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Im Fokus: Paläontologie: Spurensuche in der Urzeit
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eBook299 Seiten3 Stunden

Im Fokus: Paläontologie: Spurensuche in der Urzeit

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Über dieses E-Book

​Warum gibt es keine Mammuts mehr? Wen jagte der Tyrannosaurus rex? Und war der Neandertaler wirklich eine Sackgasse der Evolution?  Um diese Fragen zu beantworten, müsste man eigentlich zurück in die Urzeit reisen können. Doch den Paläontologen gelingt es heute dank modernster Methoden auch ohne Zeitmaschine, aus fossilen Knochen, Pflanzenrelikten, aber auch Resten urzeitlicher DNA faszinierende Einblicke in die Tier- und Pflanzenwelt vergangener Epochen zu gewinnen. Dieses Buch stellt einige ihrer Erkenntnisse vor und erklärt unter anderem, warum Vögel eigentlich Dinosaurier sind, wie viel Wahrheit im Säbelzahnkater Diego aus dem Film „Ice Age“ steckt und was unsere Gene heute noch über unsere Vorfahren verraten.​
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum19. Okt. 2013
ISBN9783642377686
Im Fokus: Paläontologie: Spurensuche in der Urzeit

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    Buchvorschau

    Im Fokus - Nadja Podbregar

    Nadja Podbregar und Dieter LohmannNaturwissenschaften im FokusIm Fokus: Paläontologie2014Spurensuche in der Urzeit10.1007/978-3-642-37768-6_1

    © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

    Aus für die Ursuppe? Rätsel um die Entstehung des Lebens

    Nadja Podbregar¹ 

    (1)

    MMCD NEW MEDIA GmbH Film- und Medienproduktion, Fürstenwall 228, 40215 Düsseldorf, Deutschland

    Zusammenfassung

    Woher kommen wir? Warum existiert ausgerechnet auf der Erde Leben? Und wo und in welcher Form entstand es? Diese Fragen rühren an die wichtigsten und fundamentalsten Dinge unserer Welt und letztendlich auch unserer Existenz – und doch ist keine von ihnen bisher beantwortet. Ganz im Gegenteil. Klar ist bis heute eigentlich nur Eines: Irgendwann vor rund 3,8 Milliarden Jahren tauchten auf der unwirtlichen und toten Erde die ersten lebenden Zellen auf, das verraten fossile Kohlenstoffeinlagerungen im Gestein. Noch waren die ersten Lebensformen selten, klein und anfällig gegenüber den Unbilden der Umwelt. Doch sie waren nur der Anfang eines Prozesses, der die große Wende in der Geschichte unseres Planeten einleiten sollte: die Entstehung und Evolution des Lebens. Aus ihnen entwickelten sich in den folgenden Milliarden Jahren die gesamte belebte Welt, wie wir sie kennen, vom Pantoffeltier zum Elefanten und letztendlich dem Menschen.

    Zusammenfassung

    Woher kommen wir? Warum existiert ausgerechnet auf der Erde Leben? Und wo und in welcher Form entstand es? Diese Fragen rühren an die wichtigsten und fundamentalsten Dinge unserer Welt und letztendlich auch unserer Existenz – und doch ist keine von ihnen bisher beantwortet. Ganz im Gegenteil. Klar ist bis heute eigentlich nur Eines: Irgendwann vor rund 3,8 Milliarden Jahren tauchten auf der unwirtlichen und toten Erde die ersten lebenden Zellen auf, das verraten fossile Kohlenstoffeinlagerungen im Gestein. Noch waren die ersten Lebensformen selten, klein und anfällig gegenüber den Unbilden der Umwelt. Doch sie waren nur der Anfang eines Prozesses, der die große Wende in der Geschichte unseres Planeten einleiten sollte: die Entstehung und Evolution des Lebens . Aus ihnen entwickelten sich in den folgenden Milliarden Jahren die gesamte belebte Welt, wie wir sie kennen, vom Pantoffeltier zum Elefanten und letztendlich dem Menschen.

