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Das Erbe der Väter: Ein Deutsches Nachkriegsschiksal vom Mauerbau bis heute
Das Erbe der Väter: Ein Deutsches Nachkriegsschiksal vom Mauerbau bis heute
Das Erbe der Väter: Ein Deutsches Nachkriegsschiksal vom Mauerbau bis heute
eBook370 Seiten5 Stunden

Das Erbe der Väter: Ein Deutsches Nachkriegsschiksal vom Mauerbau bis heute

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Über dieses E-Book

Dieses Buch erzählt in Romanform etwas über das Leben eines DDR Bürgers beginnend mit dem Mauerbau am 13. August 1961 den er als 14 jähriger erlebt hat, bis zum Fall der Mauer am 9. November 1989 über die schwierige Nachwendezeit bis in die Gegenwart des Jahres 2020.
Das Leben in einer Diktatur die in Folge der vorangegangenen gescheiteten Diktatur entstand, wird aus Sicht eines DDR Bürgers geschildert.
Das was der Autor in 58 Jahren seit Mauerbau erlebt hat ist nicht nur geschichtlich interessant sondern kann auch als Abenteuerroman bezeichnet werden, dessen Grundlagen weit vor der Geburt des Autors begann. Der Autor bezieht seine Familie und zahlreiche Menschen in das Geschehen mit ein, die seinen Lebensweg gekreuzt und beeinflusst haben. Es gab in der DDR nicht nur schwarz und weiß sondern auch alle Zwischentöne die das Leben in einer Diktatur erträglich ja für manch einen Bürger sogar angenehm machte. Der Spruch "es war nicht alles schlecht" ist folgerichtig und stammt im wesentlichen von Menschen die sich an das System einigermaßen angepasst und möglicherweise mit dem neuen Nachwendesystem ihre Probleme hatten.
Dreißig Jahre nach Mauerfall beginnt einerseits eine Verklärung des sozialistischen Systems der DDR und andererseits eine Verteufelung. Beides ist falsch und da in den nächsten Jahren davon auszugehen ist, dass immer mehr Zeitzeugen versterben, möchte ich aus meiner Erlebniswelt diese Zeit beschreiben.
Es gab in der DDR Menschen denen es gut ging und Menschen denen das System fürchterliches angetan hat. Das ist wichtig zu wissen wenn man das Buch liest.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum22. März 2020
ISBN9783750296466
Das Erbe der Väter: Ein Deutsches Nachkriegsschiksal vom Mauerbau bis heute

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    Buchvorschau

    Das Erbe der Väter - Ralf Steinhauf

    Ralf Schubert

    Das Erbe der Väter

    Ein deutsches Nachkriegsschicksal

    Alle Rechte vorbehalten:

    Text: © Copyright by Ralf Schubert

    Umschlaggestaltung: © Copyright by Ralf Schubert

    Bilder: © Copyright by Ralf Schubert

    E-Mail: r.schubertxyz@gmx.de

    Verlag: c/o Autoren Services .de

    Birkenallee 24, 36037 Fulda

    Druck: epubli ein Service der neopubli GmbH, Berlin

    Vorwort

    Es gibt Ereignisse im Leben eines jeden Menschen, die wie Weichenstellungen in verschiedene Richtungen wirken. Man weiß nicht wohin der Weg führt und muss sich doch entscheiden.

    Einige Weichenstellungen erbt man allerdings auch, ohne sich für eine Richtung entscheiden zu können und ohne, dass es einem bewusst wird.

    Das was die Eltern einem nach der Geburt geben können, kann Zuneigung, Liebe, Geborgenheit, eine gute Erziehung oder nur einiges davon sein.

    Es kann aber auch das Gegenteil sein.

    Man erbt aber auch einen Teil des Lebens seiner Eltern und deren Probleme, ohne sich dessen bewusst zu sein und ohne es beeinflussen können.

    Vertreibung, Krieg, Schulden, Reichtum, Armut, Verwandtschaftsfehden und vieles mehr beeinflussen unser Leben.

    Ich habe den größten Teil meines Lebens hinter mir. Wie viel noch vor mir liegt, weiß ich zum Glück nicht. Es ist viel passiert und irgendwann wollte ich es aufschreiben. Anfangs nur für mich, um einiges zu verarbeiten. Später dann auch damit meine Kinder Ereignisse und mein Verhalten in dieser Zeit besser verstehen.

    Genauso wie ich meine Eltern auf Ereignisse im 3. Reich und ihre Rolle darin angesprochen habe, werden meine Kinder und Enkel kaum nachvollziehen können, warum ich die „Mauer, die „Stasi und vieles an Unrecht zugelassen, ertragen und mitgemacht habe, was in der DDR passiert ist.

