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Tante Daffis Haus: Die weiße Wölfin
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Tante Daffis Haus: Die weiße Wölfin
eBook269 Seiten3 Stunden

Tante Daffis Haus: Die weiße Wölfin

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Über dieses E-Book

Der vierte Teil der Tante-Daffis-Haus-Reihe! Der einzige Grund, warum Jolie existiert, ist, dass sie einmal den Werwolfkönig heiraten soll. Als der Termin ihrer Hochzeit schließlich näher rückt, haut sie kurzerhand von Zuhause ab - immerhin möchte sie in ihrem Leben noch etwas erleben, bevor sie einen Mann heiratet, den sie gar nicht kennt! Als sie das Reich ihrer Eltern verlässt, landet sie in einer ihr völlig fremden Welt - und schreibt sich dort prompt unter falschem Namen an einer Universität ein. Dort lernt sie unter anderem Felix kennen - und stellt plötzlich alles, was sie bisher zu wissen glaubte, in Frage.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum25. März 2020
ISBN9783750229464
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    Buchvorschau

    Tante Daffis Haus - Hannah Opitz

    Eine widerspänstige Braut

    „Nein! Ich will ihn nicht heiraten! Nicht so früh! Nicht jetzt", rief sie. Sie war etwa 1,65 groß, hatte lange, hellblonde Haare, azurblaue Augen, einen blassen Teint. Sie trug ihre Haare offen. Ihren Kopf schmückte ein silbernes Diadem, mit blauen Saphiren besetzt, ihr Kleid war aus blauem Tüll und mit prachtvoller, silberner Stickerei verziert.

    Sie befanden sich in ihrem Zimmer, sie saß auf ihrem Himmelbett, die vollen, roten Lippen schmollend zusammengepresst. Das Zimmer befand sich oben in einem Turm, mit Aussicht fast über das ganze Land, in dem sie lebte. Bei ihr war ein Mann, er hatte ebenfalls blonde Haare, aber braune Augen und setzte sich nun besänftigend zu ihr.

    „Na, nun ist aber gut, meinte er sanft und legte seinen Arm um sie, „woher kommt denn diese plötzliche Trotzphase? Du konntest es doch sonst auch nicht erwarten, ihn endlich kennenzulernen und zu heiraten!

    „Ja, weil es nun mal das Einzige war, womit ich mich beschäftigt habe. Ihr habt mich gut vorbereitet, um Königin zu werden und meinen künftigen Gemahl zu lieben, auch, wenn ich ihn nicht kenne. Aber ich sage ja auch gar nicht, dass ich das nicht will. Es ist nur so, dass ich in meinem Leben bisher so wenig getan habe. Ich habe so wenig von der Welt gesehen. Und nun soll ich heiraten? Einfach so?", erwiderte sie und sah ihn wehmütig an.

    „Aber mein Kind, du weißt doch, dass der einzige Grund, dass du auf dieser Welt bist, der ist, dass", weiter kam er nicht.

    „Dass der künftige König kein Muttermal hat und es somit an der Zeit ist, die Linien wieder miteinander zu vermischen. Ich weiß", seufzte sie und ließ sich nach hinten fallen.

    „Siehst du. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erfreut deine Mutter und ich damals waren, als wir die Nachricht bekamen, noch ein zweites Kind bekommen zu dürfen. Außerdem ist es noch gut ein Dreivierteljahr, bis du achtzehn bist", meinte er und lächelte sie liebevoll an.

    „Ja, ich weiß. Aber woher soll ich wissen, dass ich glücklich sein werde? Was, wenn wir uns nicht lieben?", erwiderte sie und sah ihn traurig an.

    „Ach, mein Kind, das kommt schon noch", erwiderte er abwinkend.

    „Ja, ich weiß. Spätestens dann, wenn ich ein Kind von ihm erwarte, sagte sie. Sie schauderte leicht. „Was ja nicht heißt, dass ich auch glücklich werde, warf sie dann ein, „ich finde das überhaupt unfair – Mutter durfte sich doch auch aussuchen, wen sie heiratet! Ich nicht. Ihr beide habt euch ja vorher schon geliebt, ihr seid glücklich. Aber bedenke doch, was mit Tante Luna passiert ist! Was, wenn er genauso ist? Genauso, wie ihr Mann?"