    Aber der Weg zu diesem entscheidenden ersten Akt im Drama des Lebens, zu allerersten Pionierzelle, ist den Forschern bis heute ein Rätsel. Schon Darwin hielt es für ein völlig aussichtsloses Unterfangen, überhaupt wissenschaftliche Gedanken an den „Ursprung des Ursprungs verschwenden zu wollen. Und spätestens seit 1864 sitzen die Forscher in diesem Punkt ohnehin gründlich in der Zwickmühle: Zu diesem Zeitpunkt wies der französische Chemiker Louis Pasteur in einem Sterilisationsexperiment erstmals nach, dass Organismen nicht spontan aus toter Materie entstehen, wie zuvor angenommen, sondern dass Leben immer auch von Lebendem abstammt. Dieser Leitsatz „omne vivum ex vivo gilt im Prinzip bis heute und bildet die Basis für das Weltbild der Biowissenschaften.

    Aber er schafft natürlich ein Problem: Irgendwann und irgendwie muss die Kette des „Lebens aus dem Leben ja schließlich begonnen haben. Doch genau an diesem Punkt beißen sich die Forscher bis heute die Zähne aus, oder, wie es Philip Ball in der Zeitschrift Nature formuliert: „Es ist entweder ein Zeichen für den grenzenlosen Optimismus der Wissenschaft oder aber einen völligen Mangel an Bescheidenheit, dass Forscher hoffen, das Puzzle der Entstehung des Lebens zu lösen.

    Die Bühne: Welche Bedingungen herrschten auf der Urerde?

    Vor 4,6 Milliarden Jahren irgendwo im All: Aus einer wirbelnden Masse aus Gasen und Materiebrocken entsteht ein neuer Planet. Mehr als tausend Grad heiß ist die brodelnde Oberfläche der jungen Erde, so heiß, dass selbst die sie umgebende Dunstglocke aus Wasserstoff, Helium, Methan und Ammoniak zum Teil wieder in den Weltraum hinaus verdampft. Übrig bleibt nur eine dünne Hülle, vorwiegend aus Methan und Ammoniak, die Uratmosphäre.

    Vor 4,2 Milliarden Jahren dann hat sich die Erde ein wenig abgekühlt. Noch immer ist es auf dem jungen Planeten aber alles andere als gemütlich: Weil er sich schneller dreht als heute, dauert ein Tag gerade einmal fünf Stunden. Die Sonne hat jetzt begonnen, mit voller Kraft zu leuchten, ihre tödlichen UV-Strahlen bombardieren unausgesetzt die Oberfläche, ohne durch eine schützende Ozonschicht gefiltert zu werden. Im All umherfliegende Gesteinsbrocken, die bei der Planetenbildung übrig geblieben sind, stürzen als Meteoriten auf die Erde und bringen dabei Kohlenstoffverbindungen und Wasserstoff mit. Auch im Untergrund gärt und brodelt es, gewaltige Umschichtungen sind im Erdinneren im Gange.

    Vulkane speien Gase und Wasserdampf und lassen die sogenannte erste Atmosphäre entstehen. Sie besteht nach neueren Erkenntnissen wahrscheinlich nicht mehr aus Methan und Ammoniak, sondern vor allem aus Wasser, Kohlendioxid, Stickstoff und Kohlenmonoxid – den Gasen, die die Feuerberge auch heute noch aus den Tiefen der Erde ans Tageslicht fördern. Nach und nach beginnt nun der Wasserdampf der Atmosphäre zu kondensieren und ein 40.000 Jahre andauernder Regen setzt ein. Diese allererste „Sintflut" füllt langsam alle Niederungen mit Wasser und lässt die Ozeane entstehen. Ein großer Teil des Kohlendioxids aus der Gashülle löst sich in den jungen Meeren und bildet im Laufe der Zeit gewaltige Karbonat-Ablagerungen. Gleichzeitig setzt dadurch auch in der Atmosphäre erneut ein Wandel ein: Stickstoff wird zum dominierenden Gas, die sinkende Kohlendioxidkonzentration schwächt den Treibhauseffekt ab und trägt zu einer weiteren Abkühlung der noch immer reichlich warmen Erde bei.

