden möchte.

    Transportieren wir diese Grundsätze auf Google Jobs, wird uns schnell klar, was alles zu der Auffindbarkeit eines Unternehmens in dem Google Jobportal beiträgt.

    Doch fangen wir doch mal noch weiter vorne an und zeigen dem Leser erst mal, wo er denn Google Jobs eigentlich findet. Google Jobs hat keine eigene Domain. Man sucht wie gewohnt bei Google z. B. nach „Physiotherapeut Job Berlin" und als Ergebnis bekommt man als Erstes bis zu vier bezahlte Werbeanzeigen von Stellenbörsen oder Werbetreibenden. Doch direkt danach findet man jetzt eine Box mit einem blauen Balken, in der Stellenangebote stehen. Oberhalb der Box werden die Logos der wichtigsten Stellenbörsen gezeigt, durch die die Suchenden direkt zu den jeweiligen Stellenportalen weitergeleitet werden.

    Die eigentlichen Ergebnisse von Google Jobs tauchen aber unterhalb der blauen Box auf. Direkt unter den Schnellfiltern erscheinen die ersten drei relevantesten Stellen. Meistens mit Logo des Unternehmens, dem Stellentitel, dem Arbeitsort und seit wann die Stelle online ist. Unterhalb der drei Vorabergebnisse steht meist noch „mindestens 100 weitere Stellenangebote". Egal, wo der Jobsuchende jetzt in dieser Box klickt, öffnet sich Google Jobs mit allen aus ihrer Sicht relevanten Jobergebnissen.

    Lassen Sie uns gedanklich die Ergebnisseite von Google Jobs noch einmal verlassen und auf die Ergebnisseite von der regulären Google-Suche zurückkehren. Denn hier passiert auch etwas Spannendes.

    Google reduziert nämlich die Anzahl ihrer normalen Suche auf neun Ergebnisse und erst darunter folgen dann wieder die gewohnten Werbeanzeigen. Man sieht in dieser Entscheidung aber aus meiner Sicht einen wichtigen Hinweis. Das erste, nicht bezahlte Suchergebnis bei Google, wenn es um Jobsuchen geht, ist immer Google selber! Was bedeutet das? Google ist somit über Nacht zum Marktführer geworden und hat alle anderen Suchmaschinen auf hintere Plätze verdrängt. Alle Anstrengungen der anderen Stellenbörsen und Jobsuchmaschinen, wie zum Beispiel Indeed, Stepstone, Monster, Meinestadt etc., auf dem ersten Platz bei Google zu erscheinen, sind somit hinfällig. Man kann sich nur noch auf den ersten Platz hinter Google Jobs optimieren. Und was das für die Klickzahlen potenzieller Bewerber bedeutet, wissen wir alle. (Nee, es wissen nicht alle. Was bedeutet das?)

    Gehen wir jetzt wieder gedanklich in Google Jobs „rein, indem wir auf einen der drei Vorschläge oder auf „mindestens 100 weitere Stellenangebote klicken, sehen wir, wie Google für die Nutzer aufgebaut und optimiert ist. Wie gesagt, der primäre Kunde von Google ist immer der Suchende und nicht derjenige, der gefunden werden möchte!

    Google Jobs ist perfekt für die Suche nach der nächsten Anstellung aufgebaut. Alle Ergebnisse, die Google mir vorschlägt, lassen sich nach Ort, Erscheinungsdatum, Art der Anstellung und sogar nach potenziellen Arbeitgebern filtern. Ich kann in Umkreisen suchen, Stellen für später speichern und diese sogar an Freunde und Bekannte weiterleiten. Doch der größte Vorteil ist eindeutig die schiere Anzahl der Ergebnisse an einem zentralen Ort! Denn hier tauchen alle Stellen von allen Arbeitgebern auf, die Google für relevant für den jeweiligen Suchenden hält, und die halt auch ihre Stellen „googleoptimiert" veröffentlichen, sodass Google die Stellen findet und hier auch ausspielen kann. Denn denken Sie bitte an meinen Satz zu Beginn, bei Google Jobs kann man keine Stellen veröffentlichen, man bewirbt sich als Arbeitgeber vielmehr darum, passenden Bewerbern vorgeschlagen zu werden.

    Frage: Wie verbreitet ist „Google for Jobs" bereits in Deutschland? Was können Sie zum aktuellen Stand für Österreich und die Schweiz sagen?

    Oliver Reinsch: Google Jobs ist plötzlich da gewesen und ist zugleich auch nicht da. Man findet nämlich aktuell kein offizielles „Google Jobs-Logo, keine offizielle Schreibweise und nicht einmal eine separate Domain. Es ist eben einfach „nur eine weitere Dienstleistung des weltweit größten Suchmaschinen-Anbieters, um dem Suchenden auch in diesem Bereich bestmögliche Resultate liefern zu können. Und ob dieses Angebot jetzt „Google Jobs oder „Google for Jobs heißt ist anscheinend auch unklar.

    Was stattdessen sehr viel klarer ist, ist die mächtige Präsenz von Google Jobs und das zum aktuellen Zeitpunkt im gesamten deutschsprachigen Raum identisch. Meine Recherchen für dieses Interview ergaben in allen Ländern die identischen Ergebnisse. Wenn man bei Google nach einem Job sucht, kommt Google Jobs als erstes Ergebnis.

    Frage: Was bedeutet „Google for Jobs" für Personalabteilungen der Unternehmen? Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für diese, Herr Reinsch?

    Oliver Reinsch: Was Google Jobs für Personalabteilungen bedeutet ist vergleichbar mit dem, was Google für Marketingabteilungen bedeutet. Eventuell zum aktuellen Zeitpunkt noch nicht in der ganzen Härte, aber die Richtung ist bereits heute klar zu erkennen. Wenn die Jobsuchenden in den nächsten Monaten und Jahren darauf konditioniert werden, den nächsten Arbeitgeber nicht mehr bei den jeweiligen Stellenbörsen, sondern bei dem viel „umfangreicheren, „besseren, „leichteren, „schnelleren, „…" Google zu suchen, werden wir eine aktive Marktverschiebung erleben. Unternehmen müssen dann bei Google ihre Stellen veröffentlicht bekommen und das am besten sogar noch so optimiert, dass Google diese Ausschreibung als besonders relevant erkennt und die besten Bewerber ausspielt. Wir werden sehr zeitnah SEO-optimierte* Stellenausschreibungen finden (*SEO = search engine optimization = Suchmaschinenoptimierung). Doch was ich hier gerade beschrieben habe, ist leider zum heutigen Zeitpunkt für 90 % der Unternehmen absolut unmöglich, da ihre Karrierebereiche für Google komplett unsichtbar sind!