    Ihr Vater überlegte. „Das wäre in der Tat nicht schön. Aber nur, weil er genauso heißt, wie er, muss das ja noch längst nicht heißen, dass er auch genauso ist, wie er", meinte er langsam.

    „Und woher willst du das wissen? Raginald – wer nennt sein Kind denn bitteschön so? Wieso muss das denn überhaupt ausgerechnet so bald sein? Das mit der Heirat? Hätte das nicht noch ein weiteres Jahr warten können?", fragte sie.

    Ihr Vater lachte. „Lena-Jolie, du weißt genau, dass er bald zum König gekrönt wird! Es ist nun einmal so, dass er dann alsbald heiraten muss. Und das geht eben erst, wenn du achtzehn bist", erklärte er lächelnd.

    „Aber hätten wir nicht auch früher heiraten können? Hättet ihr mich vor einem Jahr gefragt, ich wäre Feuer und Flamme gewesen! Aber jetzt… es gibt noch so viel, was ich erleben möchte! Und nun muss ich gleich nach meinem Geburtstag heiraten und ein Kind bekommen. Mir gefällt das ganz und gar nicht! Was, wenn er mich nicht mag?", sagte sie trotzig.

    „Ach, mein Kind, sagte er lächelnd und nahm sie wieder in den Arm, „du bist das schönste Mädchen im ganzen Land, er wäre dumm, wenn er dich nicht jeder anderen vorziehen würde!

    Sie seufzte. „Sag, Vater, möchtest du mir nicht noch ein wenig von dieser Universität erzählen? Das klang alles so spannend!", meinte sie. In ihrem Blick lag große Begeisterung und ein gewisser Durst nach Abenteuer.

    Ihr Vater lachte. „Nun gut. Also"

    „Vater!", rief jemand und riss die Flügeltüren zu Lena-Jolies Zimmer auf.

    „Louise, was gibt es?", fragte ihr Vater.

    Louise war völlig anders gekleidet als ihre Schwester. Sie trug Männerkleider, wenn auch edle, aber eigentlich gehörte es sich für eine Prinzessin nicht, so herumzurennen. Die Hosen waren aus dunkelbraunem Leder, und der Wamst aus blauem Stoff. Sie trug einen dazu passenden Hut, an dem eine Feder steckte. Aber ansonsten war die Ähnlichkeit der beiden Schwestern nicht zu verkennen, sie hätten fast Zwillinge sein können, auch, wenn Lena-Jolie wohl die hübschere der beiden war.

    Louise hatte fast schon mannhafte Gesichtszüge und wenn man den Gerüchten Glauben schenkte, dann war sie auch mannhafter als alle Wölfe im Reich. Sie war die beste Fechterin, die schnellste Reiterin und die beste Strategin.

    „Vater, Mutter verlangt nach dir, sie benötigt deinen Rat in einer wichtigen Angelegenheit", verkündete Louise.

    „Ist gut, mein Kind", meinte er zu ihr, gab Lena-Jolie einen Kuss auf die Stirn, streichelte seiner anderen Tochter im Vorbeigehen über die Wange und schloss dann die Türen hinter sich.

    Louises Gesichtszüge lockerten sich und wurden deutlich femininer, als sie ihre Schwester anstrahlte. „Und? Bist du schon aufgeregt, Jolie?", fragte sie und ließ sich zu ihrer Schwester aufs Bett fallen.

    „Ach, ich weiß nicht", murrte Jolie.

    „Na, komm schon! Ich dachte, er wäre dein Traumprinz!", erwiderte Louise und kniff ihrer Schwester in die Wange.

    „Ich weiß nicht. Mutter sagt immer, er würde sehr böse werden, wenn ich nicht gehorche. Was, wenn sie recht hat? Was, wenn er wirklich ein Tyrann ist? Ich habe solche Angst", flüsterte sie leise.

