Ein Schaffhauser auf dem Laugavegur: Mit dem Zelt zwischen Eis und Feuer
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Buchvorschau
Ein Schaffhauser auf dem Laugavegur - Roman Alexander Bolli
Vorwort
Schon zum zweiten Mal fühle ich mich berufen, meine Reiseerfahrung einem grossen Publikum zu präsentieren.
Warum eigentlich Ein Schaffhauser auf...
.
Viele Menschen reisen und gar mancher noch viel weiter, als ich es jemals werde. Auch unter den Schaffhausern. Doch unter selbigen findet man nicht wenige, welche den Rheinfall, unseren Wasserfall wohlgemerkt, als Anfang, Zentrum und Ende des Universums sehen. Nach diesem Wasserfall kommt nichts mehr und wenn doch, dann wollen wir in unserem kleinen Kanton nichts davon wissen. Auch ich war einer von diesen. Und mit dem Gefühl, ein wenig aus diesen Schuhen herausgewachsen zu sein, nehme ich mich mit diesem Titel selbst auf den Arm.
Ihr werdet es wiederholt lesen, ich schreibe keinen Reiseführer.
Die Gefahr, dass der geschätzte Leser aus einer Gletscherspalte gezogen wird, triefend, halb erfroren aber unbeirrt den Finger auf einer Zeile in meinem Buch Aber er hat da geschrieben, dass....
ist mir einfach zu gross. Und nebenbei fehlt mir die Musse, wertvolle Informationen wie die Öffnungszeiten der Öllampenmanufaktur in der Winkelgasse zu recherchieren um ein vollumfängliches Informationswerk zu schaffen.
Euch lockt das Trekking auf dem Laugavegur, dann habt ihr ein unterhaltsames, wertvolles Nachschlagewerk zur Hand. Ihr wollt einfach eine hübsche Reiseerzählung lesen, dann ertappt ihr euch nach der letzten Seite dabei, wie ihr 'Trekkingzelt Shop' googelt. So meine Erfahrung nach Ein Schaffhauser auf dem West Highland Way
(ISBN: 9783738042405), als mir Leser schrieben, sie würden den WHW nun in Angriff nehmen, oder gar nach dem Lesen meines Buches nochmals gehen.
Für zusätzliche Infos schreibt mir, ebenso, wenn ihr die Daten für Euer GPS oder einfach zum virtuellen Reisen auf Google Earth wünscht.
In diesem Sinne wünsche ich Euch, geschätzte Leserinnen und Leser, liebe Trekkingfreunde, viel Spass.
Vor der Reise
Und dieses Mal sollte alles anders werden.
Island war das Ziel. Bevor es populär wurde, mit erhobenem Zeigefinger. Es lag mir sehr daran, mich und das komplette Umfeld wiederholt darauf hinzuweisen. Bin doch nicht Mainstream. Im Zuge der europäischen Fussballmeisterschaft wurde das Interesse der Festlandbewohner an den Nachkommen der Wikinger geweckt.
Böse, witzige, Zungen behaupteten, die Nationalmannschaft trainiere auf dem Parkplatz eines regionalen Supermarktes. Abends, weil da keine Autos stehen und die Spieler tagsüber während der drei Sonnenstunden ihrem regulären Job nachgehen. Also dem Fischen und fahren des Touristenbusses. Sie spielen auf ein Tor mit halben Mannschaften. Weil da eben nur ein Tor steht und sie keine zweiundzwanzig Mann zusammenkriegen. Gut, erstunken und erlogen, vielleicht abgesehen von der Jobsache. Die isländischen Kicker gehen neben dem Fussball wirklich einer vernünftigen Arbeit nach. Nun, als die Isländer sich bis ins Viertelfinale kämpften, spielten sie sich auch in unsere Herzen. Weil sie eben anders spielen. Nicht die Grazie einer portugiesischen Ballerina, eher die Anmut von Eisbären.