    Frage: Die meisten Karriereseiten scheinen noch nicht für „Google for Jobs" optimiert zu sein. Welche Anforderungen gibt es? Auf was sollten Unternehmen hier besonders achten?

    Oliver Reinsch: Unternehmen, die ihre Stellen auf ihren Homepages als PDFs veröffentlichen, werden niemals bei Google zu finden sein. Das liegt an der Technik und der Funktionsweise einer PDF-Datei. Diese sind das analogste Relikt in der digitalen Welt und haben nach meiner Meinung heute im Internet nichts mehr zu suchen. Selbst wenn die Unternehmen ihre Stellen „irgendwie als HTML-Text auf ihrer Seite veröffentlichen, werden sie in den nächsten Jahren vermutlich von Google auch nicht gefunden. Warum das so ist? Ganz einfach, Google erwartet von den Unternehmen, die Mitarbeiter suchen, dass die Stellen mit „strukturierten Daten aufbereitet und veröffentlicht werden.

    Zu diesen Daten gehören unter anderem: das Datum der Veröffentlichung, der Titel, die Beschreibung, der Arbeitsort, die Bewerbungsfrist, die Art der Stelle (z. B. Vollzeit, Telearbeit etc.) und als empfohlene Angaben sogar das Gehalt, das dem potenziellen Mitarbeiter gezahlt werden kann. Um diese Daten SEO-optimiert auf die Server der Unternehmen zu bekommen, ist ein erheblicher Programmieraufwand vonnöten. Wir haben von Unternehmen gehört, die fünfstellige Summen in ihren Online-Stellenmarkt investiert haben, damit dieser von Google ausgelesen werden kann.

    Es geht aber auch sehr viel einfacher! Google selbst empfiehlt, Stellen lieber über eine sogenannte „Multiposting Software" zu veröffentlichen. Die Vorteile liegen für alle Beteiligten klar auf der Hand.

    Die Arbeitgeber können so sehr viel leichter, schneller und günstiger ihre Stellen ausschreiben. Nicht nur auf der eigenen Homepage (mit einem Stellenmarkt-Plug-in, das nur einmal installiert werden muss), sondern mit einem Klick auch auf z. B. Indeed, bei Google, bei Facebook, bei XING und LinkedIn, in Partner-Stellenmärkte (z. B. der eigenen Verbände), aber eben auch auf bis zu 1400 kostenpflichtigen Stellenbörsen.

    Der Vorteil für Google ist, dass sie anhand der strukturierten Daten sofort wissen, dass es sich hierbei um eine Stelle handelt, und anhand derer Algorithmen die Stellen genau denen empfehlen kann, die eventuell nach genau dieser Stelle suchen. Google möchte gerne Erlebnisse und Ergebnisse den Suchenden liefern, das hat höchste Priorität!

    Diese genannten Tools haben aber auch für die Bewerber sehr große Vorteile. Zum einen können sie sich mit solchen E-Recruiting-Systemen meistens sehr viel schneller bewerben, zum anderen können sie sicher sein, dass ihre Daten DSGVO-(Datenschutz)-konform verarbeitet und auch später gelöscht werden. Das ist auch für die Unternehmen ein weiterer Vorteil. Sie bekommen dadurch automatisch mehr Bewerber, können diese im Team leichter managen und den gesamten Einstellungsprozess und die Bewerberkommunikation im optimalen Fall sogar automatisieren. Die Investitionen für diese E-Recruiting-Lösungen belaufen sich auf wenige Hundert EUR pro Jahr pro Unternehmen und können jedoch sehr viele Probleme für immer lösen …

    Frage: Die Markteindringung von „Google for Jobs" ist sicherlich nicht für alle Marktteilnehmer positiv. Welche Jobbörsen arbeiten beispielsweise mit Google für Jobs zusammen und welche nicht?

    Oliver Reinsch: Das ist eine sehr spannende Frage! Und die Antwort hat mich persönlich sehr überrascht. Wir arbeiten mit sämtlichen namhaften Stellenbörsen und Job-Suchmaschinen im DACH-Raum zusammen. Während die einen schon wenige Tage nach der Markteinführung von Google Jobs ihre Stellendaten zum Wohle ihrer Kunden strukturiert haben, sagten mir andere, dass sie dies nicht vorhaben und Google boykottieren wollen. Ich möchte an dieser Stelle keine Namen nennen, da ich mit allen Partnern in einer sehr guten Zusammenarbeit stehe, lade den Leser aber gerne ein, nach der oben beschriebenen Methode Google Jobs aufzurufen und zu prüfen, welche Stellenbörsenanbieter vertreten sind und welche eben nicht.

    Frage: Eine abschließende Frage, Herr Reinsch: In welche Richtung sehen Sie die Entwicklungen von „Google for Jobs" in Deutschland und wohin sehen Sie die Entwicklungen mit den Jobbörsen generell in Deutschland gehen?

    Oliver Reinsch: Langfristig gesehen besteht zu Google Jobs keine Alternative. Schon heute starten über 50 % der Jobsuchen bei Google. Wenn noch weitere Jobsuchende zukünftig ihre Verhaltensweisen geändert haben und nicht auf den unzähligen Stellenportalen und Jobbörsen suchen, sondern den für sie leichtesten und komfortabelsten Weg wählen, haben viele Stellenbörsen-Anbieter am Markt ein riesiges Problem. Diese Probleme kennen wir heute schon aus anderen Bereichen, wie z. B. der Hotelbuchungs-Branche. Hier können vereinzelte große Portalanbieter aktuell die Preise nahezu bestimmen und die Hotels sind zur Bezahlung der horrenden Provisionen verdammt, wenn sie online Gäste empfangen möchten.

    Das Gute an Google ist jedoch, dass man als Unternehmen, wenn man seine „Hausaufgaben gemacht hat, auch sehr stark von den kostenlosen Angeboten profitieren kann. Aktuell ist Google Jobs überall ein kostenloses Angebot für Arbeitgeber und Multiposter. Wie lange das noch so ist, möchte ich jedoch nicht prophezeien. Früher oder später werden auch hier sogenannte „sponsored Jobpostings angeboten werden, mit denen die Stellen dann bei Google Jobs prominenter angezeigt werden.