    Ihre Schwester betrachtete sie nachdenklich. „Ja, das verstehe ich, murmelte sie, „was ein Glück, dass ich niemals heiraten muss!

    Jolie bekam einen Lachanfall. „Doch, das musst du!", sagte sie nickend.

    „Ach, was! Wenn ich erst einmal Königin bin, dann schaffe ich alle diese dummen Regeln ab! Was soll ich denn mit einem Mann? Bisher gab es jedenfalls noch keinen, der es mit mir aufnehmen konnte. Und solange das nicht geschieht, werde ich auch nicht heiraten!", erklärte Louise freimütig.

    „Du bist ja verrückt!", behauptete ihre Schwester.

    „Du bist verrückt!", erwiderte Louise und streckte ihr die Zunge raus.

    Jolie begann zu lachen.

    Louise lachte zunächst mit, doch dann wurde sie sehr ernst. „Meine liebste, kleine Schwester, sagte sie leise, „das ist wohl vorerst das letzte Mal, das wir uns sehen.

    „Was? Wieso denn das?", fragte Jolie schockiert.

    Louise seufzte. „Mutter und Vater halten es für besser, wenn ich ein wenig Unterricht nehme, bevor ich zu regieren beginne. Sie schicken mich zum Altkönig."

    „Zum Altkönig?", wiederholte Jolie erstaunt.

    „Ja, sagte Louise nickend, „meine Sachen wurden bereits gepackt, als ich noch auf dem Feld war und gegen diese gemeinen Verstoßenen kämpfte. Ich habe es auch erst vorhin erfahren. Mutter berät sich jetzt noch mit Vater darüber, ob sie wirklich die richtige Entscheidung getroffen hat. Aber ich denke, er findet die Idee fast noch besser als sie.

    Jolie wurde noch blasser, als sie sowieso schon war. Ein Leben ohne ihre Schwester? Das konnte sie sich nicht vorstellen.

    An der Grenze

    Louise war bereits ein halbes Jahr fort, da hatte Jolie einen Plan ausgeheckt. Es waren nur noch wenige Monate bis zu ihrem Geburtstag. Sie hatte sich die Kleidung eines Stallburschens besorgt und sich darin eingekleidet.

    „Prinzessin, ich halte das für keine gute Idee", meinte ihre Zofe gerade, als sie ihre Herrin sorgenvoll betrachtete.

    „Ach, was! Marie, das ist eine prima Idee! Ich habe keine Lust, hier drin zu versauern! Ich will die Welt sehen! Noch heute werde ich zu der alten Hexe am Waldesrand gehen. Sie kann mir bestimmt helfen", meinte Jolie abwinkend.

    „Aber was, wenn Ihr den Verstoßenen begegnet? Was, wenn sie Euch gefangen nehmen? Oder Schlimmeres?", fragte Marie angsterfüllt.

    „Ach, was! Ich bin alt genug, um mich zu wehren!, erwiderte Jolie und nahm sich ihren kleinen Proviantbeutel, „Außerdem erkennt mich in diesem Aufzug sowieso niemand. Und wenn ich erst bei der Hexe war, dann sowieso nicht. Keine Sorge, ich werde pünktlich zur Hochzeit wieder da sein. Es ist nur so, dass ich einfach das Gefühl habe, etwas zu verpassen, wenn ich nicht einmal raus gehe und die Welt erkunde! Und jetzt, da meine Schwester nicht mehr da ist, ist es sowieso so langweilig. Ich werde schon gut auf mich aufpassen. Und denk daran – du musst bis heute Abend so tun, als sei ich in meinem Zimmer, verstanden?

    Ihre Zofe nickte. „Aber Ihr werdet doch gewiss von Zeit zu Zeit ein Knallhuhn schicken, oder?", fragte sie dann noch schnell, bevor Jolie sich auf den Weg machte.