    Vor gut 3,4 Milliarden Jahren ist diese Entwicklung abgeschlossen und die Bühne für den nächsten, den alles entscheidenden Schritt bereitet. Die Erde besitzt nun Land und Meer und eine zweite Atmosphäre aus Stickstoff, Kohlendioxid und geringen Mengen Argon. Diese ist nicht mehr hoch reduzierend und aggressiv wie noch zu Anfang, sondern wahrscheinlich eher neutral. Gegen die unbarmherzig von der Sonne einfallenden UV-Strahlen schützt jedoch auch sie noch nicht – ebenso wenig wie vor den noch immer häufigen Meteoriteneinschlägen. Trotz aller dramatischen Veränderungen ist die Erde auch rund eine Milliarde Jahre nach ihrer Entstehung ein unwirtlicher, immer wieder von gewaltigen Katastrophen erschütterter Planet. Von einer sanften, freundlichen „Wiege des Lebens" jedenfalls ist weit und breit nichts zu entdecken. Oder doch …?

    Der erste Akt: Stanley Millers Experiment

    Oktober 1951, Universität von Chicago. Der Student Stanley Miller besucht eine Vorlesung des Nobelpreisträgers Harold Urey, in der dieser Theorien zur Zusammensetzung der frühen Atmosphäre der Erde erörtert. Urey vertritt die Vorstellung, dass in einer reduzierenden Atmosphäre mit Methan, Ammoniak und Wasserstoff die besten Voraussetzungen gegeben seien, um organische Verbindungen, die Bausteine des Lebens , entstehen zu lassen. Und er schlägt vor, dass irgendjemand doch mal ein entsprechendes Experiment konzipieren könnte – ein Vorschlag, den der junge Miller prompt befolgt. „Also ging ich zu ihm und sagte: ‚Ich würde diese Experimente gerne machen.‘, erzählt Miller später in einem Interview mit Sean Henahan von Access Excellence und fährt fort: „Zuerst versuchte Urey mir die ganze Sache auszureden. Als er merkte, dass ich fest entschlossen war, erklärte er, es sei ein sehr riskantes Experiment und würde wahrscheinlich ohnehin nicht funktionieren und er sei schließlich verantwortlich dafür, dass ich nach den drei Jahren meiner Graduate-Zeit einen Abschluss bekäme.

    Doch Miller bleibt stur und schließlich einigen sich beide auf eine sechsmonatige Testphase. Wie sich herausstellt, braucht der Forscher jedoch nur ein paar Wochen, um die Sensation perfekt zu machen. Ausgehend von den Annahmen Ureys beginnt er, sich eine Urerde im Laborformat zu basteln. In einem Glaskolben brodelt bald Millers „Urozean, im Kolben darüber wabert die „Atmosphäre, eine Mischung aus Methan (CH4), Ammoniak (NH3), Wasserstoff (H2) und dem aus dem Wasser aufsteigenden Wasserdampf. Um jede Kontamination auszuschließen, verfrachtet der Forscher den gesamten Versuchsaufbau nach dem Befüllen für 18 Stunden in einen Autoklaven. Die Gasmischung setzt Miller kontinuierlichen elektrischen Entladungen aus – den „Blitzen" seiner Miniaturwelt. Diese sollen die Energie für Reaktionen der Gase untereinander liefern.

    Und tatsächlich: „Wir wussten sehr schnell, dass etwas geschehen war, als sich nach einigen Tagen die Farbe der Flüssigkeit änderte, erklärt Miller. In dem „Urozean des Forschers finden sich plötzlich einfache organische Verbindungen wie Formaldehyd und Cyanwasserstoff, aber auch Aminosäuren wie Glycin. Aus dem wässrigen Urozean ist eine nahrhafte „Ursuppe " geworden. Zum ersten Mal hatte damit ein Forscher experimentell bewiesen, dass unter den vermeintlich so lebensfeindlichen Bedingungen der frühen Erde – reduzierende Atmosphäre und hohe Temperaturen – tatsächlich wichtige Bausteine des Lebens entstehen können.

