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Unternehmenskauf in der Steuerpraxis
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eBook920 Seiten7 Stunden

Unternehmenskauf in der Steuerpraxis

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Über dieses E-Book

Beim Unternehmenskauf sind neben gesellschaftsrechtlichen und arbeitsrechtlichen Regelungen gerade auch steuerliche Gesichtspunkte von großer Bedeutung. Dieses Werk stellt rechtsgebietsübergreifend die typischen Problemfelder eines Unternehmenskaufs vor. Im Fokus stehen dabei mittelständische Unternehmen. Zahlreiche Beispiele, Beratungshinweise und Übersichten zu den relevanten arbeitsrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen runden das Werk ab.
Für die 2. Auflage wurde das Buch umfassend aktualisiert und um ein Kapitel zur Finanzierung des Unternehmenskaufs erweitert.

SpracheDeutsch
HerausgeberSpringer Gabler
Erscheinungsdatum28. Jan. 2018
ISBN9783658172817
Unternehmenskauf in der Steuerpraxis

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    Buchvorschau

    Unternehmenskauf in der Steuerpraxis - Patrick Sinewe

    © Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2018

    Patrick Sinewe (Hrsg.)Unternehmenskauf in der Steuerpraxishttps://doi.org/10.1007/978-3-658-17281-7_1

    1. Vorbereitungen beim Unternehmensverkauf

    Stefan Gottgetreu¹  , Hans Peter Leube²  , Moritz Petrikowski³  , Patrick Sinewe⁴  , David Witzel⁵   und Oliver Zöll⁶  

    (1)

    Bird & Bird LLP, Carl-Theodor-Straße 6, 40213 Düsseldorf, Deutschland

    (2)

    Bird & Bird LLP, Marienstraße 15, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland

    (3)

    innogy SE, Opernplatz 1, 45128 Essen, Deutschland

    (4)

    Prof. Dr. Sinewe & Kollegen Steuerberatungsgesellschaft mbH, Erenburgerstraße 16, 67549 Worms, Deutschland

    (5)

    Dr. Witzel & Partner, Rechtsanwälte, Steuerberater, Arndtstraße 31, 60325 Frankfurt am Main, Deutschland

    (6)

    AGS-Legal Partnergesellschaft mbH, Bockenheimer Landstraße 33–35, 60325 Frankfurt am Main, Deutschland

    Stefan Gottgetreu (Korrespondenzautor)

    Email: stefan.gottgetreu@twobirds.com

    Hans Peter Leube

    Email: peter.leube@twobirds.com

    Moritz Petrikowski

    Email: moritzedgar.petrikowski@innogy.com

    Patrick Sinewe

    Email: p.sinewe@sinewe-kollegen.de

    David Witzel

    Email: dw@witzel-law.com

    Oliver Zöll

    Email: o.zoell@ags-legal.com

    1.1 Grundzüge des Unternehmenskaufs

    Hans Peter Leube

    (7)

    Bird & Bird LLP, Taunusanlage 1, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland

    1.1.1 Einleitung

    Bei einem M&A‐Prozess gilt – egal, ob wir ihn von der Verkäufer‐ oder der Käuferseite betrachten – die sprichwörtliche Weisheit, dass Planung das halbe Leben ist. Das planerische Antizipieren von potentiellen Stolperschwellen, die Bestimmung der von der jeweiligen Seiten mit dem Prozess verfolgten Ziele und die Kenntnis darüber, welche Folgen für die jeweiligen Prozesspartei mit der Annahme oder dem Verwerfen bestimmter Handlungsalternativen während des (Verhandlungs‐)Prozesses verbunden sein können, ist der Schlüssel zu einem erfolgreichen Abschluss eines Unternehmensverkaufs. Welche Steuerfolgen sind mit welcher Prozessentscheidung verbunden? Welche Auswirkung auf die operative Liquiditätsplanung, auf Einkauf und Kundenbeziehungen sind mit dem Verkauf bzw. dem Erwerb verbunden? Welche Risiken können durch Garantien im Kaufvertrag abgedeckt werden, aber welche können in keinem Fall übernommen werden? Die Bedeutung der gründlichen Planung wird dabei häufig unterschätzt, gerade wenn bei einer Prozessbeteiligung von strategischen Interessenten eine solche Vorbereitung wegen der zweifelsohne bestehenden Industrie‐ und Branchenkenntnis auf den ersten Blick übervorsichtig zu wirken scheint. Die hohe Zahl gescheiterter Unternehmenszusammenführungen sowie die häufigen Schwierigkeiten, das vorher im Blaupausenstadium errechnete Synergiepotential zu realisieren, sprechen eine andere Sprache.¹

    Auch die Bedeutung der Auswahl der für den jeweiligen Prozess richtigen Berater muss in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Wohl selbstverständlich ist, dass die Berater über große Erfahrung mit Verkaufsprozessen bzw. den ihnen jeweils innerhalb des Prozesses zugewiesenen Aufgaben verfügen sollten. Ebenso wichtig, aber oft nicht beherzigt, ist eine Vertrautheit des Beraters jedenfalls mit den branchenspezifischen, d. h. originär unternehmerischen Fragestellungen des zu verkaufenden Unternehmens und der beteiligten Parteien. Denn die spezifischen betrieblichen Fragestellungen, die der Verkauf für das Unternehmen, ggf. seinen Konzern, aus dem es herausgelöst werden muss, mit sich bringt, sind von Beraterseite nur dann optimal vorzubereiten, wenn ein praktisches, mit der operativen Realität vertrautes Verständnis von den betrieblichen Abläufen existiert. Dasselbe gilt für die erfolgreiche oraganisatorische und operative Integration in den Käuferbund. Damit ist immer in den Fällen, in denen diese Fragen nicht durch ein fachlich gutes und personell ausreichend stark aufgestelltes in‐house‐Team von Verkäufer und/oder Erwerber beantwortet werden können, besonderes Augenmerk auf die fachliche Eignung der Prozess‐begleitenden Berater zu richten.

    1.1.2 Mögliche Konstellationen beim Verkaufsprozess

    1.1.2.1 Bilateraler Verkaufsprozess

    Der Unternehmensinhaber trifft auf einen möglichen Erwerber, und nach einer gewissen Verhandlung besteht Einigkeit über den Verkauf – von diesem Schulbuchfall einer Transaktion träumt jeder Käufer eines Unternehmens. Eine Verkaufs‐ oder besser Verhandlungssituation über einen Verkauf auf bilateraler Ebene minimiert die Wahrscheinlichkeit von frustrierten Aufwendungen (sog. broken deal costs) und wird damit regelmäßig die Bereitschaft des potentiellen Erwerbers steigern, einen höheren Kaufpreis zu bieten, weil er – anders als in einem Bieterprozess – nach der anfänglichen Sondierungsphase mit hoher Wahrscheinlichkeit von einem erfolgreichen Abschluss der Kaufbemühungen ausgehen kann.

    Auch wenn beim Blick in die Wirtschaftsnachrichten der Eindruck entsteht, dass heute in praktisch sämtlichen Fällen der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen Ergebnis eines vorgeschalteten Bieterprozesses ist, täuscht dieser Eindruck. Gerade im mittelständischen Bereich und bei Eigentümer‐geführten Unternehmen ist die gezielte Ansprache eines potentiellen Erwerbers durch den Verkäufer (und umgekehrt) weiterhin üblich. Dies gilt vor allem bei beabsichtigten Transaktionen zwischen Strategen, da Veräußerer‐ und Erwerberseite am besten in der Lage sind, komplementäre Geschäftsbereiche und das daraus resultierende Synergiepotential zu identifizieren. Jedoch auch bei der Beteiligung von Finanzinvestoren ist eine bilaterale Transaktionsanbahnung keinesfalls ausgeschlossen: Private Equity‐Fonds, insbesondere wenn eine besondere Ausrichtung auf bestimmte Industriesektoren den Anlagefokus bestimmt, führen regelmäßig screenings der jeweiligen in einem Markt tätigen Unternehmen durch, um dadurch potentielle Kandidaten zu identifizieren, die als Kaufobjekt in Frage kommen oder bei denen durch die (finanzielle) Beteiligung des Investors ein zusätzliches Wachstumspotential erschlossen werden kann.

