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Das Böse wartet schon: Roman
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eBook340 Seiten4 Stunden

Das Böse wartet schon: Roman

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Über dieses E-Book

Die Bürokauffrau Carmen Strewe wird nach dem Tod ihres Gatten Heiko mit obskuren Spukgestalten konfrontiert. Geister von Verstorbenen tauchen in ihrem Leben auf, fremdartige Wesen erscheinen in ihren Träumen.
Heiko Strewe versucht, Kontakt mit seiner geliebten Frau aufzunehmen. Doch sie reagiert nicht auf seine übersinnlichen Botschaften, stürzt stattdessen noch tiefer in den Strudel unerklärlicher und gefährlicher Phänomene. Die dramatischen Ereignisse ziehen Carmen in einen magischen Bann, in dessen Verlauf sie eine völlig abstrakte Realität erlebt. Sie beginnt an ihrem Verstand zu zweifeln und vertraut sich einem Bekannten an, der ihr einen erfahrenen Psychologen empfiehlt. Dieser erkennt, dass ihre Schilderungen nicht auf Einbildung oder Halluzination beruhen, sondern real sind. Gemeinsam versuchen alle drei, den Ursachen auf den Grund zu gehen und setzen sich lebensbedrohlichen Situationen aus.
Sind all diese ominösen Willenslenkungen nur als Folge durch den unerwarteten Tod ihres Gatten entstanden oder steckt mehr dahinter?
Am Ende kommt es zu verblüffenden Ergebnissen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum28. Dez. 2015
ISBN9783738052824
Das Böse wartet schon: Roman

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    Buchvorschau

    Das Böse wartet schon - Horst Fesseler

    KAPITEL I

    Der Tod ist nur ein Erwachen aus der Leblosigkeit

    Dünne, weißgraue Nebelschwaden kündeten an diesem milden frühmorgendlichen Septembertag von dem bevorstehenden Herbst, der unaufhaltsam näher rückte. Der Spätsommer hatte sich in den vergangenen Wochen noch einmal von seiner wunderschönen und sonnigen Seite gezeigt. Die Temperaturen waren teilweise bis auf 25 Grad angestiegen, als wollten sie den Sommer nicht weichen lassen. Aber durch die stetig kürzer werdenden Tage wurde man sich der zu Ende gehenden warmen Jahreszeit deutlich bewusst. Ein leichter Wind blies die ersten verwelkten Blätter von den Ästen der Bäume und Sträucher.

    Matt und mit blassem Schein versuchte die gerade aufgehende Sonne den letzten Dunst des feuchten Frühnebels zu vertreiben, um noch einmal mit voller Energie ihre ungebrochene Kraft und Stärke zu demonstrieren. Das Zwitschern vereinzelter Vögel erinnerte an eine harmonische und wohltuende Ausgewogenheit. Es machte Spaß, diesen Tag zu genießen.

    Regungslos lag Heiko Strewe auf dem mit einem weißen Laken überzogenen Bett in einem verschlossenen Zimmer der Nervenklinik von Grewelsmühlen. Einsam und allein. Niemand sah nach ihm. Heiko hielt die Augen geschlossen, schlief tief und fest, kaum spürbar war sein Atem. Auch die schon bald durch das halb geöffnete Fenster hereinfallenden Strahlen der hinter den flachen Hügeln am Horizont aufgehenden, mittlerweile rotgelb leuchtenden Sonne vermochten nicht ihn zu wecken.

    Doch dann, nach einer Weile, entwich plötzlich etwas aus Heikos Leib, unsichtbar für jedes Auge, und schwebte lautlos durch den kleinen sterilen Raum. Es war seine Seele, die gerade den leblos gewordenen Körper verließ. Heiko Strewe fühlte sich erleichtert und frei, glücklich und zutiefst zufrieden, erlöst von allen Sorgen und Problemen, die ihn in letzter Zeit so sehr bedrückt hatten.