    Auch meine Enkel werden irgendwann ihre Eltern fragen warum es in der Bundesrepublik Deutschland so viel Unrecht gibt.

    Da werden Verbrecher gehätschelt und Opfer verhöhnt. Menschen, die nie gearbeitet haben, bekommen mehr Zuwendungen vom Staat als Menschen, die immer gearbeitet haben.

    Politiker stopfen sich die Taschen voll, verschwenden Steuergelder, brechen ihr gegebenes Wort, zahlen in keine Rentenkasse ein und bekommen weit mehr Rente, als ein Arbeiter in zwei Leben erarbeiten kann.

    Eine Quote für Frauen, denen es schon immer gut ging, für höchste Ämter in der Wirtschaft, wird von Politikern als Meilenstein der Gleichberechtigung gefeiert, während die Unterdrückung von millionen Mädchen und Frauen, im Namen des Islams, negiert und als Glaubensfreiheit im Namen des Grundgesetzes akzeptiert wird.

    Bürger, die logische Fragen stellen, werden als Rassisten gebrandmarkt, mit Nazis gleichgestellt und mit Rufmord mundtot gemacht.

    Auch in der DDR konnte man seine Meinung frei äußern. Man musste dann nur mit den Konsequenzen klarkommen.

    Heute in der Bundesrepublik ist es nicht anders.

    Der Rechtsstaat verdient diesen Begriff erst, wenn er vom Bürger auch als solcher empfunden wird.

    Jede Zeit hat ihre Täter, Mitläufer und Opfer. Dennoch ist dieses Deutschland, in dem wir leben, bei allen unnötigen Mängeln, das beste Deutschland, dass unsere Nation je hervorgebracht hat.

    Dieses Buch erzählt etwas, von dem was ich erlebt habe. Die wesentlichen Teile der Handlungen sind so, oder so ähnlich passiert. Die meisten Namen und Daten wurden verändert.

    Es beschreibt aber auch Menschen und ihr Schicksal, die meinen Lebensweg gekreuzt und beeinflusst haben.

    Ich war zu DDR-Zeiten nie ein Held oder Widerstandskämpfer, aber schon kleine Abweichungen von der gewünschten Norm konnten verheerende Folgen, für das weitere Leben, mit sich bringen.

    Der Stab über andere Menschen ist schnell gebrochen. Lernt man sie näher kennen, kann aus Ablehnung Zustimmung und aus Feindschaft Freundschaft werden.

    Dieses Buch schildert auch etwas aus dem Leben von Max, den ich anfangs verachtet und gefürchtet habe, ohne seine Lebensgeschichte zu kennen.

    Er hat drei Diktaturen gedient und war, zumindest aus meiner Sicht, trotzdem kein schlechter Mensch.

    Das Erbe der Väter

    Die besten Geschichten schreibt das Leben. Diese Aussage trifft mit Sicherheit zu. Allerdings muss man sich dann auch aufraffen, die Geschichte aufzuschreiben.

    Ich habe mich jetzt aufgerafft und möchte auf diese Art auch etwas von dem Erlebten verarbeiten.

    Wie soll ich beginnen oder besser wann? Vieles bewegt mich in diesem Moment, denn mein Leben hat sich radikal verändert – mein Leben? Ja mein Leben und das ist das Wichtigste, ich habe überlebt.

    Aber der Reihe nach. Am besten beginne ich mit dem Jahr 1961, konkret mit dem 13.August 1961 in Ostberlin.

    Ich heiße Ralf Schubert war damals 14 Jahre alt, Schüler der achten Klasse und das erste Mal verliebt.

    Meine Angebetete hieß Gabriele Volkert, aber alle nannten sie nur Gabi.

    Gabi war 15 Jahre alt und nahm von mir keine Notiz.

    Sie ging in die 9. Klasse interessierte sich für einen Jungen aus ihrer Klasse der

    schon ein Moped besaß. Dieser Junge hieß Franz und war mein Bruder.

    Für mich ein unlösbares Problem wäre da nicht dieses geschichtsträchtige Datum gewesen, das mein Leben und das Leben vieler Menschen nachhaltig verändern sollte.

    Weder meine Eltern noch ich begriffen so recht was gerade passierte.

    Wir wohnten im Stadtbezirk Prenzlauer Berg in der Bornholmer Straße, etwa 300 Meter vom Stadtbezirk Wedding entfernt der schon zu Westberlin gehörte.

    Vor unserem Fenster fuhren an diesem Tag, mit ohrenbetäubendem Krach, Panzer vorbei Richtung Westberlin. Die Strasse war mit Rauchschwaden übersäht und es stank nach Abgasen.

