Kjeld und die Verschwörung des Baal
Von Hartmut Dyck
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Über dieses E-Book
Auf der anderen Rheinseite wohnt der junge Germane Kjeld. Kjeld ist der Sohn des germanischen Schmiedes Wisgard, der Kurzschwerter für die römische Armee herstellt. Kjeld ist, trotz Verbotes seines Vaters Wisgard, von zu Hause weggelaufen, um die römische Kultur auf der anderen Seite des Flusses kennenzulernen. Der germanische Junge versteckt sich auf den Karren des Händlers Quintus, um sicher in die fremde Stadt zu gelangen. Quintus wird überfallen, Kjeld entdeckt, und als Sklave verkauft.
So kommt der germanische Junge in den Haushalt des Flavius, der eine Gladiatorenschule betreibt und zusätzlich Bernstein aus den Meeren im Norden nach Ägypten verkauft. Flavius ist der Besitzer des Aigidios. Aigidios und Kjeld werden Freunde und verfolgen nun gemeinsam Ugerit, den Hohepriester des Baal, um das Leben des kleinen Mädchen zu retten. Die beiden Jungen geraten bei der Verfolgung des Hohepriester, der in seiner bürgerlichen Existenz der Protektor der aufstrebenden Stadt ist und Titus Scispius heißt in lebensbedrohende Situationen. Titus Scispius entführt die kleine Agrippina und lenkt den Verdacht auf den Sklaven Aigidios. Aigidios wird verhaftet und dazu verurteilt als Gladiator gegen seinen Freund Kjeld bei den Spielen des Germanicus anzutreten.
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Kjeld und die Verschwörung des Baal - Hartmut Dyck
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Hartmut Dyck
Kjeld und die
Verschwörung
des Baal
Ich danke meinem Neffen Paul für das Titelbild
Für Birte
1. Kapitel
Das Urteil
Das kleine Ubierdorf lag in einer tiefen Talmulde, welche die überschaubare Ansammlung von Langhäusern vor den kalten Ostwinden schützte. In der Nähe des Weilers floss ein schmaler Bach, der die Dorfbewohner immer ausreichend mit frischem Trinkwasser versorgte und in dem die Kinder des Dorfes an den heißen Sommertagen planschten und durch das Wasser tobten. Aber jetzt war Winter und kleine, in der Sonne glitzernde Eiskristalle, sammelten sich an den in das Wasser ragenden Grasbüscheln. Teilweise war der kleine Bach vollkommen zugefroren, sodass die Dorfbewohner erst einmal die dicke Eisschicht durchbrechen mussten, um an das lebenswichtige Wasser zu kommen. Die Dorfbewohner sprachen bereits von einem Hungerwinter, denn die Vorräte des Herbstes waren nahezu aufgebraucht und man sehnte die ersten warmen Frühlingstage herbei. Heute war das kleine Dorf nahezu ausgestorben und nur die Alten, Kranken und Kinder sammelten sich um die Herdfeuer, an dem sie ihre karge Mahlzeit zu sich nahmen. Die erwachsenen Männer und Frauen des Dorfes hatten sich unter der jetzt im Winter kahlen Eiche versammelt, um über einen Mann zu urteilen, der Lebensmittel von der Gemeinschaft gestohlen hatte. Baldur, so hieß der Mann, hatte in seiner Verzweiflung eine kleine Menge Getreide, kaum mehr als eine winzige Schüssel voll, aus dem Vorratshaus genommen, um damit seiner todkranken Frau eine nahrhafte Mahlzeit zu kochen. Er war bei diesem Diebstahl beobachtet worden und nun sollte darüber abgestimmt werden, ob Baldur die Dorfgemeinschaft verlassen musste, was seinen sicheren Tod bedeutet hätte, denn ohne die Sicherheit der kleinen Gemeinschaft war man verloren. Diese Versammlung der Dorfbewohner unter der Eiche wurde Thing genannt. Kjeld hatte sich, entgegen der Anweisung seines Vaters, aus dem Haus davongeschlichen und lag nun gut versteckt hinter einem dichten Gestrüpp, um dem Prozess gegen den verzweifelten Mann, der nur seiner kranken Frau helfen wollte, beizuwohnen. Direkt hinter dem Versammlungsplatz des Dorfes begannen die Sümpfe, ein Ort, zu dem sich niemand hinwagte, denn hier waren die Wassergeister und Dämonen zu Hause und ab und zu sah man geheimnisvolle mattgrüne Lichter durch den wabernden Nebel der Sümpfe scheinen, - es waren die verlorenen Seelen, die den Weg aus dem Moor heraus suchten, jedoch nicht fanden. Kein Dorfbewohner würde sich jemals an diesen Ort trauen; zu groß war die Angst, für immer dort bleiben zu müssen. Mörder wurden gebunden und als Strafe für ihre Taten lebendig in das Moor gestoßen, wo sie langsam einsanken und qualvoll starben.
