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Stormwarnung: Er mordet für den guten Zweck
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Stormwarnung: Er mordet für den guten Zweck
eBook479 Seiten5 Stunden

Stormwarnung: Er mordet für den guten Zweck

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Über dieses E-Book

Junge Polizistin beauftragt Privatdetektiv mit der Beschattung ihres Verlobten. Als dieser bei einem Anschlag getötet wird, arbeitet sie mit dem Privatermittler zusammen, um die Mörder zu fassen. Sie ahnt jedoch nicht, dass es sich bei dem sympathischen Schnüffler um den berühmt-berüchtigten Serienkiller handelt, dem sie und ihr Polizeiteam seit über einem Jahr erfolglos hinterherjagen! Auf der gemeinsamen Suche nach den Attentätern entwickeln sie sogar Gefühle füreinander. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis die Wahrheit ans Licht kommt…

In STORMWARNUNG begegnen euch folgende Charaktere:
- eine eifrige, junge Polizistin, deren Verlobter getötet wird
- ein sympathischer Privatdetektiv, Millionenerbe aus Adelshause und Serienkiller zugleich
- eine Jurastudentin und Femme Fatale
- ein saucooler, korrupter Kommissar, der mit…
- …einem ruchlosen Unterweltboss und Menschenhändler zusammenarbeitet
- zwei muskelgestählte Auftragskiller und Massenmörder
- ein schmieriger Frauenvergewaltiger und Heiratsschwindler
- ein eiskalter Kindermörder und Kinderpornograf
- eine angehende Chirurgin, die eigenen Organhandel betreibt
- drei schwerkriminelle Einbrecher-Brüder
- ein karrieregeiler Enthüllungsjournalist
- ein notorischer Fremdgeher und Vergewaltigungsversucher
- und zuallerletzt das Unglaubwürdigste: ein ehrenwerter Politiker ;)
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum17. März 2022
ISBN9783754188408
Stormwarnung: Er mordet für den guten Zweck
Autor

Martin Wendel

Drehbuch- und Buchautor Martin Wendel wurde im späten 20. Jahrhundert auf dem Planeten Erde geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik und nutzt seine Kreativität und Fantasie, um unterhaltsame Geschichten zu schreiben, die Menschen begeistern und Denkanstöße liefern. Seit Jahren versucht er, so nachhaltig und ressourcenschonend wie möglich zu leben.

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    Buchvorschau

    Stormwarnung - Martin Wendel

    Vorwort

    Martin Wendel

    STORMWARNUNG

    Er mordet für den guten Zweck

    Hallo! Herzlichen Dank, dass du mein Buch lesen möchtest. Es würde mich freuen, wenn du mir nach der Lektüre dein ehrliches Feedback gibst, da mir jede Meinung wichtig ist und mir als Autor weiterhelfen kann. (siehe Impressum)

    Die durch die Formatierung und den Druck bedingten Leerseiten am Ende, möchte ich nutzen, um dir weitere Werke von mir zu präsentieren. (gilt auch für eBooks)

    Auf der allerletzten Seite findest du eine Übersicht der wichtigsten Figuren, die du dort gerne jederzeit nachschlagen kannst, falls es bei der Komplexität der Story nötig ist.

    Grafik 12

    Drehbuch- und Buchautor Martin Wendel wurde im späten 20. Jahrhundert auf dem Planeten Erde geboren. Er studierte Germanistik und Anglistik und nutzt seine Kreativität und Fantasie, um unterhaltsame Geschichten zu schreiben, die Menschen begeistern und Denkanstöße liefern. Seit Jahren versucht er, so nachhaltig und ressourcenschonend wie möglich zu leben.

    Martin Wendel

    STORMWARNUNG

    Er mordet für den guten Zweck

    Thriller

    Alternative Titel, die auch passen könnten:

    Ein gewaltiger Storm zieht auf

    Er l(i)ebt das Morden

    Serienkiller gesucht – Liebe gefunden

    Seine Opfer sind Täter

    Er bringt um und Hoffnung

    Kann der beste Killer gut sein?

    Gerechte Selbstjustiz vs. Selbstgerechte Justiz

    Der Zweck heiligt den Tod

    Er tötet aus Liebe – zu Mord

    Ein gewaltiger Storm braut was zusammen

    Ein Storm im Grimmschen Märchenwald

    image1.jpg

    Impressum

    Texte: © 2024 Copyright by Martin Wendel

    Umschlag: © 2024 Copyright by Martin Wendel

    Verantwortlich

    für den Inhalt: Martin Wendel

    m.wendel@live.de

    www.martinwendel71.de

    Druck: neobooks – ein Service der Neopubli GmbH, Berlin

    Diese fiktive Geschichte beinhaltet explizite Schilderungen, die teilweise nur schwer zu ertragen sind. Dennoch sind sie notwendig, um zu veranschaulichen, dass in der brutalen Realität tagtäglich Menschen, vor allem Feuerwehr-, Polizei- und Rettungskräfte, diesen schrecklichen Ereignissen und Bildern ausgeliefert sind. Sie sind gezwungen, sich damit auseinanderzusetzen. Ich wünsche niemandem solche grauenvolle Erfahrungen zu machen. Die folgende Erzählung soll in sicherer Umgebung zumindest einen kleinen, authentischen und ungeschönten Eindruck vermitteln, wie Betroffene sich dabei fühlen müssen und somit Empathie, Mitgefühl für sie schaffen.

