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Nonverbale Kommunikation im Recruiting: Wie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen
Nonverbale Kommunikation im Recruiting: Wie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen
Nonverbale Kommunikation im Recruiting: Wie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen
eBook777 Seiten8 Stunden

Nonverbale Kommunikation im Recruiting: Wie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen

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Über dieses E-Book

Schärfen Sie mit diesem Buch Ihren Blick für nonverbale Kommunikation im Recruiting

 Fundierte Studien belegen, dass im Bewerbungsgespräch zu 80 Prozent die nonverbale Gesprächsebene dafür verantwortlich ist, ob sich Bewerber und Unternehmen füreinander entscheiden. Auch aus diesem Grund beleuchtet dieses Buch umfassend die wichtige Rolle nonverbaler Kommunikation im Recruitingprozess – vom Vorstellungsgespräch bis hin zum Assessment-Center. Erfahren Sie, wie Sie nicht nur die passendsten Bewerber identifizieren, sondern auch, wie Sie die Begehrtesten von ihnen vom Eintritt in Ihr Unternehmen überzeugen. Als erfahrener Arbeitsmarktmanager hat Christian Bernhardt dabei den aktuellen Wandel der Marktverhältnisse im Blick. Zudem liefert Ihnen dieses Buch:

  • Wertvolles, detailreiches Wissen zu Körpersprache
  • Praxiserprobte Impulse zur Weiterentwicklung des Recruitingprozesses
  • Konkrete Anhaltspunkte, um eine falsche Bewerberauswahl zukünftig zu vermeiden

Dadurch schärfen Sie mit diesem Werk nachhaltig Ihre Sinne für die Wahrnehmung von unterbewussten Körpersignalen. 

 Lernen Sie die Körpersprache Ihres Gesprächspartners kennen

Lesen Sie in diesem Buch über nonverbale Kommunikation zunächst mehr über die Rahmenbedingungen, mit denen Unternehmen aktuell beim Recruiting konfrontiert sind. Im weiteren Verlauf verknüpft Bernhardt die Bedeutung von Mimik und Gestik im Zuge des Personalgewinnungsprozesses. Anschließend lernen Sie, wie Sie potenzielle Kandidaten bereits während des Vorstellungsgesprächs richtig lesen. Unter anderem stehen in diesem Werk folgende Bereiche nonverbaler Kommunikation im Fokus:

 

·         Auftritt des Bewerbers und erster Eindruck

·         Status und Territorialverhalten

·        Haltung

·         Bewegungen

·         Begrüßung und Handshake

·         Augen und Blickkontakt

·         Mimik und Emotionen

·         Gestik

·         Atmung und Stimme

·         Beine und Füße

Insgesamt bietet Ihnen das Buch „Nonverbale Kommunikation im Recruiting“ eine optimale Mischung aus wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen und praktischen Elementen. Der klare Fokus liegt jedoch auf dem Praxistransfer, wodurch Ihnen dieses Werk durch viele Tipps und Beispiele hilfreiche Werkzeuge an die Hand gibt, die Sie direkt in Ihrem beruflichen Alltag einsetzen können. Eine grundlegende Leseempfehlung für Mitarbeiter im Personalwesen, Headhuntingoder Employer Branding sowie für Studenten der Betriebswirtschaftslehre.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum8. Apr. 2019
ISBN9783658252762
Nonverbale Kommunikation im Recruiting: Wie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen

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    Buchvorschau

    Nonverbale Kommunikation im Recruiting - Christian Bernhardt

    Christian Bernhardt

    Nonverbale Kommunikation im RecruitingWie Sie passende Bewerber erkennen und für Ihr Unternehmen gewinnen

    ../images/462822_1_De_BookFrontmatter_Figa_HTML.png

    Christian Bernhardt

    Lörrach, Deutschland

    ISBN 978-3-658-25275-5e-ISBN 978-3-658-25276-2

    https://doi.org/10.1007/978-3-658-25276-2

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

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    Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag, noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral.

    Lektorat: Stefanie Winter

    Illustrationen: Özlem Türk

    Springer Gabler ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH und ist ein Teil von Springer Nature

    Die Anschrift der Gesellschaft ist: Abraham-Lincoln-Str. 46, 65189 Wiesbaden, Germany

    Inhaltsverzeichnis

    1 Einführung 1

    1.​1 Recruiting im „War for Talents" 1

    1.​2 Kommunikation im Recruiting 2.​0 8

    1.​3 Warum nonverbale Kommunikation im Recruiting?​ 12

    Literatur 22

    2 Die eigene nonverbale Kompetenz entwickeln 25

    2.​1 Engpässe bei der Entwicklung nonverbaler Kompetenz 26

    2.​2 Die vier Phasen des Lernens 29

    2.​3 Die Neuentdeckung der nonverbalen Kommunikation 31

    2.​4 Die eigene Wahrnehmung entwickeln 32

    2.​5 Grundprinzipien der nonverbalen Kommunikation 40

    2.​6 Die eigene Körpersprache entwickeln 44

    2.​7 Fazit:​ Die eigene nonverbale Kompetenz entwickeln 46

    Literatur 48

    3 Ursachen:​ Wie entsteht nonverbale Kommunikation?​ 51

    3.​1 Biologische Ursachen 51

    3.​2 Evolutionsgeschi​chtliches Erbe 56

    3.​3 Embodiments:​ Wechselwirkung zwischen äußerer Haltung und innerem Empfinden 58