    Meine Empfehlung für Unternehmen, Unternehmer und Personaler lautet aktuell, alle Möglichkeiten der digitalen Personalbeschaffung auszunutzen. Eines meiner Lieblingszitate lautet „Recruiting ist Marketing". Mit modernen E-Recruiting-Tools habe ich die Chance, meine Arbeitgebermarke und meine Stellenausschreibungen leichter und mit einer höheren Reichweite zu veröffentlichen und somit mehr Menschen zu erreichen. Mehr Reichweite bedeutet fast immer mehr Bewerber, und daher ist es wichtig, auch die Einstellungsprozesse zu optimieren und bei Bedarf sogar zu automatisieren.

    Haben Sie vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch, lieber Herr Reinsch. Weiterhin gutes Gelingen mit Ihrem Multiposting-Tool „Connectoor"!

    1.10 Recruiting muss heute hoch flexibel und agil sein!

    Immer mehr HR-Organisationen klagen über sogenannte „Volumenschwankungen. Grund: Der sprunghafte Wechsel zwischen „Vollgas und „Bremsen" sowie eine immer schwierigere Planbarkeit stellen Organisation, Prozesse und Instrumente in vielen Personalabteilungen auf die Probe. Besonders für Recruiting-Abteilungen sind Volumenschwankungen im Tagesgeschäft eine immer größere Herausforderung. Unterschiedliche Ressourcen im gesamten Personalbeschaffungsprozess müssen je nach internem Bedarf flexibel und vor allem schnell zur Verfügung gestellt werden. Über diesen Trend und die damit verbundenen Herausforderungen für Unternehmen und deren HR-Organisationen haben wir mit Sylvia Landau im nachfolgenden Interview gesprochen.

    Sylvia Landau ist als Recruiterin bei Boehringer Ingelheim tätig und war zuvor Personalreferentin bei der Würth IT GmbH. Seit ihrer Masterarbeit an der Hochschule Mainz, in der sie Flexibilisierungsansätze von Recruiting-Organisationen wissenschaftlich untersuchte, beschäftigt sie sich mit Agilität und Flexibilisierungsstrategien im Recruiting. https://www.xing.com/profile/Sylvia_Landau.

    Interview mit Sylvia Landau

    Frau Landau, warum muss Recruiting heute agil und flexibel sein?

    Sylvia Landau: Mit der steigenden strategischen Bedeutung von Recruiting für Unternehmen sind auch die Anforderungen an Recruiting-Organisationen stetig gewachsen. Eine immer komplexer und dynamischer werdende Wettbewerbssituation für Unternehmen – Stichwort Globalisierung – verlangt flexibles, agiles Agieren und Reagieren auf sich schnell verändernde Gegebenheiten. Insbesondere das Recruiting benötigt in Zeiten des Fachkräftemangels Antworten auf diese Schwankungen, denn sie sind längst Teil des Tagesgeschäfts geworden. Eine nicht eindeutige Personalgewinnungssituation innerhalb eines Gesamtunternehmens trägt dabei als weiterer Faktor dazu bei, die Komplexität zu erhöhen. So kann es vorkommen, dass trotz einer generellen Sparphase in Teilbereichen des Unternehmens händeringend neue Mitarbeiter gesucht werden. Recruiting-Teams müssen heutzutage in der Lage sein, schnell und flexibel auf diese Volatilität des Recruiting-Volumens zu reagieren, indem zum Beispiel Ressourcen für verschiedene Recruiting-Aktivitäten wie die Bewerberauswahl intern bereitgehalten werden, um schnell auf Zu- oder Abnahmen reagieren zu können.

    Welche Möglichkeiten gibt es, das Recruiting flexibler zu gestalten?

    Sylvia Landau: Die Organisationsstruktur, also wie ist die Recruiting-Aufgabe im Unternehmen aufgehängt, ist der Dreh- und Angelpunkt in dieser Frage. Ist Recruiting eine Teilaufgabe des Personalreferenten oder gibt es eine zentralisierte Abteilung in Form eines Shared Service Centers (SSC) oder eines Full-Service Recruiting-Centers? Spezialisierte Abteilungen können Schwankungen im Recruiting-Volumen schlechter oder nur mit größerem Aufwand auffangen als generalistisch aufgestellte Personalabteilungen. Da zentralisierte Teams es aber ermöglichen, Synergien zu schaffen, Kompetenz zu bündeln und Spezialistenwissen aufzubauen, entscheiden sich immer mehr Unternehmen für diesen Ansatz.

    Wie können spezialisierte Recruiting-Abteilungen denn auf Schwankungen agil reagieren, Frau Landau?

    Sylvia Landau: Es gibt ein ganzes Portfolio an Instrumenten, die bereits von verschiedenen Recruiting-Teams genutzt werden. Zum einen hat die Arbeitsorganisation eines Recruiting-Teams Konsequenzen für dessen Reaktionsfähigkeit. Je nachdem, wie die Kundenbeziehungen zum Fachbereich – das Kernelement jeder Recruiting-Abteilung – gestaltet werden, ergibt sich eine höhere oder niedrigere Flexibilität der Abteilung: Flexible Beziehungen, bei denen jeder Recruiter mit jedem Fachbereich unabhängig von dessen Geschäftsbereich zusammenarbeitet, ermöglichen schnelle Reaktionen auf Volumenschwankungen. Wohingegen fixe Beziehungen, bei denen eine klare Zuordnung Recruiter–Fachbereich besteht, weniger Spielraum bieten, um auf das volatile Tagesgeschäft zu reagieren.

    In der Praxis haben sich viele Unternehmen mit einem Full-Service Recruiting-Center für den Organisationsansatz mit dauerhaften Kundenbeziehungen entschieden. Ein Recruiter betreut dabei einen Geschäfts- oder Funktionsbereich, bei dem er als Ansprechpartner für alle Besetzungen dient. Im Falle starker Schwankungen unterstützen Recruiter mit niedrigem Arbeitsvolumen die Kollegen aus Bereichen, in denen das Arbeitsvolumen stark zugenommen hat.

    Eine Alternative bietet ein zweiter Organisationsansatz, der von Beginn an auf flexiblere Kundenbeziehungen setzt. Ein Recruiter betreut dabei eine Jobfamilie beziehungsweise Berufsgruppe und rekrutiert so beispielsweise alle Ingenieure, ein weiterer Recruiter gewinnt Mitarbeiter im IT-Bereich etc. Das Arbeitsvolumen wird dadurch gleichmäßiger auf die verschiedenen Recruiter verteilt und Schwankungen der Geschäftsbereiche werden besser aufgefangen.