    Wer die erste halbe Seite übersteht, wird im Nachhinein überrascht von einer wendungsreichen und anspruchsvollen Epik, welche auch mit Zynismus, Humor und Herz das eigene Wahrnehmungsbild samt Voreingenommenheit auf den Prüfstand stellt.

    Eine außergewöhnliche Liebesgeschichte im Gewand eines zum Teil blutrünstigen Serienkiller-Thrillers, der sich bewusst von gewöhnlichen Whodunit-Krimis abhebt und nicht nur Tätern, sondern auch Opfern ein Gesicht gibt.

    Spannende Unterhaltung!

    (1) Trauer, Wut und Hoffnung

    Nackt liegt sie da. Still. Unschuldig. Mit ihren süßen 16 Jahren. Ein dunkelblonder Engel mit ausgebreiteten Flügeln. Wie ein Model. Ihre sportliche, schlanke Figur, ein Traum. Ihre großen blau-grünen Augen. Ihre ellenlangen Haare zu einem Zopf geflochten. Ihre zarten, rosafarbenen Lippen. Aufgeplatzt. Ihr Mund an beiden Seiten bis über die Wangenknochen aufgeschlitzt. Ihre Kehle zerfetzt. Darunter Würgemale, blau-grüne Blutergüsse auf ihrem Dekolletee, an ihren Schenkeln. 33 Messerstiche übersäen ihren ehemals makellosen und nun entstellten Körper. Ihre beiden Hände abgetrennt. Ihre Vagina zerstückelt.

    Sie war Elisa.

    Abgelegt zwischen stinkenden Müllcontainern in der Gosse. Der prasselnde Regen spült das inzwischen kalte Blut in die Rinne, fort in die Kanalisation. Vorbei an dem nachtaktiven, gefräßigen Rattenrudel, das an ihren Augenlidern, Zehen und offenen Wunden nagt.

    Ein grausamer, tieftrauriger Anblick, den zum Glück kaum jemand von uns in seinem Leben erfahren muss. Bilder, die sich ins Gedächtnis einbrennen, einen nie wieder loslassen. Man möchte seine Augen verschließen. Vor der Wahrheit. Man will sie nicht sehen. Doch manche müssen.

    Denn genau so fand sie ihr Vater Paul in jener späten, düsteren Nacht. Als kalte Leiche, für immer von ihm gerissen.

    Schreckliche Gefühle, die nicht annähernd zu beschreiben sind. Elisa ist tot. Sie ist nicht nur gestorben. Auch wenn der Tod am Ende immer gleich ist, das WIE ist für die betroffenen Angehörigen von so großer Bedeutung. Ob ruhig in der Nacht eingeschlafen oder aber vergewaltigt, gefoltert, bis nahezu aufs Unkenntliche entstellt, macht einen riesigen Unterschied. Immer wieder die Gedanken, welche Horrorqualen sie in den letzten Atemzügen ihres noch kindlichen Lebens durchleben musste.

    Paul und seine Ehefrau Sandra trauern um ihre einzige Tochter, ihr Ein und Alles.

    Elisa war einzigartig. Eine herzensgute junge Frau, die sich um ihre Mitmenschen kümmerte und – im Gegensatz zu oftmals zitierten rebellischen Teenagern – ihre Eltern über alles liebte. Sie war ein Naturtalent, sportlich und galt als kommender Star. Sie besaß neben ihrer mitreißenden Ausstrahlung auch eine enorme Intelligenz, um die Welt zu verändern. Sie engagierte sich für benachteiligte Kinder, bedrohte Tiere und setze sich für ihr höchstes Gut ein. Unser aller Heimat: Unsere Erde. Sie war top in der Schule und dennoch konnte niemand ihrer Mitschüler neidisch auf sie sein. Sie war eben Elisa. Man konnte sie nur lieben. Eine großartige Zukunft lag vor ihr. Das sahen alle so. Von ihren Eltern über ihre Trainerin bis zu ihren Lehrern.

    Umso größer ist die Trauer jetzt. Es ist nun über eine Woche her, in der Paul und Sandra keine Minute geschlafen haben. Gequält von Selbstvorwürfen, als Elisas Überreste in einer Urne im Erdreich für immer verschwinden.

    Elisa machte sich an jenem Abend, es war kurz nach 21 Uhr, nach dem Turntraining allein auf den Weg nach Hause. Es waren ja gerade mal knapp fünf Kilometer. Was sollte schon passieren? Normalerweise fuhr sie diese Strecke mit ihrem Fahrrad. Doch diesmal war es anders. Paul brachte sie zur Turnhalle und fuhr weiter ins Büro seines Marketingunternehmens in der City, keine 10 Kilometer entfernt. Auf dem Rückweg sollte er seine Tochter wieder abholen. Doch dazu kam es nicht mehr. Seine Videokonferenz mit einem Kunden aus Übersee dauerte etwas länger und er war nicht rechtzeitig für sie da. Nach getaner Arbeit sah er auf dem Display seines Smartphones einen verpassten Anruf, den er sich auf der Mailbox anhörte, als er vom Büro zu seinem Wagen im Parkhaus eilte, um seine Tochter nicht noch länger warten zu lassen. Elisas letzte Worte. Ihre ruhige Stimme. Ein allerletztes Mal:

    „Hi Papa, ich nehm’ an, du musst noch länger arbeiten. Macht nix. Ich jogge den Weg nach Hause. Ich lasse meine Sporttasche im Spind. Das Wetter ist noch schön und sollte halten. Ah, die frische Nachtluft tut so gut. Also, bis nachher."