    3.​4 Neurobiologische​ Einflüsse 60

    3.​5 Psychologische Einflüsse 69

    3.​6 Sozialpsychologi​sche Einflüsse 79

    3.​7 Kulturelle Einflüsse 84

    3.​8 Fazit:​ Ursachen:​ Wie entsteht nonverbale Kommunikation?​ 90

    Literatur 91

    4 Auftritt des Bewerbers und erster Eindruck 95

    4.​1 Entstehung und Einfluss des ersten Eindrucks 95

    4.​2 Maßgebliche Faktoren für den ersten Eindruck 97

    4.​3 Wirkung von Bekleidung, Accessoires und Make-up 100

    4.​4 Verhältnis zum Raum 107

    4.​5 Spannungsgrad der Bewegungen 108

    4.​6 Den eigenen ersten Eindruck optimieren 110

    4.​7 Fazit:​ Bewerberauftritt​ und erster Eindruck 115

    Literatur 115

    5 Status und Territorialverha​lten 117

    5.​1 Zusammenhang zwischen Territorium und Status 117

    5.​2 Distanzzonen 120

    5.​3 Territorialverha​lten 124

    5.​4 Ausprägungen von Territorium und territoriale Platzhalter 125

    5.​5 Status 132

    5.​6 Statussignale 137

    5.​7 Eigenes Territorialverha​lten und eigener Status 140

    5.​8 Fazit:​ Status und Territorialverha​lten 145

    Literatur 146

    6 Haltung 149

    6.​1 Einführung 149

    6.​2 Haltung im Stehen – Implikationen und Wirkungen 151

    6.​3 Haltung im Sitzen – Implikationen und Wirkung 153

    6.​4 Kopfhaltung 155

    6.​5 Haltung der Schultern 157

    6.​6 Die eigene Haltung entwickeln 159

    6.​7 Fazit:​ Haltung 166

    Literatur 166

    7 Bewegungen 169

    7.​1 Einführung 170

    7.​2 Bewegungen während des Gehens 171

    7.​3 Rhythmus und Takt 178

    7.​4 Kopfbewegungen 182

    7.​5 Rumpfbewegungen 183

    7.​6 Eigene Bewegungen 185

    7.​7 Fazit:​ Bewegungen 188

    Literatur 188

    8 Begrüßung und Handshake 189

    8.​1 Grüßen und Begrüßen 189

    8.​2 Händeschütteln/​Handshake 192

    8.​3 Verabschiedung 198

    8.​4 Der eigene Handshake 198

    8.​5 Fazit:​ Begrüßung und Handshake 201

    Literatur 202

    9 Augen und Blickkontakt 203

    9.​1 Geweitete und verengte Augen 203

    9.​2 Pupillen 204

    9.​3 Blickkontakt 206

    9.​4 Blickvermeidung 214

    9.​5 Blinzeln 216

    9.​6 Eigenes Blickverhalten 217

    9.​7 Fazit:​ Augen und Blickkontakt 224

    Literatur 225

    10 Mimik und Emotionen 227

    10.​1 Grundlagen Mimik, Emotionen und Mikroexpressione​n 228

    10.​2 Signale der Mimik 231

    10.​3 Emotionen 240

    10.​4 Die sieben universellen Emotionen 243

    10.​5 Mikroexpressione​n 258

    10.​6 Subtile Expressionen 262

    10.​7 Eigene Mimik 263

    10.​8 Fazit:​ Mimik und Emotionen 265

    Literatur 266

    11 Gestik 269

    11.​1 Grundlagen und Funktionen der Gestik 269

    11.​2 Ebenen der Gestik 274

    11.​3 Arme 276

    11.​4 Finger 279

    11.​5 Aktive Gestik 281

    11.​6 Passive Gestik – Handstellungen 292

    11.​7 Eigene Gestik 302

    11.​8 Fazit:​ Gestik 312

    Literatur 313

    12 Atmung und Stimme 315

    12.​1 Grundlagen Atmung und Stimme 315

    12.​2 Stimme 320

    12.​3 Eigene Atmung 323

    12.​4 Eigene Stimme 327

    12.​5 Fazit:​ Atmung und Stimme 333

    Literatur 334

    13 Beine und Füße 337

    13.​1 Grundlagen Beine und Füße 337

    13.​2 Die eigenen Füße 347

    13.​3 Fazit:​ Beine und Füße 349

    Literatur 350

    14 Leitfaden 351

    14.​1 Konsolidierung 351

    14.​2 Stolpersteine 361

    14.​3 Fehlentscheidung​en entgegenwirken 363

    14.​4 Fazit:​ Leitfaden komprimiert 365

    Literatur 368

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature 2019

    Christian BernhardtNonverbale Kommunikation im Recruitinghttps://doi.org/10.1007/978-3-658-25276-2_1

    1. Einführung

    Christian Bernhardt¹  

    (1)

    Lörrach, Deutschland

    Christian Bernhardt

    Email: christian@bernhardt-trainings.com

    Zusammenfassung

    Kap. 1 beschreibt die sich verändernden Rahmenbedingungen, mit denen Unternehmen bei der Personalsuche aktuell konfrontiert werden. Es benennt die Anforderungen, die sich für das Recruiting und die am Auswahlprozess beteiligten Mitarbeiter ergeben, und untersucht die Möglichkeiten der Einflussnahme der Betriebe auf verschiedene Feldgrößen des Recruitings. Es beschreibt den Einfluss der Kommunikation auf die Qualität der Entscheidungsfindung und die Rolle der nonverbalen Kommunikation im Auswahlprozess, bei der Recruiter-Bewerberkommunikation sowie bei der Vorbeugung von Kommunikationsstörungen und Fehlwahrnehmungen. Daraus leitet es die Möglichkeiten ab, die sich aus der Entwicklung der nonverbalen Kompetenz im Recruiting ergeben, und verknüpft diese mit kommunikationspsychologischen und betrieblichen Größen.

    1.1 Recruiting im „War for Talents"

    Trailer

    Seine erste Berufserfahrung sammelte der frisch studierte Psychologe und spätere Nobelpreisträger Daniel Kahneman in den 50er Jahren als Recruiter bei der israelischen Armee. Er beurteilte die Eignung der zukünftigen Offiziersanwärter mit einem Test, der sich bereits bei der britischen Armee im Zweiten Weltkrieg bewährt hatte: Acht, einander nicht bekannte, Teilnehmer mussten, ohne Anführer, mithilfe eines Baumstammes eine 1,80 m hohe Mauer überwinden. Dabei durfte diese weder von den Kadetten noch vom Baumstamm berührt werden.

    Es gab mehrere Möglichkeiten, den Test erfolgreich zu bestehen, und während sich die Gruppe an der Aufgabe aufrieb und der Stress ihr wahres Naturell zum Vorschein brachte, beobachteten die Psychologen die Männer und bildeten sich ein Urteil über deren Charakter. Verschiedene Aspekte wie Gruppenverhalten, Durchsetzungsstärke oder der Umgang mit Zurückweisungen und Rückschlägen wurden mit Punkten bewertet, und Kahneman und seine Kollegen erkannten schnell, bei wem das Potenzial für eine zukünftige Führungsrolle vorhanden war und bei wem nicht. Überzeugt und einstimmig gaben sie eine klare Prognose ab.

    Doch es gab zwei Probleme. Alle paar Monate tauschten sich die Recruiter in Feedbacksitzungen mit den Kommandeuren der Offiziersschule aus und verglichen ihre Prognosen aus dem Baumstammtest mit den Beurteilungen der Kommandeure, die die Kadetten anschließend einige Zeit an der Schule beobachtet hatten. Das Ergebnis war immer wieder ernüchternd: Die ambitionierten Psychologen hätten genauso gut würfeln können. Ihre ursprünglichen Prognosen waren nur geringfügig besser als reine Zufallsergebnisse.

    Das Frappierende zeigte sich jedoch direkt beim nächsten Baumstammtest. Als die neuen Anwärter beobachtet und beurteilt wurden, schien das Ergebnis wieder genauso klar auf der Hand zu liegen wie bei den früheren Auswahlverfahren. Obwohl Kahneman wusste, dass er sich wieder täuschen würde, schien es offensichtlich, welcher der Teilnehmer geeignet war und welcher nicht. Das Wissen um die eigene Fehleranfälligkeit änderte nichts an der aktuellen Überzeugung, eine kompetente Auswahl zu treffen. Die Entscheidung fühlte sich einfach richtig an und Kahneman hatte seine erste kognitive Illusion entdeckt, die „Illusion der Gültigkeit" [1].

    Was das Recruiting anging, waren Kahneman und seine Kollegen damals Amateure. Der Staat Israel war erst sieben Jahre zuvor gegründet worden und die systematische Erforschung der Körpersprache begann erst ein gutes Jahrzehnt später. Dennoch sind die wichtigsten Erkenntnisse nach wie vor gültig: Wie beim Erkennen von Lügen, bei dem ungeschulte Beobachter ebenso würfeln könnten, gut geschulte Beobachter dagegen ihre Fähigkeit, Lügen zu entlarven, auf bis zu 90 % [2] erhöhen können, verhält es sich auch im Recruiting. Unser Gefühl dafür, ob ein Bewerber passt oder nicht, ist so verführerisch, dass wir ihm in der Regel vertrauen und uns davon überzeugen lassen.

    Im Gegensatz zu Kahneman erhalten nur die wenigsten Recruiter ein systematisches Feedback zur nachhaltigen Qualität ihrer Auswahl. Da sich das Ergebnis der Auswahl verzögert zeigt und nicht direkt erlebt wird, fällt es schwer, die Recruiting-Kompetenz intuitiv zu entwickeln. Da Recruiter darüber hinaus nur selten die Möglichkeit haben, sich die einzelnen Aspekte, die ihre Entscheidung prägen, bewusst zu machen, fiel es bislang schwer, auf diesem Weg die eigene Auswahlkompetenz gezielt zu verbessern.

    Von der Herausforderung, passende Mitarbeiter zu finden und nachhaltig zu gewinnen

    Der frühere Stanford-Professor Jim Collins untersuchte gemeinsam mit 100 anderen Wissenschaftlern in einer zehn Mannjahre [3] umfassenden Studie die wichtigsten Faktoren für den langfristigen Unternehmenserfolg. Die Ergebnisse waren eindeutig und belegten, dass das maßgebliche Kriterium, damit ein Unternehmen dauerhaft erfolgreich sein kann, die Qualität seiner Mitarbeiter ist sowie deren Passung zur zu besetzenden Position und dem Umfeld, in dem sie arbeiten. Die Erkenntnisse führten zum Management-Prinzip „Erst wer, dann was" [4].