    Die Erwachsenen waren aufgeregt und ängstlich. Ein bisschen übertrug sich diese Stimmung auch auf uns Jugendliche. Trotzdem hielt uns nichts – wir mussten raus, um die Ereignisse aus der Nähe zu betrachten.

    Die Grenze zwischen Ost und Westberlin war die Bornholmer Brücke. Sie überspannte in großem Bogen die Gleise der Reichsbahn und einen Bahnhof.

    Vor und auf der Brücke bezogen die Panzer Stellung. Einige Panzergeschütze waren gen Westen andere auf uns gerichtet.

    Nach dem gleichen Prinzip wurden auch die MG, s in Stellung gebracht. Soldaten der Nationalen Volksarmee, zu diesem Zeitpunkt noch alles Freiwillige, bezogen Stellung und ließen die Menschen nicht mehr durch.

    Das galt sowohl für die Richtung von Ost nach West als auch umgekehrt.

    Wir (das waren einige aus unserer Klicke und ich) standen den Soldaten nur wenige Schritte entfernt gegenüber. Viele Menschen standen ebenso wie wir vor den Soldaten und stellten Fragen zu Sinn und Zweck der Aktion und der möglichen Dauer der Grenzschließung.

    Ich glaube zu diesem Zeitpunkt war kaum einem klar was hier geschah und welche Auswirkungen das Geschehen auf die Menschen in Ost und West, und dass nicht nur im geteilten Deutschland, haben würde.

    Der eiserne Vorhang begann hier sichtbar zu werden und wie sich später noch herausstellen sollte, waren wir auf der falschen Seite der Grenze, nämlich in Ostberlin, in der Sowjetischen Besatzungszone unserer geteilten Stadt.

    Für mich war die Teilung Berlins bis zu diesem Tag kein Problem, denn wir konnten uns in der Stadt frei bewegen.

    Mein Schulfreund Micha fragte mich, ob wir jetzt noch nach drüben ins Kino gehen könnten und ich antwortete ihm mit ja, denn aus meiner Sicht konnte die Grenzschließung nur eine vorübergehende Maßnahme sein. Mein Vater bestärkte mich in dieser Ansicht. Seiner Meinung nach würden sich die Amerikaner eine Grenzschließung nie gefallen lassen.

    Wir hatten Ferien und so hatten wir Zeit, auch in den nächsten Tagen das Geschehen an der Grenze zu beobachten.

    Hier wurde eifrig gebaggert gebohrt und gemauert. Jede Menge Stacheldraht wurde verlegt und mit rasender Geschwindigkeit wurden Lücken und Löcher im Grenzsystem, durch die immer noch Menschen von Ost nach West flüchteten, geschlossen.

    So langsam begriff auch ich, dass hier ein wesentlicher Teil meines bisherigen Lebens zugemauert wurde.

    Fast alle meine Verwandten wohnten in Westberlin oder Westdeutschland. Eine Oma wohnte in Köln die Andere nur eine Straße von uns entfernt.

    Wir waren gewohnt hinzufahren, oder von ihnen besucht zu werden. Das sollte nun vorbei sein? Allem Anschein nach ja.

    Erst zwei Jahre zuvor sind wir aus Westberlin nach Ostberlin gezogen, weil wir hier eine schöne große Fünfzimmerwohnung für wenig Geld mieten konnten.

    Die Grenzen waren offen also alles richtig gemacht? Allem Anschein nach nicht, denn jetzt saßen wir hier fest.

    Wut kam in mir hoch und so ging es vielen Menschen.

    Einige schimpften unauffällig und andere ziemlich laut. Letztere konnten sehr schnell unangenehmen Besuch von der Polizei oder der „Stasi" erhalten.

    Zu dieser Zeit wurden neue Karrieren gegründet und viele Karrieren beendet.

    Man musste sich anpassen und seine Bekanntschaft und Freundschaft neu ordnen.

    Meinen Vater hatte es auch erwischt.

    Er hatte in Westberlin ein kleines Fuhrgeschäft und in Ostberlin ein Antiquariat oder besser gesagt einen Trödelladen.

    Die offenen Grenzen erlaubten ihm einen kleinen Warenaustausch (nicht immer ganz legal) von Ost nach West und umgekehrt.

    Von seinem Fuhrgeschäft in Westberlin war er jetzt abgeschnitten und von dem Trödelladen konnte er unsere Familie nicht ernähren.

    Die Stimmung zu Hause war gereizt und so verbrachte ich einen Großteil meiner Freizeit mit Freunden auf der Straße.