    So war sie. Kein Vorwurf oder Gemecker. Noch einen Monat, dann hätte sie ihren Führerschein und ihr eigenes kleines E-Auto gehabt. So zumindest wurde gemunkelt. Und so hätte sie ihre Eltern entlasten können, die sie neben dem normalen Training im Verein dreimal in der Woche zum 60 Kilometer entfernten Olympiastützpunkt fuhren. Dabei empfanden Paul und Sandra dies nie als Belastung, sondern als Freude und Stolz bei ihrer Tochter zu sein und sie, wo immer es geht, zu unterstützen. Auf dem Weg zu einer erwachsenen, empathischen und sympathischen jungen Frau.

    Wer macht sowas? Wieso? Wieso Elisa? Diese Fragen stellen sich Paul und Sandra, Tag für Tag. Und sie bekommen keine Antwort. Weder ihr Verstand, noch die klugen Köpfe der ermittelnden Polizeibeamten oder Seelsorger können weiterhelfen. Es gibt bislang keinerlei Hinweise oder Zeugen der grausamen Mordtat. Und so bleiben sie hilflos, allein gelassen. Auch, weil sie den Eindruck haben, dass sich die verantwortlichen Beamten nicht wirklich Mühe geben, den Mord aufzuklären und den Täter zu finden. Natürlich tun sie das. Doch für sie ist Elisa eben nur ein weiterer Fall. Ein Fall von vielen in unserer rauen, brutalen Welt. Paul und Sandra haben den Eindruck allerdings auch, da sie an jenem Abend nicht ernst genommen wurden, als sie die Polizei darüber verständigt hatten, dass ihre Tochter verschwunden sei. Die nette Dame am Telefon hat ihnen eingeredet, dass dies öfter vorkomme, sie sich keine Sorgen machen müssten, alles gut werden würde und Elisa am nächsten Tag wohl wieder auftauchen würde. So wie in 99 Prozent der Fälle. Sie sei mit Sicherheit nur bei ihrer Freundin und so weiter und so fort mit dem beschwichtigen Gerede. Heruntergeleierte Standardphrasen. Doch die nette Frau von der Polizei kannte Elisa nicht. Alle Versuche seitens Sandra, sie zu überzeugen, dass es nicht Elisas Art sei, sich nicht zu melden und sie genau dieses eine Prozent sein könnte oder ist, scheiterten am Telefon. Und so machten sich schließlich die Eltern selbst und allein auf die Suche nach ihrer Tochter, bis ihr Vater sie Stunden später tot in der Gasse einer Nebenstraße auffand. Er war es. Nicht die Polizei, dein Freund und Helfer. Und vielleicht hätte Elisa noch gerettet werden können, könnte noch leben, wenn wirklich alles Menschenmögliche unternommen worden wäre. Allein diese Vorstellung, diese Möglichkeit und der Unmut machen ihre Trauer noch größer. Und es scheint, als sollte es keine Gerechtigkeit geben. Elisa ist tot. Und ihr Mörder ist da draußen. Irgendwo. Ungestraft. Vielleicht sind sie ihm sogar schon begegnet? Auf der Beerdigung? Was, wenn der Killer sie verfolgt? Er wieder zuschlägt? Für Paul und Sandra ist das Leben nicht mehr dasselbe und wird es nie mehr sein. Ein Leben voller Kummer und Angst. Und immer wieder schleicht sich die Frage in ihre Köpfe: Wer ist das Monster?

    Die Antwort sollten sie bekommen. Genau jetzt.

    Am frühen Samstagmorgen, als die Sonne aufgeht und sich einen Kampf mit dem schleierartigen Frühnebel liefert, findet Paul einen Brief im Briefkasten und bringt ihn zusammen mit der Zeitung ins Haus. Er setzt sich zu Sandra, die sich auf ihrem Stuhl nach hinten zur Anrichte lehnt und zwei Sandwichtoastscheiben in den Toaster schiebt, an den Frühstückstisch in der Küche und zeigt ihr den Brief.

    „Der war im Briefkasten. Anonym, ohne Absender. Paul fühlt mit seiner Hand. „Da scheint etwas drin zu sein. Soll ich ihn öffnen?

    Sandra rückt näher an ihren Ehemann. „Ja, aber sei vorsichtig."

    Paul öffnet den Brief, der nicht zugeklebt ist und zieht eine Papierseite heraus, faltet sie auf. Der Text ist in Courier New geschrieben.

    Hallo liebe Sandra und lieber Paul,

    gleich vorweg: Habt keine Angst, ich will euch mit diesem Schreiben bloß helfen.

    Paul hält inne und den Brief von sich weg. „Was soll der Schwachsinn?"