    1.1.2.2 Bieterprozess

    Dessen ungeachtet wird in jüngerer Zeit eine große Anzahl der Verkaufs‐ und Erwerbsprozesse in Form eines Bieterprozesses strukturiert. Die Gründe dafür sind zweierlei, und beide haben ihren Ursprung in der Sphäre des Verkäufers:

    Zum einen lässt sich in einem kompetitiven Prozess in der Regel der Kaufpreis optimieren. Dies ist bereits aus (prozess‐)ökonomischer Sicht sinnvoll, denn der regelmäßig am oder über den Marktwert erzielte Kaufpreis rechtfertig den Mehraufwand, der im Bieterverfahren seitens des Verkäufers, z. B. durch den intensiveren Einsatz von Beratern und auch intern bei der Prozessbetreuung, erforderlich wird. Auch die Wahrscheinlichkeit, bei Durchführung eines Bieterverfahrens am Ende zumindest mit einem kaufbereiten Interessenten den Prozess abschließen zu können, ist ungleich größer als bei einem ausschließlich bilateral ausgerichteten Verkaufsprozess.

    Zum anderen zwingt eine möglicherweise auf der Verkäuferseite bestehende Verpflichtung, den besten Verkaufspreis oder zumindest einen marktadäquaten Kaufpreis zu erzielen, den Veräußerer dazu, den Kaufpreis im Rahmen eines Bieterverfahrens zu ermitteln. Dies gilt z. B. für Finanzinvestoren, die sich im Fall des Verkaufs von Beteiligungen gegenüber ihren Geldgebern für den erzielten Verkaufspreis rechtfertigen müssen. In vergleichbarer Weise ist auch die Unternehmensführung² regelmäßig dazu verpflichtet, bei der Veräußerung von Tochtergesellschaften oder Konzernteilen den Interessen der Gesellschaft entsprechend zu handeln. Zwar kann die Unternehmensführung bei einer Verkaufsentscheidung einen gewissen Spielraum auf der Grundlage der ihr zustehenden unternehmerischen Entscheidungsfreiheit ausnutzen. Diese Freiheit wird allerdings durch die u. U. sogar strafrechtlich bewerte (§ 266 StGB) Verpflichtung begrenz, Gesellschaftsvermögen nicht zu verschwenden.³ Dieses Postulat und die vor allem bei Publikumsgesellschaften zunehmende Drohung durch Aktionärsklagen ist bei vielen Verkaufsprozessen ausschlaggebend für die Entscheidung, einen Bieterprozess durchzuführen.

    1.1.2.3 Dual Track und Refinanzierungsvorbereitung als Sonderfälle des Bieterprozesses

    Bei Unternehmen mit inhärentem Wachstumspotential, so dass für eine zukünftige Wertsteigerung die Kombination mit anderen Marktakteuren oder eine interne Neuausrichtung nicht wesentliche Voraussetzungen sind, kann als Spielart des Bieterprozesses das sogenannte Dual Track‐Verfahren zu Anwendung gelangen. Im Dual Track‐Verfahren läuft der Verkaufsprozess parallel zu Vorbereitung eines Börsengangs des Unternehmens. Aus Sicht eines potentiellen Erwerbers entsteht damit eine vergleichbare Konkurrenzsituation wie im Bieterprozess, denn der parallel vorbereitete Börsengang ist – bei entsprechendem Marktumfeld – ein realistischer und damit ernst zu nehmender Konkurrent. Im Extremfall kann daher mit einem Dual Track‐Prozess auch nur bei einem einzigen Erwerberinteressenten eine dem Bieterverfahren vergleichbare Situation erzeugt werden.

    Eine Variante des Dual Track‐Prozesses stellt ein parallel zum Verkaufsprozess initiierter Refinanzierungsprozess für das zu verkaufende Unternehmen dar. Mit der Verknüpfung dieser beiden Prozesse zielt der potentielle Veräußerer jedoch weniger auf das Schaffen einer kompetitiven Atmosphäre zwischen den Kaufinteressenten. Vielmehr sollen die internen organisatorischen und finanziellen Prozessvorbereitungen des Refinanzierungsprozesses auch für den möglichen Alternativprozess nutzbar gemacht werden.⁵ Aus Sicht des Veräußerers stellt sich daher die Refinanzierung als der notwendige Prozess dar, der ggf. bei einem attraktiveren Veräußerungsgebot gestoppt werden kann. Somit ist es u. U. auch denkbar, dass ein normaler Bieterprozess mit einem Refinanzierungsprozess kombiniert wird.

    1.1.3 Planung und Ablauf des Verkaufsprozesses

    Die Strukturierung der Transaktion ist sowohl für den Verkäufer wie den Käufer von besonderer Bedeutung, da Fehler nicht nur regelmäßig eine prozessbehindernde Wirkungen haben, sondern den wirtschaftlichen Erfolg der geplanten Transaktion insgesamt in Frage stellen können. Vor allem für den Verkäufer ist es unabdingbar, vor Prozessbeginn sich mit sämtlichen Details des Verkaufs, ggf. entstehenden Auswirkungen beim Herauslösen eines Unternehmensteils aus einer bestehenden Unternehmensgruppe sowie die damit einhergehenden nicht nur steuerrechtlichen Erwägungen vertraut zu machen, um den für ihn optimalen Verkaufsprozess definieren zu können.

    1.1.3.1 Vorbereitung auf der Verkäuferseite

    1.1.3.1.1 Datensammlung und ‐aufbereitung

    Wissen ist Macht – dies gilt auch beim Verkaufsprozess. Da der potentielle Erwerber im Rahmen der Due Diligence‐Prüfung⁶ das Unternehmen durchleuchten wird, muss der Verkäufer darauf abzielen, zumindest den identischen Kenntnisstand über sein Unternehmen zu bekommen, den der potentielle Erwerber im Laufe des Prozesses sich aneignen wird. Dies klingt zunächst seltsam, da man beim Verkäufer einen hohen Informationsstand über das eigene Unternehmen vermuten würde. Jedoch ist die Realität häufig eine andere: Auch bei operativ erfolgreichen Unternehmen ist der Kenntnisstand über die jeweiligen juristischen Grundlagen des Tagesgeschäfts lückenhaft, die Dokumentation in aller Regel chaotisch, und eine (steuer‐)rechtliche Analyse möglicher Risiken ist allenfalls oberflächlich durchgeführt worden.

    Daher empfiehlt es sich, die Due Diligence‐Prüfung des Unternehmens auf Verkäuferseite zu antizipieren. Grundvoraussetzung dafür ist eine Aufbereitung der aus Verkäufersicht relevanten Finanz‐, operativen sowie rechtlichen Daten des Unternehmens mit dem Ziel, Abläufe und Geschäftsbeziehungen mit Kunden, Lieferanten oder auch Konzern‐intern zu dokumentieren und sich frühzeitig über mögliche Risiko‐ oder Haftungspotentiale in Bezug auf das zu verkaufende Unternehmen bewusst zu werden, um diese im Idealfall vor dem Beginn des Verkaufsprozesses auszuräumen oder sie zumindest im Rahmen der Business Due Diligence pro‐aktiv adressieren zu können. Dasselbe gilt für die gesellschaftsrechtlichen und vor allem steuerrechtlichen Sachverhalte, die für einen Käufer von besonderem Interesse sein können.

    Zugang zu diesen Daten sollte dem potentiellen Erwerber bzw. den Bietern über einen virtuellen Datenraum gegeben werden. Dies hat zum einen den Vorteil, dass der Zugang zu den Unternehmensdaten nach dem jeweiligen Fortschritt im Verkaufs‐ oder Bieterprozess gestaffelt geregelt werden kann: Sensible Unternehmensdaten können daher auf anwaltsvertraulicher Basis früh im Prozess herausgegeben werden, ohne dass gleichzeitig die Daten für das bietende (Konkurrenz‐)Unternehmen selbst zugänglich sind. Zum anderen lässt sich auf diesem Weg die Bereitstellung der Daten auch zu einem späteren Zeitpunkt nachverfolgen, um ggf. Kenntnis oder zumindest Kenntnismöglichkeit von bestimmten Umständen während des Due Diligence‐Prozesses nachzuweisen und dadurch zu einem Haftungsausschluss zu gelangen, sofern im Kaufvertrag eine entsprechende Klausel vereinbart wird.