    Weit unter sich sah er einen leeren und starren Körper auf dem Bett liegen, friedlich, die Augen geschlossen haltend. Heiko schaute genauer hin. Es war sein eigener! Was, um alles in der Welt, war geschehen? In welcher Lage befand sich Heiko nur? So ein Gefühl hatte er noch nie empfunden. Heiko wollte etwas sagen, doch kein Wort kam über seine ausgetrockneten Lippen, sosehr er sich auch anstrengte. Langsam schwebte er nach unten und versuchte, den schlafenden Leib zu berühren, tippte mit den Fingern danach. Eine unsichtbare Wand trennte ihn davon.

    Heiko verspürte keinerlei Furcht oder Panik. Ganz im Gegenteil. Es ist ja nur ein Traum, ein sehr eigenartiger, jedoch auch ein sehr schöner und angenehmer Traum, überlegte er. Ein Traum vom Fliegen, wie er ihn schon oft im Leben hatte. Schade, bald würde er daraus erwachen. Dann würde alles wieder ganz normal sein, wie sonst auch, grübelte Heiko.

    Aber es war kein Traum, es gab auch kein Erwachen daraus. Heiko war tot! Jetzt, wo er seine sterbliche Hülle auf dem Bett liegen sah, wurde ihm dies definitiv bewusst. Er akzeptierte es. Ihm war untrüglich klar, dass damit alle Verbindungen zu jenen, denen er sich bisher so verbunden gefühlt hatte, endgültig und unwiederbringlich zerbrochen waren, dass es keinen Kontakt zu seinem bisherigen Leben geben würde, und eine tiefe, unüberwindliche Kluft dazwischen liegen würde.

    Aber war es tatsächlich so? Sollte er aus seiner gewohnten Umgebung herausgerissen worden sein, war jetzt mit einem Mal alles vorbei? War er von nun an getrennt von der vertrauten Wirklichkeit? Es gab doch noch so viel zu erledigen. Das alles war allerdings ab diesem Augenblick ohne Bedeutung, es zählte überhaupt nicht mehr. Bevor sich Heiko weitere Gedanken darüber machen konnte, fühlte er ganz deutlich, wie sein Geist sich von den Lebenden und ihrer realen Welt distanzierte. Er war keiner mehr von ihnen, gehörte nicht mehr dazu.

    Wieder schaute er auf seinen leblosen Körper herab. Ein wenig tat er ihm leid. Wenn doch jetzt nur irgendjemand ins Zimmer käme. Ein Krankenpfleger, der Arzt oder Carmen, seine geliebte Frau. Wo steckten sie nur? Sonst hatten sie doch immer nach ihm geschaut. Bald musste Werner, sein Pfleger, das Frühstück bringen. Zeit dafür wurde es ja. Werner würde sofort feststellen, dass er tot war. Dann könnte man ihn vielleicht zurückholen zu den Lebenden. Noch schwebte sein Geist ja durch diesen Raum, noch war es nicht zu spät, ihm wenigstens die Gelegenheit zu geben, sich für immer von seinen Lieben zu verabschieden. Heiko sank näher zu seinem Körper. Er fühlte die Wärme, die von ihm ausstrahlte. Und die war gleichbedeutend mit Leben.

    Doch er konnte einfach nicht zurück in seinen reglos daliegenden Leib. Eine unbekannte Macht hielt ihn davon ab, eine unsichtbare Wand war dazwischen. Sie verschloss mit undurchdringlichen Strahlen den Weg zurück in das Reich der Lebenden. Nur ein Mensch könnte – als Medium dienend – diese Tür wieder öffnen. Viel Zeit blieb also nicht mehr.

    Ein heißer Strahl durchzuckte Heiko, der den für andere unsichtbaren, dünnen, glitzernden Silberfaden zwischen seinem Geist, seiner Seele und seinem Körper endgültig zertrennte. Nun wusste er, dass die Verbindung unabänderlich zerrissen war und es keinen Weg mehr zu den Lebenden gab.