    Eine weitere Möglichkeit zur Flexibilisierung stellen personalwirtschaftliche Instrumente dar. Befristete Recruiter-Verträge und die Unterstützung durch Zeitarbeitnehmer in der Personalgewinnung sind dabei nur zwei effektive Maßnahmen zur flexiblen Gestaltung der personellen Ressourcen des Personalbereichs. Diese bieten die Chance, die Zahl der Mitarbeiter an das in der Realität anfallende Arbeitsvolumen anzupassen und im Falle der Zeitarbeitnehmer auch spontan auf Spitzen im Arbeitsvolumen reagieren zu können. Die damit einhergehenden Nachteile sollten jedoch auch mit in Betracht gezogen werden. Einarbeitungsaufwand, Know-how-Verlust und weniger gute interne Kundenbeziehungen durch häufigere Wechsel sind dabei zuallererst zu nennen.

    Welche Chancen bieten sich durch Outsourcing?

    Sylvia Landau: Mit dem Recruitment Process Outsourcing (RPO) hat sich auch in der Personalgewinnung eine Form des Business Process Outsourcings etabliert. Bei den zwei in der Praxis häufig verwendeten Modellen kann zwischen einem ganzheitlichen und einem projektbezogenen RPO unterschieden werden. Beim ganzheitlichen RPO verantwortet ein externer Dienstleister die gesamte Personalgewinnung eines Unternehmens. Beim projektbezogenen RPO übernimmt der externe Dienstleister in enger Absprache mit dem Unternehmen den Recruiting-Prozess für einen bestimmten, eng umrissenen Bereich.

    Durch die verschiedenen RPO-Varianten können Recruiting-Abteilungen ihre Kapazitäten zum Teil kurzfristig extern erweitern und im Falle des ganzheitlichen RPOs sogar das Risiko für Schwankungen im Recruiting-Volumen komplett an den externen Dienstleister auslagern, der die Anzahl und Qualifikation der Mitarbeiter je nach Bedarf und Anforderungen des Unternehmens anpassen muss. Doch auch hier muss ein Blick auf die damit einhergehenden Schattenseiten geworfen werden: hohe Kosten und die langfristige Gefahr des eigenen Kompetenzverlusts.

    Frau Landau, wie können Recruiting-Abteilungen Schwankungen proaktiv beeinflussen?

    Sylvia Landau: Eine Möglichkeit, um proaktiv das Bewerbervolumen beeinflussen zu können, bietet sich durch das Konzept des Talent-Relationship-Managements (TRM). Durch den Aufbau von Talentpools und den langfristigen Austausch zwischen Unternehmen und Kandidaten können das Angebot und Nachfrage zwischen Talent und Vakanz voneinander entkoppelt werden. Mithilfe von TRM-Maßnahmen werden potenzielle Mitarbeiter weit vor der eigentlichen Vakanz auf Reserve für das Unternehmen gewonnen und können bei Bedarf schnell rekrutiert werden. Das Arbeitsvolumen der Recruiting-Abteilung wird dabei konstant gehalten, denn jede aus dem Pool besetzte Stelle muss beispielsweise nicht ausgeschrieben werden. Dieser Gewinn an Flexibilität wird jedoch durch hohe Kosten für ein TRM-Programm, das seine Wirkung erst langfristig entfalten kann, erkauft.

    Liebe Frau Landau, vielen herzlichen Dank für das sehr aufschlussreiche Gespräch zu den Herausforderungen und Lösungsansätzen von Recruiting-Prozessen in Unternehmen!

    1.11 Content Marketing im Recruiting

    Wie finden Bewerber eigentlich ihren potenziellen Arbeitgeber? Was offenbar nicht allen klar ist: Nicht immer haben potenzielle Bewerber ihren Wunsch-Arbeitgeber in ihrem Bewusstsein und steuern dessen Karriere-Website an. Eine Möglichkeit, das zu ändern, bietet Content Marketing. Inhalte mit auf die Zielgruppe einzahlenden Mehrwert machen Interessenten zu Bewerbern. Wie das funktionieren kann, lesen Sie im nachfolgenden Gastbeitrag von Henner Knabenreich.

    Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der knabenreich consult GmbH und meinungsführender HR-Blogger. Mit seiner auf digitales Personalmarketing spezialisierten Beratung sorgt der Recruitingerfahrene Diplom-Kaufmann dafür, dass die richtigen Bewerber und Arbeitgeber zueinander finden. Er ist Referent und Buchautor und schreibt in seinem als HR-Blog des Jahres ausgezeichneten Blog personalmarketing2null über Personalmarketing, Employer Branding und Recruiting. Zudem ist er Initiator des personalbloggers sowie der Event-Formate „Personaler Late Night Show und „HR NIGHT und stets bestrebt, Arbeitgeber und Bewerber glücklicher zu machen.

    Im Marketing eigentlich ein alter Hut, findet Content Marketing so nach und nach auch Zugang ins Recruiting. Wobei es dort eigentlich auch bereits Standard sein sollte. Denn schließlich wollen wir nicht erst seit gestern Bewerber begeistern. Und wie sollte ich mich als attraktiver Arbeitgeber präsentieren, wenn nicht durch spannende, auf das Unternehmen und seine Mitarbeiter einzahlende Geschichten? Ziel von Content Marketing ist es, nicht den (personal)werblichen Aspekt einer Botschaft in den Vordergrund zu rücken, vielmehr geht es darum, einen (idealerweise) unterhaltenden Mehrwert zu schaffen. Mehrwert stiftende (und damit begeisternde) Inhalte sind es nämlich, mit denen es einem Arbeitgeber gelingen kann, Bewerber für sich zu gewinnen und zu binden. Und diese Erkenntnis sickert jetzt auch langsam in das Bewusstsein der Personalmarketer ein. In der Folge bedeutet das also, die Zielgruppe mit für sie spannenden, interessanten und emotionalen Botschaften zu „ködern und erst dann in einem zweiten Schritt das Kerninteresse, die „Werbebotschaft zu verdeutlichen. Im Klartext heißt dies erst einmal, dass nicht die Stelle und die Arbeitgebermarke bei diesem bewerberzentrierten Personalmarketing-Ansatz im Vordergrund stehen, sondern die Geschichte(n), die wir zu erzählen haben.

