Projektverträge im Anlagenbau und für vergleichbare Investitionsprojekte
Von Eberhard Krügler und Christoph Schmitt
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Projektverträge im Anlagenbau und für vergleichbare Investitionsprojekte - Eberhard Krügler
Eberhard Krügler und Christoph SchmittProjektverträge im Anlagenbau und für vergleichbare Investitionsprojekte201310.1007/978-3-642-30791-1_1© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
I. Vorvertragliche Phase des Projektvertrages
Eberhard Krügler¹ und Christoph Schmitt¹
(1)
Hoffmann Liebs Fritsch & Partner, Kaiserswerther Str. 119, 40474 Düsseldorf, Deutschland
Eberhard Krügler (Korrespondenzautor)
Email: eberhard.kruegler@hlfp.de
Christoph Schmitt
Email: Christoph.Schmitt@hlfp.de
1. Grundsituation und Ablauf
2. Vorvertragliche Vereinbarung en (LoI/MoU)
3. Regelungsfelder vorvertraglicher Vereinbarung en
4. Abbruch der Vertragsverhandlungen
5. Präambel n/Vorbemerkung en
Zusammenfassung
Projektverträge, nicht nur in der Form von Anlagenbauverträgen, erstrecken sich nicht nur hinsichtlich ihrer Ausführungsphase, sondern auch innerhalb der Vertragsanbahnungsphase regelmäßig über einen längeren Zeitraum. Dabei entspricht es dem Interesse der Parteien, so früh wie möglich sowohl über die klärungsbedürftigen Punkte, über die eine Einigung erzielt werden soll, als auch über den Ablauf der Vertragsverhandlungen Klarheit zu gewinnen. Darüber hinaus ergibt sich in diesem Projektestatus nicht selten die Situation, dass bereits projektwesentliche Vorarbeiten realisiert oder Aufträge zur Klärung technischer und/oder rechtlicher Situationen ausgelöst oder Bestellungen zur Einhaltung des gewünschten Zeithorizontes platziert werden müssen. Nicht nur aus den vorstehenden Gründen werden vorvertragliche Vereinbarungen abgeschlossen, vielmehr soll durch die Unterzeichnung vorvertraglicher Absprachen oft eine partnerschaftliche Atmosphäre zwischen den Parteien herbeigeführt und letztlich auch Fakten für den noch abzuschließenden, endgültigen Projektvertrag geschaffen werden.
1. Grundsituation und Ablauf
Projektverträge, nicht nur in der Form von Anlagenbauverträgen, erstrecken sich nicht nur hinsichtlich ihrer Ausführungsphase, sondern auch innerhalb der Vertragsanbahnungsphase regelmäßig über einen längeren Zeitraum. Dabei entspricht es dem Interesse der Parteien, so früh wie möglich sowohl über die klärungsbedürftigen Punkte, über die eine Einigung erzielt werden soll, als auch über den Ablauf der Vertragsverhandlung en Klarheit zu gewinnen. Darüber hinaus ergibt sich in diesem Projektestatus nicht selten die Situation, dass bereits projektwesentliche Vorarbeiten realisiert oder Aufträge zur Klärung technischer und/oder rechtlicher Situationen ausgelöst oder Bestellungen zur Einhaltung des gewünschten Zeithorizontes platziert werden müssen. Nicht nur aus den vorstehenden Gründen werden vorvertragliche Vereinbarungen abgeschlossen, vielmehr soll durch die Unterzeichnung vorvertraglicher Absprachen oft eine partnerschaftliche Atmosphäre zwischen den Parteien herbeigeführt und letztlich auch Fakten für den noch abzuschließenden, endgültigen Projektvertrag geschaffen werden.
Dabei tun die Parteien gut daran, sich im Korridor derartiger vorvertraglicher Regulierungen bereits über die zeitnahe Klärung wesentlicher Fragen für den Projektvertrag zu verständigen.
Nicht selten scheitern umfangreiche Projektvertragsverhandlungen, gerade im Anlagenbau, daran, dass sich die Parteien nach zeit- und kostenintensiven technischen und allgemeinen juristischen Klärungen nämlich nicht über Kernfragen, wie z. B. die Haftungs- und Gewährleistungsthemen, Vollzugs- und Vertragsstrafen-Szenarien oder andere wesentliche Kernpunkte des vertraglichen Gefüges, einigen können. Letztlich dienen vorvertragliche Vereinbarungen aber auch der Regulierung bereits durch gesetzliche Normen entstehender vorvertraglicher Verpflichtungen im Rahmen der Vertragsfreiheit der Parteien. Nach § 241 BGB¹ ist nämlich bereits im vorvertraglichen Verhältnis jede Partei zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen der (Verhandlungs-)Partei verpflichtet.