    Bis ein neuer Mitarbeiter erfolgreich in ein Unternehmen integriert ist, ist es ein langer Weg. Um das Auswahlverfahren zu bestehen, muss er nicht nur zur Branche und zum Unternehmen passen, nicht nur zur Stelle und zum Team, sondern ebenso zum Recruiter und dessen, oft unbewussten, Erwartungen darüber, wie der ideale Bewerber auszusehen hat und sich ausdrücken, kleiden und verhalten sollte. Doch damit hat erst eine Seite Ja gesagt. In der Vergangenheit stellte die Zusage der anderen, der Bewerberseite, nur selten ein Problem dar – heute tut sie es immer öfter.

    Sind sich beide Seiten einig, bedeutet das aber noch lange nicht, dass tatsächlich die beiden Richtigen zueinandergefunden haben: 20 bis 25 % der neu geschlossenen Arbeitsverträge werden bereits in der Probezeit wieder aufgelöst [5]. Die Kosten einer Fehlbesetzung sind immens und liegen bei bis zu 15 Monatsgehältern, bei Großunternehmen sogar bei bis zu drei Jahresgehältern [6]. Während dabei die sichtbaren Kosten für Personalvermittler, Stellenanzeigen, Jobboards und Arbeitsaufwand vergleichsweise harmlos sind, untergraben die unsichtbaren Kosten einer falschen Auswahl die Substanz der Betriebe. Spitzenkräfte bringen ihren Unternehmen exponentiellen Mehrwert. Werden diese nicht erkannt und verpflichtet, ergibt sich ein doppelter Effekt: Das eigene Unternehmen wird geschwächt und gleichzeitig die Konkurrenz gestärkt. Falsch gewählte Mitarbeiter bringen Unruhe ins Team. Werden wiederholt die Falschen rekrutiert, geht der Teamgeist verloren: Das Team zerfällt in Einzelkämpfer und verliert durch innerliche oder tatsächliche Kündigungen an Substanz, Kreativität und Dynamik, die Leistung sinkt. Wenn die Verbleibdauer der neu eingestellten Mitarbeiter nicht ausreicht, um in den produktiven Bereich zu gelangen, steigt die Belastung der restlichen Mitarbeiter und führt zu sinkender Arbeitszufriedenheit und steigenden Fehlzeiten. Die Situation spitzt sich weiter zu, wenn die besten Mitarbeiter kündigen und wichtiges Wissen und Netzwerkpartner mit zur Konkurrenz nehmen. Übrig bleibt ein maroder Oberbau, dem eine tragfähige Basis fehlt und die notwendige individuelle Klasse, um die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens zu sichern. Belastung und Stress bei den Verbliebenen steigen weiter, während die sich ergebende sinkende Arbeitgeberattraktivität zu sinkender Qualität der neuen Bewerbungen führt, bei gleichzeitig steigendem Druck, neue, passendere Mitarbeiter einzustellen und endlich Ruhe ins Team zu bringen. Dieser Druck erschwert eine optimale, intuitive Entscheidungsfindung und begünstigt die später erläuterten defensiven Entscheidungen. Wird daraufhin eine weitere Fehlentscheidung getroffen, verschärft sich die Situation und der begonnene Teufelskreis geht in die nächste Runde. Die gute Nachricht ist, dass die Betriebe durch die Verbesserung der Qualität ihres Recruitings diesem Kreislauf direkt entgegenwirken können und der Umschwung durch eine konsequente Neuausrichtung des Recruitings mittelfristig bewältigt werden kann [7].

    Recruiting in Zeiten des Wandels

    Die Ursachen für die sich aktuell zuspitzende Situation im Recruiting gründen maßgeblich in veränderten Rahmenbedingungen, die dazu führten, dass Positionen, die noch vor wenigen Jahren ohne größere Probleme besetzt werden konnten, heute in vielen Betrieben zu Engpassstellen erklärt werden. Werfen wir nachfolgend einen Blick auf diese Veränderungen und ihre Auswirkungen auf die aktuelle Situation im Recruiting.

    Veränderungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmens

    Das Mooresche Gesetz von 1965 drückt grob formuliert aus, dass sich, bei sinkenden Kosten, die Kapazität von Prozessoren alle 18 Monate verdoppelt [8]. In Folge wuchs zunehmend der Einfluss der IT und führte 2011 zur vierten industriellen Revolution: Die ehemalige Industriegesellschaft entwickelte sich zur vernetzten Informationsgesellschaft, der Industrie 4.0. Während Erstere die Produktionsprozesse automatisierte und die Märkte internationalisierte, hebt Letztere sie durch die Möglichkeiten des virtuellen Raumes auf eine neue Ebene, löst sie von den klassischen Warenströmen und dynamisiert sie, über cyberphysische Systeme und disruptive Technologien, wie nie zuvor. Der Eintritt in diese neue Stufe ist noch frisch und so beeinflussen gravierende Veränderungskräfte die aktuelle Situation der Betriebe und stellen Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter vor Herausforderungen, bei denen die Lösungen der Vergangenheit nicht mehr funktionieren. Die ersten Unternehmen setzen bereits seit Jahren die Segel nach dem neuen Wind, andere versuchen noch, an der Vergangenheit festzuhalten und die Zeichen der Zeit auszublenden. Mittlerweile ist sich jedoch fast jeder darüber bewusst, dass die Veränderungen zu nachhaltig sind, um sie zu ignorieren, und dass das richtige Personal einen essenziellen Faktor bildet, um ihnen erfolgreich zu begegnen. Die Wissenschaft Stand 2016 geht davon aus, dass die nächsten acht Jahre über die Zukunft der meisten Unternehmen entscheiden werden [9].

    Veränderung der Stellenprofile

    Die sich beschleunigende Vernetzung und Zunahme des globalen Wissens führten einerseits zu zunehmender Spezialisierung, verlangen jedoch gleichzeitig durch die steigende Zahl der Schnittstellen nach fachübergreifendem Wissen, wobei der Prozess noch lange nicht abgeschlossen scheint. Folglich werden die Fähigkeiten neuer Stellen- und Anforderungsprofile schneller benötigt, als sie in die Bildungspläne integriert werden können. Für die Personalabteilungen wird es zunehmend schwerer, die komplexen Stellen in ihrer Ganzheit zu erfassen, um sie passgenau mit den Bewerberprofilen abgleichen zu können.

    Veränderung der Altersstruktur

    Parallel zur wirtschaftlichen Entwicklung veränderte sich die demografische Zusammensetzung unserer Bevölkerung. Aus der klassischen Bevölkerungspyramide entstand ein Gebilde, das an ein wackeliges Männchen mit Wasserkopf erinnert. Wo früher noch eine breite junge Basis die Gesellschaft trug und die Wirtschaft antrieb, müssen heute immer weniger Menschen immer größere Lasten stemmen. Der Bedarf nach flexiblen, belastbaren und dynamischen Mitarbeitern, um die beschriebenen Veränderungen erfolgreich zu bewerkstelligen, wächst – bei gleichzeitig sinkender Verfügbarkeit.

    Veränderung des Arbeitsmarktes

    Besonders in Deutschland führte die gesellschaftliche Veränderung der vergangenen Jahre, der fiskalpolitische Rahmen sowie sukzessive wachsende Verpflichtungen und Belastungen der arbeitenden Bevölkerung dazu, dass sich mehr und mehr High Potentials attraktivere Alternativen im Ausland suchten. Dieses führte zum „Brain Drain", der Auswanderung von Talenten und High Potentials. Schon 2008 besaßen 83 % der im Ausland arbeitenden Deutschen einen akademischen Abschluss, welche im Inland fehlen [10]. Damit gehen für den Großteil der Firmen und für die meisten Stellen sowohl die Bewerberzahlen als auch die Qualität der Profile seit Jahren zurück, bei gleichzeitig steigenden Vakanzzeiten.

    Für viele Unternehmen und Stellen hat sich der Arbeitsmarkt vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt gewandelt. Plötzlich sind es die Betriebe, die sich um die besten Mitarbeiter bemühen müssen, und wer als Bewerber die Wahl hat, benötigt Orientierung – es entstanden Bewertungsplattformen wie Kununu und Glassdoor, auf denen aktuelle oder ehemalige Mitarbeiter einen Blick hinter die Kulissen eröffnen und die dortigen Arbeitsbedingungen transparent machen: Unternehmen werden bewertet wie Hotels bei Booking.com, und Betriebe, die ihre Mitarbeiter und Bewerber nicht zeitgemäß behandeln, werden von guten Kandidaten gemieden. Wie Martin Gaedt beschreibt, bilden den Kern des empfundenen Fachkräftemangels vor allem eine nicht mehr zeitgemäße Kommunikation im Recruiting sowie der Mangel an kooperativen Recruiting-Strategien [11].