    Häufig wird das Thema der Datensammlung und ‐aufbereitung ausschließlich auf seine Bedeutung im Verkaufsfall reduziert. Diese Sichtweise vernachlässigt, dass es sich bei der Due Diligence im Ergebnis um eine Gesamtschau der – in der Regel – historischen Vorgänge handelt, deren verbleibendes Risikopotential für einen Erwerber analysiert werden soll. Dabei kommt auch der Qualität und damit der Vollständigkeit der Daten eine herausragende Bedeutung zu, und zu häufig ist eine Aufbereitung von länger zurückliegenden Ereignissen nicht oder nur unvollständig möglich, weil die dafür erforderliche Dokumentation nicht mehr auffindbar ist. Ein Erwerber wird im Zweifel in einem solchen Fall auf eine umfassende Zusicherung im Kaufvertrag bestehen, dass dem zu erwerbenden Unternehmen aus dem jeweiligen Umstand kein Schaden droht. Daher ist jedem Unternehmen, insbesondere bei private equity‐geführten Unternehmen, bei denen der nächste Verkauf Teil des Unternehmenszyklus ist, jede Art der Unternehmensinformation in einem gut gegliederten (virtuellen) Datenraum abzulegen, der im Wesentlichen der Gliederung von den in einem Verkaufsprozess benutzen Datenräumen entspricht.

    1.1.3.1.2 Bestimmung der Transaktionsstruktur: Konzernaspekte (beim Verkauf eines Teils der Unternehmensgruppe), Steuerrecht

    Fällt ein Unternehmen die unternehmerische Entscheidung, sich von einem Teilbereich der Gruppe zu trennen, muss vor Beginn des Verkaufsprozesses zunächst geklärt werden, welche Schritte unternehmensintern für das Herauslösen des Unternehmensteils unternommen werden müssen. In diesem Zusammenhang sind viele Fragestellungen denkbar:

    Wird der Geschäftsbereich aus einer eigenen Tochtergesellschaft heraus geführt, oder ist die dazugehörige Geschäftstätigkeit auf verschiedene Tochter‐ oder Schwesterunternehmen innerhalb der Unternehmensgruppe verteilt, so dass die zu dem Geschäftsbereich gehörenden Mitarbeiter und Betriebsmittel erst identifiziert und ggf. in eine eigenständige Tochtergesellschaft ausgegliedert werden müssen? Für den zuletzt genannten Fall kommen je nach Konstellation verschiedene gesellschafts‐ und umwandlungsrechtliche Varianten in Betracht, sofern eine – regelmäßig aufwendigere – unmittelbare Übertragung der einzelnen Vermögensgegenstände an den Erwerber (sog. Asset Deal) ausscheidet. Einzig der Übergang der dazugehörigen Arbeitnehmer ist in aller Regel wegen der Regelung des § 613a BGB ohne besondere Schwierigkeiten zu erreichen.

    Welche Beziehungen bestehen aktuell zwischen dem Verkaufsobjekt und der Unternehmensgruppe, und welche dieser Beziehungen müssen nach Abschluss des Verkaufsprozesses zumindest für einen gewissen Überbrückungszeitraum fortbestehen? Die offensichtlichsten Beziehungen sind die administrativer Natur, wenn z. B. die Konzernbuchhaltung oder die Personalabteilung die entsprechenden Tochtergesellschaften zentral mitbetreut. Ggf. müssen daher Regelungen (sogenannte service level agreements (SLA) oder transitional service agreements (TSA)) getroffen werden, wie zumindest für einen Übergangszeitraum nach dem Verkauf Leistungen der Finanz‐ oder Lohnbuchhaltung oder auch des Service‐ und Wartungspersonal weiterhin für das verkaufte Unternehmen mit erbracht werden, wenn diese nicht nahtlos durch den Käufer(konzern) abgedeckt werden können. Gerne wird in diesem Zusammenhang die Einbindung des zu verkaufenden Konzernteils in das zentrale Cash Pooling übersehen. Da diese mit dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs endet, müssen zum einen auf Käuferseite sämtliche Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ab diesem Zeitpunkt das Unternehmen über ausreichend Liquidität verfügt. Zum anderen sind die Ansprüche bzw. Darlehen aus dem Cash Pooling grundsätzlich kaufpreisrelevant und müssen daher im Rahmen der Kaufpreisadjustierung Berücksichtigung finden. In gleicher Weise wie die administrativen Bindungen müssen bestehende umsatzrelevante Liefer‐ und Leistungsbeziehungen analysiert werden. Wenn z. B. andere Konzerngesellschaften zu den wichtigen Unternehmenskunden gehören, ist zu klären, wie und auf welcher vertraglichen Grundlage in Zukunft diese Beziehung fortgesetzt werden soll.

    In demselben Maße müssen auch die steuerrechtlichen Auswirkungen beim Herauslösen des Geschäftsbereichs aus dem Konzern berücksichtigt werden, da auch sie wesentlichen Einfluss auf die zu wählende Transaktionsstruktur haben. Bestehen auf Ebene des Verkaufsobjektes Verlustvorträge oder Zinsvorträge? Gibt es Wege, diese Verlust‐ oder Zinsvorträge zu erhalten? Ist eine Übertragung des Verkaufsobjekts zu steuerlichen Buchwerten ohne Aufdeckung und Versteuerung stiller Reserven möglich oder ist umgekehrt eine Aufdeckung stiller Reserven geboten, um ggf. noch vorhandene und nicht übertragbare Verlustvorträge zu nutzen? Gibt es Sperr‐ oder Haltefristen, die bei der geplanten Transaktion verletzt und Nachversteuerungsfolgen auslösen würden? All dies sollte bereits im Vorfeld der Transaktion bedacht werden.

    Dies zeigt, dass insbesondere bei Konzernteilen, deren unternehmerische Eigenständigkeit nicht mit einer gesellschaftsrechtlich deutlich abgegrenzten Einheit korreliert, die erforderlichen Vorbereitungsmaßnahmen vor dem Beginn eines Verkaufsprozesses identifiziert werden müssen, da sie ausschlaggebend sind für die Wahl der vorzuschlagenden Verkaufsstruktur.

    1.1.3.1.3 Verzahnung des Verkaufsprozesses mit einer bestehenden Finanzierung

    Finanziert sich das zu verkaufende Unternehmen über Darlehen oder ist anderweitig – z. B. beim Verkauf eines Tochterunternehmens durch Einbindung desselben in die Besicherungsstruktur für die Konzernfinanzierung – Partei von Finanzierungsverträgen, so muss die Auswirkung dieses Aspekts auf den Verkaufsprozess bereits deshalb analysiert werden, weil in aller Regel Zustimmungen von dritter Seite für den Vollzugs des Verkaufs erforderlich sein werden.

    Darlehnsverträge, die das zum Verkauf stehende Unternehmen abgeschlossen hat, werden regelmäßig ein Sonderkündigungsrecht für den Fall eines Gesellschafterwechsels enthalten. Daher müssen die Rückzahlungsbestimmungen mit den Zahlungsmodalitäten für den Kaufpreis verzahnt werden. Ebenso muss sichergestellt sein, dass sämtliche Sicherungsrechte, die zugunsten des Kreditgebers an Vermögenswerten des Unternehmens bestellt worden sind, zeitgleich zum Vollzugsstichtag der Transaktion (Closing) aufgehoben werden, um dem Käufer das im Kaufvertrag zugesagte lastenfreie Eigentum an den Betriebsmitteln, Patenten, Kundenforderungen etc. übertragen zu können.⁷ Sofern eine Konzerntochtergesellschaft (oder auch ein Betriebsteil) aus dem Konzern herausverkauft werden soll und Sicherheiten für eine konzernweite Finanzierung auch an den Anteilen oder Betriebsmitteln etc. der Tochtergesellschaft bestellt worden sind, ist das Thema ähnlich komplex, da in aller Regel kein Anspruch auf die notwendige Sicherheitenfreigabe besteht. Daher ist eine frühzeitige Sondierung bei den Darlehensgläubigern in Bezug auf das ob, d. h. die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit des angestrebten Verkaufs, und das Prozedere erforderlich, insbesondere weil ggf. zeitlich aufwendige Abstimmungsprozesse zwischen den darlehensbeteiligten Banken erforderlich sind.