    Jolie überlegte kurz. „Vielleicht. Nur, damit Mutter und Vater wissen, dass es mir gut geht. Auf Wiedersehen, Marie, au revoir!", meinte sie noch zum Abschied. Dann lief sie leise die Treppe des Turms hinunter.

    Nun musste sie sich nur noch über den Hof schleichen. Tatsächlich gelang es ihr, ohne, dass jemand Notiz von ihr nahm. Am Tor achtete auch niemand auf sie – und schon war sie draußen.

    Kurz nach der Burgmauer blieb sie stehen und amtete die Luft ein. „Endlich frei!", dachte sie glücklich und lief los. Ihr Gang war leicht und federnd, sie summte ein wenig vor sich hin.

    Zur alten Hexe war es recht weit, sie lebte in einem alten, etwas heruntergekommenen Haus, welches sich so weit, wie es nur ging, von der Burg entfernt befand.

    Jolie brauchte fast einen ganzen Tag, bis sie da war, da ihr das Risiko zu groß war, sich zu verwandeln, sonst hätte man sie gewiss erkannt.

    So kam es, dass es bereits der Morgen des nächsten Tages war, als sie bei der alten Hexe ankam.

    Nervös klopfte sie an die Tür.

    Die alte Frau öffnete. „Ah, Ihr seid es, ja, ich habe mit Euch gerechnet. Kommt doch rein!", begrüßte die Alte sie.

    Lächelnd trat Jolie ein.

    „Was kann ich für Euch tun, Hoheit?", fragte die alte Hexe, als sie einen Tee gekocht hatte und sie sich gegenüber in zwei alte, verstaubte Lehnsessel gesetzt hatten.

    Jolie brauchte nicht lange zu überlegen. „Ich möchte eine Hexe sein! So, wie Ihr es seid!", sagte sie sofort.

    Die Alte lachte. „Aber mein Kind, du weißt doch, dass ich keine Hexe bin!, meinte sie, „Hexen werden in diesem Land doch noch immer auf dem Scheiterhaufen verbrannt, das weißt du doch!

    Jolie schwieg. „Ich möchte nicht hier, in diesem Lande, bleiben", sagte sie schließlich.

    „Aber wieso denn nicht? Ihr habt doch ein wunderbares Leben dort oben auf dem Schloss! Keine Sorgen, keine Mühen. Ihr seid so schön, vermutlich würde jedes Geschöpf auf dieser Erde etwas ohne Gegenleistung für Euch erledigen, selbst, wenn Ihr nicht die Tochter der Königin wärt", meinte die Alte nachdenklich.

    „Aber das ist es ja! Ich bin es leid, schön zu sein! Lieber wäre ich hässlich. Eine hässliche, alte Hexe, ja, das will ich sein!", meinte Jolie entschlossen.

    Die Alte grinste. „Hm, hm. Mal überlegen", sagte sie. Ihre Stimme knarzte etwas. Sie kratzte sich am Kinn. Ihr Gesicht war mit fetten Leberflecken übersät und aus jedem einzelnen sprossen ein paar Haare. Die Finger waren alt und knochig. Ihre Haare waren wild zerzaust, als hätte sie sie in den letzten hundert Jahren nicht ein einziges Mal gekämmt.

    „Nun, meinte sie schließlich, „ich denke, die Sache mit der Hässlichkeit ließe sich machen. Das mit der Hexe vielleicht sogar auch – aber alt, das wage ich nicht. Denn dann müsste ich dir Lebensenergie absaugen und das wäre nun wirklich nicht recht. Aber sei gewarnt! Der Trank, den ich dir geben werde, er wird lediglich 24 Stunden anhalten! Wenn du ihn dann nicht spätestens wieder einnimmst, wirst du wieder genauso sein wie zuvor – verstanden?

    Jolie nickte eifrig.

    „Hässlich will sie sein, murrte die Alte kopfschüttelnd, während sie die Zutaten für den Trank zusammensuchte, „dabei kommen die Leute sonst immer zu mir, weil sie schöner sein wollen. Naja. Dann brauen wir ihr mal was Schönes zusammen. Ach nein, hässlich will sie ja sein. Hässlich!