Dabei entsteht ein Schuldverhältnis auch im Bereich von Projektverträgen regelmäßig bereits mit der Aufnahme des geschäftlichen Kontaktes und darauf fußenden Vertragsverhandlungen.²
2. Vorvertragliche Vereinbarung en (LoI/MoU)
Problematisch stellen sich vorvertragliche Vereinbarungen deshalb dar, weil diese oft weder von Juristen gestaltet noch mit ähnlicher Intensität wie der eigentliche Haupt-Projektvertrag von Juristen reflektiert und/oder begleitet werden.
Als Instrumentarien vorvertraglicher Vereinbarungen zwischen den Parteien steht nicht nur der klassisch und unzweifelhaft bereits schuldrechtliche Bindungen herbeiführende Vorvertrag zur Verfügung, sondern auch die Instrumente des Letter of Intent (LoI) beziehungsweise des Memorandum of Understanding (MoU) . Gerade in den zuletzt genannten Fällen (LoI/MoU) ist dabei abzuklären, ob bereits eine rechtsverbindliche Gestaltung und/oder auch nur eine rechtsverbindliche Teilkomponente gewünscht wird bzw. vorliegt, oder ob entsprechend der eigentlichen Natur von LoI/MoU eine rein rechtlich unverbindliche – atmosphärische – Absichtserklärung gewünscht ist.³
a) Die zu reflektierende Frage, ob vorvertraglichen Vereinbarungen, insbesondere LoI oder MoU, bereits eine rechtliche Bindungswirkung hinsichtlich der darin enthaltenen Erklärung der Partei zugekommen ist, ist eine Frage der juristischen Auslegung nach §§ 133, 157 BGB. Dabei ist die Überschrift über dem vorvertraglichen Papier juristisch gem. dem römischen Grundsatz Falsa demonstratio non nocet (Falschbezeichnung schadet nicht) irrelevant. Abgestellt wird nach der Rechtsprechung vielmehr allein darauf, ob aus dem Empfängerhorizont von einer hinreichenden Erklärung der jeweils anderen Partei und damit von einer vertraglichen Bindungswirkung bereits auszugehen ist.
b) Von der allgemeinen Ansicht der Rechtsprechung, dass für die Auslegung von Willenserklärungen regelmäßig die vertragliche Urkunde die Vermutung der Vollständigkeit in sich trägt und außerhalb der vertraglichen Urkunde liegende Umstände (wie z. B. der Gang der Erörterung der Parteien) nur dann bei der Auslegung der vertraglichen Ausgestaltung zu berücksichtigen sind, wenn diese Anklang in der Urkunde selbst gefunden haben, weicht die Rechtsprechung im Stadium der Vertragsabwicklung ab. Hier stellt die Rechtsprechung bei vorvertraglichen Erklärungen maßgeblich auf die äußeren Begleitumstände (Gang und Inhalt der Gespräche der Parteien, Äußerungen der Parteien, bestehende Interessen, etc.) ab, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärungen innerhalb der vorvertraglichen Verhandlungen und Vereinbarungen zulassen.
Gerade auch im Rahmen von Projektverträgen sollte daher von den in Kontakt getretenen Parteien stets reflektiert werden, dass für den Fall, dass ihre vorvertraglichen Vereinbarungen sich trotz der Bezeichnung als LoI/MoU in gewissen Teilen danach als verbindliche, vorvertragliche Regelungen darstellen, sie sich der Gefahr von Erfüllungs- bzw. Schadensersatzansprüch en aus der vorvertraglichen Vereinbarung selbst, als auch über die gesetzlichen Regelungen gem. § 311 Abs. 2 Nr. 1/ Nr. 2 BGB i.V.m. § 280 BGB aussetzen.
c) Neben der Frage inhaltlicher Gestaltung vorvertraglicher Erklärungen sollten sich die beteiligten Gesprächspartner vorher eine Checkliste aufgrund Überlegungen für eine Entscheidung über vorvertragliche Vereinbarungen vor Augen halten und insbesondere folgende Fragen reflektieren:
Ist eine vorvertragliche Regelung auch in Ansehung der damit einhergehenden Gefahr von Erfüllungs - und Schadensersatzansprüchen wirklich notwendig?
Können die Vorstellungen der Parteien in diesem frühen Stadium schon so genau konkretisiert werden, dass sich ungewollte Bindungswirkungen vermeiden lassen?