    1.1.3.1.4 Anreizmöglichkeiten für die Geschäftsführung

    Zu häufig wird vernachlässigt, dass das Management des zu verkaufenden Unternehmens einer der wesentlichen Faktoren sein kann, die einen entscheidenden Einfluss auf den erfolgreichen Verlauf des Prozesses haben können. Denn zum einen kommt den Aussagen des Management im Rahmen der Management Due Diligence erhebliches Gewicht aus Sich des potentiellen Erwerbers zu.⁸ Insbesondere wenn auch Private Equity‐Investoren als mögliche Bieter im Verkaufsprozess angesprochen werden sollen, ist ein versiertes Management, das aus Sicht des Käufers Garant für eine weitere positive Entwicklung des Unternehmens ist, u. U. der ausschlaggebende Faktor für die Kaufentscheidung. Der Verkäufer ist daher gut beraten dafür zu sorgen, dass das Management den Verkaufsprozess nach Kräften unterstützt und proaktiv mitbegleitet. Zu diesem Zweck können Bonusvereinbarungen mit der Geschäftsführung sowie ggf. weiteren key employees geschlossen werden, die im Verkaufsfall bzw. bei Erzielung eines bestimmten Verkaufspreises greifen.⁹

    1.1.3.1.5 Verkaufsdokumentation

    Ähnlich wie beim Thema der Datenaufbereitung hat der Verkäufer auch bei der Verkaufsdokumentation die Chance, einen wesentlichen und für ihn vorteilhaften Einfluss auf den Verkaufsprozess zu gewinnen, denn diese Dokumente bilden den Startpunkt, von dem aus Verhandlungen und Bewertungen beginnen werden. Daher ist jede gewissenhafte Vorbereitung gut und in der Regel geldwert investierte Zeit.

    Teaser, Geheimhaltungsvereinbarung, Fact Book, Process Letter. Der erste Dokumentations‐„Satz" dient dazu, dem Interessenten nachhaltig Appetit auf das zum Verkauf stehende Unternehmen zu machen. Dies ist vor allem bei einem Bieterprozess wichtig, in dem der weitere Verhandlungsverlauf auf der Grundlage der eingehenden indikativen Angebote¹⁰ bestimmt wird, und diese müssen für eine möglichst hohe Vergleichbarkeit auf der Grundlage möglichst identischer Informationen abgegeben worden sein. Teaser (übersetzt vielleicht am besten mit „Appetitmacher") und Fact Book stellen dies sicher, allerdings mit einem deutlich unterschiedlichen Ausmaß an Informationen, denn während der Teaser auf wenigen Seiten nur grundsätzliche Informationen enthält, die dem Interessenten ermöglichen sollen zu prüfen, ob das Kaufobjekt seine strategischen und/oder Renditeüberlegungen erfüllen könnte, enthält das Fact Book in weit größerem Maße vertrauliche Finanz‐ und operative Informationen einschließlich einer grundlegenden Aussage zu dem erwarteten weiteren Geschäftsverlauf. Aus diesem Grund liegt beim Prozesslauf zwischen diesen beiden Dokumenten der Abschluss der Geheimhaltungsvereinbarung, mit der die Weitergabe vertraulicher Unternehmensinformationen erst möglich wird. Üblicherweise wird zeitgleich mit dem Abschluss der Vertraulichkeitsvereinbarung der sog. Process Letter unterzeichnet; Verkäufer und Kaufinteressent(en) vereinbaren darin die grundlegenden Prozessschritte sowie weitere wichtige Details, die insbesondere beim Bieterprozess wichtig sind.¹¹

    Vendor Due Diligence. Bei der sog. Vendor Due Diligence handelt es sich um eine streng genommen nicht prozessnotwendige „Serviceleistung" des Verkäufers: Kaufinteressenten wird eine ausführliche Analyse des zum Verkauf stehenden Unternehmens in Bezug auf die wesentlichen finanziellen/wirtschaftlichen, rechtlichen und ggf. technischen sowie sonstigen marktrelevanten Details zur Verfügung gestellt, die in Art und Umfang häufig der einer regelmäßig auf Käufer‐/Interessentenseite durchgeführten Due Diligence‐Untersuchung entspricht.¹² Insbesondere in einem Bieterprozess, aber auch allgemein bei Verkaufsobjekten mit einer komplizierten (aber nicht notwendigerweise problematischen) Historie, z. B. wenn das Verkaufsprojekt aus verschiedenen Ankaufsprozessen und anschließenden internen Verschmelzungsvorgängen entstanden ist und daher der Käufer steuerlich komplizierte Bewertungsvorgänge „erben" würde, kann der Verkäufer mit einer Vendor Due Diligence den Kaufinteressent proaktiv bei der Analyse des Kaufobjekts anleiten und damit auf Käuferseite verhindern, dass falsche Eindrücke entstehen, die den Kaufprozess u. U. erheblich belasten können. Bei einer aufwendigen Vendor Due Diligence‐Dokumentation kann im Extremfall der Kaufinteressent den eigenen Due Diligence‐Aufwand minimieren.¹³

    Kaufvertrag. Auch und gerade in Bezug auf den Kaufvertrag gilt das Eingangs gesagte: Der Verkäufer besetzt im weiteren Verkaufsprozess durch den ersten Entwurf des Kaufvertrags das zentrale Objekt der Verkaufsverhandlungen und gibt damit zentrale Entscheidungen für den Kaufinteressent vor, die nur in seltenen Fällen im weiteren Prozessverlauf revidiert werden müssen. Zum anderen zwingt der Entwurf des Kaufvertrags den Verkäufer dazu, sich selbst über wichtige Strukturentscheidungen Klarheit zu verschaffen, die im Kaufvertrag reflektiert werden müssen wie z. B. die oben erwähnten Aspekte bei der Beendigung von Konzernverbindungen oder der bestehenden Finanzierung.

    1.1.3.1.6 Auswahl von möglichen Erwerbern

    Die Auswahl potentieller Erwerber ist ein vermeintlich einfacher Vorgang, zumindest sofern strategische Käufer angesprochen werden sollen. Doch der Vorteil eines gemeinsamen Agierens des zu verkaufenden Unternehmens und potentiellem Erwerber auf demselben oder vergleichbaren Markt und das damit einhergehende (und damit Kaufpreis‐maximierende) Synergiepotential birgt häufig ein Risiko, dass mit einem langen und ggf. ungewissen Fusionskontrollverfahren zu rechnen ist. Untersagt nach langer Prüfzeit die Kartellbehörde den Verkauf, ist der Schaden doppelt: Die erheblichen Investitionen in den Prozess haben sich nicht gelohnt, und ein Konkurrent hat sich en detail mit betriebswichtigen Informationen des Unternehmens vertraut machen können; zudem ist ggf. am Markt bekannt geworden, dass ein Verkauf erwogen wird, was Kunden und Mitarbeiter beunruhigen kann. Daher sollten bei jedem Verkaufsprozess auch Finanzinvestoren in den Kreis möglicherweise anzusprechender Kaufinteressenten mit einbezogen werden. Die Schwierigkeit besteht darin, aus der Vielzahl von Private Equity‐Unternehmen den oder die richtigen mit dem passenden Fokus auf Unternehmensbranche, ‐größe und ‐situation zu finden. Die Einschaltung eines auf M&A und die Begleitung von Verkaufsprozessen spezialisierten Beratungsunternehmen, das im Idealfall auch mit dem jeweiligen Industriesektor vertraut ist, bietet sich daher häufig an.

    1.2 Vorbereitung auf der Käuferseite

    Hans Peter Leube

    (8)

    Bird & Bird LLP, Taunusanlage 1, 60329 Frankfurt am Main, Deutschland

    Einige der Überlegungen, denen sich der Verkäufer stellen muss, gelten in vergleichbarer Weise auch für den potentiellen Erwerber, z. B. welche Schwerpunkte bei der Due Diligence gesetzt werden sollen, welche Aussagen oder Zusicherungen der Kaufvertrag enthalten muss, welche Berater transaktionsbegleitend ausgewählt werden oder ob Schwierigkeiten in einem Fusionskontrollverfahren zu erwarten sind. Nachfolgend sollen daher nur Themen erörtert werden, die für den potentiellen Erwerber von spezifischer Bedeutung sind.