    Sandra nimmt den Brief. „Lass mich mal."

    Ich habe mitbekommen und in der Presse verfolgt, was euch und eurer geliebten Tochter Elisa widerfahren ist. Ihr habt mein Mitgefühl. Ich kann mir vorstellen, dass ihr euch alleingelassen fühlt, weil die Polizei ihren Job nicht macht. Ich kenne das. Ich kann mich leider nicht persönlich vorstellen – zu meinem, aber vor allem zu eurem Schutz. Aber ich habe etwas für euch, das euch hilft, vielleicht mit dem Schmerz und der Trauer umzugehen. Zumindest ein wenig. So etwas wie Gerechtigkeit zu erfahren. Dieses Schreiben ist nur für euch bestimmt und ihr dürft es niemandem zeigen. Auch nicht der Polizei. Auf der Rückseite –

    Sandra wendet kurz das Blatt und dreht es dann wieder um, um weiterzulesen.

    – habe ich euren Zielort markiert. Er ist keine 10 Kilometer entfernt. Der Schlüssel öffnet die Tür. Die Tür zu eurem Frieden. Oder wenigstens ist es ein erster Schritt auf dem Weg dorthin.

    Ihr werdet einen Mann sehen, der dort gefesselt auf einem Stuhl sitzt. Er wird flehen und betteln. Er wird alles versuchen, damit ihr ihn befreit. Doch lasst euch nicht von ihm täuschen. Ihr könnt mit ihm machen, was ihr wollt. Der Polizei übergeben oder Rache üben. Er ist mein Geschenk an euch: Der Mörder von Elisa!

    Paul und Sandra sehen einander an. Sprachlos, perplex. Für einen Moment herrscht Totenstille. Lediglich das leise Ticken der Wanduhr.

    Paul nimmt Sandra den Brief wieder aus der Hand und sieht ihn sich an. „Was zum?!"

    „Was sollen wir machen?, fragt Sandra. „Zur Polizei? Vielleicht können die was damit anfangen? Wenn das öfter vorkommt?

    „Da steht aber keine Polizei", weist Paul hin.

    „Ich weiß. Ich will nach diesem Desaster auch nicht zur Polizei, gesteht Sandra beinahe resignierend, ehe sie sich weiterfragt. „Was, wenn das eine Falle ist? Wenn der Mörder das geschrieben hat?

    „Kann sein. Aber hört sich das für dich so an?"

    „Keine Ahnung."

    „Ich weiß es auch nicht, sagt Paul und legt den Brief vor sich auf den Tisch ab. „Ich bin skeptisch. Vielleicht ist das jemand, der gut schreiben kann. Nicht umsonst suchen die pädophilen kranken Spinner sich ihre Opfer in Chats aus, in dem sie sich als nett und vertrauenswürdig ausgeben und sie so um die Finger wickeln.

    „Ja, du hast Recht. Also? Was machen wir? Warten wir?"

    Beide überlegen. Sie sehen sich gemeinsam wieder die Wegbeschreibung auf der Rückseite des Blattes an.

    „Es ist echt nicht weit weg", findet Paul.

    „Willst du wirklich dort hinfahren?"

    Er zuckt mit den Achseln „Aber was, wenn es doch stimmt?"

    „Wieso sollte jemand diesen brutalen Killer schnappen, wenn die Polizei noch nicht mal irgendwelche Spuren oder Hinweise hat? Das macht mir Angst, Paul."

    „Du hast Recht. Das macht alles keinen Sinn. Das hier ist irgend so ein Irrer, der Aufmerksamkeit will. Weißt du was-?" Er schnappt sich das Papier und ist drauf und dran es zu zerreißen, als ihn Sandra fest- und davon abhält.

    „Warte, Schatz. Wenn wir sehr vorsichtig sind. Und dort hinfahren, einfach nur um–." Sie stockt und schaut ihn an. Mit einem Gesichtsausdruck, den Paul schon lange nicht mehr bei seiner Frau gesehen hat. Ein Hauch von Hoffnung.

    Er zerreißt den Zettel nicht, harrt aus und schaut sie dabei ernst an. „Ja, was soll schon passieren? Außer, dass uns jemand auflauert und abknallt?"

    Sandra atmet tief aus und sackt zusammen.

    Er hebt ihr Kinn an. „Nein, ich stimme dir zu. Wenn es uns unheimlich vorkommt, fahren wir einfach weiter. Wir können dann immer noch die Polizei rufen."

    Sandra nimmt erneut das Papier und liest es sich noch einmal durch.

    Paul schnappt sich den Briefumschlag und nimmt heraus, was er vor dem Öffnen abgetastet hat: Ein einzelner silberner Schlüssel.

    „Sollen wir es tun? Jetzt?", fragt Paul.

    „Es ist unser einziger Hinweis."

    „Was sagt dein Bauchgefühl?"

    Sandra nickt. „Haben wir noch was zu verlieren? Wir fahren dorthin. Wir tun es."

    Ihr Vollkornsandwich aus dem Toaster ist längst wieder abgekühlt und ihr Hunger auf Frühstück verflogen.