Die Dorfbewohner hatten ein großes Feuer entfacht, das gespenstische Schatten warf und den Versammlungsplatz in ein geheimnisvolles Licht tauchte. Männer und Frauen standen um das Feuer herum und Baldur war an die Eiche angebunden worden, wo er auf den Richterspruch wartete.
Sein Gesichtsausdruck und auch seine Körperhaltung zeigten seine Angst und Ungewissheit, verzweifelt versuchte er, sich vergeblich von seinen Fesseln zu befreien. „Wir müssen hart gegen Baldur vorgehen. Wir sollten ihn aus unserer Gemeinschaft ausschließen, denn er hat gegen unsere Regeln verstoßen!, sprach der Druide des Dorfes zu den um das Feuer versammelten Erwachsenen. Einige der Anwesenden murmelten zustimmend. „Denkt daran, dass Baldur immer ein wichtiges Mitglied unseres Dorfes war, er war für jeden von uns da und hat immer geholfen, wo er nur konnte!
, entgegnete Kjelds Vater Wisgard, der Schmied des Dorfes.
„Bernward, denke nur daran, wie Baldur deine Kuh gerettet hat als sie die Schwierigkeiten bei der Geburt ihres Kalbes hatte. Ohne Baldur wären die Kuh und auch das Kalb verloren gewesen."
Nervös wischte sich der Schmied ein paar letzte, noch nicht durch das warme Feuer geschmolzene Eiskristalle, aus seinem blonden Bart. Kjeld wusste, dass sein Vater einen großen Einfluss auf die Dorfbewohner hatte und sie großen Wert auf seine Meinung legten und so wartete Kjeld aufgeregt auf den Fortgang des Prozesses.
„Lasst uns abstimmen!, sagte der Druide, „jeder von euch hat eine Eichel. Werft sie in den braunen oder weißen Tontopf.
Kjeld sah die zwei Tontöpfe, die über das Leben oder den Tod Baldurs entscheiden sollten, je nachdem wie viele Eicheln am Ende der Abstimmung im jeweiligen Topf lagen. Sollten am Ende mehr Eicheln im weißen Topf sein, würde Baldur das Dorf verlassen müssen und sein Glück in der Fremde suchen. Jeder Dorfbewohner ging zu den Töpfen und warf seine Eichel hinein. Nachdem die letzte hineingeworfen worden war, ging der Druide nach vorne, zählte die Eicheln im jeweiligen Topf und gab dann das Ergebnis der Abstimmung bekannt. „Das Urteil der Dorfbewohner ist eindeutig, Baldur muss die Gemeinschaft verlassen. Wir können hier keinen Dieb gebrauchen!", sagte der Druide zufrieden. Er hatte sein Ziel erreicht. Baldur wurde losgebunden, man gab ihm Wasser und Proviant für drei Tage und schickte ihn anschließend in die Dunkelheit hinaus. Niemand sagte etwas, auch Kjelds Vater Wisgard schwieg betroffen, denn das Urteil war für alle bindend.
Kjeld kroch rasch aus dem Gebüsch heraus, um schnell nach Hause zu eilen, denn er wollte noch vor seinem Vater das Langhaus erreicht haben. Auf einmal schob sich eine dunkle Wolke vor den Mond, - es wurde plötzlich stockdunkel und Kjeld verlor jegliche Orientierung. Er lief desorientiert in eine andere Richtung, entfernte sich dabei vom Dorf, direkt auf die Sümpfe zu. Der Schnee knirschte unter seinen Füßen und in dem Glauben, bald das Dorf erreicht zu haben, beschleunigte Kjeld seine Schritte. Er fror und eine unheimliche Angst machte ihm das Atmen schwer. Da gab plötzlich der Schnee unter seinen Füßen nach und Kjeld brach bis zu den Knien in eine dunkle, klebrige Masse ein, die ihn langsam immer tiefer zog. „Vater, bitte hilf mir, ich bin in den Sumpf eingebrochen!", schrie der verzweifelte Junge. Aber niemand war in der Nähe, der ihn hätte hören können. Kjeld sah in der Ferne gespenstische grünliche Lichter über das Moor huschen, der Nebel kroch langsam an ihm hoch und hüllte seinen Körper in einen kalten, feuchten Umhang. Immer tiefer sank er ein, es war, als würden zwei starke Arme an seinen Füßen ziehen. Verzweifelt versuchte der Junge sich zu befreien, aber seine Bewegungen ließen ihn immer schneller sinken. Als das kalte, modrig riechende Wasser über im zusammenschlug, wusste Kjeld, dass er für immer im Reich der Nixen und Walküren verloren war.