    1.2.1 Abgabe eines indikativen Angebots

    Um in Verkaufsverhandlungen einsteigen zu können, wird regelmäßig vom Kaufinteressenten die Abgabe eines unverbindlichen, lediglich indikativen Angebots für das Unternehmen eingefordert. Der potentielle Erwerber gibt dieses Angebot¹⁴ auf Grundlage der ihm im Fact Book dargelegten Informationen ab und erläutert zudem die weiteren Voraussetzungen, die aus seiner Sicht erfüllt sein müssen, um ein verbindliches Angebot abgeben zu können (z. B. Abschluss einer Due Diligence, interne Gremienzustimmung, Vorliegen einer Finanzierung, etc.). Trotz seiner Unverbindlichkeit ist es angeraten, die im indikativen Angebot vorgeschlagene Unternehmensbewertung auf eine vernünftige Grundlage zu stellen, da insbesondere in Bieterprozessen häufig eine rechnerische Herleitung der Unterschiede zwischen dem indikativen und dem späteren verbindlichen Kaufangebot gefordert wird, und der Bieter bei häufigem wesentlichen Abweichen der beiden Angebote von einander bei anderen Bieterprozessen als weniger seriöse Bieter möglicherweise nicht länger in Betracht gezogen wird.

    1.2.2 Finanzierung

    Ist der Erwerber auf eine Finanzierung des Kaufpreises angewiesen, wird er frühzeitig im Prozess Kontakt zu finanzierungswilligen Banken suchen. Der Prozess, die erforderliche Finanzierung zu finden und zu verhandeln, läuft parallel zum Verkaufsprozess. Häufig ist im Process Letter klargestellt, dass ab einer bestimmten Phase der Verhandlungen das Bestehen einer ggf. erforderlichen Finanzierung Voraussetzung für die Fortsetzung der Verhandlungen ist, d. h. ein sog. financing out als Option des Käufers, den Kaufvertrag nicht vollziehen zu müssen, wenn er nicht auf entsprechende Finanzierungszusagen zurückgreifen kann, wird in der Regel nicht mehr akzeptiert.

    Häufig nehmen die finanzierenden Banken keine eigene Due Diligence‐Prüfung vor, sondern vertrauen auf die Prüfung des zu erwerbenden Unternehmens durch den Käufer. Daher ist der Käufer gut beraten, frühzeitig im Prozess zu klären, dass den Banken nicht nur Zugang zu Informationen wie insbesondere (Vendor) Due Diligence‐Berichte gewährt wird, sondern die Banken auch bei Bedarf in den Schutzbereich des Beratungsverhältnisses, das der Berichterstellung unterliegt, einbezogen werden.¹⁵

    1.2.3 Zukünftiges Management

    Gerade beim Erwerb durch Finanzinvestoren spielt die Frage, wer zukünftig die Geschäftsführung des zu erwerbenden Unternehmens inne haben soll, eine zentrale Rolle, da anders als bei einem strategischen Erwerber nicht auf ein bestehendes Management‐Team mit der notwendigen Branchenerfahrung zurückgegriffen werden kann. Es ist daher für den Finanzinvestor essentiell, die alte Geschäftsführung zu gewinnen und auf weiteren Wachstum zu incentivieren. Üblicherweise erfolgt dies durch virtuelle oder tatsächliche Beteiligungsmodelle, von denen es verschiedene Ausprägungen gibt.¹⁶ Ebenso kann es aus Sicht des Erwerbers wichtig sein, jenseits des engeren Geschäftsführungskreises weitere sog. key employees an das Unternehmen zu binden. Sofern dies erforderlich oder gewünscht wird und die Namen ihm im Rahmen der Management Due Diligence bekannt geworden sind¹⁷, sollte der Erwerber im Kaufvertrag auf eine Zusage drängen, dass die Arbeitsverhältnisse ungekündigt fortbestehen. Unter Umständen ist auch an eine zusätzliche individualrechtliche Bonusvereinbarung in Verbindung mit einem zeitlich begrenzten Kündigungsverzicht denkbar, die z. B. als Vollzugsbedingung‐Bedingung im Kaufvertrag werden kann.

    Sofern z. B. als Ergebnis der Management Due Diligence oder aus anderen Gründen der Investor insgesamt oder zum Teil nicht weiter mit der bestehenden Geschäftsführung zusammenarbeiten möchte, muss der Aufbau eines alternativen Führungsteams parallel zum Erwerbsprozess erfolgen, da dieses Team auch in die interne Business‐Planung des Erwerbs für die Zeit nach dem Erwerb eingebunden werden muss.

    1.2.4 Vereinbarungen im Vorfeld des Verkaufsprozesses

    1.2.4.1 Vertraulichkeitsvereinbarung

    Verkaufsprozesse können scheitern, und dies nicht nur, weil sich die Parteien nicht auf einen Kaufvertrag und ‐preis einigen können, sondern auch an externen Gründen wie z. B. eine verwerte Fusionskontrollfreigabe. Die Vertraulichkeitsvereinbarung schafft die Grundlage für den Verkäufer, mit einem Interessenten in einem Verkaufsprozess mit offenem Ausgang einzusteigen. Denn ohne den Schutz der Vertraulichkeitsvereinbarung riskiert er, dass ihm und vor allem dem operativen Geschäft des zu verkaufenden Unternehmens bei Abbruch des Prozesses vielleicht irreparabler Schaden dadurch droht, dass essentielle Geschäftsgeheimnisse wie Kundenverträge, Preiskalkulationen oder auch nicht durch Patente geschützte Entwicklungen und Erfindungen an Mitbewerber gelangen können.¹⁸ Aus diesem Grund ist die Geschäftsführung verpflichtet, dem Schutz der sensiblen Unternehmensdaten und Geschäftsgeheimnisse während des Verkaufsprozesses hohe Priorität einzuräumen; täte sie dies nicht, macht sie sich ggf. gegenüber der Gesellschaft schadensersatzpflichtig.¹⁹

    1.2.4.1.1 Sonderfall Börsenzulassung

    Sind Aktien oder sonstige Wertpapiere des Zielunternehmens oder des Verkäufers an einer Wertpapierbörse zugelassen (§ 12 WpHG), verlangen die Vertraulichkeitsvereinbarung sowie der Umgang mit den im Transaktionsprozess zur Verfügung gestellten Unternehmensinformationen besonderes Augenmerk. Denn grundsätzlich ist sowohl das Zugänglichmachen von Informationen, die sich auf ein Unternehmen mit Börsen‐zugelassenen Wertpapieren beziehen, als auch die Verwendung solcher Informationen, um die entsprechenden Wertpapiere zu erwerben, verboten, sofern die entsprechenden Informationen nicht bereits öffentlich bekannt sind (sog. Verbot von Insidergeschäften, § 14 WpHG). Da dies jedoch jede Due Diligence bei Unternehmen, deren Wertpapiere börslich gehandelt werden, effektiv verhindern würde²⁰, ist anerkannt, dass bei einem bilateralen Austausch von nicht bereits öffentlich bekannten Informationen § 14 WpHG nicht verletzt wird, wenn der Erwerb der Wertpapiere ausschließend zwischen den Parteien, die die Informationen ausgetauscht haben, und damit außerbörslich vollzogen wird.²¹ Allerdings ist der Emittent verpflichtet, den im Rahmen der Due Diligence‐Prüfung, erweiterten Personenkreis, der Zugang zu den vertraulichen Informationen hat, in die Insiderverzeichnisse (§ 15b WpHG) aufzunehmen.

    1.2.4.1.2 Notwendiger Inhalt

    Zunächst muss die Vertraulichkeitsvereinbarung Klarheit in Bezug auf den Schutzumfang schaffen. Dazu muss zunächst beschrieben werden, in Bezug auf welche Informationen die Geheimhaltungsverpflichtung gilt. Dies geschieht regelmäßig dadurch, dass grundsätzlich sämtliche Informationen der Vertraulichkeit unterliegen, die im Rahmen des Verkaufsprozesses zur Verfügung gestellt werden²², es sei denn, einer der vereinbarten Ausnahmetatbestände greift ein: Es handelt sich um öffentlich zugängliche Informationen, oder der Erwerber hatte von dritter Seite Zugang zu den jeweiligen Informationen, ohne dass ein Dritter seine Geheimhaltungsverpflichtung in Bezug auf diese Informationen gebrochen hat. Häufig findet sich auch eine weitere Ausnahmeregelung in Bezug auf eine für die Transaktionsplanung notwendige Weitergabe der Informationen an Berater und ggf. finanzierende Banken, sofern diese in identischer Weise vertraglich oder anderweitig²³ zur Geheimhaltung verpflichtet sind.