    In der Wissenschaftswelt stößt Millers Ergebnis allerdings zunächst auf pure Ungläubigkeit. Ohne den guten Ruf und den Einfluss seines Mentors Urey wäre Millers Bericht vermutlich niemals in der renommierten Wissenschaftszeitschrift Science erschienen. Doch der simple Versuchsaufbau und die gute Reproduzierbarkeit sorgen schon bald dafür, dass Millers Ursuppenversuch weltweit Schule macht. Auch die inzwischen eher als unwahrscheinlich geltende Miller’sche Atmosphärenmischung mit Methan und Ammoniak scheint dabei kein Hindernis zu sein: Ähnliche Experimente mit Stickstoff- und Kohlendioxid-haltigen reduzierenden Atmosphären lassen ebenfalls die begehrten Amino-, Carbon- oder Fettsäuren entstehen. Die in diesen Ursuppenexperimenten der 2. Generation erzeugten Biomoleküle füllen inzwischen schon ganze Bücher, auch fast alle der 20 als essenziell geltenden Aminosäuren sind darunter vertreten.

    Wassersuppe statt Kraftbrühe?

    Millers Ursuppen-Experiment erwies sich als bahnbrechend und belegte erstmals die Theorien von einer präbiotischen Entstehung wichtiger organischer Lebensbausteine. Doch die Grundfrage der Entstehung des Lebens löste es bei weitem noch nicht. Zu viele Fragen blieben offen. So ging Miller noch von einem Urozean aus, der einer wahren Kraftbrühe glich: Zehn Prozent sollte die Konzentration von organischen Molekülen durch die atmosphärischen Reaktionen betragen – ein Wert, der heute als unwahrscheinlich gilt und um ein Vielfaches zu hoch angesehen wird. Ist die „Kraftbrühe" aber stärker verdünnt, können sich die einzelnen Bausteine in der Weite des Urozeans schlicht nicht finden und daher nicht zu komplexeren Verbindungen weiter reagieren.

    Die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Entstehung von längerkettigen Biomolekülen sinkt damit auf nahezu Null. Doch genau die werden dringend benötigt. Denn die kurzkettigen Aminosäuren sind gerade erst der allererste Schritt auf dem Weg zu Leben. Ihre wichtige Funktion beispielsweise als Bestandteil von Enzymen können sie nur in Form von komplex strukturierten Proteinen übernehmen. Ähnliches gilt auch für die Nukleinsäuren , langkettige, phosphorhaltige Zuckerverbindungen, die das Grundgerüst unserer Erbsubstanz, der DNA und RNA bilden. Damit nicht genug, erschwert die dünne Ursuppe nicht nur die Bildung solcher komplexer Moleküle, sie sorgt auch dafür, dass sie schnell wieder zerfallen. Wässrige Zucker- und Aminosäurelösungen, das zeigen Laborversuche, sind extrem instabil und schon kürzere Ketten neigen dazu, sich wieder aufzuspalten. Noch dazu ist es bisher nicht gelungen, die Basen Uracil und Cytosin, beides essenzielle Bestandteile der RNA, in verdünnten Lösungen zu erzeugen.

    Für Miller allerdings tut dies auch heute noch der Theorie von der Ursuppe keinen Abbruch. Seiner Ansicht nach spielten sich die entscheidenden Prozesse ohnehin nicht in den Weiten des Urozeans ab, sondern an dessen Rand, in kleinen, immer wieder trockenfallenden Tümpeln. Durch die ständige Verdunstung und Austrocknung, so Millers These, könnte sich die Ursuppe hier soweit konzentriert haben, dass die für spontane chemische Reaktionen nötige Konzentration der Grundbausteine erreicht wurde. Kritiker wenden dagegen allerdings ein, dass es in einem durchschnittlich 10.000 Meter tiefen Meer ohne nennenswerte Gezeiten schwer gewesen sein dürfte, Tümpel zu finden, die sich nicht nur immer wieder füllen und austrocknen, sondern dies auch tun, ohne dass die angereicherte Brühe durch einen Wasserschwall einfach wieder herausgespült wird. Ihre Hypothesen sehen daher ein ganz anderes Szenario vor.