2. Kapitel
Ugerit, der Hohepriester des Baal
Ugerit stand vor dem bronzenen Spiegel und betrachtete seinen kahlen Schädel.
Sorgfältig zog er mit schwarzem Kajal seine Augenlider nach, sein feistes Gesicht machte im flackernden Licht des kleinen Öllichtes einen furchterregenden, unheimlichen Eindruck. Sein Körper war massig und wirkte im schwachen Schein des Öllichtes dick und aufgedunsen, was durch die blasse Farbe seiner Haut noch hervorgehoben wurde. Er war ein hässlicher Mann, weich und schwammig, der dennoch über enorme Körperkräfte verfügte. Zufrieden betrachtete Ugarit sein Spiegelbild und hängte eine Bernsteinkette um, an deren Ende ein großes, herzförmiges Stück Bernstein hing, in dem ein Insekt eingeschlossen war. Jene besondere Art von veredeltem Baumharz wurde „Tränen der Götter genannt und Ugerit fand, dass die Kette der passende Schmuck für diesen besonderen Abend war. Es war der Abend, an dem er seinen Anhängern eine ganz besondere Botschaft zu überbringen hatte, die Botschaft, auf die er sein Leben lang gewartet hatte und die ihn zum mächtigsten Mann der Stadt, vielleicht sogar zum mächtigsten Mann des Reiches machen sollte. Sorgfältig setzte er die Krone des Harthors auf und zog seinen mit Sternen bestickten Mantel an, der seine Nacktheit nur unzureichend bedeckte. „Meister, komme in den Thronsaal, deine Anhänger erwarten dich!
, sagte der Diener zu Ugerit. Der kleine rattenköpfige Mann, der seinem Meister schon viele Jahre treu ergeben war, verbeugte sich tief vor Ugerit und öffnete ihm demütig die Tür. Der Hohepriester betrat den geheimen Versammlungsraum, der durch große Ölfeuer beleuchtet wurde, die dunkle Schatten an die Wände warfen. Die Fenster waren mit Vorhängen abgedunkelt und in der Mitte des mit Steinplatten ausgelegten Raumes stand ein großer Altar. Dieser Altar bestand aus schwarzem Granit, den man als großen, zusammenhängenden Block aus einem Steinbruch gebrochen hatte. Man hatte ihn grob zurechtgeschlagen und bearbeitet, jetzt stand er hier und wurde als Opferaltar genutzt. Auf ihm standen zwei Wachskerzen, welche die Abflussrinne beleuchteten, die für das Abfließen des Blutes der geopferten Tiere in den Block geschlagen worden war. Auf dem Altar blökte ängstlich ein kleines, angebundenes Lämmchen, das kaum älter als vier Wochen war. Dieses Tier sollte heute dem Gott dieser Gemeinschaft, Baal, geopfert werden. Langsam und hoheitsvoll schritt Ugerit auf den Altar zu, seine Anhänger begleiteten seinen Einzug mit einem leisen Singen, das immer lauter wurde und seinen Höhepunkt erreichte, als Ugerit die letzte Stufe zum Altar betreten hatte. „Freunde, in den nächsten Wochen wird in dieser Stadt ein Mädchen geboren werden, es wird die Tochter eines großen Feldherrn sein. Ich werde das Kind entführen und unserem Gott Baal opfern, der durch den Tod des Kindes auferstehen und uns für unsere Treue zu den mächtigsten Menschen des Reiches werden lässt!, hallte seine Stimme laut und kraftvoll durch den geheimen Raum. „Es wird ein neues Zeitalter beginnen, das Zeitalter des Baal!
Lauter Jubel unterbrach ihn, denn schon viele Jahre warteten seine Anhänger auf die Menschwerdung ihres Gottes. Langsam nahm der Priester ein langes Bronzemesser, das mit merkwürdigen Verzierungen geschmückt war, vom Altar. Er hob es ehrfurchtsvoll mit beiden Händen in die Höhe und rief: „Heiliger Baal, segne dieses Messer und wohne der Zeremonie deiner demütigen Jünger bei. Komme in unsere Mitte!" Dann tötete er mit einem schnellen kurzen Schnitt das kleine Lämmlein. Langsam floss das Blut des jungen Schafes die Rinne hinab und sammelte sich an deren Ende in einem kleinen Tontopf. Alle anwesenden Jünger Baals fielen ergriffen auf die Knie und berührten mit ihrer Stirn den Boden. Mittlerweile war der kleine tönerne Topf voller Blut des getöteten Tieres. Ugerit nahm ihn hoch, kniete sich noch einmal vor den Altar und hob den Topf mit beiden Händen an den Mund und trank begierig einen großen Schluck des Blutes. Anschließend wurde der Topf von Hand zu Hand weitergereicht. Jeder Jünger nahm einen großen Schluck und legte sich anschließend auf den Bauch, ehrfürchtig auf den Segen Baals wartend.