    Wir hingen rum und überlegten, wie wir doch noch nach Westberlin ins Kino und zu unseren Freunden gelangen konnten.

    Mein Bruder Franz hatte eine Idee, die zwar abenteuerlich aber durchführbar klang.

    Unter der Bornholmer Brücke, die Ost – mit Westberlin verband, verlief ein Wartungstunnel.

    Der Einstieg war außerhalb der Sperranlagen und nur wenigen bekannt.

    Ende August machten wir uns auf den Weg beseitigten etwas losen Schutt und schlichen gebückt durch den schmalen Tunnel unterhalb der Brücke Richtung Westen.

    Der Tunnel roch modrig und mich überkam so ein komisches Gefühl zwischen Angst und Abenteuerlust. Wir waren zu viert und keiner sprach ein Wort. Mein Bruder lief mit einer Taschenlampe vorne weg. Nach etwa achtzig Meter standen wir plötzlich vor einer Mauer aus Klinkersteinen.

    Wir wussten nicht ob wir schon im Westen waren oder nicht. Unverrichteter Dinge kehrten wir um und traten vorsichtig den Rückzug an. Wir vergatterten uns gegenseitig zu Stillschweigen und wollten am nächsten Tag einen erneuten Versuch dann mit Werkzeug starten.

    Pünktlich nach Einbruch der Dämmerung stiegen wir wieder in den Schacht ein.

    Wir wussten inzwischen an Hand des zurückgelegten Weges, dass die Mauer auf Westberliner Seite war.

    Vorsichtig und mit möglichst wenig Lärm fingen wir an die Fugen auszukratzen und Stein für Stein zu lockern.

    Wir kamen mit der Arbeit erstaunlich gut voran und schon nach einer halben Stunde sahen wir den schwachen Lichtschein einer Straßenlaterne.

    Unser Tun blieb jedoch nicht unentdeckt. Mit einem Mal leuchtete jemand von außen in den Tunnel hinein.

    Uns rutschte das Herz in die Hose und fast noch etwas anderes. Wir waren nicht mal in der Lage wegzurennen.

    Die energische Stimme eines Mannes polterte uns an – wer ist da? geben sie sich

    sofort zu erkennen. Wir gaben uns zu erkennen und auf einmal ging alles sehr schnell.

    Von außen wurden recht zügig die Steine weggebrochen und nach wenigen Minuten standen wir auf Westberliner Seite drei Schutzpolizisten gegenüber.

    Einen der Polizisten kannte ich. Er hatte mich mal ermahnt, meinen Kaugummi nicht auf den Gehweg zu spucken.

    Die Polizisten redeten auf uns ein. Sie machten uns klar in welche Gefahr wir uns begeben hatten, es klang aber auch ein Hauch von Bewunderung in ihren Worten.

    Einer der Polizisten sagte er müsse seinem Revierleiter über den Vorfall in Kenntnis setzen.

    Uns riet er, schleunigst und möglichst ruhig den Rückzug anzutreten oder in Westberlin zu bleiben – man würde unsere Eltern dann informieren.

    Wir traten den Rückzug an und kamen wohlbehalten und unentdeckt im Ostteil an.

    Mein großer Bruder vergatterte mich noch zum Stillschweigen auch gegenüber unseren Eltern und dann knatterte er mit seinem Moped davon.

    In der Folgezeit sprach sich der Fluchtweg rum. Irgendjemand muss wohl gequatscht haben.

    Das Unvorstellbare war jedoch, dass über viele Tage Menschen den Tunnel zur Flucht nutzten und die Grenzer, zumeist Sachsen und Thüringer, die Fluchtmöglichkeit erst Mitte September entdeckten und den Tunneleingang schlossen.

    Einer der Letzten denen die Flucht in den Westen gelang, war mein Bruder Franz, der weder mir noch unseren Eltern etwas von seinem Vorhaben erzählt hatte.

    Beginn der 9. Klasse, gerade 15 Jahre alt geworden. Die 'Mauer' trennt seit einem Jahr die Menschen.

    Dementsprechend geklatscht waren wir und meine Mutter weinte vor Kummer.

    Ich wusste, dass ein junger Mann mit vierzehn Jahren nicht weint, aber einen Kloß im Hals hatte ich trotzdem. Jetzt erst stellte ich fest wie wichtig Franz für mich war und wie sehr er mir jetzt fehlen würde.

    Auch Gabi weinte um Franz und so konnten wir uns gegenseitig trösten.

    Das wiederum war der Vorteil der ansonsten schlimmen Situation und so lernte ich, dass jedes Ding zwei Seiten hatte.