    Früher als erwartet, machen sie sich auf den Weg. Die Hoffnung auf Erlösung ist stärker als die Vernunft oder die Ungewissheit, die sich weiter in ihr Herz frisst. Noch am selben frühen Morgen, in derselben Stunde folgen sie dem Navi in Richtung des gewünschten Zielorts. Folgen dem Wunsch nach Antworten und Gewissheit, wiewohl sie sich trotz der Zweifel immer wieder und wieder die Frage stellen, ob sie das Richtige tun. Doch sie müssen. Für sich. Für Elisa. In ihrer betrübten Lage machen die Worte in dem Schreiben ihnen Mut. Merkwürdigerweise mehr als das auf die Schulter-Geklopfe und all das Wird-schon-wieder. Bislang wurde nichts. Gar nichts. Und schon gar nicht gut.

    Nur noch einen Kilometer entfernt, nähern sie sich der Autobahn. Und kurze Zeit später finden sie ihre Destination: Ein etwa 4x4 Meter großer, quadratischer Betonklotz, wie ein Schuppen, in dem sich vermutlich Straßenbaumaterial oder Stromkästen befinden. Unscheinbar und doch prominent steht er da, neben den massiven Brückenpfeilern der darüber liegenden Autobahn isoliert. Gute 20 Meter ringsum beginnen der Grünstreifen und Gebüsch, die zu ewig weiten Rapsfeldern dahinter führen. Einzig der Lärm der über ihnen vorbeirasenden Fahrzeuge schallt zwischen den grauen Füßen der Autobahnbrücke hindurch. Paul und Sandra halten auf dem schmalen Schotterweg an, der zum Schuppen führt, noch gute 30 Meter entfernt. Sie sehen sich nervös und angespannt um. Sandra dreht die ohnehin nur leise im Hintergrund laufende Radiomusik aus.

    „Hier isses wohl, mutmaßt Paul, schaltet den Motor ab. „Wir warten erst mal, bevor wir aussteigen oder irgendwas machen. Sieh dich um und sag mir, wenn du irgendwas, irgendjemanden ausmachst, der uns beobachten könnte.

    Sandra nickt und sie harren im Wagen aus, beide mit wippenden Beinen. Fünf Minuten vergehen, die ihnen wie fünf Stunden vorkommen. Ohne jegliche Bewegung in der Umgebung bis auf ein braunrotes Eichhörnchen, das kurz aus dem Busch hüpft, sich zwei ehemals von ihm versteckte Haselnüsse in die Backentaschen schiebt und genauso schnell im Dickicht verschwindet, wie es gekommen war. Ansonsten alles unverändert. Sie und der Betonschuppen. Und diese gewaltige Anspannung.

    „Okay, ich sehe keinen, auch nicht in den Hecken. Ich fahr näher ran."

    „Langsam und vorsichtig."

    Paul startet den Motor und sie rollen etwas langsamer als Schrittgeschwindigkeit auf die graue Stahltür zu. Sie ist mit einem robusten Vorhängeschloss versehen. Der Schotter knirscht unter dem schwarzen Gummi der Reifen. Sie halten etwa acht Meter davor an.

    Paul streckt seine Hand nach Sandra aus, ohne den Blick vom Schuppen zu wenden. „Gut, gib mir den Schlüssel."

    „Ich komme mit", spricht sie mit dem silbernen Schlüssel fest in der Hand umschlossen.

    „Nein, bleib du im Auto."

    Sandra behält den Schlüssel und insistiert „Ich komme mit dir, Paul."

    Sie sehen einander ernst an.

    Widerwillig erkennt Paul an, dass er seine Frau nicht überzeugen und davon abbringen kann.

    Gleichzeitig öffnen sie ihre Autotüren. Sie gehen nach vorne an der warmen Motorhaube vorbei Richtung Tür. Davor angekommen, streckt Paul seine Hand erneut nach dem Schlüssel aus, ohne weiter die Umgebung abzuscannen. Sandra legt ihm den Schlüssel auf die Handinnenfläche.

    „Halte du weiter Ausschau, Sandy." Paul versucht mit seinen zittrigen, schweißnassen Händen den Schlüssel ins Vorhängeschloss zu stecken. Schließlich gelingt es ihm und er dreht ihn um. Das Schloss springt auf. Er zieht es ab und schiebt den Riegel zurück und die Tür mit einem rostig-stählernem Kreischen und Quietschen auf. Der Pulsschlag der beiden rast. Ihr Blut, angefüllt mit Adrenalin, durchströmt jeden Muskel ihrer Körper. Es ist der mentale Stress, der erbarmungslos an ihren Nerven zerrt.