Des Weiteren kann es sinnvoll sein, ausdrücklich eine rechtliche Geschäftsgrundlage für die Durchführung des Projektes (z. B. die Erlangung bestimmter Genehmigungen) zu regeln. In diesem Zusammenhang kann es geboten sein, die Rechtsfolgen der gesetzlichen Regelungen bzgl. der Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu modifizieren und/oder zu präzisieren.
Ist eine Begleitung der vorvertraglichen Regelung durch einen qualifizierten Vertragsjuristen sichergestellt?
Können die Anforderungen der Rechtsprechung an ein Aushandeln von Verträgen zur Vermeidung der in die Vertragsfreiheit eingreifenden Regelung des Rechts der AGB (siehe hierzu IV.) sichergestellt werden oder können nur solche Vereinbarungen getroffen werden, die auch AGB-rechtlich zulässig sind?
Kann eine sachlich und inhaltlich ineinander greifende Bearbeitung von vorvertraglichen Vereinbarungen und Hauptprojektvertrag (auch hinsichtlich der juristischen Begleitung) sichergestellt werden?
Soll im Hinblick auf den notwendigen Know-How-Schutz der Gesprächsparteien eine separate, umfängliche Geheimhaltungsvereinbarung abgeschlossen werden, oder sollen die notwendigen umfangreichen Regelungen in die vorvertragliche Vereinbarung integriert werden?
3. Regelungsfelder vorvertraglicher Vereinbarung en
Der Inhalt vorvertraglicher Vereinbarungen muss sich selbstredend an dem Projektinhalt selbst ausrichten. Dieser kann natürlich vielfältig sein und selbst innerhalb eines spezifischen Korridors für Projektverträge wie den Anlagenbauvertrag vielfältig gestaltet werden. Die nachstehenden Regulierungspunkte sind daher eher als gedankliche Checkliste zu verstehen, die regelmäßig zum Tragen kommen, jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit haben kann.
a) Eine Präambel hat sich nicht nur bei Projektverträgen eingebürgert, sondern ist auch rechtlich zumindest solange sinnvoll, wie das Gefahrenpotential derartiger Präambeln (siehe hierzu im Einzelnen III.) bei der Gestaltung beachtet wird. Dabei dient die Präambel in erster Linie der Beschreibung der Interessenlage der Parteien, wie sie im Rahmen der juristischen Auslegung des Vertrages nach §§ 133, 157 BGB eine maßgebliche Rolle spielt.⁴
b) Gerade bei Projektverträgen ergibt es sich der Sache nach, dass die Parteien einen gemeinsamen Zweck über einen längeren Zeitraum verfolgen. Die Verfolgung eines derartigen Zweckes stellt jedoch häufig die Eckpfeiler der Gründung einer Gelegenheitsgesellschaft im Sinne der §§ 705 ff. BGB dar.
Es bietet sich daher an, in vorvertragliche Vereinbarungen eine Klarstellung aufzunehmen, ob eine derartige Bindung an das gesetzliche Modell der Gelegenheit (so GbR) nach den §§ 705 ff. BGB (die regelmäßig nicht mit den Intentionen der Parteien übereinstimmen dürften) gewollt ist oder nicht.
c) Zentraler Bestandteil jeder vorvertraglichen Vereinbarung muss die deutliche Klarstellung sein, ob eine vertragliche Bindung seitens der Parteien durch die Vereinbarung erreicht werden soll, beziehungsweise auf welche Regelung innerhalb der vorvertraglichen Vereinbarung sich der Bindungscharakter ausschließlich beziehen soll. Hierzu bietet sich insbesondere die abschnittsweise sorgfältig bezifferte Abschichtung bei verbindlichen Regelungen an.
d) Da regelmäßig gehörige Anzahlen von Vertragsverhältnissen auf dem Weg zum (Haupt-)Projektvertrag scheitern werden, bietet sich darüber hinaus eine Regelung des rechtlichen Schicksals für den Fall des Verhandlungsabbruch es (siehe hierzu II.) an.
e) Zur Vermeidung unnötiger Aufwendungen durch parallele Aktivitäten eines der Verhandlungspartner bietet sich darüber hinaus (unter Berücksichtigung etwaiger kartellrechtlicher Implikationen) eine rechtliche Einschränkung für die Führung von Parallelverhandlungen mit anderen Partnern (AG/AN) an.