    Das Verhalten der Betriebe hat sich geändert

    Der für viele Berufsbilder gekippte Arbeitsmarkt, die Internationalisierung der Märkte sowie die Schwierigkeit, Schlüssel- und Engpasssituationen zu besetzen, wirkten sich auf die Unternehmen aus. Seit 1998 Ed Michaels, damaliger Direktor von McKinsey, den „War for Talents" aufziehen sah, begreifen die großen, global agierenden Konzerne die Ressource Mitarbeiter als strategischen Faktor. Sie etablierten Marketingmethoden im HR und erhöhten ihre Attraktivität als Arbeitgeber, um die besten Kandidaten zu gewinnen.

    In Folge entstanden neue Themenfelder wie Employer Branding, Candidate Experience und systematisches Talentmanagement sowie neue Recruiting-Verfahren wie Active Sourcing, Social Media Recruiting oder Crowd Sourcing. Personal wird vom Wettbewerber abgeworben und die Betriebe treten schon bei Stellen auf Facharbeiterniveau in immer stärkere gegenseitige Konkurrenz. Recruiting ist zur Chefsache und Aufgabe jedes Mitarbeiters geworden. So rekrutierte Steve Jobs über 1000 Mitarbeiter über persönliche Direktansprache und Google stellt seine Mitarbeiter schon seit Jahren für die Teilnahme an Recruiting-Gesprächen frei und vergibt Prämien für Empfehlungen potenzieller neuer Mitarbeiter [9]. Das Phänomen beschränkt sich dabei nicht auf globale Großkonzerne oder die IT-Branche. Die Nachfrage regelt den Preis: Wo bislang horrende Handgelder der Spitzenclubs bei Spielerwechseln im Profifußball für Schlagzeilen sorgten, wurden 2016 auch von Kleinstbetrieben im deutschen Handwerk öffentlich Wechselprämien ausgelobt, um Mitarbeiter von der Konkurrenz abzuwerben [12].

    Durch die starke Konkurrenz der Betriebe um neue Mitarbeiter können Fehler im Recruiting nicht mehr so einfach kompensiert werden wie in der Vergangenheit. Entsprechend wichtig ist es heute, passende Bewerber sicher zu erkennen und die vielfach Umworbenen für den eigenen Betrieb zu gewinnen. Dabei prägt der erste Eindruck, den der Bewerber vom Unternehmen gewinnt, seine Einstellung und kann später kaum oder nur schwer korrigiert werden. Als persönliche Repräsentanten des Unternehmens bilden die am Recruiting beteiligten Mitarbeiter eine immer kritischere Schnittstelle zum Bewerber.

    Die Kandidaten haben sich verändert, volatilere Arbeitsmärkte

    Die so Umworbenen sind sich natürlich ihrer Begehrtheit bewusst. Die gefragte Generation „Y der nach 1980 Geborenen ist „wählerisch wie eine Diva beim Dorftanztee [13] und hat erheblich von ihren Vorgängergenerationen abweichende Werte und Ansprüche. Die Digital Natives sind als erste Generation mit IT groß geworden. Sie sind gut qualifiziert, bestens vernetzt und dadurch top informiert. Begehrt, wie sie ist, zeigt sich die junge Generation selbstbewusst und anspruchsvoll. Das wirkt zwar im Gespräch überzeugend, bedeutet aber nicht, dass sie anschließend die enormen Anforderungen und Erwartungen, die auf sie warten, auch erfüllen kann. Den Betrieben droht die Gefahr, sich durch das selbstbewusste Auftreten täuschen zu lassen und kompetente, aber schüchterne Bewerber zu übersehen. Gleichzeitig führten die mediale Gesellschaft sowie die verkürzten Feedbackschleifen der digitalen Fotografie und die breite Publikation psychologischer Erkenntnisse zu einem ausgeprägten Wirkungsbewusstsein. Industrieschauspieler und Blender spielen ihre Rolle in Vorstellungsgesprächen und Assessment Centern immer überzeugender und scheitern anschließend in der Praxis. Heutige Teams sind durch die Internationalisierung oftmals heterogener besetzt als in der Vergangenheit. Kürzere Arbeitsverhältnisse schwächen den inneren Zusammenhalt und machen aus Teams fragilere Gebilde, die sich in schwierigen Zeiten und unter dem schädlichen Einfluss falscher Mitarbeiter schneller zersetzen als früher. Im Extremfall sind ganze Unternehmen gefährdet.

    Wie können Betriebe auf die Veränderungen reagieren?

    Auf die globalen Veränderungen hat der einzelne Betrieb kaum Einfluss. Mit Ausnahme einer Neuorientierung, um sich neue Märkte zu erschließen, muss er sich den Rahmenbedingungen stellen. Der Zugang zum Fachkräftemarkt wird zwar schmaler, kann aber durch einen Paradigmenwechsel im Recruiting, vermehrte Anstrengungen und kooperative Strategien erhalten bleiben [14]. In Veränderungszeiten stellen die Agilität der einzelnen Mitarbeiter, aber auch die innere Stärke und der Zusammenhalt der Teams kritische Erfolgsfaktoren dar. Während die Unternehmensführung die Aufgabe hat, das passende Umfeld zu schaffen und die Mitarbeiter in Bezug auf deren Agilität und Kommunikationskompetenz weiterzuentwickeln, bergen die oben beschriebenen Fehlerquoten von bis zu 25 % erhebliches Potenzial für das Recruiting. Aussagen wie „Lieber keinen als den Falschen oder „Schlechte Mitarbeiter sind wie ein fauler Zahn, sie stecken die ganze Abteilung an¹ kennzeichnen den hohen Einfluss, den die Qualität der Bewerberauswahl für den Unternehmenserfolg bedeutet. Das Recruiting ist anspruchsvoller geworden und gleicht oftmals einer Gratwanderung: Im Gespräch müssen einerseits immer besser vorbereitete Bewerber hinsichtlich ihrer Eignung für immer komplexere Stellen und heterogenere Teams beurteilt werden. Andererseits muss die Verbindung zu ihnen gestärkt werden, um sich gegen den Wettbewerb durchzusetzen und sie für das eigene Unternehmen zu gewinnen. Entsprechend wachsen die Anforderungen an alle Mitarbeiter, die am Recruiting beteiligt sind.

    In den vergangenen Jahren wurden Softwares entwickelt, die den Recruiter unterstützen und Bewerber auf die verschiedenste Art und Weise durchleuchten: Vom Computer geführte Telefoninterviews, bei denen die Stimme der Bewerber analysiert und diese durch Algorithmen aussortiert werden, Big-Data-Analysen, Bewerbersuchmaschinen, die wie Amazon semantische Zusammenhänge verwenden, Parsing Softwares, die die Bewerbungsunterlagen auf Schlagworte untersuchen und automatische Absagen erteilen, sowie Dienstleister, die die mimischen Ausdrücke der Bewerber aus Skype-Interviews mithilfe der verschiedensten Methoden untersuchen, sind Realität geworden. Durch die technische Unterstützung scheint die Sicherheit bei der Auswahl zu steigen, gleichzeitig begünstigt sie jedoch auch bei der erfolgskritischen Aufgabe der Bewerberauswahl die von Gerd Gigerenzer beschriebenen defensiven Entscheidungen, welche die Betriebe mittelfristig und substanziell durch systematisch getroffene zweitbeste Entscheidungen schädigen [15].