    Differenzierung der Zielgruppen

    Wir müssen bei Bewerbern immer wieder differenzieren zwischen denen, die uns als Arbeitgeber bereits auf dem Schirm haben, und denen, die uns nicht kennen. Beide können wir mit Content Marketing begeistern. Aber vor allem für Bewerber, die uns nicht kennen, bietet Content Marketing gute Chancen. Und die liegen unter anderem auch in der Auffindbarkeit in Suchmaschinen. Je nach konsultierter Studie (oder eingeschaltetem Menschenverstand) nutzen 73 % der Kandidaten Google auch zur Jobsuche. Die Auffindbarkeit von Informationen über den Arbeitgeber im Netz wird also immer relevanter. Aber unabhängig davon: Bei der Recherche nach welchen Informationen auch immer geht kein Weg an Google vorbei. Hochwertige, Mehrwert bietende Inhalte eröffnen nun eine große Chance, auch von denen gefunden zu werden, die sich gar nicht explizit mit dem Gedanken einer Bewerbung beschäftigt haben.

    Das geht beispielsweise über Blogartikel

    Gut aufbereitete, strukturierte und vernetzte Blogartikel haben ein hohes Potenzial, via Google gefunden zu werden. Und ist es nicht ein Traum, wenn ein Bewerber dank Ihres Sinn und Mehrwert stiftenden Inhalts überhaupt erst einmal auf Sie aufmerksam wird?

    Natürlich können auch Social Networks wie XING, LinkedIn oder Facebook genutzt werden, um lesenswerte Inhalte an die Zielgruppe zu transportieren. Eine schöne Spielwiese bietet auch die Plattform Instagram. Schließlich sagen Bilder mehr als tausend Worte. Das Unternehmen REWE ist in der Azubi-Ansprache via Snapchat sehr erfolgreich. Aber Vorsicht: Es benötigt entsprechende Ressourcen, um diese Plattformen zu bespielen. Und eben den entsprechenden Content. Selbstbeweihräuchernde Inhalte haben dort nichts verloren. Es geht um für die Zielgruppe erstellte Inhalte. Der Bewerber muss mit seinen Interessenten und Bedürfnissen im Mittelpunkt stehen. Im Idealfall machen Sie den Interessenten dank entsprechend aufbereiteter Inhalte erst zum Bewerber!

    Einen komplett neuen Kanal im Content Marketing hat seinerzeit Michael Witt von ehemals Voith Industrial Services erschlossen. Seine Idee: ein E-Book mit spannenden Geschichten von Protagonisten, die stellvertretend für unterschiedliche Zielgruppen stehen. Das Buch wird über Plattformen wie Amazon oder iTunes angeboten und soll Bewerber auf ganz subtile Art an den Arbeitgeber heranführen. Darüber hinaus gibt es für jede der Geschichten eine eigene Landingpage, die unter anderem auch via Google Adwords beworben wird. Auf diese Weise gelingt es also nicht nur auf clevere Weise, seine Reichweite und Bekanntheit als Arbeitgeber zu erhöhen und neue, potenzielle Zielgruppen zu erschließen, sondern diese mit spannendem und neugierig machendem Inhalt zu begeistern.

    Karriere-Website

    Unabhängig von solchen Kampagnen bietet aber vor allem auch Ihre Karriere-Website enormes Potenzial, dort Inhalte mit Mehrwert zu präsentieren. Weg von austauschbarem Employer Branding zu ehrlichen, auf Sie als Arbeitgeber einzahlenden Inhalten. Das Ganze natürlich selbstverständlich suchmaschinenoptimiert aufbereitet, schließlich soll man Sie ja finden.

    Übrigens begeistern Sie mit clever gemachtem Content Marketing nicht nur potenzielle Bewerber. Auch Ihre Mitarbeiter profitieren davon. Lassen Sie sie selbst Content produzieren, das stärkt auch die Identifikation mit Ihnen als Arbeitgeber. Und was gibt es Glaubwürdigeres als echte Mitarbeiter, die zum potenziellen Mitarbeiter sprechen?

    Eigentlich ist es doch ganz simpel: Mit spannenden Geschichten erreichen Sie Zielgruppen, die Sie bis dato noch nicht auf dem Schirm haben, und begeistern sie für Sie als Arbeitgeber. Insofern ist es schon erstaunlich, dass Arbeitgeber-Kommunikation nach wie vor im Wesentlichen aus austauschbaren Floskeln und Stock-Fotos besteht. Machen Sie den ersten Schritt und werden Sie zum Content Personalmarketer!

    1.12 Candidate Experience: Kandidatenorientierung zum Nutzen von Bewerber und Arbeitgeber

    Candidate Experience, die Erfahrungen der Bewerber mit dem jeweiligen Arbeitgeber während der Rekrutierungszeit, erfährt eine zunehmend größere Aufmerksamkeit seitens der Unternehmen. Dies passiert, weil Candidate Experience ein Erfolgsfaktor im Recruiting ist und auch als Gradmesser für die Arbeitgeberattraktivität dient. Nachfolgend lesen Sie einen Gastbeitrag von Christoph Athanas zu wichtigen Eckpunkten des Konzeptes der Kandidatenerfahrung und seiner Auswirkungen.

    Christoph Athanas ist Gründer und Geschäftsführer der meta HR Unternehmensberatung GmbH, anerkannter Recruiting-Experte und einer der Pioniere der HR-Bloggerszene. Unter seiner Beteiligung entstanden seit 2014 mehrere wissenschaftlich begleitete Studien zu den Themen Candidate Experience bzw. Cultural Fit. Seine Kunden berät Christoph Athanas darin, erfolgreiche, zukunftsfähige Recruiting-Strategien zu entwickeln und attraktiv als Arbeitgeber zu sein. Er ist Diplom-Sozialwissenschaftler (HU Berlin) und Mitherausgeber des Fachbuches „Innovative Talentstrategien" (Haufe, 2013). Weitere Infos unter: www.metaHR.de.

    Candidate Experience ihre seine Wurzeln im Konzept der Customer Experience, einer cleveren Haltung von Unternehmen ihren Kunden gegenüber. Sie fokussiert hierauf: Unternehmen brauchen Kunden. Kunden sind begehrt, denn nur, wenn ihr Zuspruch konstant gewonnen wird, kann das Geschäft funktionieren und die Arbeitsplätze sind sicher. Dafür entwerfen jene Unternehmen smarte Kaufprozesse und stellen die Interessen des Käufers ins Zentrum. Diese Haltung kann auf Kandidaten übertragen werden: Unternehmen brauchen Fachkräfte. Fachkräfte sind begehrt, denn nur wenn sie sich immer wieder in genügender Anzahl für das Unternehmen entscheiden, können Stellen besetzt und Aufträge erledigt werden. Dann wird Geld verdient und die Arbeitsplätze sind sicher …