f) Soweit keine explizit gesonderte Geheimhaltungsvereinbarung (NDA) zwischen den Parteien abgeschlossen ist und/oder wird, wird in einer vorvertraglichen Vereinbarung zwingend eine rechtlich befriedigende, umfangreiche Regelung über die Geheimhaltung gegenseitig ausgetauschter Informationen enthalten sein müssen. Reflektiert werden muss allerdings, dass – ohne dass dies im Rahmen dieses Werkes näher vertieft werden kann – die üblicherweise in der Wirtschaft verwendeten Geheimhaltungsvereinbarungen nicht geeignet sind, das Interesse der Parteien am Know-How-Schutz juristisch auch nur ansatzweise abzudecken. Die Parteien müssen sich daher gewahr sein, dass entweder die vorvertragliche Vereinbarung um umfängliche Geheimhaltungs- und Verwertungsregelungen anzureichern ist, oder aber diese in einen gesonderten, umfänglichen NDA gelagert werden. Bewusst sein sollten sich die Parteien auch, dass gerade Geheimhaltungs- und Verwertungsvereinbarung en einer intensiven AGB-rechtlichen Regulation unterliegen, bei deren Missachtung das verfolgte Ziel des Know-How-Schutzes auf Grund unwirksamer vertraglicher Regelungen (auch mangels gesetzlicher Auffangtatbestände) regelmäßig nicht erreicht werden kann.
g) Soweit im Rahmen der Vertragsanbahnung schutzrechtsfähiges Know-How entstehen kann, sollten zudem die Nutzung und die Erlaubnis zur Schutzrechtsanmeldung bereits detailliert geregelt werden.
Darüber hinaus sollte auch für den Fall des Verhandlungsabbruches geregelt werden, wie mit bis dahin entstandenen Arbeitsergebnissen (insbesondere solche, die urheberrechtsfähig sind) z. B. Zeichnungen, Pläne etc., umgegangen werden darf, insbesondere, ob der AG diese unentgeltlich für die Vertragsausführung mit einem anderen AN verwenden darf, sowie umgekehrt, ob der AN diese bei anderen Projekten, insbesondere bei der Errichtung anderer Anlagen, einsetzen darf.
h) Regelmäßig entstehen während der Vertragsanbahnung des Haupt-Projektvertrages auch Aufwendungen und Kosten (z. B. für Personal, Planungsentwürfe, Gutachten, Berater, etc.), deren Schicksal in der vorvertraglichen Vereinbarung zwingend geregelt werden muss.
i) Unter Berücksichtigung des Fokus, dass sich Parteien in diesem Stadium der Verhandlungen bereits in einem vorvertraglichen Schuldverhältnis befinden (siehe I. 2. b), erscheint es interessengerecht, zudem die Gewährleistung für ausgetauschte Informationen, insbesondere bereitgestellte Daten und/oder Unterlagen, explizit zu regeln. Dies schließt auch die darauf aufbauende Haftungsausschluss- und Begrenzungsregelung ein. Diese muss allerdings mit derselben Sorgfalt wie im (Haupt-)Projektvertrag geregelt werden. Dabei ist darauf zu achten, dass für derartige Regelungen, soweit sie regelmäßig dem AGB-Fokus unterfallen, die Rechtsprechung einschneidende Beschränkungen der Vertragsfreiheit vorgenommen hat, sollen die vertraglichen Absprachen wirksam sein.
j) In jedem Fall sollte Gegenstand der vorvertraglichen Vereinbarung über die Projektrealisierung ein ausgewiesener Regelungsabschnitt sein, in dem die Parteien die zu klärenden Punkte des (Haupt-)Projektvertrages, wie sie Verhandlungsgegenstand sein sollen, bezeichnen. Dies dient dazu, dass die Parteien den Verhandlungsablauf strukturieren und sich im frühen Stadium bereits Gedanken über die maßgeblichen Vertragsregelungen machen.
k) Bewährt hat sich dabei auch ein Vorgehen, in dem wesentliche Punkte wie die Gewährleistung und Haftungsfragen in ihren Eckwerten bereits in vorvertraglichen Vereinbarungen festgeschrieben werden. Vorteilhaft kann dies deshalb sein, weil die Parteien in einem frühen Stadium zur Vermeidung nutzloser Aufwendungen jeweils feststellen, ob eine Einigung bezüglich der für den (Haupt-) Projektvertrag zentralen Vertragsbestimmungen überhaupt möglich ist.