    Malcom Gladwell beschreibt die Überlegenheit von Expertenentscheidungen gegenüber technischen Auswahlverfahren [16]. Seine Erfahrungen werden durch António Damasio gestützt, der belegt, dass Menschen, die ihren Körper als ganzheitliches Entscheidungsorgan nutzen, schneller und richtiger entscheiden, als jene, die versuchen, ein Problem lediglich rational zu lösen [17]. Gigerenzer definiert diese intuitive Auswahl als ganzheitliche körperliche Intelligenz [18] und beschreibt, dass überwiegend Mitglieder des Top-Managements mit dieser Art der Entscheidungsfindung erfolgreich arbeiten, während das untere Management und Facharbeiter zu defensiven Entscheidungen neigen, mit denen sie sich selbst zwar absichern, die damit verbundenen Kosten jedoch auf die Organisation übertragen [19].

    Die Etablierung einer positiven Fehlerkultur und die fachliche Entwicklung der am Recruiting beteiligten Akteure sind zwei kritische Herausforderungen, denen sich Betriebe zukünftig stellen müssen, wenn sie erfolgreich gute und sehr gute Mitarbeiter gewinnen wollen. Da sich das gesamte Feld nachhaltig verändert, muss sich auch der Recruiter weiterentwickeln. Hans Fenner [20] beschreibt die Rolle des Recruiters 2.0, der zusätzlich zu seiner bisherigen Tätigkeit als Berater und als Verkäufer fungiert. Im Innenverhältnis berät er die Manager der Fachabteilungen in Bezug auf den Arbeitsmarkt. Nach außen identifiziert er den optimalen Kandidaten, begeistert ihn wie ein guter Verkäufer für die zu besetzende Stelle und gewinnt ihn für den eigenen Betrieb. Im Bewerbungsgespräch erkennt er die relevanten Signale, um eine kritische und objektive Auswahl zu treffen und sich vor Fehlurteilen zu schützen. Durch die neuen Aufgaben werden die sozialkommunikativen Kompetenzen des Recruiters 2.0 zur kritischen Größe und führen zur Frage, welche spezifischen Fähigkeiten es zu entwickeln gilt, um den neuen Herausforderungen erfolgreich zu begegnen. Was zeichnet erfolgreiche Kommunikation im Recruiting aus?

    1.2 Kommunikation im Recruiting 2.0

    „Wenn das schon so losgeht, dann verzichte ich gerne auf deren Angebot". Es ging nicht ums Geld: Irritiert vom Verhalten der Betriebsvertreter, entschied sich ein Top-Bewerber aus meinem Bekanntenkreis gegen das Angebot eines renommierten Unternehmens und wechselte einige Wochen später aus seinem aktuellen Arbeitsverhältnis, bei dem er zuvor acht Jahre lang gute Arbeit geleistet hatte, zu einem anderen Unternehmen in dessen Konzernrechnungslegung. Die besten neuen Mitarbeiter kommen in der Regel aus bestehenden Arbeitsverhältnissen, haben mehrere Optionen und können es sich leisten, unangemessenes Recruiter-Verhalten mit Absagen zu sanktionieren. Wie enttäuschte Kunden teilen sie anschließend ihre negativen Erfahrungen in ihrem Netzwerk oder in den sozialen Medien und beeinflussen damit die Einstellung und Bewerbungsbereitschaft anderer potenzieller Kandidaten.

    Wenn die Entscheidung näher rückt, treffen sich auch in Zeiten der digitalen Gesellschaft Recruiter und Bewerber früher oder später noch immer persönlich. Dabei gewinnt der Recruiter aus dem Verhalten des Bewerbers einen Eindruck über dessen Persönlichkeit und dem Bewerber dient die Atmosphäre im Gespräch als Indikator für das Betriebsklima, das ihn beim potenziellen neuen Arbeitgeber erwartet. Beide Seiten gewinnen Vertrauen zueinander oder gehen auf Distanz. Martin John Yate unterscheidet Interviewer in Profis und Amateure [21]. Friedemann Schulz von Thun definiert Professionalität als die Fähigkeit sich, rollen- situations- und zielgerecht zu verhalten, ohne sich dabei von der eigenen psychischen Dynamik aus der Balance bringen zu lassen [22]. An jeder Rolle hängen Erwartungen, deren Erfüllung durch das soziale Umfeld belohnt und deren Nichterfüllung sanktioniert werden. Da sich die Rolle des Recruiters weiterentwickelt hat, muss er die neuen Erwartungen, die an ihn gestellt werden, kennen und bereit sein, sie zu erfüllen, wenn er professionell und erfolgreich arbeiten will.

    Rollengerechte Kommunikation: Erwartungen an den Recruiter 2.0

    Die Kernerwartung an den Recruiter bleibt: Nach wie vor gilt es, den optimal passenden Bewerber für eine neu zu besetzende Stelle zu finden und Fehlentscheidungen zu vermeiden. Nachdem er im Vorfeld über die Auswahl der Bewerbungsunterlagen die fachliche Eignung weitestgehend bestimmt hat, vergleicht der Recruiter im Gespräch die Persönlichkeit und Motivation des Bewerbers mit den Anforderungen der Stelle und dem Feld des Teams und des Betriebes. Er schafft eine vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre, die den Bewerber öffnet und ihn dazu bringt, sich ehrlich mitzuteilen, beleuchtet kritische Punkte der Vita des Bewerbers und erkennt dessen Täuschungsversuche, ohne dass dieser sein Gesicht verliert.

    Die Fähigkeit, Täuschungsversuche zu erkennen, hängt vom Wahrnehmungsvermögen des Recruiters ab und von seiner Fähigkeit, die relevanten Signale differenziert zu erfassen. Eine geschulte Wahrnehmung sowohl der äußeren als auch der körpereigenen Signale stellt eine Schlüsselgröße jedweder Kommunikation dar und determiniert auch im Recruiting die Qualität der Arbeit und der Entscheidungsfindung. Aus diesem Grund werden in Kap. 2 verschiedene Wege beschrieben, um die eigene Wahrnehmung zu entwickeln.

    Die neue Tätigkeit der Beratung verändert im Innenverhältnis den Status des Recruiters und die damit verbundenen Verhaltensweisen. Agierte der Recruiter früher als untergeordneter Dienstleister, der die Personalwünsche der Fachabteilungen erfüllte, fungiert er nun auf Augenhöhe oder als Experte für den Arbeitsmarkt, der die Geschäftsführung und die Fachabteilungen darüber berät, was machbar ist und was nicht und wie sich strategisch verhalten werden könnte. Um diese Rolle kompetent zu erfüllen, sollte neben kommunikations- und lernpsychologischen Aspekten das Verständnis für die mit der neuen Rolle verbundenen Statusimplikationen entwickelt werden. Hierbei unterstützen die Inhalte von Kap. 5.

    In seiner neuen Tätigkeit als Verkäufer wird vom Recruiter erwartet, den Bewerber, den er eben noch kritisch und distanziert musterte, nun für die neue Herausforderung zu begeistern und für den Betrieb zu gewinnen. Aus der Verlustaversion ergibt sich, dass Bewerber, die ihre alte Stelle aufgeben und sich für einen Wechsel öffnen sollen, den erhofften Gewinn, den die neue Position verspricht, als ungefähr doppelt so hoch einschätzen müssen wie den Verlust, den die Aufgabe der alten Stelle nach sich zieht [23]. Diese Einschätzung erfolgt subjektiv auf Basis der persönlichen Werte und Motive des Bewerbers. Um eine Wechselentscheidung zu unterstützen, gilt es, jenen Grad an Vertrauen herzustellen, der dem Bewerber genügend Sicherheit bietet, um das Alte loszulassen und gleichzeitig den Attraktivitätsgrad der neuen Herausforderung zu erhöhen. Hierzu sollte der Recruiter jene Motive erkennen, die den Bewerber antreiben und ihm den maximalen persönlichen Nutzen bieten. Dabei geht es nur selten um monetäre Werte. Vermittelt der Recruiter die Merkmale der neuen Position so passgenau, dass sie den Motivkanal des Bewerbers treffen, bietet ihm das den als maximal empfundenen Nutzen und steigert die Attraktivität der neuen Stelle. In Folge erhöht sich das Verhältnis, mit dem Gewinn und Verlust bewertet werden, und begünstigt die Entscheidung zum Wechsel.