    In gleichem Maße ist der Erwerber in Bezug auf die Verwendung der Informationen beschränkt, da ihm jede andere Verwendung als zu Zwecken der Transaktionsvorbereitung und ‐bewertung untersagt ist. Daher muss in der Vertraulichkeitsvereinbarung auch die Transaktion, zu deren Vorbereitung der Informationsaustausch geschehen soll, möglichst genau und im Zweifel restriktiv beschrieben werden. Dies ist wichtig, da zwar grundsätzlich in der Vereinbarung eine umfassende Verpflichtung enthalten sein wird, erhaltene Informationen einschließlich Abschriften etc. davon nach Abbruch der Transaktion herauszugeben oder zu vernichten, der Verkäufer jedoch regelmäßig nicht in der Lage sein wird, die Umsetzung dieser Verpflichtung zu prüfen.²⁴

    Grundsätzlich sollte die Vertraulichkeitsvereinbarung unbegrenzt gelten. Häufig findet dies jedoch vehementen Widerspruch durch die zur Vertraulichkeit verpflichtete Partei. Sie argumentiert, dass es umso schwieriger wird, die internen Prozesse zur Geheimhaltung der erworbenen Informationen zu gewährleisten, je mehr Zeit vergangen ist. Die andere Partei ist jedoch gut beraten, diesem Versuch einer verkürzten Laufzeit zu widerstehen, da es sich bei der vermeintlichen Schwierigkeit ausschließlich um eine Organisationsobliegenheit in Bezug auf innere Abläufe desjenigen handelt, der Zugang zu den Informationen erhält.

    1.2.4.1.3 Zulässigkeit und Umfang einer möglichen Strafbewehrung

    Um der Verpflichtung zur Geheimhaltung auch Nachdruck zu verleihen, enthält die Vertraulichkeitsvereinbarung in der Regel eine Drohung mit einer empfindlichen Vertragsstrafe. Andernfalls wäre die Partei, um deren Schutz es geht, auf eine gerichtliche und damit ggf. langwierige Durchsetzung ihrer Rechte verwiesen. Bei der Vertragsstrafe im Verletzungsfall handelt es sich nicht um einen pauschalierten Schadensersatz, so dass ein tatsächlicher Schadenseintritt nicht Voraussetzung für die Zahlbarkeit der Vertragsstrafe ist. Vielmehr ist ausreichend, wenn durch die unberechtigte Weitergabe der vertraulichen Informationen ein Schaden hätte entstehen können.²⁵ Gerade bei Verletzung wesentlicher immaterieller Interessen einer Partei, wie im Fall der Nichtbeachtung von Geheimhaltungsverpflichtungen, wird so der geschädigten Partei ein schwieriger Nachweis des tatsächlichen Schadens erspart.

    Bei der Frage der Höhe der jeweiligen Vertragsstrafe ist ein gewisses Augenmaß zu wahren, da deutlich überhöhte Vertragsstrafenvereinbarungen der Angemessenheitsprüfung der § 343 Abs. 1 BGB unterliegen.²⁶ Abzuwägen ist der beabsichtigte Sanktions‐ und Abschreckungscharakter der Vertragsstrafe mit dem zu erwartenden Ausmaß der Verletzungshandlung durch die andere Partei sowie die Gefährlichkeit dieser Verletzung für den Gläubiger im Wege einer Gesamtbetrachtung. Steht die Vertragsstrafe in einem unangemessenen Verhältnis zu Schwere und Ausmaß der Verletzungshandlung und der damit den Rechtsgütern des Gläubigers drohenden Gefahren, ist sie nichtig; eine geltungserhaltende Reduktion findet nicht statt.²⁷

    1.2.4.2 Absichtserklärungen (LoI, indikatives Angebot)

    1.2.4.2.1 Üblicher Regelungsinhalt

    Absichtserklärungen wie vor allem der Letter of Intent und das indikative Angebot dienen dazu, für beide Parteien Klarheit darüber zu bekommen, ob in wirtschaftlicher und rechtlicher Hinsicht das erforderliche Maß an Übereinstimmung zwischen ihnen besteht. Auch wenn diese Dokumente oft mit Regelungsdetails über die beabsichtigte Transaktion gespickt sind, sind sie rechtlich betrachtet Absichtserklärungen ohne verbindlichen Regelungsgehalt, mit der möglichen Ausnahme bestimmter Vereinbarungen zum Transaktionsprozess. Dennoch ist die Vereinbarung in der Regel ein probates Mittel, vor allem wirtschaftliche Differenzen früh im Prozess zu identifizieren, konzeptionelle Fragen wie z. B. die Methode der Kaufpreisberechnung oder die Gefahren‐ und Risikoverteilung zu klären und sich auf einen beabsichtigten Ablaufplan zu verständigen und dienen dadurch der Effizienz des Verhandlungsprozesses.

    Letter of Intent (LoI):

    Beim Letter of Intent²⁸ wird eine (unverbindliche) Absichtserklärung mit der (verbindlichen) Vereinbarung in Bezug auf wenige, aber fundamentale Spielregeln für den weiteren Verkaufsprozess kombiniert. Es besteht kein Formzwang für den LoI, unabhängig von dem später beabsichtigten, im LoI bereits skizzierten Geschäft.²⁹ Im ersten Teil des LoI beschreiben die Parteien üblicherweise ihr aktuell bestehendes gemeinsames Verständnis in Bezug auf wesentliche wirtschaftliche Parameter der Transaktion, wie Kaufpreisbestimmungen, allgemeiner Umfang der Verkäufergarantien, Vollzugsbedingungen sowie den Zeitplan, ohne jedoch dass eine der Parteien die dort getroffenen Festschreibungen als verbindlich akzeptiert. Demgegenüber stehen die wenigen verbindlichen Vereinbarungen, allen voran die Kostentragungsregeln, häufig auch Art und Umfang der geplanten Due Diligence und insbesondere die Vereinbarung, dass jede der Parteien den Prozess jederzeit ohne Angaben von Gründen und ohne Schadensersatzpflicht der anderen Partei gegenüber abbrechen kann.³⁰ Vorrangiger Zweck des LoI ist es daher, im Vorfeld des Vertragsschlusses den Stand der bereits geführten Verhandlungen zu dokumentieren sowie die Punkte, über die eine Einigung noch erzielt werden muss.³¹

    Indikatives Angebot:

    Das indikative Angebot stellt im Ergebnis die einseitige Variante eines LoI dar, denn der (vermeintlich, da ohne Bindungswirkung) Anbietende skizziert in vergleichbarem Umfang die wesentlichen Parameter einer Transaktion, die er abzuschließen grundsätzlich beabsichtigt. Dieses „Angebot" wird allerdings als unverbindlich gekennzeichnet, regelmäßig in Verbindung mit der Aufzählung bestimmter Mindestvoraussetzungen, die in der Zukunft erfüllt werden müssen, damit ein verbindliches Angebot abgegeben werden kann. Dabei kann es sich sowohl um interne Faktoren (z. B. Gremienzustimmung, Finanzierungsvorbehalt) wie externe Faktoren (z. B. Abschluss einer Due Diligence mit zufriedenstellendem Ergebnis) handeln.