    Bio-Pfannkuchen: Mineraloberflächen als Katalysatoren

    Wenn die Ursuppe als Wiege des Lebens ausscheidet, wo stand diese dann? Für diese Frage hat der Münchener Chemiker und Patentanwalt Günter Wächtershäuser eine Antwort parat: Auf der Oberfläche von kristallinen Mineralien. Er und andere Vertreter der Oberflächen- oder Biofilm-Theorie gehen davon aus, dass die Oberflächen bestimmter Kristalle als Katalysatoren und Schablonen zu gleich fungiert haben könnten. Schon in den 1970er Jahren fanden Wissenschaftler heraus, dass bestimmte Tone, die Montmorillonit e, organische Substanzen in ihren Poren binden und deren Reaktionen fördern können. Die aus abwechselnden Schichten von negativ geladenem Silikat und positiv geladenen Kationen aufgebauten Minerale wirken damit wie Katalysatoren.

    Montmorillonit, aber auch das inzwischen für diese Rolle favorisierte Mineral Pyrit und ähnliche Substanzen, liefern freie Elektronen für bestimmte Reaktionen und halten gleichzeitig durch ihre Ladung die Reaktionspartner an der Oberfläche fest. Damit verhindern sie, dass sich das Reaktionsgleichgewicht so weit verschiebt, dass der Zerfall der Makromoleküle gegenüber ihrer Produktion überwiegt, wie es im freien Wasser der Fall wäre. Versuche haben gezeigt, dass sich an solchen Mineralen sogar Polypeptide aus bis zu 60 Aminosäuren erzeugen lassen. Dabei verhilft die Mineraloberfläche den Reaktionen nicht nur zu größerer Stabilität, sie dient auch gleichzeitig als eine Art Schablone: Je nach Struktur der Oberfläche werden die abgelagerten Moleküle durch Wasserstoffbrückenbindungen festgehalten und stabilisiert, aber auch in bestimmter Weise geordnet. Nach Ansicht von Wächtershäuser könnten sich so nicht nur Polypeptide, sondern auch längerkettige Zucker wie Phosphotribosen aus einfachen Zuckerbausteinen gebildet haben. Sie gelten als Vorläufer von Nukleinsäuren, dem Grundgerüst der Erbsubstanzen RNA und DNA.

    Mithilfe des Rastertunnelmikroskops konnten die Wissenschaftler Wolfgang Heckl und Stephen Sowerby in den 1990er Jahren sogar direkt beobachten, wie sich DNA-Basenmoleküle in einer wässrigen Lösung durch den Kontakt mit einer Molybdänit-Mineraloberfläche „wie von selbst zu einer hochgeordneten Uracilschicht formierten. An dieser dockte dann, ebenfalls wie von Geisterhand, die Aminosäure Glycin an und hätte so den Ausgangspunkt für die Entstehung einer Polypeptidkette bilden können. Ein ganz neues Gewicht erhielten diese Beobachtungen, als Heckl auf einem 650 Millionen Jahre alten Molybdänsulfid-Brocken auf seltsame, nur vier Nanometer kleine Ringstrukturen stieß, die sich bei näherer Analyse als organisch herausstellten. Konnte es sich hier möglicherweise sogar um eine Art einfacher DNA, ähnlich den bakteriellen Plasmid-Ringen, handeln? Für Heckl ist diese Annahme absolut denkbar. Warum sollte in der Erdfrühzeit nicht genau das geschehen sein, was er in seinem Labor ja quasi „live beobachtet hatte? Nukleinsäuren und Aminosäuren hätten sich demnach geordnet gruppiert und mit der Zeit den ersten genetischen Code gebildet. Das Oberflächen-Szenario gilt heute als durchaus plausible Alternative zur klassischen Ursuppen-Theorie. Oder, wie es der Biochemiker Günter Kiedrowski von der Ruhr-Universität Bochum beschreibt: „Es sieht so aus, als ob die Polymere des Lebens eher in Form eines präbiotischen Pfannkuchens gebacken als in einer präbiotischen Suppe gekocht wurden."