    Gabi war schlank, hatte dunkle lange Haare, die sie meist zu einem Pferdeschwanz gebunden hatte und wenn sie lief wippte ihr Pferdeschwanz (und nicht nur der) im Rhythmus ihrer Schritte.

    Sie war eine sehr gute Turnerin und oft in Wettkämpfen ihres Sportvereins eingebunden. Dadurch kam sie viel rum und wirkte erwachsener als ihre Klassenkameradinnen.

    Den Verlust von Franz schien sie langsam zu überwinden und eines Abends faste ich den Mut sie in meine Arme zu nehmen. Sie ließ es geschehen und wir küssten uns heftig und leidenschaftlich.

    Leider erwischte uns dabei meine Mutter und machte mir eine Szene, die mich vom 7. Himmel auf den harten Boden der Wirklichkeit schmetterte.

    Ich brachte Gabi nach Hause und entschuldigte mich für die Peinlichkeit meiner Mutter. Sie lachte nur und sagte – das nächste Mal treffen wir uns bei mir.

    So langsam normalisierte sich unser Leben wieder. Franz hatte uns einen Brief aus Köln geschrieben und wohnte jetzt bei unserer anderen Oma.

    Meine Eltern hatten inzwischen eine Arbeit angenommen. Den Trödelladen musste mein Vater aufgeben. Er war jetzt beim Magistrat von Berlin tätig und meine Mutter im Finanzamt.

    Meine Eltern gingen ihrer Arbeit nach und grübelten wie wir abhauen konnten.

    Sie sprachen zwar nicht mit mir darüber, aber ich bekam ihre Gedanken trotzdem mit.

    Ich flüchtete mich in meinen Radsport und so oft es ging in die Arme von Gabi.

    Meine schulischen Leistungen waren ganz gut und so konnte ich auf einen Abiturplatz hoffen.

    Wir schrieben das Jahr 1963 es war kurz vor den großen Ferien also Juni.

    Gabi war mit den Abschlussprüfungen der 10. Klasse beschäftigt und hatte kaum Zeit für mich.

    Ich war kurz vor meinem 16. Geburtstag mit einem Problem beschäftigt, das mich in einen Konflikt mit der Schulleitung bringen sollte.

    Wir hatten für unsere Klasse sieben Abiturplätze erhalten, die auf die Schüler, mit dem besten Zensuren durchschnitt aufgeteilt werden sollten.

    Vom Zensuren Schnitt war ich die Nummer sechs in unserer Klasse.

    Theoretisch hatte ich einen Abiturplatz sicher.

    Theorie und Praxis gingen in der DDR aber oft getrennte Wege und so erhielt ich meine erste Lektion in Demokratie und Aufrichtigkeit.

    Unser stellvertretender Schuldirektor Herr Petrikowsky war nicht nur Staatsbürgerkundelehrer, sondern auch Parteisekretär für das Lehrerkollegium.

    Er war klein, dafür aber sehr beleibt, und hatte einen übertriebenen Geltungsdrang. Überall witterte er Verrat, und ständig fiel ihm etwas Neues ein. Meist nichts Gutes.

    An einem Samstag, kurz vor den großen Ferien, klopfte es mitten im Physikunterricht an der Klassentür. Ohne ein „herein abzuwarten wurde die Tür aufgerissen und „Kugelblitz, wie wir ihn heimlich nannten, stand mit breitem Grinsen in unserem Klassenraum.

    Er bat die Störung zu entschuldigen und kam sofort zum Thema.

    Er fing an zu reden und steigerte sich über sein Lieblingsthema „Klassenkampf über „Frontstadt (damit war Westberlin gemeint) in eine heroische Stimmung zu Vorbereitungen der Feierlichkeiten des 13. August, dem zweiten Jahrestag der Errichtung des „antifaschistischen Schutzwalls" so nannten Typen wie er die Mauer die nicht nur unser Land und unsere Stadt teilte, sondern auch Millionen Menschen trennte.

    Mein Banknachbar tippte sich an die Stirn und hatte Glück, dass Kugelblitz die Geste nicht mitbekam.

    Nach etwa zehn Minuten langweiligem Gefasel kam er auf den Punkt.

    Es wäre nötig, dass die Schüler unserer Schule ein Zeichen setzen um eindeutig Stellung für den Sozialismus, und gegen den Klassenfeind zu beziehen.

    Bisher hatten wir als Klassenfeind, die Schüler unserer Parallelklasse angesehen, die nichts ausließen, uns zu ärgern (umgekehrt genauso).

    Die meinte er aber nicht, sondern die Menschen in Westdeutschland und Westberlin.