    Paul hängt das Vorhängeschloss an den Türriegel und späht vorsichtig hinein, während Sandra die Umgebung draußen im Blick behält. Es scheint, als seien sie allein. Der größer werdende Streifen des hereinfallenden Lichts flutet langsam den kalten, dunklen Raum ohne Fenster. Bedächtig schiebt Paul die Tür ächzend im Scharnier weiter auf und wagt einen ersten Schritt hinein. Stickige Luft schwappt ihm dabei entgegen. Er erschreckt, als mit einem kurzen Klicken die einzige LED-Leuchtröhre an der Decke anspringt. Was er vor sich sieht, lässt ihn auf der Stelle gefrieren. Der Raum ist komplett leer, bis auf diesen hageren MANN (Mitte 30) hinten an der Rückwand. Sieben-Tage-Bart, braunes, mittellanges, gewelltes, schweißnass-verklebtes Haar, das ihm ins Gesicht hängt. Gefesselt mit Seilen und silbernem Duct Tape an einem Holzstuhl, seinen Kopf kraftlos auf seiner Brust abgestützt. Oberkörperfrei, nackte Füße, nur mit einer Jeans gekleidet, Tape über seinem Mund, das seine Hilferufe verstummen lässt, nachdem er zur Tür blickt. Zuerst geblendet vom grellen Licht, zeigen seine weit aufgerissenen Augen schiere Angst, als er die dunkle Silhouette von Paul an der Tür stehen sieht. Die Zeit steht still und auch Sandra tritt an Pauls Seite, ist schockiert über den Anblick, der sich ihr bietet.

    Es ist tatsächlich wahr. Was sie insgeheim als makabren Scherz vermutet hatten, scheint plötzlich in diesem Moment knallharte Realität. Vor ihnen sitzt ein gefesselter, hilfloser, verängstigter, nassgeschwitzter Mann. Sein Aussehen und die Lage, in der er sich befindet, erinnern an Jesus am Kreuze. Ist er tatsächlich der Mörder von Elisa? Fühlen die beiden es nicht? Jetzt von Angesicht zu Angesicht? Würden sie es als Eltern nicht irgendwie spüren, wenn er es tatsächlich war, der ihnen ihre geliebte Tochter für immer genommen hat? Ja, irgendwie ist das Gefühl da. Doch auch noch etliche mehr. Wen wundert’s?

    Paul zieht Sandra zu sich und nimmt sie in den Arm. „Komm."

    Sie machen einander stützend gemeinsam einen weiteren Schritt in den Raum. Sie schrecken kurz auf, als die Stahltür hinter ihnen zufällt. Pure Physik. Es ist ihnen keiner gefolgt. Niemand hat sie von außen zugeschlagen, sind sie sich sicher.

    „Verdammt, was machen wir jetzt bloß?", fragt Sandra und krallt sich an Pauls Oberarm fest. Eine ihrer möglichen Antworten liegt vor ihnen, prominent in der Mitte des Raumes: Ein massives Fleischermesser mit Holzgriff.

    „Wer immer uns die Nachricht geschickt hat, hat an alles gedacht", sagt Paul süffisant und kaschiert so seine innere, aufgeregte Gefühlswelt.

    Sie treten zusammen mit kleinen Schritten näher und bleiben vor dem glänzenden Stahl der großen, funkelnden Edelstahlklinge stehen.

    Die verstummten Schreie unter dem silbernen Panzertape schallen ihnen im Betonklotz entgegen. Seine Augen schreien jetzt noch lauter nach Hilfe.

    „Was, wenn er es nicht ist?", hat Sandra berechtigte Bedenken.

    Der Mann wackelt weiter hilflos auf dem Stuhl herum und scheint mit wildem Kopfnicken Sandras geäußerte Frage und These unterstützen zu wollen.

    „Schatz, wir sind hierhergekommen. Wir wollten Antworten, sagt Paul nüchtern und zeigt auf den Mann. „Ob er es war oder nicht – von ihm kriegen wir sie. Er will auf den Mann zugehen, als sich Sandra, mit all ihrem Gewicht der gerade mal 60 Kilo, an ihm festklammert. „Pass auf."

    „Ja." Er, nimmt sanft ihre Hände von seinem Arm und nähert sich dem Gefesselten bis auf etwa anderthalb Meter.

    Sandra bückt sich und hebt mit kalten, bibbernden Händen das Messer vom Boden auf.

    Als Paul dem Mann nur noch eine Armlänge gegenübersteht, harrt er aus und lauscht den flehenden Worten hinter dem Tape, die nicht sehr schwerverständlich sind: „Hilfe. Helft mir. Bitte."

    Paul zögert, zeigt dem Mann mit seiner linken Hand den Zeigefinger, um ihn zu beruhigen und legt dann seine rechte Hand an das Tape und reißt es mit einem Ruck vom Mund des Fremden ab.

    Außer Atem und hektisch fleht der Gefesselte, mit dringlicher und gedämpfter Stimme, wobei Paul instinktiv einen Schritt zurück macht.

    „Danke. Ihr müsst mich befreien. Schnell! Bevor er zurückkommt! Bitte! Los, beeilt euch!"

    „Bevor wer zurückkommt?", fragt Paul nach.

    „Der Kerl, der das getan hat! Er hat mich entführt. Ich– ich weiß nicht, wer er ist. Er hat mich überfallen, betäubt und – und verdammt dann bin ich hier aufgewacht."

    „Du hast also keine Ahnung, warum du hier bist?", möchte Paul wissen.

    „Nein, bitte macht mich los. Keinen blassen Dunst. Ich hab Geld, vielleicht wollte er mich erpressen. Ich– ich geb’ euch alles, was ihr wollt, ich will nur nicht–"

    Sandra rückt an die Seite ihres Gatten und zerrt ihn wieder am Arm zurück, weg von dem hysterischen Fremden. „Erinnerst du dich, Paul? Er würde alles sagen", meint Sandra.