l) Im Hinblick auf ein Scheitern der Vertragsverhandlung en sollte auch qualifiziert die Rückgabe von ausgetauschten Unterlagen und Datenträgern sowie Kopien hiervon geregelt werden. Dabei dürfte die einfache Pflicht des Vertragspartners, regelmäßig überlassene Daten und Kopien zu löschen, in Anbetracht preiswerter moderner restore-Programme für Daten nicht ausreichend sein. Sinnvoll kann hier die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung hinsichtlich der weiteren Datenverwendung durch den Vertragspartner sein, wie dies aus dem wettbewerbsrechtlichen Bereich bekannt ist.
m) Sinnvoll kann es auch sein, im Rahmen des Verhandlungsablaufes auch die Beschaffung/Durchführung von projektrelevanten Vorbereitungshandlungen aufzunehmen.
n) Soweit die Parteien bereits mit einem Leistungsaustausch (Projektierungsarbeiten, Lieferung oder grundlegende werkvertragliche Leistungen) beginnen wollen, sollte zwingend geregelt werden, welche gesetzlichen Bestimmungen hierfür anwendbar sind und ob und welche AGB der Parteien hierfür eingreifen sollen.
o) Des Weiteren kann es sinnvoll sein, ausdrücklich eine rechtliche Geschäftsgrundlage für die Durchführung des Projektes (z. B. die Erlangung bestimmter Genehmigungen) zu regeln. In diesem Zusammenhang kann es geboten sein, die Rechtsfolgen der gesetzlichen Regelungen in die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) zu modifizieren und/oder zu präzisieren.
p) Insbesondere beim Leistungsaustausch macht es darüber hinaus Sinn, steuer- und zollrechtliche Fragen (Letzteres, soweit ein cross-border-Leistungsaustausch gegenständlich ist) einer Regelung zuzuführen.
q) Mit Hinblick auf die oft in diesem frühen Stadium noch nicht vollständige Strukturierung des Projektes macht es darüber hinaus Sinn, eine qualifizierte Schriftformklausel und Salvatorische Klausel in die vorvertragliche Vereinbarung einzubeziehen. Dies allerdings unter Berücksichtigung, dass auch für derartige Klauseln, sollte der AGB-Fokus eingreifen, gegenüber gebräuchlichen Formen abweichende Formulierungen zur Erhaltung der Wirksamkeit zwingend erforderlich sind.
r) Last but not least sollte das Schicksal der vorvertraglichen Vereinbarung (Vorvertrag/MoU/LOI) für den Fall des Abschlusses des (Haupt-)Projektvertrages geregelt werden. Ansonsten ergibt sich die regelmäßig unerwünschte Situation, dass zwei gleichwertige vertragliche Schuldverhältnisse nebeneinanderstehen. Dabei wird man nicht ohne Weiteres annehmen können, dass die zeitlich später abgeschlossene Regelung die oft in der vorvertraglichen Vereinbarung festgelegten grundlegenden Regeln für das Projekt überlagern soll.
4. Abbruch der Vertragsverhandlungen
a) Gerade bei Projektverträgen, nicht nur bei umfangreichen Projekten wie im Anlagenbau, können Vertragsverhandlungen oft vor Erreichung des eigentlichen Projektvertrages aus vielschichtigen Gründen scheitern. Oft ist der Vertragsabbruch auch dadurch impliziert, dass die Parteien erkennen, dass die angestrebte Lösung nicht oder nur mit wirtschaftlich unverhältnismäßigem Aufwand oder gerade nicht mit diesem Vertragspartner realisierbar ist. Für diesen Fall steht der Abbruch der Vertragsverhandlungen durch eine Partei geradezu zwingend im Raum.
b) Regelmäßig führen die enttäuschten Abschlusserwartungen einer Partei verbunden mit der Belastung durch teilweise hohe Vorlaufkosten dazu, dass die die Verhandlung abbrechende Partei damit „bedroht" wird, mit Schadensersatzforderungen und Aufwendungsersatzforderungen konfrontiert zu werden. Bei juristisch genauer Betrachtung erscheint ein solches Szenario jedoch nicht immer, vielmehr eher nur ausnahmsweise, als erfolgreich.