Dort lagen die Männer und Frauen und warteten schweigend, ekstatisch und voller Freude auf die Zukunft und das Ende der Zeremonie, um anschließend in ihr normales alltägliches Leben zurückzukehren. Niemand von ihnen bemerkte den kleinen Schatten, der still und heimlich zur Tür hinaushuschte. Und auch der neugierige Beobachter hatte in seiner Aufregung nicht gemerkt, dass er einen Teil seiner Kleidung verloren hatte.
3. Kapitel
Eine besondere Begegnung
Immer tiefer wurde Kjeld herabgezogen, er hatte vollkommen die Orientierung verloren. Aber das Moor fühlte sich seltsamerweise gar nicht mehr feucht und modrig an, es erschien Kjeld so, als hätte es seine Konsistenz verändert und es umhüllte ihn jetzt wie ein weicher Stoff, der ihn schützte und seinen Sturz in das Reich der Nixen und Walküren möglichst sanft abfedern sollte. Langsam nahm der Sog ab, Kjeld hatte den Grund erreicht. Erstaunt schaute sich der Junge um. Eine weite Höhle öffnete sich vor ihm, dieses war nicht das feuchte, kalte Grab, das er erwartet hatte. Die Höhle war schwach erleuchtet - ein rotes, wärmendes Licht breitete sich wohltuend aus. Wo war Kjeld gelandet? War dieser Ort das sagenhafte Walhall, von dem ihm seine Großmutter so oft erzählt hatte? War dies der Ort, an dem die sagenhaften Walküren zu Hause waren? Am Ende der Höhle erschien ein weißes, strahlendes Licht, das sich zu einer Person manifestierte, die aber nicht Angst einflößend und grausam wirkte, sondern eine freundliche, liebevolle Aura um sich herum verbreitete. Langsam trat aus dem Licht eine Person heraus, die Kjeld sofort erkannte. Es war seine Großmutter Adelgard, die im letzten Herbst nach einer schweren Krankheit gestorben war. Kjeld hatte seine Großmutter sehr geliebt, sie hatte Kjeld an den langen Winterabenden alles über Wotan, den mächtigen Gott der Germanen, der stets in Begleitung seiner zwei Raben Hugin und Munin war, erzählt. Adelgard hatte als junges Mädchen lange Zeit bei einem reichen, römischen Händler gearbeitet, sie hatte viel von der Welt gesehen und war eine kluge, gebildete Frau gewesen. Sie hatte Kjeld sogar Vulgärlatein beigebracht, das Latein, das auch in Rom und in den besetzten Gebieten gesprochen wurde und zur damaligen Zeit eine Sprache war, mit der man sich in der damals bekannten Welt überall verständigen konnte. „Kjeld, hab keine Angst, sei nicht voller Furcht, du bist hier in Sicherheit, ich achte auf dich. „Großmutter, wo bin ich hier, ich habe dich doch zu Grabe getragen, wo bin ich hier?
„Du bist in einem Zwischenreich, in der Sphäre zwischen den Lebenden und den Toten, du bist im Reich Wotans und seiner Walküren, du bist in Ragnarök." Ängstlich fragte Kjeld:
„Großmutter, bist du gekommen, um mich mit in das Totenreich zu nehmen, ist mein Leben beendet? „Nein, Kjeld, dein Leben ist noch lange nicht vorbei, ich habe die Aufgabe, dich zu den Lebenden zurückzubringen, du wirst noch viele Jahre auf der Erde haben.
Kjeld wusste, dass er von seiner Großmutter eine ganz besondere Gabe geerbt hatte. Diese Gabe wurde immer von der Großmutter auf den Enkel weitergegeben: Kjeld konnte in die Zukunft sehen. Er hatte unbewusste, plötzliche Visionen, sie kamen sporadisch und unerwartet und verwirrten den Jungen. „Großmutter, bleibe bei mir, nimm mich mit in dein Reich, ich möchte bei dir bleiben!" „Nein, Kjeld,