    Heiko versuchte sich zu orientieren. Er musste weg von hier, weg von diesem Ort der Kälte und des Unbehagens. Das fühlte er jetzt allzu deutlich. Hier gehörte er nicht hin. Eine innere Eingebung sagte ihm, dass die alte und vertraute Welt um ihn herum nicht für ihn geschaffen und bestimmt war.

    Da kam er auch schon: Werner, pfeifend und frohgelaunt wie immer. Er stellte das Tablett mit dem Frühstück auf den Tisch neben dem Fenster, zog die Gardine zurück, ließ die Sonnenstrahlen voll herein. Werner sagte irgendetwas zu Heiko. Er hörte seine vertraute Stimme, verstand aber nicht die Worte. Sie bedeuteten ihm auch nichts. Dann sah Heiko, wie der Pfleger seinen leblosen Körper rüttelte und anschließend aufgeregt und nach dem Arzt rufend hinausrannte. Heiko beobachtete es mit einer gelassenen Gleichgültigkeit, es berührte ihn nicht.

    Ein heller Schleier legte sich jetzt um seine Seele, angefüllt von blendendem Licht, das langsam erlosch. Was blieb, war die Dunkelheit. Doch von irgendwoher kam das Funkeln eines schwachen Sterns. Dorthin wollte Heiko. Er ließ sich treiben wie eine Wolke. Durch ein enges gewundenes Rohr schwebte seine Seele dahin, hinein in einen nebelhaften Schleier, der sich allmählich lichtete und den Blick freigab. In dem Rohr hingen unzählige bunte Bilder, die wie Neon aus der Dunkelheit hervorleuchteten. Als Heiko sie genauer ansah, erkannte er in ihnen sein vergangenes Leben. Noch einmal liefen all seine Erlebnisse vor ihm ab, glückliche und traurige Momente, angefangen vom Augenblick seiner Geburt. Wenig später folgten die Schulzeit, seine erste große Liebe, das Berufsleben, die Heirat mit Carmen und all die wundervollen Jahre mit ihr gemeinsam. Heiko schaute sich all die Bilder schweigend an. Sie zählten jetzt nicht mehr, waren in diesem Moment unwichtig geworden. Allein das überirdische Licht am anderen Ende des Tunnels zog Heiko magisch an. Er konnte nicht dagegen angehen, wollte es auch nicht. Jetzt verlangte er nach diesem hellen Schein.

    Unaufhaltsam trieb er weiter, gleitete schwerelos vorwärts. Das Licht wurde immer größer und größer, heller und leuchtender, kräftiger in den Farben. Schließlich hüllte es Heiko vollkommen ein. Er spürte die Wärme und die angenehme Ruhe, die von dort ausstrahlten, die wohltuende Entspannung, welche ihn plötzlich durchflutete. Es war, als würde er mit seinen Händen, seinem ganzen Körper diesen wundervollen Anblick umarmen, in ihm aufgehen, verschmelzen mit der Ewigkeit.

    Plötzlich spürte Heiko, dass er ein Teil davon war, wie ein klarer Wassertropfen in der Masse, ein winziger Partikel der elementaren Kräfte. Vollkommen eins mit allem. Und er empfand es einfach als grandios. Er kam sich in der Unendlichkeit so unscheinbar und bedeutungslos vor und sah sich dennoch als ein wichtiger Bestandteil, der dieses Gebilde zusammenhielt. Ein nie gekanntes Glücksgefühl der Befriedigung durchflutete ihn. Keine belastenden Gedanken, keine Probleme, keine Sorgen und Nöte bedrückten ihn. Es war, um es mit einfachen Worten auszudrücken, prächtig und unvergleichlich harmonisch. Dieses angenehme Licht, dieser liebliche Schein, begünstigte ihn noch in seinen Empfindungen.

    Heiko schaute sich nach allen Seiten um, genoss mit voller Hingabe den wundervollen Anblick. Es gab hier kein Unten und kein Oben, kein Rechts und kein Links. Zeit- und raumlos befand er sich inmitten einer ihm absolut neuen, unbekannten Dimension. Sie hatte nicht im Geringsten mit der bisherigen zu tun.