    Jolie sah sich derweil ein wenig um. „Wisst Ihr, sagte sie, als sie die Sachen der alten Hexe begutachtete, „ich hatte in den letzten Jahren sehr viel Zeit. In einem goldenen Käfig zu leben hat auch seine Vorteile. Ich habe alle Bücher in unserer Bibliothek gelesen. Das sind nicht gerade wenige. Und nachdem ich die alle gelesen habe, habe ich den Kamin benutzt, um – na, sagen wir einfach, ich habe noch mehr Bücher gelesen als die in unserer Bibliothek.

    Die Alte hörte ihr gar nicht zu. „Wie lange willst du denn hässlich bleiben?", fragte sie.

    „Bis zu meiner Hochzeit, natürlich!", erwiderte Jolie.

    „Ah ja, heiraten will sie also. Pah! Hässlich will sie sein! Sonst wollen alle immer hübsch sein. Naja, es will halt jeder haben, was er nicht hat!", murrte die Alte wieder vor sich hin.

    Jolie seufzte und setzte sich wieder in einen der beiden Sessel. „Braucht Ihr noch lange? Ich will nicht, dass man mich findet!", erklärte sie nervös.

    „Ja, ja. Schon fertig, meinte die Alte, „komm her!

    Neugierig trat Jolie neben die Alte an den Kessel.

    „Also, begann die Alte zu erklären, „ich werde dir jetzt gleich einen Schluck geben, um zu sehen, ob es funktioniert. Wenn alles klappt, fülle ich dir den Rest in kleine Flaschen. Sollte das Zeug knapp werden, kannst du es einfach mit Wasser verdünnen. Die Wirkung bleibt dieselbe. Natürlich geht das nicht grenzenlos, aber so ein paar Mal sollte es schon funktionieren. Den nächsten Schluck nimmst du am besten heute Abend, vor dem Schlafengehen. So, jetzt wollen wir mal testen, ob es funktioniert!

    Jolie nahm begierig einen Schluck. Der Trank brannte ihr im Rachen wie eine rohe, scharfe Chilischote. Sie hustete und prustete und bekam kaum Luft. Sie spürte, wie sich ihre Haut zu verändern begann, es zog entsetzlich an ihren Knochen. Ihr Rücken krümmte sich ein wenig und ihre Augen schmerzten fürchterlich. Alles wurde unscharf und für einen kurzen Moment verlor sie das Bewusstsein.

    „War ein bisschen stark das Zeug, was?", meinte die Alte, als sie wieder erwachte.

    „Hm?", machte Jolie und richtete sich auf. Sie war wohl umgekippt. Alles drehte sich noch.

    „Möchtest du dich ansehen, oder denkst du, es wird ein zu großer Schock sein?", fragte die Alte.

    „Ich möchte mich sehen!", sagte Jolie sofort und sprang auf.

    „Nun gut", meinte die Alte und hielt ihr vorsichtig einen Spiegel hin.

    Jolie nahm ihn und schaute sich an. Vor Schreck hätte sie den Spiegel fast fallen gelassen. Ihre Haut sprießte nur so von Pickeln, sie war gänzlich gerötet. Ihre Zähne waren schief, nicht mehr gerade, außerdem leicht gelblich. Ihre Augenfarbe war nun nicht mehr blau, sondern braun. Und ihre Haare – ihre Haare waren feuerrot und leicht gekräuselt. Ihre Augenbrauen waren buschiger als zuvor und ebenfalls feuerrot. Das Einzige, was gleich geblieben war, waren ihre Nase und ihr Mund.

    „Und? Bereust du es schon?", fragte die Alte.

    Jolie schüttelte den Kopf. „Nein, flüsterte sie. Dann sah sie sie mit vor Freude glänzenden Augen an. „Danke!, sagte sie und umarmte die völlig überraschte Alte.