    Den Einwand eines Mitschülers, dass wir fast alle Verwandte dort hätten und die Menschen dort sicherlich nichts Böses gegen uns im Schilde führten, ließ er nicht gelten, sondern wurde noch giftiger.

    Jetzt ließ er die Katze aus dem Sack. Er hatte ein Schriftstück vorbereitet, das jeder Schüler, natürlich auf freiwilliger Basis, unterschreiben sollte.

    Vereinfacht gesagt verpflichtete sich jeder der unterschrieb in Zukunft kein Westfernsehen und keine westlichen Rundfunksender mehr zu sehen oder zu hören.

    Mit leuchtenden Augen, von seiner eigenen Größe überwältigt, ging Kugelblitz durch die Reihen und sammelte Unterschriften ein. Klaus mein Banknachbar, sagte noch das kann keine Sau kontrollieren, und unterschrieb den Wisch, ohne mit der Wimper zu zucken.

    Heike, ein Mädchen, das vor mir saß, unterschrieb nicht und zu meiner eigenen Verwunderung verweigerte auch ich die Unterschrift.

    Kugelblitz verabschiedete sich noch mit den Worten, dass sich jetzt die Spreu vom Weizen trenne, ohne jedoch zu erläutern wer Spreu und wer Weizen

    sei, und watschelte aus dem Klassenraum.

    Nach dem Unterricht stand ich noch lange mit den Mitschülern auf der Strasse und wir diskutierten das Geschehen.

    Ich wusste, dass alle meine Mitschüler Westsender sahen und hörten und dass auch weiterhin vorhatten.

    Klaus brachte es auf den Punkt. Man muss sich anpassen. Tu ihnen doch den Gefallen und du hast deine Ruhe.

    Nach wenigen Tagen gingen wir in die Ferien und vergaßen diesen Vorfall.

    Gabi war für drei Wochen in ein Trainingslager gefahren und ich war begeisterter Radsportler.

    Wir hatten täglich Training oder auch Wettkämpfe und so konnte von Langeweile keine Rede sein.

    Klaus verreiste mit seinen Eltern nach Bulgarien und mein bester Freund Peter war mit seinen Eltern an der Ostsee.

    Mein Bruder Franz schrieb immer seltener was insbesondere meine Mutter hart traf.

    Eigentlich passierte nichts Aufregendes und so war ich sogar froh, als Ende August, die Schule wieder begann.

    Ich war jetzt 16 Jahre alt und Schüler der 10. Klasse.

    Mit Gabi lief es ganz gut. Mich störten jedoch die vielen begehrlichen Blicke, die sie teilweise auch von älteren Männern erhielt.

    In diesen Momenten war ich eifersüchtig und auch wütend. Für mich stand fest, wir bleiben ein Paar und später heiraten wir.

    Die ersten Schultage brachten außer einem neuen Chemielehrer, der die Nase von Charles de Gaulle und die Ohren von Dumbo hatte, nichts Neues.

    Der Neue hieß Arthur Gaul und ich verpasste ihm den Spitznahmen „Klepper", weil ich meinte, das passt zu ihm.

    Wir konnten uns von Anfang an nicht leiden. Leider sitzt so ein Lehrer ja am längeren Hebel und so wäre es sicherlich klüger gewesen, ich hätte mich etwas zurückgehalten.

    Zu allem Unglück steckte ihm ein Klassenkamerad, dass der Spitzname „Klepper" meine Idee war, und das dämpfte seine Begeisterung für mich noch mal erheblich.

    Eines Tages, zu Beginn der letzten Unterrichtsstunde, kam unser Klassenlehrer mit wichtiger Miene und noch wichtigerer Liste in den Unterricht und verkündete die Namen der sieben Schüler die im nächsten Jahr zur erweiterten Oberschule durften, um ihr „Abi" zu machen.

    Nach dem er die Namen der sieben Glücklichen verlesen hatte, war ich der festen Auffassung, er hätte meinen Namen vergessen vorzulesen.

    Zu meinem Entsetzen stellte sich jedoch heraus, dass ich von der Liste gestrichen wurde und stattdessen mein Banknachbar Klaus meinen Abiturplatz bekam.

    Für mich stürzte eine Welt zusammen. Das war jetzt wohl die Quittung für meine fehlende Unterschrift auf der Liste von Kugelblitz.

    Abitur, Studieren, Aufstieg, tolle Zukunft, all das schien jetzt für mich in weite Ferne gerückt. Dazu noch das breite Grinsen von Klaus und einigen anderen.

    Ich war fertig und wusste nicht, wie ich diese Nachricht meinen Eltern und auch Gabi vermitteln sollte.