    Heiko brauchte keinen organischen Körper, ein solcher war hier vollkommen überflüssig. Er kam auch ohne ihn zurecht und konnte sich so bedeutend freier und ungezwungener bewegen. Das machte ihn viel empfänglicher für die Impulse der elementaren Energien und der ihn umgebenden hellen Strahlen, deren Ursprung nicht auszumachen war. Bunte Lichtpunkte in schillernden Farben kreisten um ihn. Sie hüllten ihn ein, als wollten sie neue Lebenskraft spenden. Heiko verharrte für einen Augenblick. Wie lange, wusste er nicht. Er labte sich an diesem Anblick und genoss die tiefe unsagbare Freude und Zufriedenheit.

    Irgendwelche unbekannten Geräusche klangen an sein Ohr. Sie ließen sich nicht genau definieren. Auf jeden Fall wirkten sie beruhigend und wohltuend. Mit einem Mal gab es nun keine Erinnerungen mehr an die Vergangenheit, keine Gedanken an die Zukunft. Nur der Moment des Erlebens zählte jetzt. Und der sollte niemals vergehen ... Heiko schwebte wie auf dünnen Nebelschwaden dahin. Er ließ es sich gefallen, es war wunderschön.

    Die ihn umgebenden farbenprächtigen Lichtblitze stellten dynamische Gedanken von unvergänglichen Seelen dar, die ihm die Reinheit und Entzückung der Ewigkeit verkündeten. Wie ein offenes Buch offenbarten sie sich Heiko. Und er erkannte darin all das Wirken und Leben längst vergangener Geschöpfe.

    Heiko trieb weiter durch einen Strom der Schwerelosigkeit. Er fühlte sich geborgen und behütet von einer angenehmen Macht, die jetzt kraftvoll auf ihn einwirkte. Sie nahm ihm die Furcht vor dem Ungewissen und steigerte seine Neugierde. Er wollte wissen, was ihn erwartete.

    Plötzlich kamen Heiko dünne, wie Silberstreifen wirkende Lichtschwaden entgegen. Ihr Glanz faszinierte ihn. Das waren die Seelen von Verstorbenen, die Heiko im Leben nahe gestanden hatten. Und er erkannte viele vertraute Gesichter darunter. Eine vertrauenerweckende und freundliche Gestalt kam aus dem Nichts hervor.

    Sie sprach zu Heiko: „Erkennst du mich? Ich bin es, deine Mutter, die vor vielen Jahren von dir gegangen ist. Und hier finden wir uns wieder vereint."

    „Ja, du bist es wirklich und hast dich nicht verändert, entgegnete Heiko würdevoll und spürte eine unsagbare Freude in sich aufsteigen, „aber wie ist das möglich?

    „Du bist noch an der Schwelle zum Jenseits, am Scheidepunkt zwischen den Toten und den Lebenden, an der Pforte in das Reich der Seelen und des unvergänglichen Geistes. Noch musst du diese Hürde überwinden. Wenn du wirklich in deinem Innersten reif dafür bist, wird es dir gelingen und die Barriere wird sich für dich öffnen. Ich aber bin dein Wächter und dein Medium, damit du in die wundervolle Ewigkeit hinübergelangen kannst, denn du hast mich mit deinen Gedanken und Gefühlen ausgewählt. Ich bin gekommen, dir den Weg zu weisen. Bist du also bereit, den Schritt zu wagen?"

    Heiko nickte und antwortete gelassen: „Ja, Mutter, ich bin es, mit all meinen Gefühlen und Empfindungen. Mit meinem Geist, mit meinen Gedanken. Und meine Sehnsucht verlangt danach. Ich will diesen Schritt in das Ewige und Unvergängliche wagen."

    Eine fremde Stimme sprach jetzt zu Heiko: „Erkennst du den Geist, der dir gegenübersteht? Siehst du all die anderen Wesen rings um dich? Schau dich um, Heiko!"