    „Na, ist ja schon gut. Aber pass auf dich auf, ja? Nun wird dein Leben nicht mehr so einfach sein. Du solltest das Zeug nur verdünnt einnehmen, dann haut es dich nicht noch einmal um. Wo willst du denn jetzt eigentlich hin?", wurde die Alte nun doch ein wenig neugierig.

    „Ach, ich weiß nicht. Vielleicht gehe ich in den Wald, immer der Nase nach, bis ich unser Reich verlassen habe", meinte Jolie nachdenklich.

    „Hm. Dann wirst du das hier brauchen", meinte die Alte und überreichte ihr ein Bündel.

    „Was ist das?", fragte Jolie, als sie das Bündel annahm.

    „Das sind Kleider. Aus der Welt, die du betreten willst. Es wird aber nicht so einfach sein, dorthin zu gelangen. Aber das wirst du schon rausfinden, du bist ja ein kluges Mädchen. Nun leb wohl und pass auf dich auf!", meinte die Alte, ein wenig wehleidig lächelnd.

    „Das werde ich schon, versprochen!", rief Jolie und winkte ihr noch zu. Dann ging sie ihrer Wege.

    Sie war noch nicht weit in den Wald hineingelaufen, da hatte sie so ein seltsames Gefühl. Es war ihr, als hörte sie etwas. Ein Rascheln. Oder ein Knistern. Immer wieder sah sie sich um. Aber da war nichts. Oder doch? Sie war sich nicht sicher.

    Dann – auf einmal hörte sie etwas. Ein Knurren. Sie drehte sich um. Mit einem Mal kamen aus dem Dickicht ganze zehn Wölfe auf sie zugesprungen. Vielleicht waren es auch mehr. Panisch drehte sie sich im Kreis.

    „Mh, was haben wir denn hier?", fragte einer der Wölfe, vermutlich der Anführer.

    „Das riecht nach einem Mädchen", schlug einer der anderen Wölfe vor.

    „Das weiß ich doch, du Dummkopf! Ein kleines, wehrloses Mädchen. Ach, wie süß! Mh, sie duftet gut, findet ihr nicht auch? Ich freue mich schon darauf, aus ihrer Kehle Blut zu lecken!", sagte er und leckte sich die Schnauze.

    Jolie sah ihn erstarrt an. Sie wusste, was das für Wölfe waren. Sie gehörten zu den Verstoßenen. Der Wolf setzte zum Sprung an. Jolie schrie und machte sich, in dem Moment, da er sprang, ganz klein. Er sprang über sie drüber. Dort, wo er gestanden hatte, war nun Platz.

    Jolie erkannte ihre Chance sofort und begann zu rennen. Die Wölfe brauchten einen Moment, um zu verstehen, was geschah, aber dann rannten sie ihr nach. Jolie konnte in ihrer Menschengestalt sehr schnell rennen, auch in dieser neuen. Aber die Wölfe waren schneller, das wusste sie. Sie rannte blindlings drauf los, wusste nicht, wohin, nur vor den Wölfen davon.

    Dann stolperte sie über eine Baumwurzel. Sie drehte sich auf den Rücken und erblickte den Anführer, wie er zum Sprung ansetzte. Ihr Herz klopfte. Sie wollte sich verwandeln, aber – sie konnte nicht. Wieso nicht? Wieso? Es musste an dem Trank liegen, wurde ihr bewusst. Vielleicht sollte sie hexen? Aber wie? Sie hatte es nie gelernt.

    Doch gerade, als der Wolf losgesprungen war, kam ein anderer Wolf, den Jolie vorher nicht bemerkt hatte, wie aus dem Nichts herbeigesprungen und riss ihn noch in der Luft aus der Flugbahn. Knurrend stürzte er sich auf ihn und biss ihm die Kehle durch. Das Blut des Angreifers tropfte ihm noch vom Maul, als er sich den anderen Wölfen, die sich nun um ihn statt um sie scherten, zu. Es war ein grausiges Blutbad, dass er mit ihnen anrichtete. Fast schien es, als kannte er nur das Töten, so zerbiss er sie. Selbst den Flüchtenden

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