    Ebenfalls in Schichtsilikaten sieht Helen Hansma von der Universität von Kalifornien in Santa Barbara die Wiege des Lebens. Die Idee dafür kam ihr im Urlaub, nachdem sie und ihre Familie in einer alten Mine in Connecticut Glimmer gesammelt hatten. Dieses Mineral aus schichtförmig angeordneten Silikatverbindungen ist sehr weich und für seinen Glanz und seine blättrige Struktur bekannt. Zuhause tropfte die Forscherin ein paar Tropfen Wasser auf eine Glimmerprobe und besah sie sich unter dem Mikroskop. Dabei bemerkte sie ein paar grünliche, organische Ablagerungen an einigen Kanten des Glimmers. „Ich kam darauf, dass das eigentlich auch ein guter Ort für die Entstehung des Lebens gewesen sein könnte – geschützt in diesem Stapel von Schichten, die sich in Reaktion auf fließendes Wasser auf oder ab bewegten, erklärt Hansma. „Das wiederum könnte die mechanische Energie geliefert haben, um chemische Bindungen zu erzeugen oder zu brechen.

    Angeregt durch diese Beobachtungen arbeitete die Forscherin ihre Hypothese aus und führte unter anderem Untersuchungen von „Mica, wie die Schichtsilikate im englischen Sprachraum bezeichnet werden, mit Hilfe des Rasterkraftmikroskops durch. „Die Mica-Schichten sind so dünn, dass eine Million von ihnen in eine nur einen Millimeter dicke Scheibe Glimmer passen, erklärt Hansma. „Sie sind anatomisch so flach, dass wir im Rasterkraftmikroskop DNA-Moleküle frei über ihre Oberfläche schwimmen sehen können, ohne sie freipräparieren zu müssen." Es zeigte sich, dass die winzigen Zwischenräume der Silikatschichten nicht nur für lebende Zellen, sondern auch für alle Klassen der Biomoleküle, von Proteinen über Nukleinsäuren zu Kohlenhydraten und Fetten, eine geeignete Umgebung bieten.

    2010 ging Hansma mit ihrer „Life in the Sheets"-Hypothese an die Öffentlichkeit. Der Kern ihres Szenarios: Zwischen den nur lose aneinander haftenden Schichten des Glimmers bilden sich strukturierte Kompartimente – abgegrenzte Kammern, die den Bausteinen des Lebens das optimale chemische und physikalische Umfeld geboten haben könnten, um sich zu den ersten Zellen zusammenzulagern. Nach Ansicht der Forscherin sprechen mehrere Faktoren für ein solches Szenario: Die Glimmer-Kammern boten den Biomolekülen Schutz vor Störungen und die Möglichkeit, sich anzureichern. Zudem könnte die Struktur der Kammern als eine Art Blaupause für die Bildung kompartimentierter Lebenseinheiten, den Zellen, geliefert haben. Außerdem spielt das Element Kalium in den Schichtsilikaten eine wichtige Rolle für den Zusammenhalt der Schichten. Sein hoher Gehalt in den Kammern könnte erklären, warum auch die Zellen von Lebewesen so viel Kalium enthalten und für wichtige Stoffwechselprozesse verwenden.