    Ähnlich wie sich gute Kauferfahrungen der Kunden für Unternehmen auszahlen, indem diese beispielsweise Empfehlungen abgeben, rechnet sich auch eine positiv gestaltete Candidate Experience. In der ersten wissenschaftlich begleiteten Studie zum Thema Candidate Experience im deutschsprachigen Raum überhaupt konnte nachgewiesen werden, dass der Einfluss der finalen Candidate Experience auf das wahrgenommene Arbeitgeberimage groß ist. (1) Eine positive Candidate Experience steigert bzw. erhält das Arbeitgeberimage aus Sicht der Bewerber, eine negative Experience schädigt es. So weit war das zu erwarten. Spannend ist allerdings, dass selbst in den Fällen, wo es im Ergebnis der Bewerbung zu einer Absage gekommen ist, im Mittel die Bewertung des Arbeitgeberimages auf gleichbleibend hohem Niveau liegt, sofern es eine positive Candidate Experience gegeben hat! Damit kann man sagen, eine gute Kandidatenerfahrung fängt die Enttäuschung über den Nicht-Erhalt der Stelle vollständig auf und schützt somit die Reputation des Arbeitgebers. Außerdem ermittelte die Studie, dass vier von fünf Bewerbern über ihre Bewerbungserlebnisse mit Freunden und Bekannten sprechen und rund ein Viertel darüber hinaus auch Arbeitgeberbewertungsportale wie beispielsweise kununu nutzt.

    In der Anfang 2017 publizierten weiterführenden Candidate-Journey-Studie wurde zudem festgestellt, dass auch die spätere Mitarbeiterbindung bereits durch die erlebte Kandidatenerfahrung geprägt wird. Während vier von zehn neu eingestellten Mitarbeitern nach einer als negativ oder neutral bewerteten Candidate Experience schon im ersten Jahr nach Tätigkeitsaufnahme erneute Jobwechselabsichten hatten, war dies bei denjenigen Neueingestellten fast nicht der Fall, welche zuvor eine positive Kandidatenerfahrung mit ihrem späteren Arbeitgeber erlebt hatten (2).

    Damit Kandidaten eine positive Kandidatenerfahrung machen können, müssen rekrutierende Arbeitgeber vor allem drei Bestandteile der Candidate Experience im Sinne ihre Bewerber erfüllen und zwar nach Möglichkeit an allen Touchpoints vor und während der Bewerbung:

    1.

    Klarheit und Verbindlichkeit in der Bewerberkommunikation schaffen. Dies gilt vor allem im Hinblick auf Anforderungen des jeweiligen Jobs und den Ablauf des Rekrutierungsverfahrens. Diesen zu visualisieren und auf der Karrierewebseite einsehbar zu machen, ist ein Beispiel für eine konsequente Umsetzung dieser Anforderung.

    2.

    Ergebnisorientiert handeln, denn jede Bewerbung ist ein zielgerichteter Vorgang. Wenn ein Bewerbungsverfahren zu lange dauert, leidet irgendwann die Kandidatenerfahrung. Das kann im schlimmsten Fall dazu führen, dass dieser Kandidat abspringt oder in der Zwischenzeit ein anderes Jobangebot annimmt. Außerdem fällt auch die Einfachheit der Bewerbungsvorgänge aus Sicht der Kandidaten in diese Kategorie. Also: Weg mit den (digitalen) Hürden! Die Möglichkeit zur One-Click-Bewerbung zuzulassen ist beispielsweise hierzu eine geeignete Gegenmaßnahme.

    3.

    Auf Augenhöhe wertschätzend mit den Bewerbern umgehen und zwar in jeder Situation des Bewerbungsprozesses und in allen Formen der Bewerberkommunikation. Das fängt mit ganz einfachen Dingen an, wie beispielsweise personalisierten E-Mails an die Bewerber, und mündet in gut vorbereiteten und professionell geführten Bewerberinterviews, in welchen man als Arbeitgebervertreter eben Bewerber wie geschätzte Gäste empfängt und nicht wie lästige Bittsteller.

    Mangelt es an einer dieser drei Dimensionen, leidet die Candidate Experience insgesamt. Am wichtigsten dabei sind die wertschätzend-emotionalen Aspekte und dass die angebotene Experience (positiv) konsistent über den gesamten Recruiting-Prozess hinweg bleibt.¹,²

    1.13 Cultural Fit: Unternehmenskultur als Erfolgsfaktor in der Personalgewinnung

    Trailer

    Der Cultural Fit ist in der Personalansprache und -auswahl eine Komplementärdimension zum sogenannten Professional Fit, welcher Hard Skills und typische Positionsanforderungen überprüft. Der Einbezug des Cultural Fits in die Personalgewinnungs- Strategie ermöglicht Unternehmen, ihre Kulturaspekte gezielt zu würdigen bzw. zu entwickeln und Mitarbeiter eher nach jener Übereinstimmung auszuwählen. Getreu dem Motto „Hire for attitude, train for skills". Der Cultural Fit zeigt den Grad der unternehmenskulturellen Passung von Bewerber und Unternehmen an.

    Nachfolgend lesen Sie einen weiteren Gastbeitrag von Christoph Athanas zu diesem Trendthema.

    Nachfolgend lesen Sie einen weiteren Gastbeitrag von Christoph Athanas, Gründer und Geschäftsführer der meta HR Unternehmensberatung GmbH, anerkannter Recruiting-Experte und einer der Pioniere der HR-Bloggerszene.

    Unternehmenskultur wird immer mehr zum Wettbewerbsfaktor für Arbeitgeber. Dafür braucht es Klarheit über den unternehmenseigenen Cultural Fit, um die passenden „Überzeugungstäter" anzuziehen und auszuwählen. Das Cultural-Fit-Konzept stiftet Nutzen für Arbeitgeber und Bewerber.

    Wer als Arbeitgeber nicht mit starken, bekannten Marken à la BMW oder Google auftrumpfen kann und auch nicht in der Lage ist, entsprechende Gehälter zu bieten, hat es bei der Personalgewinnung oft eher schwer. Wenn aber ein großer Name und prall gefüllte Compensation & Benefits-Pakete ausfallen und auch die Arbeitsinhalte selbst de facto keine klare Differenzierung von Wettbewerbern erlauben, kann und muss „Kultur den Unterschied machen. Immer wieder belegen wissenschaftliche Studien, dass Unternehmenskultur und Werte zur nachhaltigen Mitarbeiterbindung beitragen. (1) Daher macht es Sinn, diesem Faktor bereits in der Personalgewinnung eine größere Rolle zukommen zu lassen. Das entsprechende Konzept unter dem Namen „Cultural Fit findet bei Recruiting-Profis immer mehr Anhänger.