    Der Mann, mit wässrigen Augen. „Ja, aber das ist die Wahrheit!"

    Paul greift in seine Hosentasche und nimmt seine Brieftasche heraus, klappt sie auf. Er tritt wieder vorsichtig zu dem Mann und zeigt ihm die aufgeklappte Brieftasche. Ein Foto von Elisa, das sie zwischen den Armen ihrer Eltern vor knapp einem Jahr an ihrem 16. Geburtstag zeigt. Froh und lächelnd.

    „Kennst du dieses Mädchen?", fragt Paul.

    Der Mann sieht hin, allerdings fast nur beiläufig, er will einfach nur noch weg. Nein, lautet seine Antwort, da er wild mit dem Kopf schüttelt.

    Paul gibt sich damit nicht zufrieden. „Sieh sie dir genau an oder du verrottest hier!"

    „Tut mir leid, ich will doch nur– Er schaut sich das Foto jetzt genauer an und hält inne. „Nein, ich kenne sie nicht.

    Kurz bevor Paul entnervt die Brieftasche zuklappen will, dann doch.

    „Moment! Ein bisschen näher. Bitte!"

    „Pass auf, Schatz", sagt Sandra zum gefühlt zehnten Mal.

    Paul nickt und zeigt ihm das Foto aus naher Distanz, in Schlagweite.

    „Ja. Der Mann kneift die Augen. Seine durch die Tränen verschwommene Sicht klart sich auf. „Ja. Doch! Jetzt weiß ich es! Ich hab sie gesehen!, platzt es aus ihm heraus.

    Paul zieht die Brieftasche weg und steckt sie ein. „Bullshit! Du hast sie getötet!", schreit er wutentbrannt.

    Der Mann wehrt sich energisch. „Nein! Nein! Hab ich nicht! Ich schwör‘s! Es stimmt, ich hab sie gesehen, bevor– "

    „Wo hast du sie gesehen, hä?!", fällt ihm Paul ins Wort, ballt seine Faust, kurz davor ihn am Hals zu packen und ihm eine reinzuhauen.

    „Abends auf der Straße. Vor vielleicht zwei Wochen?! Ist das – ist das wirklich eure Tochter?"

    Paul macht einen Schritt zu Sandra zurück, versucht sich zu sammeln.

    „Ich erinner‘ mich jetzt wieder ganz genau. Das Mädchen aus den Nachrichten. Ja, an dem Abend. Sie war zu Fuß unterwegs, ist gejoggt. Sie hat mich freundlich gegrüßt. Ich war mit meinem Hund Gassi. Sie hat kurz Halt gemacht, Benno gestreichelt. Wir haben kurz geredet."

    „Was?" Paul ist nicht überzeugt, aber dennoch schleichen sich bei ihm gemischte Gefühle ein, wo er die vermeintlich letzten Augenblicke von Elisas Leben hört.

    „Smalltalk. Sie hat gesagt, dass sie Tiere mag. Alle Tiere. Sie hat gestrahlt. Sie war so herzlich."

    Paul und Sandra kämpfen um Fassung, weil genau so ihre Elisa war. Es ist glaubhaft.

    „Sie ging dann weiter und dann– Der Mann stockt kurz, überlegt – „Ja, es macht jetzt Sinn: Kurz später, vielleicht nicht mal ne halbe Minute oder so, ist ein Lieferwagen an mir vorbeigefahren. Ein weißer– oder Moment, jedenfalls ein heller. Ich erinner’ mich, weil er so langsam gefahren ist. Vielleicht ein bisschen schneller als Schritttempo. Es war auf jeden Fall merkwürdig. Aber hab mir nix Schlimmes dabei gedacht. Dacht’ halt nur, gut, er fährt vorsichtig, weil Benno noch ein bisschen aufgedreht und aufgewühlt war, nach der Streicheleinheit und dem Spielen mit – mit ihrer Tochter. Er ist ja fast auf die Straße gesprungen.

    „Hast du dir das Nummernschild gemerkt?", fragt Paul.

    „Nein, wie gesagt, ich hatte ja keine Ahnung. Wer rechnet denn mit sowas!?"

    „Stand was auf dem Wagen. Ein Firmenname? Irgendwas?"

    „Nein, ich weiß nur, die Fenster – ja, die Fenster waren verdunkelt. Ich konnte niemanden erkennen. Aber was, wenn das der Kerl ist? Macht mich los, bitte. Wir gehen sofort gemeinsam zur Polizei. Vielleicht kann ich euch ja noch mehr helfen, aber wir müssen–"

    „Warum sollte er das hier tun?, will Paul wissen. „Er hat uns ein Schreiben geschickt. Dort steht, dass er den verdammten Täter hat. Und das bist du!

    „Nein, nein! Überlegt doch mal! Er denkt, ich bin ein potentieller Zeuge! Ich weiß nicht, was in seinem kranken Hirn vorgeht. Aber vielleicht will er wissen, was ich weiß oder mich einfach nur umbringen! Und jetzt hat er auch noch euch! Die Eltern von seinem Opfer! Was, wenn das sein Plan war? Stellt euch das vor! Das geilt ihn auf, oder so! Wir müssen hier weg. Ich flehe euch an. Der kranke Bastard zieht hier sein scheiß Spiel ab. Und wer weiß, was er noch alles geplant hat! Oder warum seid ihr hier ohne Polizei?"