c) So hat die Rechtsprechung den Grundsatz gebildet, dass eine Ersatzpflicht bei Abbruch von Vertragsverhandlungen grundsätzlich nur dann besteht, wenn eine Verhandlungspartei die Vertragsverhandlungen „ohne triftigen Grund" abbricht, nachdem sie in zurechenbarer Weise Vertrauen auf das Zustandekommen des Vertrages erweckt hat.⁵ Dabei ist anerkannt, dass an das Vorliegen eines „triftigen Grundes" keine allzu hohen Anforderungen zu stellen sind. Dies mit Hinblick darauf, dass eine vertragliche Bindung zwischen den Parteien noch inexistent ist. Allgemein wird man sagen können, dass beispielsweise das Entfallen der Finanzierungsmöglichkeit oder die nachhaltige Verschlechterung der Finanzierung schancen für das Projekt, die Verminderung von Absatzchancen für das Produkt, das mit der projektgegenständlichen Anlage hergestellt werden soll oder auch ein betriebswirtschaftlich günstigeres Angebot für die Projektrealisierung grundsätzlich anzuerkennen sind.
d) Die Rechtsprechung durchbricht jedoch den vorgenannten Grundsatz, sich ohne das Risiko von Schadensersatzansprüch en von den Vertragsverhandlungen lösen zu können, wenn der Vertragsschluss durch ein vertretungsberechtigtes Organ des Vertragspartners als Sicherheit dargestellt wurde, entsprechende Vorleistungen des Vertragspartners veranlasst wurden, oder (wie im Wirtschaftsleben häufig) mit der Vertragsdurchführung bereits begonnen wurde. In den vorgenannten Fällen sollte der Vertragsabbruch daher sachgerecht erwogen werden und die damit gegebenenfalls einhergehende Kostenbelastung sorgfältig kalkuliert werden. Berücksichtigt werden sollte auch, dass sachfremde Erwägungen den Abbruch von Vertragsverhandlungen grundsätzlich nicht rechtfertigen können, ohne dass sich der „Abbrechende" dem Risiko von Schadensersatzansprüchen aussetzt.⁶ Bei Projektverträgen fällt in diese Kategorie insbesondere die Forderung nach dem Risiko nicht äquivalent entsprechenden, überhöhten Sicherheiten.
5. Präambel n/Vorbemerkung en
a) Präambeln/Vorbemerkungen findet man bei Projektverträgen regelmäßig sowohl als Bestandteil der vorvertraglichen Erklärung als auch des eigentlichen (Haupt-)Projektvertrages.
Oft dienen Präambeln den Parteien in juristisch unreflektierter Art und Weise der Selbstdarstellung des betroffenen Unternehmens, seiner Leistungen und/oder Produkte oder aber der Motive und Interessen in Zusammenarbeit über den Vertragsschluss. Mag Letzteres für die juristische Auslegung nach §§ 133, 157 BGB noch sinnhaft sein, führt die nichtjuristisch reflektierte Aufnahme von Inhalten in eine Präambel/Vorbemerkung oft zu ernsthaften und weitläufig unbedachten juristischen Rechtsfolgen.
b) Da nach § 276 BGB der Schuldner eines Schuldverhältnisses nicht nur Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten hat, sondern ihn auch eine strengere Haftung treffen kann, soweit dies nach dem Schuldverhältnis bestimmt ist, bietet insbesondere die Darstellung des Unternehmens hier gefährliche gestalterische Spielräume. Auf Seiten des Leistungsverpflichteten müssen aus vorgenanntem Grund überschießende Anpreisungen des Unternehmens, seines Know-How, der Qualität seiner Produkte und/oder Leistungen zwingend vermieden werden. Aus Sicht des Leistungsgläubigers hingegen sind derartige Darstellungen in Präambeln/Vorbemerkungen durchaus begrüßenswert, da sie den Haftungsmaßstab des Leistungsverpflichteten eher erhöhen.
c) Häufiger Gestaltungsfehler bei der Formulierung von Präambeln/Vorbemerkungen in Projektverträgen ist darüber hinaus die unbewusste Implementierung einer rechtlichen Geschäftsgrundlage.
d) Dabei ist zunächst zu vergegenwärtigen, dass die Rechtsprechung unter Geschäftsgrundlage nicht wie die projektbeteiligten Techniker, Ingenieure und/oder Kaufleute das Motiv für das Projekt selbst oder die Absicht hinsichtlich des Abschlusses des Projektvertrages verstehen, sondern dem Begriff einen anderen, nämlich juristischen Inhalt beimessen.
e) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs stellt eine Geschäftsgrundlage des Projektvertrages immer nur die bei Abschluss des Vertrages zutage getretenen, dem anderen Teil erkennbar gewordenen und von ihm nicht beanstandeten Vorstellungen der eigenen Partei, oder die gemeinsamen Vorstellungen beider Parteien über das Vorhandensein über den künftigen Eintritt besonderer Umstände dar, sofern der erklärte Wille beider Parteien oder einer Partei erkennbar für die andere Partei auf diesen Vorstellungen aufbaut. Zu denken ist hier an eine bestimmte sachliche oder personelle Abwicklungskapazität, an das Vorhandensein bestimmter Schutzrechte oder das Vorhandensein bestimmter Know-How -Träger.