    Die Idee des Cultural Fits

    Der Cultural Fit zwischen Unternehmen und Kandidaten sucht nach einer guten Passung von zukünftigen Mitarbeiter/innen mit der vorherrschenden Unternehmenskultur. Dies geschieht unter anderem aus dem Bewusstsein heraus, dass Fähigkeiten trainiert, d. h. kurz- oder mittelfristig erworben werden können. Werte und Haltungen jedoch können nicht schnell verändert werden. Ein höherer Passungsgrad zwischen Person und Organisation birgt bessere Chancen auf höhere Mitarbeiterzufriedenheit, gesteigerte Performance und Bindung (2). Gewichtige Gründe für die Wertschätzung der unternehmenskulturellen Bewerberpassung.

    Cultural Fit verbessert die Auswahlentscheidung für Unternehmen und Bewerber

    Arbeitgebern gelingt es meist recht gut, die fachliche Jobpassung von Bewerbern zu bestimmen. Auch die Feststellung über bestimmte arbeitsplatzrelevante Fähigkeiten funktioniert in der Regel. Hingegen bleibt die Passung von Kandidaten zur Unternehmenskultur oft eher vage. Ein klar bestimmter Cultural Fit aber macht es beiden Parteien leichter und ist eine beidseitig gefragte Information: Knapp 85 % aller Jobsuchenden ist die persönliche Passung zur Kultur beim künftigen Arbeitgeber (eher) wichtig (3). Umgekehrt sagen auch rund 80 % der Personaler, dass ihnen der Cultural Fit ihrer Bewerber wichtig ist. Allerdings verfügen bisher nur 8,8 % der Unternehmen schon über eine entsprechende Messmethode (4).

    Wo und wie Arbeitgeber aktiv werden können

    Um Cultural Fit in ihren Recruiting-Prozess einzubinden, können Arbeitgeber zwei Ansätze verfolgen: Einerseits kann der Cultural Fit in der finalen Personalauswahl als eines von mehreren Kriterien genutzt werden. Überprüft würde die Passung dabei zum Beispiel mit einem Cultural-Fit-Test direkt vor dem Interview und durch entsprechende Fragen im Jobinterview selbst. Andererseits ist es clever, potenziellen Bewerbern noch vor der eigentlichen Bewerbung einen unverbindlichen Check im Hinblick auf die kulturelle Passung anzubieten. Ein solches, über die Karriere-Webseite ausgeführtes Self-Assessment unterstützt die positive Selbstauswahl von Bewerbern. Jene mit hoher kultureller Passung fühlen sich hierdurch erst recht zur Bewerbung motiviert, wohingegen diejenigen mit geringer Passung eher von Bewerbungen absehen. Ein für diese Messung ausgelegtes digitales Tool ist zum Beispiel der „Cultural Fit Evaluator". Über das Tool kann zudem ein Kulturprofil für das Unternehmen selbst ermittelt werden, gegen welches Bewerber anschließend gematcht werden. Neben solchen standardisierten Lösungen können Unternehmen natürlich auch eigene Cultural-Fit-Analysen für ihre Bewerber entwickeln. Durch den mit einer Eigenentwicklung verbundenen erheblichen Aufwand dürfte diese Option jedoch nur für wenige Großkonzerne realistisch sein.³,⁴,⁵,⁶

    1.14 „Big Data" hält Einzug im HR-Bereich

    Personaler-Umfragen und Forenthemen auf HR-Kongressen zeigen deutlich, dass das Thema „Big Data" allmählich Einzug im HR-Bereich hält. Grund genug, dieses Trendthema etwas tiefer zu beleuchten. Dazu lesen Sie den folgenden Gastartikel von Andreas Dittes.

    Andreas Dittes ist Unternehmer aus Leidenschaft. Er ist Mitgründer und Geschäftsführer von Talentwunder (http://talentwunder.com), einem mehrfach ausgezeichneten Berliner Start-up-Unternehmen, das durch Big-Data-Analysen Personalvermittlung der nächsten Generation ermöglicht. Er ist außerdem Lehrbeauftragter an der Karlshochschule International University in Karlsruhe und veranstaltet in seiner Freizeit Hackathons. Mehr unter http://andreasdittes.com. Der Digitalspezialist beschäftigt sich seit einigen Jahren mit sozialen Netzwerken und Datenanalyse.

    Einleitung

    1997 wurde Billy Beane General Manager der Oakland Athletics (ein Major-League-Baseball-Team aus Kalifornien). Im Gegensatz zu den anderen Teams der Liga formte Beane seine Mannschaft nicht aus Spielern, bei denen er sich auf den eigenen Instinkt oder bestehende Erfolge verließ; sein Ansatz war, Spieler auszuwählen, die nach klassischer Messung mittelmäßig erschienen, in den sogenannte Sabermetrics (eine neue Form der Datenanalyse bei Spielern) allerdings überdurchschnittlich waren. Obwohl die anderen Teams erheblich mehr für ihre Spieler ausgaben, gelang es den Athletics, eine außerordentliche Leistung an den Tag zu legen und von 2000 bis 2003 in die Play-Offs einzuziehen. Beane konnte damit eindrucksvoll beweisen, wie erfolgreich der Einsatz von Datenanalysen sein kann. Mit „Die Kunst zu gewinnen – Moneyball wurde diese als „Moneyball Years bezeichnete Zeit der Oakland Athletics sogar in einem Sportdrama mit Brad Pitt verfilmt.

    Auch wenn es schon lange bekannt ist, dass geschickte Datenanalysen einen strategischen Wettbewerbsvorteil bringen können, so ist dies dennoch gerade im HR-Bereich nicht sehr verbreitet. Frischen Wind bringt hier „Big Data".

    Gesellschaftliche Entwicklung

    Innerhalb der letzten 15 Jahre hat die Gesellschaft einen dramatischen Wandel vollzogen. Blicken wir zurück, wird erst so richtig bewusst, wie stark sich unser Alltag geändert hat: Vor 15 Jahren noch wurde das Internet von einigen wenigen Webmastern kontrolliert und Mobiltelefone wurden zum Telefonieren oder schreiben von SMS genutzt. Aus Datensicht waren wir reine Konsumenten und nicht Produzenten. Heute besitzt nahezu jeder ein Smartphone und publiziert selbst Inhalte im Internet.

    Dieser Wandel hat insgesamt dazu geführt, dass viel mehr Daten erzeugt werden – sei es durch aktive Publikation in allen Formen – oder passiv durch Algorithmen und Sensoren.