Die eine oder andere Gattin, zum Fussballgenuss genötigt, fand gar Gefallen an diesen Wikingern mit Zottelbart. Welch Gegensatz zu Fussballern mit gezupften Augenbrauen und rasierten Waden.
In der Fankurve brunftige Schreie und wuchtiges zusammenschlagen imaginärer Streithämmer
Nun denn, in Island wurde jedes Hotelbett doppelt gebucht, jeder wollte plötzlich auf dieses wilde Eiland zwischen Arktischem Ozean und Nordatlantik. Ohne wirklich zu wissen, warum denn eigentlich.
Mein Beweggrund war in erster Linie der Norden. Dann trifft die Schuld noch ein wenig Walter Mitty, respektive, die Verfilmung von 'The Secret Life of Walter Mitty' warum ich Island in Betracht zog.
Rekognoszieren, wenn man so will, ich arbeite daran, als erster europäischer Klimaflüchtling im Umfeld des Polarkreises um Asyl zu bitten.
Schweden war in der engeren Auswahl. Bis ich feststellte, dass ich Ausgangs Flughafen einen Bus besteigen würde und beim Verlassen desselbigen schon die Hälfte des Urlaubs durch hätte. Island wirkte eine Idee kompakter, im speziellen bezüglich meines ausgewählten Trekkingpfades.
Die Würfel waren gefallen, ich würde den Laugavegur gehen. Den gefährlichsten Trekkingpfad der Welt, wenn man dem Trekkingführer und Internetblogs glauben möchte. Führende Internetblogs, wenn man die Google-Suche als Massstab nehmen möchte. Im Zweijahresrhythmus segelt ein Wanderfreund in eine Gletscherspalte, verläuft sich im Nebel, gart sich selber in einer heissen Quelle oder ersäuft ganz unspektakulär. Dies ist ungünstig für die Insel. Wenn man nur drei Monate im Jahr Touristen melken kann, setzt man natürlich darauf, diese Kuh nicht vorzeitig zum Schlachter zu führen. Deswegen geben die Isländer einige Verhaltensregeln aus.
Darauf werden wir im Verlauf dieses Buches noch stossen.
Der treue Leser stellt fest, im Gegenzug zu meiner letzten Trekkingtour setzte ich mich bereits im Vorfeld intensiver mit dem Vorhaben auseinander.
Siehe 'Ein Schaffhauser auf dem West Highland Way', als ich mir meine Sporen abverdiente.
Mit eines der grossen Probleme bei den Schotten war meine überdimensionierte Packung. Nicht nur deren ausladendes Volumen, insbesondere das Gewicht brachte meine Schultern an den Anschlag.
Ich entschloss mich beim Zelt den Hebel anzusetzen. Nicht, dass meine bisherige Behausung unzulänglich gewesen wäre, aber ein neues Zelt geht eigentlich immer. Die Auswahl ist auch zu verführerisch. Gerade im Bereich Leichtgewicht oder gar Ultra-Leichtgewicht wird der belastete Trekkingfreund umgarnt. Eine Behausung mit einem Komplettgewicht von weniger als einem Kilo. Dies muss man sich einmal vorstellen. Ein Zelt mit Gestänge, Heringe und Tüte wiegt weniger als eine vernünftige Packung Speiseeis.
Während man beim Elektro-Discounter ums Eck ein kleines Igluzelt als Gimmick zum Six-Pack Bier erhält - welches wiederum ein Goodie für den USB-Stick ist, man muss den Schein des Unterhaltungselektronik-Spezialisten wahren -, bezahlt man beim Outdoorhändler bei vollem Bewusstsein weniger für mehr. Da kratzt man schnell am Bereich der vierstelligen Summen.
Wie immer halte ich nicht mit der Angabe von Herstellern zurück. Wohl werde ich nicht gesponsert, obwohl Salewa ob meiner Fotos ausserordentlich entzückt war und ich kann nun weniges weniger gut als fotografieren, aber es erleichtert dem enthusiastischen Nachahmer bei der Erstellung seiner Packung. Es ist ja nicht auszuschliessen, dass einer eins zu eins in meinen Stapfen gehen will. So gross sind die Schuhe nicht.