    Gabi war inzwischen auf einer speziellen vom Staat geförderten Sportschule.

    Hier konnte sie in Abstimmung mit Training, s - und Wettkampfterminen ihr Abitur und gleichzeitig auch eine Lehre absolvieren.

    Ich sollte in die Kamera lachen, ging aber nicht. Gestern habe ich erfahren, dass ich kein Abitur machen darf.

    Am selben Tag trafen wir uns. Sie versuchte mich mit den Worten zu trösten, aufgeschoben ist nicht aufgehoben und jeder kriegt eine zweite Chance aber so recht gelang ihr das nicht.

    An diesem Abend kam mir Gabi viel reifer und erwachsener vor als ich.

    Meine schulischen Leistungen ließen etwas nach. Insbesondere im Fach Chemie hatte ich Schwächen, die von „Klepper" noch forciert wurden.

    Wusste ich mal was, dann nahm er es zur Kenntnis, wusste ich nichts bekam ich eine Zensur.

    So langsam aber sicher wurde Chemie zum Albtraum für mich. Sollte ich dieses Fach nicht bestehen, dann hätte ich nicht mal den Abschluss der 10. Klasse erreicht.

    Der Zufall kam mir zu Hilfe. Die Abschlussprüfung im Fach Chemie stand kurz bevor.

    Ich hatte eine Sportstunde geschwänzt, um mich besser auf die Prüfung vorzubereiten.

    Im Chemielabor studierte ich das was mir fehlte und das war eine ganze Menge.

    Auf einmal hörte ich wie die Tür zum Nachbarraum geöffnet und wieder geschlossen wurde.

    Dann waren undeutlich Stimmen zu hören. Meine Neugier war geweckt und ich konnte nicht anders ich musste lauschen.

    Zwei Männer redeten heftig auf einander ein. Ich erkannte die Stimmen von Kugelblitz und Klepper. Kugelblitz sagte zu Klepper, dass es im Sinne der fortschrittlichen Erziehung besser wäre, wenn der Schubert (das war ich) die Chemieprüfung nicht bestehen würde und damit ohne Abschluss wäre. Er kann sich dann als Bauhilfsarbeiter oder in der Landwirtschaft bewähren.

    Klepper antwortete, dass er die Prüfung ja schon im weitesten Sinne mit der Klasse vorbereitet hätte und ich bei guter Vorbereitung möglicherweise doch bestehen würde.

    Kugelblitz entwickelte einen teuflischen Plan. Der sah wie folgt aus.

    Wir geben Schubert eine Prüfungsaufgabe vom letzten Jahr. Kein Schüler rechnet damit und kein Schüler wird darauf vorbereitet sein. Klepper gab zu bedenken, was ist, wenn er doch besteht? Dann erklären wir seine Prüfung für ungültig und schicken ihn zur Nachprüfung.

    Auf die Fragen der Nachprüfung wird keiner vorbereitet, also ist er so oder so chancenlos.

    Mich überkam eiskalte Wut. Am liebsten wäre ich auf die beiden losgegangen, aber ein Rest von Vernunft hielt mich davon ab.

    Den restlichen Tag und die halbe Nacht zermarterte ich mir mein noch in der Entwicklung befindliches Gehirn, ohne eine Lösung zu finden.

    Am nächsten Morgen auf dem Klo hatte ich einen Einfall, der mir gefiel und nicht mehr los lies.

    Ich bat Gabie mir die Chemieprüfungsaufgaben vom letzten Jahr zu geben. Sie gab mir die Aufgaben mit den Worten „das kannst du vergessen, die haben noch nie die Aufgaben vom Vorjahr genommen".

    Den Prüfungsbogen schrieb ich ab und schickte das Original anonym an das Ministerium für Volksbildung mit dem Hinweis das die Herren Petrikowsky und Gaul bestechlich seien.

    Das Schwerste stand mir noch bevor. Ich musste mir unbemerkt Zutritt zum Büro des Direktors verschaffen, denn hier wurden die Umschläge mit den Prüfungsfragen gelagert.

    Für jeden Schüler war ein Umschlag mit Prüfungsfragen vorbereitet.

    Zugang hatte nur der Direktor und Kugelblitz.

    Einerseits war ich verzweifelt und andererseits so voller Wut, dass ich zu Mitteln griff, die schon jenseits eines Dummen-Jungen-Streiches waren.

    Die Aufgabe hieß: Raus mit dem Direktor und seiner Sekretärin aus dem Büro und Vorzimmer des Direktors ohne, dass die Räume abgesperrt wurden.