    Eine Variante des indikativen Angebots ist der sog. Bear Hug Letter, ein Schreiben an die Geschäftsführung des Zielunternehmens und/oder seine Gesellschafter, mit dem ein grundsätzliches Kaufinteresse bekundet wird, in der Regel verbunden mit einer grundsätzlichen Kaufpreisindikation oder Unternehmensbewertung.³²

    1.2.4.2.2 Schadensersatz bei Abbruch der Verhandlungen?

    Obwohl der LoI und das indikative Angebot als solche keine Bindungswirkung mit Ausnahme der wenigen verbindlichen Aussagen den Transaktionsprozess betreffend haben, erzeugen sie doch ein Vertrauen auf der Verkäuferseite in die Ernsthaftigkeit der Verhandlungs‐ und damit auch Erwerbsabsichten des Käufers. Die Frage ist daher, unter welchen Umständen und trotz des deutlichen Hinweises im jeweiligen Dokument, dass der Käufer sich jederzeit einen Abbruch des Verhandlungsprozesses vorbehält, der Verkäufer auf Ersatz seines Schadens in Form von frustrierten Aufwendungen verlangen kann. Sollte der Nachweis gelingen, dass die Verhandlungen des potentiellen Erwerbers nie mit einer ernstlichen Erwerbsabsicht geführt wurden, ist jedenfalls ein Schadensersatz denkbar.³³ In anderen Fällen ist jedoch die Frage, ob ein schützenswerter Vertrauenstatbestand vorliegt trotz des – in der Regel schriftlichen – Hinweises, dass ein Transaktionsabbruch jederzeit möglich sein soll, nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und wohl regelmäßig zu verneinen. Etwas anderes könnte z. B. dann gelten, wenn für eine Verhandlungsseite erkennbar die andere Partei im Vertrauen auf den Verhandlungsfortgang beträchtliche Investitionen beginnt.

    1.2.4.2.3 Inhaltliche Abgrenzung gegenüber einem Head of Terms Agreement (HoT)

    Obwohl ein Head of Terms Agreement (HoT) während des Transaktionsprozesses eine Alternative insbesondere zum LoI sein kann, besitz das HoT gegenüber LoI und dem indikativen Angebot ein sehr viel höheres Maß an verbindlichen Regelungen: In der Regel nutzen die Parteien ein HoT, um die wesentlichen wirtschaftlichen Eckpunkte der beabsichtigten Transaktion sowie zentrale Fragen im Kaufvertrag (z. B. Laufzeit bestimmter Garantien, Kaufpreisbestimmungsmechanismus, Aufteilung zwischen auszuzahlendem Kaufpreis und Garantieeinbehalt (sog. Escrow), Vollzugsbestimmungen, etc.) verbindlich, wenn auch nicht in einer vertragstypischen Regelungstiefe zu bestimmen. Um die für den Kaufvertrag erforderlichen Detailregelungen zu erreichen, verpflichten sich die Parteien, nach besten Kräften auf die Umsetzung der Regelungen im Kaufvertrag (sog. best efforts‐Klausel) hinzuwirken. Eine solche Verpflichtung kann grundsätzlich auch vor Gericht durchgesetzt werden. Ein HoT ist daher ein probates Mittel, früh im Prozess mögliche deal breaker zu identifizieren und verbindlich eine grundsätzliche Klärung dieser wesentlichen Fragen zu erreichen, so dass anschließend nur noch Detailfragen im Rahmen der eigentlichen Vertragsverhandlungen geklärt werden müssen. Da eine grundsätzliche Klärung bereits erfolgt ist, wird ein HoT häufig mit einer zeitlich begrenzten Exklusivitätsvereinbarung kombiniert.

    1.2.4.3 Exklusivitätsvereinbarungen

    Die Exklusivitätsvereinbarung ist ein Mittel zum Investitionsschutz. Sie sichert dem Kaufinteressenten für einen vereinbarten Zeitraum zu, ohne Konkurrenz durch andere Bieter weiter Informationen über das Zielunternehmen einzuholen und auszuwerten bzw. die Kaufverhandlungen voranzutreiben und damit im Ergebnis ein möglichst genau kalkuliertes Kaufpreisangebot vorzulegen. Da dies u. U. für den potentiellen Erwerber hohe (Beratungs‐)Kosten mit sich bringt, wird er während der Exklusivitätsphase dadurch geschützt, dass seine Ausgaben nicht durch einen Parallelprozess potentiell entwertet werden können. Teilweise sind Exklusivitätsvereinbarungen auch Teil der (verbindlichen) Regelungen z. B. eines LoI oder einer Vertraulichkeitsvereinbarung.³⁴

    1.2.4.3.1 Umfang/Reichweite der Exklusivitätsverpflichtung (einschl. Verpflichtungen der Geschäftsführung, s. u.)

    Diesem Zweck der Exklusivitätsvereinbarung entsprechend wird der Verkäufer dazu verpflichtet, sämtliche Handlungen zu unterlassen, die während der Exklusivitätsperiode einen möglichen Verkauf an den Interessenten vereiteln können. Dazu zählen nicht nur parallele Verhandlungen mit anderen Bietern oder Interessenten, sondern auch interne Strukturmaßnahmen wie Kapitalerhöhungen oder Abspaltungen, Verschmelzungen oder sonstige umwandlungsrechtliche Maßnahmen, die Auswirkungen auf das Kaufobjekt haben können. Üblicherweise ist der durch die Exklusivität Begünstigte darum bemüht, jegliche Form möglicher Parallelverhandlungen zu verhindern, weswegen auch die Informationsgewährung an Dritte als Vorbereitungshandlung einer vergleichbaren Transaktion untersagt wird. Deshalb wird er stets bemüht sein, auch die Gesellschafter der Zielgesellschaft in ähnlichem Umfang in die Verpflichtungen mit einzubeziehen. Allerdings kann die Entscheidung über das „Ob" einer Transaktion ggf. von weiteren Gremienzustimmungen abhängen. Sofern die Geschäftsführung des Verkäufers nicht auf die Entscheidung dieser Gremien Einfluss nehmen kann (z. B. Aufsichtsrat bei einer Aktiengesellschaft)³⁵, sollte dies in der Vereinbarung klargestellt und von den möglichen Verletzungshandlungen ausgenommen werden (von Missbrauchstatbeständen einmal abgesehen).

    1.2.4.3.2 Strafbewehrung

    Um das Exklusivitätsinteresse des potentiellen Bieters durchsetzen zu können, enthält die Exklusivitätsvereinbarung regelmäßig eine Vertragsstrafenregelung. Grundsätzlich gilt hierzu das bereits oben bei der Vertraulichkeitsvereinbarung Gesagte, insbesondere die notwendige Abwägung zwischen der beabsichtigten Sanktionswirkung und dem möglichen Schaden auf Seiten des potentiellen Erwerbers.³⁶ Bei Transaktionen in Deutschland wird gelegentlich als Richtschnur für die Zulässigkeit einer Vertragsstrafe bei Bruch der Exklusivitätsvereinbarung ein Wert von ca. 1 % des Transaktionswerts genannt³⁷; in der Praxis dürfte dieser Wert entsprechend internationalen Gepflogenheiten höher sein, etwa bei 3–5 %. Den Parteien steht es unbenommen, als zu ersetzenden Mindestschaden, den Ersatz der tatsächlichen Aufwendungen des Bieters im Zusammenhang mit der Transaktionsvorbereitung zu vereinbaren.

    1.2.4.3.3 Sonderfall: Drittangebote während der Exklusivitätsperiode

    Eine gesonderte Beantwortung erfordert die Frage, wie bei bestehender Exklusivitätsvereinbarung mit unaufgefordert abgegebenen Kaufangeboten von dritter Seite umzugehen ist. Üblicherweise ist der potentielle Erwerber daran interessiert, dass derartige Drittangebote während der Exklusivitätsperiode nicht beachtet werden, und regelmäßig wird er versuchen, die Geschäftsführung oder die Gesellschafter dazu zu verpflichten. Dies kann jedoch u. U. zu einem Konflikt führen.³⁸ Zwar ist die Geschäftsführung grundsätzlich dem Unternehmensinteresse verpflichtet und kann für ihren Handlungen die Bandbreite des üblichen unternehmerischen Entscheidungsspielraums in Anspruch nehmen (Maßstab des § 93 AktG). Legt sie sich allerdings auf einen möglichen Erwerber durch Abschluss einer Exklusivitätsvereinbarung fest, muss die Geschäftsführung sicher sein, dass aller Voraussicht nach keine anderen Transaktionsoptionen an die Gesellschaft herangetragen werden, die wesentlich vorteilhafter wären. Im Ergebnis bedeutet dies, dass vor Abschluss der Exklusivitätsverpflichtung in dokumentierter Art und Weise das Bestehen anderer Transaktionsoptionen geprüft und diese aus Sicht der Gesellschaft bewertet werden müssen.³⁹

    1.3 Prüfung des Unternehmens (Due Diligence)

    Stefan Gottgetreu⁹ und Moritz Petrikowski¹⁰

    (9)

    Bird & Bird LLP, Carl-Theodor-Straße 6, 40213 Düsseldorf, Deutschland

    (10)

    Bird & Bird LLP, Carl-Theodor-Straße 6, 40213 Düsseldorf, Deutschland

    1.3.1 Begriff und Herkunft der Due Diligence

    Mit dem Begriff Due Diligence bezeichnet man heute generell die Untersuchung der einem Unternehmen zugrunde liegenden rechtlichen, wirtschaftlichen und tatsächlichen Verhältnisse und Unternehmensaktivitäten, insbesondere anlässlich einer das Unternehmen betreffenden Transaktion, sei es im Wege eines Share oder Asset Deals.