    Um die passende Basis für eine Entscheidung zugunsten des Betriebes zu schaffen, sollte der Recruiter die Qualität der Beziehungsebene zum Bewerber bewusst erfassen und in der Lage sein, sie zielgerichtet zu entwickeln. Dies umfasst die Fähigkeit, Kommunikationsstörungen schon im Ansatz zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken, um ein Gesprächsklima zu generieren, auf dessen Basis sich der Bewerber öffnet und auf einen Wechsel einlässt. In Kap. 3 zu den Ursachen der nonverbalen Kommunikation werden die für das Geschäftsleben relevanten Motive vertieft. Das Erkennen von Gesprächsstörern und die Pflege der Beziehungsebene werden über das Buch verteilt jeweils bei den einzelnen Elementen der nonverbalen Kommunikation beschrieben.

    Durch die erweiterte Rolle muss der Recruiter sein Selbstbild und Verhalten anpassen, um sich stimmig in die neue Situation einzufügen und den neuen Erwartungen gerecht zu werden. Die Betriebe waren es lange gewohnt, aus einer großen Auswahl an Bewerbern zu selektieren. Mitunter konnten sie es sich sogar erlauben, auf Bewerbungen gar nicht zu reagieren. Auch heute noch stellt dieses bei Candidate-Experience-Befragungen das meistmonierte Verhalten dar, was zeigt, dass offensichtlich oftmals noch verschiedene Ansichten über rollenadäquates Verhalten existieren oder zumindest unbewusst an alten Verhaltensweisen festgehalten wird. Doch ein Bewerber, dessen Bewerbung vor einem Jahr ignoriert wurde, wird sich zukünftig davor hüten, sich auf neu ausgeschriebene Stellen des Betriebes zu bewerben. Infolgedessen gehen dessen Bewerberzahlen mehr und mehr zurück und so stellt die eigene Kommunikation eine der Ursachen für den gefühlten Fachkräftemangel dar.

    Das Beschriebene gilt umso mehr für das Verhalten des Recruiters im Gespräch. Der Grat zwischen selbstbewusstem und überheblichem Verhalten ist schmal. Übertritte wirken direkt auf der Ebene des Selbstkonzeptes und geschehen überwiegend auf der nonverbalen Ebene. Doch wo früher Überheblichkeit zu einem gewissen Grad vom Bewerber hingenommen wurde, wird sie heute bestraft: Recruiter, die Selbstbewusstsein und Überheblichkeit nicht trennen können, stellen sich und ihren Betrieb ins Abseits. Doch wie entsteht Wirkung und wie kann der Recruiter diese konkret beeinflussen? Neben der psychologischen Komponente des Rollenverständnisses hängt die Wirkung zum Großteil von nonverbalen Elementen wie Status, Haltung, Rhythmus, Gestik, Timing und Blickkontakt ab. Diese werden in den einzelnen Kapiteln hinsichtlich ihrer Relevanz für die Rolle des Recruiters vertieft.

    Situationsgerechte Kommunikation im Recruiting 2.0

    Schulz von Thun beschreibt zwei Dimensionen, die den Wahrheitsgehalt einer Situation bestimmen. Um in der Kommunikation das Ideal der Stimmigkeit zu erreichen, muss sowohl den eigenen Bedürfnissen als auch den Erfordernissen der Situation entsprochen werden [24]. Der Rahmen, in dem das Gespräch stattfindet, hat sich in den vergangenen Jahren vom Arbeitgeber- zum Arbeitnehmermarkt gewandelt und dabei auch die Erfordernisse der Situation verändert. Immer häufiger bewerben sich die Betriebe beim Bewerber, und wenn die Betriebsvertreter zunächst den Kandidaten umwerben, anschließend jedoch in die alten Verhaltensmuster zurückfallen, lösen sie Irritation aus. Ebenso enttäuschen sie die impliziten Erwartungen des Bewerbers, wenn ihr Verhalten sich von jenem unterscheidet, das er aus anderen Gesprächen gewohnt ist. Mitunter herrschen eklatante Missverständnisse darüber, wer sich gerade bei wem bewirbt und wer mehr auf den anderen angewiesen ist. Anzustreben ist der partnerschaftliche Kontakt auf Augenhöhe, bei dem ein gemeinsamer Rhythmus die harmonische Basis bildet, auf der Vertrauen entstehen kann. Ausschlaggebend ist, wie es sich konkret im aktuell stattfindenden Bewerbungsgespräch in Bezug auf die zu besetzende Stelle verhält: Wenn sich Betrieb und Bewerber einig sind, haben beide den notwendigen gemeinsamen Nenner, um zueinander zu finden. Wie später gezeigt wird, lässt sich aus dem Rhythmus zwischen den Gesprächspartnern erkennen, wer gerade wen umwirbt, um daraus die Erfordernisse der aktuellen Situation abzuleiten.

    Zielgerechte Kommunikation im Recruiting 2.0

    Darüber hinaus haben sich die Ziele erweitert. Auch wenn sie sich für den Recruiter gut und richtig anfühlt, bietet die Qualität der Auswahl in den meisten Betrieben erhebliches Verbesserungspotenzial. Ergänzend muss der Recruiter 2.0. mehr und mehr den Markt sondieren, um neue Trends und Erwartungen in die Beratung der Fachabteilungen einzubringen. Im Kontakt mit dem Bewerber gilt es, die persönliche Verbindung zu stärken und den Kontakt verbindlicher und vertrauensvoller zu gestalten.

    Um die Qualität der Auswahl zu verbessern und Fehlentscheidungen zu reduzieren, gilt es, wenn nicht schon geschehen, ein strukturiertes, mehrstufiges Auswahlverfahren zu entwickeln und sich mit den Ursachen von Fehlentscheidungen auseinanderzusetzen. Die Qualität der Entscheidung hängt von der Menge und Qualität der Informationen ab, die der Recruiter im Gespräch erlangt, sowie von seiner Fähigkeit, relevante Informationen zu erkennen und zielgerecht zu interpretieren. Um die Informationsmenge zu vergrößern, sollte die Wahrnehmungsfähigkeit entwickelt und aufmerksamer beobachtet werden. Um darüber hinaus die Informationsqualität zu erhöhen, sollte das Bewusstsein für die verschiedenen Signale des Bewerbers entwickelt werden. Dies beinhaltet die Fähigkeit, positive und negative Botschaften gleichermaßen zu erkennen, zu berücksichtigen und angemessen zu bewerten. Mit steigender Deutungssicherheit lässt sich dann die Fehlerquote im Auswahlprozess senken.

    Die drei Ebenen der Kommunikation

    Kommunikation geschieht auf drei Ebenen und setzt sich aus dem Austausch von Signalen auf der verbalen, paraverbalen und nonverbalen Kommunikation zusammen. Der jeweilige Einfluss der drei Ebenen schwankt je nach Situation. Albert Mehrabian kam in seinen Studien zwischen 1968 und 1971 zu dem Ergebnis, dass unsere Kommunikation zu 7 % von den verbalen, zu 38 % von den paraverbalen und zu 55 % von den nonverbalen Botschaften beeinflusst wird [25]. Da diese Ergebnisse sich auf spezifische Settings bezogen, markieren sie Extremwerte, die nicht undifferenziert auf die gesamte Kommunikation übertragen werden sollten. Dennoch weisen sie auf den hohen Einfluss der nonverbalen Kommunikation hin. In Anlehnung an das Eisbergmodell liefert eine 80/20-Aufteilung eine praktikablere Aufteilung: 20 % der Kommunikation erfolgt auf der verbalen Ebene: Der Inhalt dessen, was gesagt wird, ist uns bewusst und dient überwiegend der Gestaltung der Sachebene. Ungefähr 80 % der Kommunikation erfolgen jedoch non- und paraverbal durch unsere Körpersprache und Intonation und dadurch, wie, wann und warum wir etwas sagen [26]. Hier werden unbewusste Inhalte ausgedrückt und die Beziehungsebene gepflegt. Störungen auf der Beziehungsebene erschweren die Kommunikation auf der Sachebene, die Qualität der verbalen Kommunikation hängt von der nonverbalen Kommunikation ab [27].