Nordisk, die Marke mit dem Eisbären im Logo, machte das Rennen. Mein bevorzugter Hersteller, Salewa, hatte gerade nichts neues im Angebot und mit den Dänen machte ich bisher gute Erfahrungen. Der Unterschied von Ultra-Light zu Light betrug knapp 200 Gramm, die Gewichtsersparung würde mit Carbonstangen anstelle der Aluminium-Stützen erreicht werden. Die Reduktion liess sich Nordisk im Gegenzug in Gold aufwiegen, weswegen ich eine überraschende Vernunft an den Tag legte und mich für die Leicht-Variante entschied.
Eine Konstruktion muss als Ganzes bestehen, daher ist das Tunnelzelt auf Heringe angewiesen, welche solide abgespannt werden wollen. Dies geht schon in Ordnung. An und für sich. Bis ich auf die Zeilen in meinem Reiseführer stiess, welche darauf hinwiesen, dass aufgrund des Untergrundes der Zeltaufbau bisweilen etwas Improvisationsgeschick erfordert. In solide Lava kriegt man Heringe schlecht eingerammt und aus Aschehaufen gleiten die Erdnägel wieder raus, kaum lässt man die Zeltschnur aus den Fingern.
Selbstverständlich gewann ich diese Erkenntnis erst, als mein Postbote mit der Handvoll Zelt bereits um die Ecke bog.
Nun, musste eben mein bisheriges Zelt hinhalten. Die üblichen 2,3 Kilogramm.
Ich wandte mich einem neuen Thema zu.
Trekkingfreunde, welche bisweilen das Flugzeug als Transportmittel nutzen, kennen das Problem. Eine Packung Streichhölzer oder ein Feuerzeug sind geduldet, sofern man diese im Handgepäck und nicht im aufgegebenen Rucksack befördert. Nur kriegt man mit einem Feuerzeug keine Tasse Kaffee warm, weswegen man einen Brenner mitführt, welcher seinerseits nach einem gewissen Brennstoff dürstet.
Man kann sich in der Abflug- und oder Ankunftshalle mit Chanel Nummer 5 oder einem kleinen Eimer M&Ms ausrüsten, doch kein bekannter Zielflughafen, bestätigten mir erfahrene Rucksack-Reisende, bietet Outdoor-Artikel feil.
Nun suche man einmal am Sonntag Abend eine Gasflasche. Auch wenn man sich in der grössten Stadt Islands befindet, auch hier schliessen die Outdoorläden irgendwann. Ist ja auch in Ordnung.
Meine Lösung, Benzin. Benzin kriegt man schliesslich überall. Im Extremfall springt ein Schlauch und ein Pfefferminzbonbon in die Bresche.
Der amerikanische Hersteller MSR ist ein Garant für Qualität und bietet tolle Artikel feil. Je nach Ausführung kann man den Brenner mit Diesel betreiben, oder in meiner Ausführung, mit Autobenzin, Reinbenzin und, nach einem Tausch der mitgelieferten Düse, mit Kerosin. Bevor ihr nun mit Schlauch und Pfefferminzbonbon unter die Flugzeugtragflächen krabbelt, unter dem Begriff Kerosin wird in anderen Ländern Petroleum vertrieben.
Die Benutzung eines Benzinkochers will geübt werden. Nicht zuletzt vermitteln die unzähligen Warnhinweise das Gefühl, man hantiere mit waffenfähigem Plutonium.
Zwei Wochen vor Abreise entschloss ich mich, den Rucksack zu ersetzen. Eine Luxusentscheidung, wenn man so will. Es ergab sich, dass ich kürzlich in militärischer Funktion einen Rucksack in siebzig Liter-Ausführung der Schweizer Marke Mammut tragen musste. Durfte. Im Grundsatz patriotisch bis in die Zehenspitzen, verweigere