    Was versteht man unter Big Data?

    Heute spricht man von Big Data, wenn die betrachteten Datenmengen so umfassend sind, dass es neuer Methoden der Auswertung bedarf. Es gibt allerdings keine feste Datengröße, ab der man von Big Data spricht. Vielmehr gilt es als Begriff, der einen neuen Blick auf das Thema wirft. Während sich klassische Analysen auf gleiche und vergleichbare Daten beziehen, die meist aus einer Quelle stammen, fasst man unter Big Data oft Datenansammlungen zusammen, die sich wie folgt unterscheiden:

    Große Datenmenge (Gigabytes, Terabytes und Petabytes)

    Große Datenvielfalt (Strukturierte, aber auch unstrukturierte Daten)

    Komplexe Datenkohärenz (Verschiedene Datenpools werden verbunden)

    Hohe Geschwindigkeit (Datenstreaming, APIs)

    Der spannende Punkt sind aber oft nicht die reinen Datenmengen, sondern die dadurch ermöglichten Analysen. Denn nur durch die Aufbereitung und Analyse wird aus Rohdaten Wert geschaffen. Es geht um das Erkennen von Mustern, und wichtiger als das Sammeln der Daten ist oft auch, die richtigen Fragen zu stellen. Die meisten Unternehmen sind gut im Sammeln der Daten – aber erst durch die Analyse und Ableitung von Handlungen gewinnt man einen Vorteil.

    Woher stammen die Daten? Wer generiert sie?

    Daten können unterschiedliche Quellen haben. Werden eigene ATS- und CRM-Systeme genutzt, können diese ein erster Anlaufpunkt sein. Auch auf Jobportalen kann die Datenerhebung anfangen: Wie viele Aufrufe hat meine Anzeige erhalten? Wie viele Besucher kamen dadurch auf meine Bewerbungsseite/wie viele Bewerbungen wurden generiert?

    Daten können von Bewerbern und Mitarbeitern selbst aktiv erzeugt werden z. B. durch Umfragen oder Ausfüllen von Datenfeldern oder passiv durch Prozesse wie z. B. Trackingsysteme. Die Tech-Abteilung ist hier der richtige Ansprechpartner. Spannend ist auch das Benchmarking mit anderen Unternehmen, z. B. Anzahl der ausgeschriebenen Stellen, Auswahl der Jobportale etc. Dafür werden jedoch oft auch Daten von externen Dienstleistern benötigt.

    Welchen Einfluss hat die Digitalisierung auf das Recruiting?

    Die Digitalisierung war ein wichtiger Faktor – denn nur dadurch wurden Prozesse und Systeme digital abgebildet und extrem einfach messbar gemacht. Fast jedes digitale Werkzeug bietet daher auch einfache Analysen der benutzten Daten an.

    Neben den internen Prozessen hat sich aber natürlich auch auf der Seite der Talente viel getan: Diese sind digital vernetzt, präsentieren sich mit Social-Media-Profilen, surfen mobil auf den Stellenportalen und Jobseiten und haben auch den Anspruch, digital, mobil und schnell die Informationen zu erhalten, die relevant sind.

    Beispiele gibt es aus der Praxis Big-Data-Analysen können vielfältige Ergebnisse liefern auf Fragen wie: Welche Recruiting-Kanäle bringen mir die besten Bewerber? Wie verhalten sich Top-Performer in meinem Unternehmen?

    Gerade auch aus Recruiter-Sicht gibt es viele Anwendungsszenarien. So können durch Datenanalysen Stellenausschreibungen besser auf die Zielgruppen und einzelne Kanäle ausgerichtet werden. Recruiter können vorausschauende Personalplanung auf Basis von Anforderungen der Firma und Performancedaten der Mitarbeiter machen. Mitarbeiter, die kurz vor dem Absprung sind, können gehalten oder zumindest schneller nachbesetzt werden.

    Unsere Firma Talentwunder bereitet z. B. die öffentlich verfügbaren Daten aus sozialen Netzwerken auf, um diese für Recruiter einfach durchsuchbar zu machen. Dabei berechnen wir für jedes der 1,7 Mrd. verfügbaren Profile eine individuelle Wechselwahrscheinlichkeit basierend auf statistischen Modellen und sozialen Signalen. Damit können Recruiter einfach passende Kandidaten identifizieren und vor der aktiven Ansprache schon einen Indikator für die Erfolgswahrscheinlichkeit erhalten.

    Wie kann ich Big-Data-Analysen implementieren?

    Schritt 1: Datenerhebung

    Welche Daten möchte ich erheben? Welche Daten werden aktuell schon erhoben und wie kann ich darauf zugreifen? Welche Daten finde ich spannend und wie kann ich diese in der Zukunft erheben? Hier gilt es, auch die technische und rechtliche Dimension zu beachten.

    Schritt 2: Datenuntersuchung

    Wie kann ich einfache Benchmarks erstellen? Welche Tools existieren schon? Wer kann mir bei den Auswertungen helfen? Welche Best Practices gibt es im Markt? Welche Analysen machen für unsere Fragestellung Sinn?

    Schritt 3: Strategische Datenanalyse

    Auf welche Ursachen kann ich ein Ergebnis zurückverfolgen? Welche Handlungsempfehlungen kann ich intern generieren oder an das Unternehmen weitergeben? Welche Erkenntnisse kann ich an das Management weitergeben?

    Schritt 4: Vorausschauende Prognose

    Welche Risikofaktoren gibt es in meinen Prozessen? Welche Szenarien ergeben sich aus den Analysen für meine Planung? Welche Handlungsempfehlungen kann ich ableiten?

    Fluch oder Segen?

    Wie immer kommt es auf die Anwendung an. Natürlich können Big-Data-Anwendungen dazu führen, den Menschen nur noch als Zahl zu sehen und auch wie eine Zahl zu behandeln – auf der anderen Seite können die Analysen massive Arbeitserleichterungen sein und Freiheiten schaffen.

    Wir können uns aber auf jeden Fall darauf einstellen, dass Big-Data-Analysen auch im HR-Bereich stark zunehmen werden. Daher sollte sich jeder die Frage stellen:

    Wie kann ich den Moneyball-Effekt in meinem Unternehmen herbeiführen?

    1.15 Talent Relationship Management (TRM)

    Viele Unternehmen haben von „Talent Relationship Management" (TRM) noch nie etwas gehört. Vielleicht liegt es auch den Anglizismen. Möglicherweise können Sie sich mit der Umschreibung „Beziehungspflege zu potenziellen Kandidaten –

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