    Der Begriff Due Diligence entstammt dem anglo‐amerikanischen Rechtskreis und bedeutet wörtlich übersetzt soviel wie „gebührende oder „erforderliche Sorgfalt. Entsprang das Due Diligence Konzept ursprünglich dem US‐amerikanischen Kapitalmarktrecht, hat sich die Due Diligence (besser: die Due Diligence‐Untersuchung) inzwischen auch in Deutschland als fester Bestandteil der Planung und Durchführung eines Unternehmenskaufs etabliert.

    Neben der klassischen Due Diligence, die von einem potentiellen Käufer im Vorfeld einer Unternehmensakquisition durchgeführt wird, gibt es eine Vielzahl weiterer Anlässe, zu denen Due Diligence Untersuchungen in verschiedensten Ausprägungen durchgeführt werden. So tritt neben die vom Käufer veranlasste Due Diligence neuerdings immer häufiger die sog. Verkäufer Due Diligence (Vendor Due Diligence). Auch stellen Unternehmenskäufe heute zwar immer noch den Hauptanwendungsbereich der Due Diligence dar, das Konzept findet aber auch abseits des klassischen Unternehmenskaufs in Zusammenhang mit anderen Transaktionsformen, wie beispielsweise Börsengängen, Finanzierungen (Eigen- oder Fremdkapital) oder etwa Unternehmensumstrukturierungen, jeweils angepasst in Art und Umfang, Anwendung. Die Due Diligence hat sich in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen Teil des M&A‐Prozesses etabliert, zu dem eine Vielzahl von Publikationen und Abhandlungen erschienen sind.

    1.3.2 Prüfungsumfang, Organisation und Durchführung der Due Diligence

    Je nach Art und Struktur der durchzuführenden Transaktion kann die Due Diligence vor (übliche Vorgehensweise) oder nach (seltener anzutreffen) Abschluss des Unternehmenskaufvertrags durchgeführt werden und sich auf unterschiedliche Bereiche des Kaufobjekts erstrecken. Eine umfassende Due Diligence erfasst dabei regelmäßig die betriebswirtschaftlichen Aspekte des potentiellen Akquisitionsobjekts (Commercial und Financial Due Diligence) sowie die Bereiche Recht (Legal Due Diligence)⁴⁰, Steuern (Tax Due Diligence) und Umwelt (Environmental Due Diligence). Neben diesen regelmäßig vertretenen Bereichen gibt es noch weitere eher „exotische" Bereiche, wie etwa die sog. Cultural Due Diligence, bei der die Kompatibilität der Unternehmenskulturen von Käufer und Kaufobjekt untersucht werden soll.⁴¹ Es liegt auf der Hand, dass der Umfang der Due Diligence maßgeblich von der Art des zu erwerbenden Unternehmens oder Betriebsteils bestimmt wird. So macht beispielsweise die Durchführung einer Environmental Due Diligence bei Erwerb eines Dienstleistungsunternehmens ohne betriebsnotwendige Grundstücke meist wenig Sinn.

    Die Due Diligence wird in der Praxis häufig von externen Beratern, wie Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern oder Unternehmensberatern, durchgeführt. Die hierbei gewählten Vorgehensweisen wurden mittlerweile von der Praxis in ihren Grundzügen standardisiert. So erfolgt die Zusammenstellung der für die Due Diligence notwendigen Dokumente unter Zuhilfenahme von sog. Due Diligence Checklisten. Hierbei handelt es sich um nach Themenbereichen aufgeteilte Frage‐ und Anforderungskataloge, in denen die Prüfungsthemen und die hierzu relevanten Dokumente aufgelistet werden. Aufbauend auf der Checkliste werden die Dokumente zusammengetragen, in einem Datenraumindex (Data Room Index)⁴² erfasst und schließlich im Datenraum (Data Room)⁴³ den Prüfern zur Verfügung gestellt. Um die gewöhnlichen Geschäftsabläufe bei dem Kaufobjekt nicht zu stören und einen potentiellen Unternehmenskauf möglichst lange vor der Öffentlichkeit geheim zu halten, hat es sich, soweit kein virtueller Datenraum⁴⁴ eingerichtet wird, eingebürgert, die Dokumente in einem Datenraum außerhalb des Sitzes des Kaufobjekts (z. B. in den Räumlichkeiten einer betreuenden Kanzlei oder Bank) anzusiedeln. In der Praxis finden sich heute überwiegend virtuelle Datenräume. Hierbei handelt es sich um einen digitalen Datenraum, der über das Internet durch Eingabe eines individuellen Benutzernamens und Passworts „betreten" wird. Die Benutzung des Datenraums wird von Datenraumregeln (Data Room Rules) geregelt.⁴⁵ Ergibt sich auf Grund des voranschreitenden Prüfungsprozesses, dass Dokumente im Datenraum fehlen oder entstehen im Rahmen der Durchsicht Fragen, werden diese im so genannten Frage & Antwort Prozess (Question & Answer Process) oder im Rahmen von Gesprächen mit dem Management bzw. leitenden Angestellten des Kaufobjekts sukzessive abgearbeitet.

    Am Ende der Due Diligence fassen die Berater des Kaufinteressenten die Ergebnisse der durchgeführten Prüfung für ihren Auftraggeber schriftlich in einem Due Diligence Bericht zusammen. In der M&A‐Praxis wird vielfach für jeden Teilbereich der Due Diligence (Legal, Financial etc.) ein separater Bericht gefertigt. Umfang und Ausführlichkeit des jeweiligen Berichts richten sich nach dem konkreten Prüfauftrag. Um exzessive Beratungskosten für den Bereich der Due Diligence zu vermeiden, werden in der Praxis immer häufiger „Flat Fee Vereinbarungen für diesen Teilbereich zusammen mit der Beauftragung eines „Red Flag Reports nachgefragt. Bei letzterem handelt es sich um eine abgespeckte Version des klassischen Due Diligence Berichts, der das Augenmerk auf die identifizierten Risiken legt und unproblematische Erkenntnisse der Prüfung unerwähnt lässt.

    Neben diesen überwiegend organisatorischen Gesichtspunkten, die eine effektive Durchführung der Due Diligence ermöglichen sollen, interessiert aus Sicht des Verkäufers vor allem die Frage, wie sensible bzw. vertrauliche Daten des zu verkaufenden Unternehmens im Rahmen der Durchführung der Due Diligence zu behandeln sind.

    Auf Ebene des Kaufobjekts ist zu allererst zu klären, inwieweit das Management überhaupt berechtigt ist, interne Informationen über das Unternehmen dem potentiellen Erwerber gegenüber zu offenbaren. Besondere Bedeutung erlangt diese Thematik im Rahmen des Verkaufs von Anteilen an einer Aktiengesellschaft oder einer GmbH,⁴⁶ insbesondere wenn bei einer Mehrheit von Gesellschaftern nur einzelne Anteilspakete veräußert werden.

    So unterliegt der Vorstand einer AG im Hinblick auf vertrauliche Angaben und Geheimnisse der Gesellschaft, die ihm durch die Vorstandstätigkeit bekannt geworden sind, einer Geheimhaltungsverpflichtung (vgl. § 93 Abs. 1 S. 3 AktG). Solche Geheimnisse dürfen nur ausnahmsweise

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