    Paul und Sandra sehen einander an, Verzweiflung und große Fragezeichen in ihren Gesichtern. Ihre Emotionen sind nicht mehr greifbar. Was sollen sie bloß tun?

    „Okay, dann ruft doch bitte jetzt wenigstens die Polizei. Oder bindet mich endlich los. Was soll ich euch denn antun? Ihr habt das Messer von dem Dreckschwein?! Er wollte, dass ihr mich tötet. Ihr macht für ihn die Drecksarbeit! Verflucht, seht ihr das nicht?!"

    „Jetzt sei still!, befiehlt Paul und wendet sich Sandra zu. „Ich kann das nicht mehr hören.

    „Bitte macht mich los. Ich dreh durch, ich hab Durst, mir ist schlecht. Ich hasse es, gefesselt, eingeengt zu sein. Ich halt’s – ich halt’s nicht mehr aus. Verdammt. Er beginnt zu zittern. „Ich krieg kaum noch Luft. Mein Hals- schnürt sich- Er verdreht die Augen, schluckt und bekommt keine Luft. Seine Venen treten an seiner Stirn und seinem Hals hervor. Sein Kopf rötet sich in all seiner Panik.

    Paul und Sandra sehen erneut einander an. Ebenso fragend und hilflos.

    „Shit, dem geht’s echt nicht gut", deutet Paul nicht ganz unbegründet.

    Der Mann röchelt. „Mein Asthma, ich– ich–bitte-"

    Sandra rennt zu dem Mann und beginnt mit dem Messer die Seile und das Tape an dessen Händen hinter der Stuhllehne durchzuschneiden.

    „Ey, was machst du!?", fragt Paul entsetzt über das beherzte Eingreifen seiner Frau.

    „Er braucht Hilfe", sagt Sandra, während sie neben ihm gebeugt die Fesseln durchtrennt.

    „Er spielt das nur vor!", schreit Paul, eilt zu Sandra, zerrt sie zurück in sichere Distanz, vier Meter weg von dem Gefesselten bis an die Rückwand neben der geschlossenen Tür und nimmt ihr das Messer aus der Hand.

    Der Mann kämpft noch immer und befreit sich von den Resten seiner Handfesseln. Er beugt sich nach vorne runter zu seinen Füßen und versucht sich auch hier von den Seilen und dem Tape zu befreien.

    Paul und Sandra schauen zu, wie er es vergeblich versucht. Entkräftet sackt er mit seiner Brust auf seinen Oberschenkeln zusammen, ringt nach Luft, röchelt. Heiseres Wehgeschrei. Sein Brustkorb hebt sich nur noch schwach.

    Sandra schaut ernst zu ihrem Ehemann. „Hilf ihm, bitte! Er schafft es nicht."

    Paul nickt und geht auf den Mann zu und bleibt auf halber Strecke stehen. „Hey, beruhig dich. Ich helfe dir. Atme tief durch, ja?"

    Der Mann zeigt keine Reaktion, sein Oberkörper weiter vornüber gebeugt. Seine Arme schlaff am Boden über seinen Fußfesseln baumelnd. „Ja, okay, sagt er leise, heiser und mit wenig Luft in seiner Kehle „Danke. Ich- ich versuch- ich beruhige – mich. Seine Atmung verlangsamt sich tatsächlich und er richtet sich vorsichtig auf, lehnt sich zurück, atmet durch und blickt erschöpft zur Decke, schluckt schwer.

    Paul sieht zu Sandra nach hinten, die ihm zunickt. Er geht zu dem Kerl, schaut ihm ernst in die Augen und nimmt dessen kühlen, zittrigen Hände. „Ich mach dich jetzt los. Und dann hauen wir gemeinsam hier ab, ja?"

    Der Mann nickt bloß.

    „Dann wird sich alles klären, verspricht Paul. „Entspann dich.

    „Danke, flüstert der Mann erschöpft. „Ich weiß, ihr könntet jetzt einfach gehen. Ich danke euch- wirklich.

    Paul sieht die echte und ehrliche Dankbarkeit und Hoffnung in den Augen seines Gegenübers. „Okay." Er kniet sich zu Füßen des Mannes, während Sandra weiter an der Wand nervös umhertippelt und an ihren restlich vorhandenen Fingernägeln kaut.

    Ein mattgrauer Audi RS 5 rast über die Autobahn. Der Fahrer des Sportwagens sieht die Bilder, die sich im Betonraum abspielen auf dem Display der Mittelkonsole. „Shit!" Er schaltet die Gänge durch und schießt kreuz und quer an den anderen, hupenden Verkehrsteilnehmern vorbei. Ihm gefällt überhaupt nicht, was er da sieht. Doch er ist unterwegs.

    Im Betonklotz bricht ein Surren und Klingeln plötzlich die eingekehrte Stille, die nur vom Reißen der Fasern der Seile und des Panzertapes beim Zerschneiden begleitet wird. Alle drei halten inne.

    „Ein Handy?!", fragt

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