    Da ein Großteil der gesamten Kommunikation im non- und paraverbalen Bereich stattfindet, ergibt sich die Frage, wie diese Bereiche das Bewerbungsgespräch und den Erfolg im Recruiting beeinflussen.

    1.3 Warum nonverbale Kommunikation im Recruiting?

    Nonverbale Kommunikation entscheidet über Zusage oder Absage

    Die Erfahrungen, die Kahneman bei der Beurteilung der Offiziersanwärter machte, wurden seither auf breiter Basis untersucht und führten zu eindeutigen Ergebnissen: Die nonverbale Kommunikation spielt eine maßgebliche Rolle für die Entscheidung der Recruiter. Schon 1967 zeigten Studien von Robert Carlson, dass unter verschiedenen Interviewern größere Übereinstimmung bei der Ablehnung als bei der Annahme geeigneter Bewerber besteht und ihre Entscheidungen dabei auf Intuition oder „common sense" beruhten. Die Hinweisreize, die zur Entscheidung führten, lagen im nonverbalen Bereich und entzogen sich der Wahrnehmung des ungeschulten Interviewers [28]. Orman Wright zitierte 1969 zahlreiche Studien, welche die Bedeutung nonverbaler Kommunikation hervorheben, David Young und Ernst Beier zeigten 1977, dass 80 % der Beurteilungsvarianz im Bewerbungsgespräch auf das nonverbale Verhalten zurückgeführt werden kann [28].

    Richard Arvey und James Campion legten 1982 ein umfangreiches Sammelreferat vor, das die bis dahin vorliegenden Forschungsergebnisse zusammenfasste und zusätzlich einen Überblick über eine Vielzahl bis dahin veröffentlichter Sammelreferate gab. Die Ergebnisse zeigten erneut, dass nonverbale Kommunikation einen signifikanten Effekt für den Eindruck des Interviewers und die anschließende Entscheidung hat [29]. Die aufgeführten Studien wurden seither regelmäßig bestätigt, beispielsweise 1999 von Siegfried Frey [30] oder 2017 von Alexander Todorov [31]. In den letzten Jahren belegt die Hirnforschung mit ihren bildgebenden Verfahren und der Messung von Hormonen und Neurotransmittern im Rahmen der Entscheidungsfindung auf biologischer Ebene, was die Psychologie zuvor empirisch erhoben hatte: Die Entscheidung erfolgt zum Großteil unbewusst sowie emotional und damit hängt auch die Entscheidung im Bewerbungsgespräch von bis zu 80 % von der non- und paraverbalen Kommunikation ab.

    Das gilt für beide Seiten: Auch das nonverbale Verhalten des Recruiters hat maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungsbildung des Bewerbers, dessen Zufriedenheit eine kritische Zielgröße bildet. Neben dem Marketing zog der Vertrieb in das Personalwesen ein und fordert vertriebsorientierte Kommunikation von den am Recruiting beteiligten Akteuren. Wie zahlreiche Publikationen der erfolgreichsten Verkäufer belegen, wird auch dort neben der Psychologie der Fokus auf die nonverbale Kommunikation gelegt, um neue Kunden zu gewinnen und zu binden.

    Das Gossensche Gesetz des abnehmenden Grenznutzens bedeutet im Bereich des Lernens, dass die ersten Lerneinheiten den größten Kompetenzzuwachs bringen. Da unsere nonverbale Kommunikation jedoch ihrem Wesen nach im unbewussten Bereich stattfindet und wirkt, wurde sie in der Vergangenheit oft vernachlässigt. Da belegt ist, dass die nonverbale Kommunikation sowohl den größten Teil unserer Kommunikation prägt, als auch für den Großteil der Wirkung, die wir bei anderen hinterlassen, und für die Qualität unserer zwischenmenschlichen Beziehungen verantwortlich ist, bietet sie den größten Hebel für Entwicklungen.

    Für Recruiter eröffnet die Entwicklung ihrer nonverbalen Kompetenz die effektivsten und effizientesten Möglichkeiten, um die Qualität der Auswahl zu erhöhen, kompetenter zu wirken und die Beziehung zum Bewerber zu stärken. Laut Gallup Institut verlassen Angestellte in erster Linie ihre Führungskräfte und nicht das Unternehmen [32]. Hat sich der Bewerber beworben, kann unterstellt werden, dass er sich das Unternehmen als zukünftigen Arbeitgeber prinzipiell vorstellen kann. Das bedeutet für das Recruiting, dass sich Bewerber neben örtlichen Präferenzen und Hygienefaktoren aus zwei Gründen für oder gegen einen Betrieb entscheiden: wegen der Atmosphäre im Gespräch und wegen der Beziehung, die sich während des Bewerbungsverfahrens zwischen ihnen und den Vertretern des Betriebes entwickelt. Beide werden maßgeblich durch die nonverbale Kommunikation bestimmt.

    Wertschätzende Kommunikation stärkt die Beziehungsebene und gewinnt den Bewerber

    Eine stabile Beziehungsebene ist essentiell für eine gelingende Kommunikation. Um diese positiv zu gestalten, sollte wertschätzend kommuniziert und eine kooperative Gesprächsatmosphäre entwickelt werden. Konflikte belasten die Beziehungsebene und gründen im Geschäftsleben zum Großteil auf Statusverletzungen und territorialen Übergriffen. Schon bevor diese ins Bewusstsein des Bewerbers gelangen, reagiert er nonverbal und sendet subtile Warnsignale. Wenn der Recruiter lernt, diese bewusst wahrzunehmen, kann er intervenieren, bevor sich der Kandidat über den beginnenden eigenen Rückzug bewusst wird. Dabei sind für das Gelingen der Kommunikation nicht die guten Absichten des Recruiters maßgeblich, sondern, wie dessen gesendete Botschaften vom Bewerber aufgenommen werden. Kommunikation ist Wirkung und nicht Absicht [33].

    Wertschätzende Kommunikation orientiert sich am kategorischen Imperativ und zeichnet sich durch ihre Umkehrbarkeit aus: So, wie A mit B spricht, darf auch B mit A sprechen [34]. Kommt uns jemand im Gespräch zu nahe, stellt allzu indiskrete Fragen oder behandelt uns von oben herab, ziehen wir uns zurück. Findet der Recruiter das eigene, in Richtung des Bewerbers gezeigte Verhalten passend, verbittet sich aber Entsprechendes in umgekehrter Richtung, fehlt die notwendige Wertschätzung, was in der Regel früher oder später zu Störungen in der Kommunikation führt. Diesen Störungen liegt ein tiefer liegender Rollen-Status-Konflikt zugrunde, der sich beispielsweise in nonverbalen Kommentierungen der Aussagen des Gesprächspartners äußert oder in territorialen Übergriffen. Dem Gesprächspartner Territorium zuzugestehen, gibt diesem dagegen die Freiheit zum selbstbestimmten Handeln und stellt damit Wertschätzung in höchster Form dar. In Kap. 5 über Territorium und Status werden die verschiedenen territorialen Ausprägungen vertieft, um das Bewusstsein für die damit verbundenen Konfliktpotenziale zu erhöhen.

    Intentionsbewegungen berücksichtigen

    Um wertschätzend zu kommunizieren, sollten Intentionsbewegungen erkannt und berücksichtigt werden. Wir alle haben uns im Laufe unseres Lebens ein gewisses Bild über die Welt gemacht und damit darüber, wie die Dinge zusammenhängen und was wir in verschiedenen Situationen zu erwarten haben. Die Lernpsychologie bezeichnet dies als Systematik [35]. Lernfähigkeit ist eine essenzielle Eigenschaft, um in der Evolution zu bestehen, und entsprechend sind wir ständig bemüht, neue Informationen in unsere bestehende Systematik einzugliedern und unser Bild über die Welt zu erweitern. Kommt es hierbei zu Widersprüchen, hat deren Klärung Priorität. Auch wenn der Bewerber diese Klärung nicht offen einfordert, ist er innerlich irritiert und versucht, die Diskrepanzen in Einklang zu bringen. Wie im Web-Browser wird innerlich ein neuer Tab geöffnet, um das Thema gesondert zu recherchieren. In Folge fehlt die Konzentration für das Gespräch mit dem Recruiter. Systematik-Konflikte eröffnen im Bewerbungsgespräch wichtige Felder, über die gesprochen werden sollte, denn hier decken sich gemachte Erwartungen nicht mit der wahrgenommenen Realität. Wenn wir nach mehr Informationen verlangen, zeigt sich dies in subtilen Intentionsbewegungen wie einem kurzen verstärkten Einatmen, um in Aktionsbereitschaft zu treten, dem leichten Öffnen des Mundes und anderen, in späteren Kapiteln beschriebenen, Signalen.