f) Ändert sich derartig das als rechtliche Geschäftsgrundlage implementierte Verhältnis, so kann die Partei, die berechtigt ist, sich hierauf zu berufen, eine Anpassung des Vertrages als primäre Rechtsfolge oder aber den Rücktritt vom Vertrag (der bei Dauerschuldverhältnissen durch die Kündigung aus wichtigem Grund ersetzt wird) bei fehlerhafter Vertragsanpassungsmöglichkeit verlangen. Voraussetzung ist jedoch, dass eine wesentliche Störung der Geschäftsgrundlage vorliegt. Dies wird man dann bejahen können, wenn der Vertrag bei Kenntnis der geänderten Verhältnisse nicht oder nicht so abgeschlossen worden wäre, dagegen nicht bejahen können, wenn sich nur das einer Partei zugewiesene Risiko verwirklicht hat (z. B. bei Übernahme eines Festpreises).
Auch solche Änderungen im Projektablauf, die im Wesentlichen bereits vorhersehbar waren, führen nicht zu der Möglichkeit, sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage zu berufen.
g) Schlussendlich darf die Störung der Geschäftsgrundlage dem betroffenen Vertragspartner nicht mehr zumutbar sein.
h) Für die Praxis lässt sich daraus folgern, dass in der Präambel /Vorbemerkung von vornherein klar intendiert werden sollte, ob ein Umstand rechtlich als Geschäftsgrundlage dargestellt werden soll oder nicht. Dies ist in jedem Fall eindeutig zu kennzeichnen. Gerade im Anlagenbau macht dabei die Aufnahme solcher Erfordernisse oder Genehmigungen, von denen die Realisierung des Projektes und der projektgegenständlichen Anlage abhängt, in Form der Implementierung einer rechtlichen Geschäftsgrundlage Sinn. Dies deshalb, weil ansonsten gegebenenfalls der AG vertragsgegenständlich das herbeizuführende Erfordernis/die Genehmigung schuldet, ohne hierauf letztlich Einfluss zu haben.
Fußnoten
1
§ 241 BGB:
Pflichten aus dem Schuldverhältnis
(1) Kraft des Schuldverhältnisses ist der Gläubiger berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern. Die Leistung kann auch in einem Unterlassen bestehen.
(2) Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.
2
§ 311 BGB:
Rechtsgeschäftliche und rechtsgeschäftsähnliche Schuldverhältnisse.
(1) Zur Begründung eines Schuldverhältnisses durch Rechtsgeschäft sowie zur Änderung des Inhalts eines Schuldverhältnisses ist ein Vertrag zwischen den Beteiligten erforderlich, soweit nicht das Gesetz ein anderes vorschreibt.
(2) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB entsteht auch durch
1. die Aufnahme von Vertragsverhandlungen,
2. die Anbahnung eines Vertrags, bei welcher der eine Teil im Hinblick auf eine etwaige rechtsgeschäftliche Beziehung dem anderen Teil die Möglichkeit zur Einwirkung auf seine Rechte, Rechtsgüter und Interessen gewährt oder ihm diese anvertraut, oder
3. ähnliche geschäftliche Kontakte.
(3) Ein Schuldverhältnis mit Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB kann auch zu Personen entstehen, die nicht selbst Vertragspartei werden sollen. Ein solches Schuldverhältnis entsteht insbesondere, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst.
3
siehe insgesamt zu diesem Komplex auch Schmitt/Ulmer „Wirtschaftsverträge rechtssicher gestalten", S. 16 ff.
4
vgl. zur Zielsetzung einer Präambel i.E. auch Schmitt/Ulmer, Wirtschaftsverträge rechtssicher gestalten, S. 23 ff.
5
vgl. z. B. BGH NJW 1975, S. 1774.
6
vgl. BGHZ 76, S. 53.