    In der zweiten Stunde hatten wir Sport. Ich sagte dem Sportlehrer, dass ich dringend aufs Klo müsse und hatte dadurch ein paar Minuten gewonnen.

    Das Physiklabor war leer und das gab mir die Gelegenheit, zwei Metalleimer mit Papier und alten Zelluloidfilmen zu füllen.

    Dann zündete ich den Inhalt der Eimer an, lies alle Türen des Labors offen und rannte Richtung Keller.

    Nach zwei Minuten wurde der Qualm von einer Lehrerin bemerkt nach einer weiteren Minute schrillten die Alarmglocken das allen bekannte Zeichen für Feuer. Nun liefen alle durcheinander.

    Es war ein geordnetes Chaos. Letztlich versammelten sich Lehrer Schüler und sonstiges Personal, so wie geübt, auf dem Schulhof.

    Das war für mich die Gelegenheit, das Büro des Direktors ungestört zu betreten.

    Nach wenigen Augenblicken fand ich im Schreibtisch des Direktors die gesuchten Prüfungsumschläge, beschriftete den von Klaus und mir neu und kreuzte die richtigen Antworten im Umschlag von Klaus an. Jetzt waren in seinem Umschlag die Prüfungsfragen des Vorjahres und die Lösungen ebenfalls.

    Meinem Vater hatte ich zwei gute Flaschen französischen Conag geklaut, die ich jetzt in einem Schrank von Kugelblitz deponierte.

    Um die Sache rund zu machen, packte ich noch ein paar Pornohefte dazu, von denen ich mich nur schweren Herzens trennte.

    Inzwischen war die Feuerwehr eingetroffen. Für mich hieß das, weg so schnell es ging.

    Über den Keller gelang ich auf den Hof, wo ich mich in das Durcheinander einreihte.

    Wenig später gab es Entwarnung und einen vor Wut bebenden Direktor.

    Außer, dass es noch tagelang nach Qualm roch, war kein Schaden entstanden.

    Am Tag der Chemieprüfung kamen, völlig unangemeldet ein Schulrat sowie eine streng dreinblickende ältere Dame, die sich nicht vorstellte, zur Hospitation in die Chemieprüfung.

    Wir waren alle aufgeregt, denn wer hier durchfiel dem half auch eine gute Vorzensur nichts.

    Bleibt festzustellen, dass neben den Prüflingen auch Klepper und Kugelblitz etwas nervös waren.

    Ich spürte förmlich ihr Unwohlsein ob des unerwarteten Besuchs.

    Wir wurden einzeln in den Prüfungsraum gerufen und bekamen jeder einen Tisch zugewiesen, auf dem ein Umschlag mit den Prüfungsfragen lag.

    Nachdem zwölf Delinquenten Platz genommen hatten wurden wir ermahnt, nicht zu sprechen und in den nächsten 90 Minuten, die Fragen der Prüfung zu beantworten.

    Anschließend sollten wir einzeln der Prüfungskommission für mündliche Nachfragen zur Verfügung stehen.

    Es kam ganz anders. Wir öffneten unser Kuvert und lasen die Fragen durch. Einige fingen an sich Notizen zu machen andere grübelten etwas ratlos vor sich hin.

    Klaus der zwei Tische vor mir saß, wedelte mit der Hand aufgeregt hin und her und wurde von Kugelblitz zur Ruhe ermahnt, da sonst die Prüfung für ihn ungünstig bewertet würde.

    Klaus war derart aufgeregt, dass ihm alles egal erschien. Er erwiderte, dass die Prüfungsaufgaben in keiner Weise etwas mit den Themengebieten zu tun hätten, die uns zur Vorbereitung auf die Prüfung genannt wurden.

    Noch ehe Kugelblitz etwas erwidern konnte, war der Schulrat aufgesprungen und ließ sich den Prüfungsbogen von Klaus aushändigen. Natürlich sah er auch das Blatt mit den Lösungen.

    Danach ging alles sehr schnell. Die ältere Dame stellte sich im besten sächsischen Dialekt als Mitarbeiterin des Innenministeriums vor und beendete die Prüfung.

    Bis auf Klaus wurden wir alle nach Hause geschickt.

    Wenige Minuten später kamen zwei Autos vorgefahren aus denen Männer in zivil ausstiegen.

    Die ältere Dame gab Anweisungen zur Durchsuchung der Büros von Klepper und Kugelblitz und es dauerte nicht lange da wurden die Herren fündig.

    Bleibt noch zu erwähnen, dass die Beiden mit auf die Dienststelle der „Genossin Oberleutnant" mussten, wo sie sicherlich unangenehme Fragen zu beantworten hatten.

    In den nächsten Tagen wurden

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