    Wer über die Intentionsbewegungen des Gesprächspartners hinweggeht, impliziert, dass die eigene Position im Gespräch wichtiger ist als die des Gegenübers. Nonverbal drückt ein solches Verhalten aus, dass man besser weiß, was für den anderen gut ist, als dieser selbst. Ein hierarchisches Gefälle entsteht, der wertschätzende Kontakt geht verloren, der Gesprächspartner ordnet sich unter und zieht sich nach und nach aus dem Gespräch zurück. Erkennt der Recruiter dagegen Intentionsbewegungen und reagiert auf diese, fühlt sich der Bewerber wertgeschätzt und kann das Gespräch um für ihn relevante Punkte ergänzen. So können wichtige Aspekte der Entscheidungsfindung beleuchtet und die Konzentration im Gespräch gehalten werden. Die zusätzlichen Informationen ermöglichen dem Recruiter eine differenziertere Entscheidung. Darüber hinaus kann er den Bewerber durch eine individuellere Ansprache besser erreichen und für den Betrieb gewinnen.

    Dem Endowment-Effekt entgegenwirken

    Jack Knetsch führte in den 70er Jahren im Rahmen der Erforschung des Endowment-Effekts („Besitztumseffekt") eine Studie durch, um herauszufinden, wie Menschen zu einer gemachten Entscheidung stehen: Während sie an einer Umfrage teilnahmen, sah eine Vergleichsgruppe einen Füllfederhalter, der anderen wurde dagegen eine Tafel Schokolade präsentiert. Als Dank für die Teilnahme an der Umfrage erhielt jeder Teilnehmer im Anschluss ein Exemplar des zuvor präsentierten Exponats als Geschenk. Dann erfolgte das eigentliche Experiment: Den Teilnehmern wurde das andere Geschenk gezeigt und sie erhielten die Möglichkeit zu tauschen. Das Ergebnis überraschte: Unabhängig davon, ob sie die Schokolade oder den Füllfederhalter erhalten hatten, zeigten sich lediglich 10 % der Teilnehmer zum Tausch bereit [36]. Auch im Alltag und im Berufsleben sind Menschen vor einer Entscheidung oft kritisch und zögerlich. Wenn sie sich aber einmal entscheiden haben, verteidigen sie ihre Entscheidung, teilweise sogar vehement.

    Wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, ist es zu spät. Jack Knetschs und ähnliche Studien zeigen: Wer einmal bewusst eine Position bezogen hat, kann in der Regel nur mit hohem Aufwand zu einer Änderung bewegt werden. Durch den Aufbau unseres Organismus bedingt, reagiert unser Körper schneller als unser bewusster Verstand und antwortet zumindest mit einem Impuls auf empfangene Reize. Aufmerksame Beobachter registrieren ablehnende nonverbale Signale des Gesprächspartners schon im Ansatz. Dadurch erhalten sie einen Informationsvorsprung und können intervenieren, bevor es zu offener Ablehnung kommt. Die Entstehung von Fronten kann verhindert, Energie gespart und Frustration infolge negativer Antworten vermieden werden. Dadurch verhindern Recruiter enttäuschte Erwartungen auf der Bewerberseite, halten das Gespräch im spannungsfreien Bereich und unterstützen eine positive Entwicklung der Beziehung.

    Trügerische Kongruenz – Bewerbersignale differenziert beurteilen

    Intuitiv achten wir bei unseren Gesprächspartnern darauf, ob deren nonverbale, paraverbale und verbale Signale kongruent miteinander harmonieren oder sich inkongruent zueinander verhalten. Die Abwesenheit oder Unterdrückung einer der drei Ebenen wird im Zweifelsfall als Inkongruenz eingestuft, und während Kongruenz überzeugend wirkt, fehlt Inkongruenz die Glaubwürdigkeit. Wenn uns jemand mitteilt, dass er sich freut, dabei aber ein trauriges Gesicht zeigt, überzeugen uns seine Worte nicht, wir sehen, dass „etwas" nicht stimmt.

    Je vertrauter uns ein Setting ist, desto sicherer fühlen wir uns. Wir kennen die expliziten und impliziten Erwartungen, die an uns gerichtet werden, sowie die üblichen Kommunikationscodes, die damit einhergehen. Infolgedessen erhöhen sich unsere Möglichkeiten, kongruent zu agieren. Das Bewerbungsgespräch stellt ein Setting dar, in dem der Großteil der Bewerber nur wenig Erfahrung hat. Je nach Grad der Wichtigkeit, die der Bewerber dem Ausgang des Gesprächs beimisst, steigt sein Druck und führt zu Stress und Verkrampfung. Der Bewerber gerät in ein Dilemma: Seine Anspannung lässt ihn unattraktiv wirken, wo er doch gerade glänzen sollte! Dass das Gespräch auf einem für den Bewerber fremden Territorium stattfindet, bildet einen weiteren Unsicherheitsfaktor. Druck, Stress und Unsicherheit führen häufig zu Inkongruenz, und die Gefahr entsteht, dass der Recruiter durch diese Inkongruenzen die Aussagen des Bewerbers falsch interpretiert. Routinierte Blender, Industrieschauspieler und Selbstdarsteller sind dagegen gewohnt, sich überzeugend in Szene zu setzen. Ob es tatsächlich stimmt oder nicht, sie glauben weitestgehend, was sie sagen, treten dadurch kongruenter auf und kegeln so unsichere und selbstkritischere Bewerber unabhängig von der wirklichen Passgenauigkeit aus dem Rennen. Wenn der Recruiter den eigenen Bezugsrahmen erweitert und vermeidet, undifferenziert von Inkongruenz auf mangelnde Eignung oder Unaufrichtigkeit zu schließen, kann er, über die wahrgenommene Nervosität hinaus, mögliche Einflüsse erkennen und voneinander abgrenzen, um die Qualität seiner Auswahl zu verbessern.

    Erwiesenermaßen schätzen wir Menschen, die uns ähnlich sind, positiver ein als andere [37]. Dieser Effekt beginnt bei signifikantem Sympathieempfinden für Menschen mit dem gleichen Nachnamen oder Geburtstag und führt hin zu unbewussten Präferenzen für Menschen mit gleichen Hobbys und ähnlichem Habitus. Diese Präferenzen führen zum sogenannten Mirror-Bias, zur Verpflichtung von Menschen, die dem Entscheider zwar ähnlich sind, aber oft aus genau diesem Grund eben nicht für eine ausgeschriebene Stelle geeignet sind, weil diese ganz andere Stärken und Eigenschaften verlangt. Recruiter, die sich ihrer eigenen nonverbalen Signale und Gewohnheiten bewusst sind, fällt es leichter, zu erkennen, dass sie gerade Gefahr laufen, dem Mirror-Bias zu erliegen. Dementsprechend können sie bewusst gegensteuern und sich selbst hinterfragen, um ihre Auswahl zu verbessern.

    High- und Low-Involvement bei der Entwicklung der Einstellung erkennen

    Früher oder später müssen Recruiter und Bewerber Farbe bekennen und sich für- oder gegeneinander entscheiden. Auf dem Weg zur Entscheidung entwickeln sie nach und nach ihre Einstellung. Steigt das eigene Interesse, versuchen wir, die Entscheidung des Gegenübers zu unseren Gunsten zu beeinflussen. Die Sozialpsychologen Richard Petty und John Cacioppo entwickelten 1986 das Elaboration-Likelihood-Modell, welches beschreibt, auf welche Art und Weise Einstellungen gebildet und wie dabei Informationen verarbeitet werden. Je nach persönlichem Interesse, eigener Zielsetzung, dem Grad eventueller Ablenkungen und

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