Eberhard Krügler und Christoph SchmittProjektverträge im Anlagenbau und für vergleichbare Investitionsprojekte201310.1007/978-3-642-30791-1_2© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013
II. Rechtliche und vertragliche Grundlagen von Projektverträgen
Eberhard Krügler¹ und Christoph Schmitt¹
(1)
Hoffmann Liebs Fritsch & Partner, Kaiserswerther Str. 119, 40474 Düsseldorf, Deutschland
Eberhard Krügler (Korrespondenzautor)
Email: eberhard.kruegler@hlfp.de
Christoph Schmitt
Email: Christoph.Schmitt@hlfp.de
1. Der Begriff des Projektvertrages
2. Die Problematik der Typenzuordnung
3. Das Modell des komplexen Langzeitvertrag es
4. Begriffe und Bezeichnungen, die für Projektverträge verwendet werden und ihre Bedeutung
a) Der Generalunternehmervertrag
b) Der Generalübernehmervertrag
c) Der Lump Sum Turnkey Vertrag
d) Der GMP-Vertrag
e) Der EPC-Vertrag
f) Der BOT-Vertrag
5. International verbreitete Musterverträge und Standardbedingung en
a) Die FIDIC-Bedingungswerk e
b) Der ORGALIME Turnkey Contract for Industrial Works
c) UNIDO Model Form
d) Der ICC Model Contract Turnkey Supply of Industrial Plant Contract
e) Die ENAA Model Forms
f) VDMA Lieferbedingung en und VOB/B
6. Internationale Ausschreibungspraxis
Zusammenfassung
Zunächst ist es erforderlich, den Begriff des Projektvertrages, wie er in dieser Abhandlung verwendet wird, zu konkretisieren. Projektverträge oder Anlagenbauverträge zählen nicht zu den gesetzlich definierten Vertragstypen, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch oder in Spezialgesetzen geregelt sind. Auch im juristischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum werden diese Begriffe nicht in einem einheitlichen Sinn verwendet, d. h. es hat sich kein einheitliches, allgemeines Begriffsverständnis durchgesetzt. Für die vorliegende Abhandlung werden hierunter Verträge verstanden, die die Herstellung, Lieferung und Errichtung von Produktionsanlagen und ähnlichen Investitionsgütern, einschließlich Planung und Konstruktion (Design und Engineering), durch einen Auftragnehmer, den Anlagenbauer, für einen Auftraggeber, den Besteller und (im Regelfall) Betreiber, zum Gegenstand haben. Auf das mögliche Leistungsspektrum im Einzelnen, welches derartige Verträge beinhalten können, wird an anderer Stelle dieser Abhandlung eingegangen. Festzuhalten ist, dass die im Rahmen eines derartigen Projektvertrages oder Anlagenbauvertrages geschuldeten Leistungen sehr unterschiedlich ausfallen, d. h. eine Vielfalt unterschiedlicher Leistungen im Einzelfall umfassen können. Gemeinsam ist derartigen Projekten, dass sich die Leistungen des Anlagenbauers nicht in der Lieferung beweglicher Sachen erschöpfen, sondern neben Konstruktion und Herstellung im Regelfall auch Leistungen vor Ort, am künftigen Standort der Anlage, auszuführen sind, wie insbesondere Aufstellung, Errichtung, Montage und Anschließung und im Regelfall auch die Inbetriebnahme.
1. Der Begriff des Projektvertrages
Zunächst ist es erforderlich, den Begriff des Projektvertrag es, wie er in dieser Abhandlung verwendet wird, zu konkretisieren. Projektverträge oder Anlagenbauverträg e zählen nicht zu den gesetzlich definierten Vertragstypen, wie sie im Bürgerlichen Gesetzbuch oder in Spezialgesetzen geregelt sind. Auch im juristischen oder wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum werden diese Begriffe nicht in einem einheitlichen Sinn verwendet, d. h. es hat sich kein einheitliches, allgemeines Begriffsverständnis durchgesetzt. Für die vorliegende Abhandlung werden hierunter Verträge verstanden, die die Herstellung, Lieferung und Errichtung von Produktionsanlagen und ähnlichen Investitionsgütern, einschließlich Planung und Konstruktion (Design und Engineering), durch einen Auftragnehmer, den Anlagenbauer, für einen Auftraggeber, den Besteller und (im Regelfall) Betreiber, zum Gegenstand haben. Auf das mögliche Leistungsspektrum im Einzelnen, welches derartige Verträge beinhalten können, wird an anderer Stelle dieser Abhandlung eingegangen. Festzuhalten ist, dass die im Rahmen eines derartigen Projektvertrages oder Anlagenbauvertrages geschuldeten Leistungen sehr unterschiedlich ausfallen, d. h. eine Vielfalt unterschiedlicher Leistungen im Einzelfall umfassen können. Gemeinsam ist derartigen Projekten, dass sich die Leistungen des Anlagenbauers nicht in der Lieferung beweglicher Sachen erschöpfen, sondern neben Konstruktion und Herstellung im Regelfall