    Und schließlich könnten die gegeneinander beweglichen Schichten auch die Energie geliefert haben, um die entscheidenden chemischen Reaktionen auszulösen: Durch den Einfluss von Wellen im Urozean geriet auch der Glimmer in eine Auf- und Abbewegung. Dadurch wurden die Kammern zwischen den Schichten immer wieder verengt, Moleküle aneinander gedrängt oder verschoben. Diese Bewegung könnte die chemische Reaktion der Moleküle miteinander gefördert haben. „Glimmer würde Molekülen genügend Struktur und Schutz bieten, um ihre Entwicklung zu ermöglichen, andererseits aber auch der dynamischen, ständig wandelnden Struktur des Lebens entgegenkommen", so Hansma.

    Nach Ansicht der Forscherin könnte das Schichtsilikat dem entstehenden Leben bessere Bedingungen geboten haben als andere Minerale, die bisher bereits für diese Rolle in Betracht gezogen wurden. Denn während die meisten anderen zwischenzeitlich immer wieder zu nass oder zu trocken geworden sein könnten, fangen die extrem feinen und gut geschützten Kompartimente des Schichtsilikats solche Extreme besser ab. Zudem quellen sie bei Wasseraufnahme nicht auf, wie beispielweise Tonminerale, sondern bleiben stabil. Aber auch für ihr Szenario gilt: Beweisen lässt sich das alles nicht. Und noch ist zudem nicht geklärt, wie die Biomoleküle den Sprung von der sicheren 2-D-Schablone auf der Mineraloberfläche zur eigenständigen, sich selbst vermehrenden 3-D-Struktur geschafft haben könnten. Denn einmal freigesetzt, wirken an ihnen erneut die verdünnenden und destabilisierenden Kräfte des Urozeans.

    Zellmembran gesucht: Wie entstand die erste Zelle?

    In einem Universum der fortwährenden Entropie ist das Leben die große Ausnahme: Es wächst, erzeugt komplexe Ordnungen und Systeme und fällt erst wieder der Entropie anheim, wenn es zugrunde geht. Doch um diese Ausnahmestellung zu halten, muss es sich von seiner Umgebung abgrenzen, es braucht eine Barriere, die nur das hindurchlässt, was dem Aufbau der inneren Ordnung dient – kurz, eine Zellmembran . Und wieder einmal beginnt hier für die Wissenschaftler auf der Suche nach dem Ursprung des Lebens das große Rätselraten: Woher hat die erste Zelle ihre Membran? Und was war zuerst da: die Hüllmembran oder das molekulare Innenleben?

    Einen ersten Hinweis geben Mitte der 1950er Jahre Versuche des Biochemikers Sidney Fox. Er kann erstmals im Labor zeigen, dass sich Aminosäuren unter großer Hitze und hohem Druck spontan zu zwei Tausendstel Millimeter kleinen Hohlkügelchen zusammenlagern, den sogenannten Mikrosphären. Diese gleichen äußerlich nicht nur einfachen einzelligen Organismen, sie ähneln auch auf verblüffende Weise den Fossilien, die in 3,8 Milliarden Jahre alten Gesteinen aus Grönland entdeckt worden sind. Doch dessen nicht genug, können die Mikrosphären noch mehr: Bringt man diese aus sogenannten thermischen Proteinen bestehenden Minikügelchen mit Wasser in Kontakt, zeigen sie ein verblüffendes Verhalten. Sie wachsen, knospen und können sogar selektiv bestimmte Stoffe aus ihrer Umgebung aufnehmen oder sie ausscheiden, darunter so wichtige Stoffwechselsubstanzen wie den Energieträger ATP oder Glucose. Sie tun damit im Prinzip genau das, was die heutigen Zellmembranen auch tun.

    Die Notwendigkeit einer begrenzenden und schützenden Membran sehen auch viele andere Forscher, doch im Gegensatz zu Fox suchen sie diese nicht im Reich der Proteine. Ihr Favorit ist – wieder einmal – das Mineral Pyrit . Im Dezember 2002 stellen William Martin von der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf und seine Kollegen Michael Russel und Allan Hall von der Universität von Glasgow dazu in der Zeitschrift Nature eine neue Theorie vor. Im Mittelpunkt ihres Szenariums stehen

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