    Das Bild seiner Mutter war plötzlich verschwunden. Ein Meer von glitzernden Punkten umgab Heiko, das Wärme und Geborgenheit ausstrahlte. Und mitten heraus formte sich ein gleißendes Licht wie eine pulsierende Kugel. Heiko empfand eine angenehme und unbekannte Kraft tief in sich hineinströmen, wurde gewahr, wie das Licht ihn ausfüllte. Er spürte die gewaltigen und wohltuenden Energien des gesamten Universums durch seinen Geist sprudeln und genoss diesen wundervollen Augenblick.

    „Ja!, rief Heiko. „Ich erkenne ihn, diesen Geist. Er ist so, wie er mir in meinen Träumen stets vorschwebte, wie ich ihn schuf und wie ich ihn mir ausdachte. Genau nach meinem Willen. Gleiches gilt auch für die anderen Seelen, die sich bei ihm befinden. Denn sie sind ein Produkt meiner geistigen Kraft, meiner Energien. Und nur in meiner Vorstellung sind all diese Erscheinungen real. Aber in Wirklichkeit sind es nur die Gedanken, die sich zu einem Bild formen und mir Gestalten aus meinem Leben offenbaren. Es ist die Welt, die ich mir geschaffen habe. Jetzt in diesem Augenblick in der Dimension einer Überzeit, fernab von Zeit und Raum. Hinter dem Horizont meines vergangenen Lebens.

    Einer der funkelnden Punkte antwortete ihm mit leiser Stimme: „So ist es! Denn was hier geschieht, was du erlebst, ist nicht vergleichbar mit der irdischen Wirklichkeit. Viele unserer Seelen leben bereits in einem anderen Körper, sind hinübergegangen in eine Dimension des materiellen Seins. Für den Bruchteil einer Sekunde, im Pulsschlag des Universums, erfahren wir gemeinsam eine Realität, die in kein Zeitgefüge passt. Wir alle, die wir dir erschienen sind, bilden einen Teil deiner Fantasie als identisches Abbild eines unnachahmlichen Originals. Verbunden durch elektrische Impulse des endlos weiten Universums und von den statischen Wogen der Ewigkeit zusammengehalten.

    Du wirst nun bald aus deinem geistigen Traum hinaus in die Wirklichkeit des Reichs aller Seelen gehen. Dorthin, wo die Gedanken wie unsichtbare Wellen dahinströmen. Und du wirst sie sehen. Du wirst sie erkennen und deuten. Dort, wo der Geist in dir gedeihen kann.

    Lass dich treiben in dem Strom der Elemente, mein Freund. Wehre dich nicht dagegen. Denn von nun an bist du ein Teil des Universums. Unvergänglich, unsterblich, rein wie der Geist der Erkenntnis. Klar und unverdorben, unbefleckt. Der Geist wird dich erleuchten und führen."

    Heiko bewunderte den ihn umgebenden Glanz, all die bunten Lichtpunkte, das Leuchten der vielen wunderschönen Sterne mitten in der Helligkeit. Ringsum erstrahlte Licht, das ihn durchflutete und ihm Kraft spendete. Langsam trieb er in diesem Strom dahin.

    Neue und vielfältige Gestalten tauchten vor ihm auf, Erscheinungen unbekannter Wesen. Friedlich umringten sie ihn, spendeten wohltuende Wärme, sprachen irgendwelche Worte, die Heiko aber nicht verstand.

    Die fremden Wesen geleiteten ihn zu einem dunklen Loch, mitten in dem nebelhaften Gebilde, in das er nun eintrat. Dort machten sie Halt und schoben Heiko behutsam und still bis zum Rand vor. Er verspürte keinerlei Furcht dabei. Im Gegenteil. Eine große Erleichterung überkam ihn, obwohl er noch nicht wusste, was ihn erwartete.

    Wenig später sah Heiko den strahlenden Kranz, der sich um die dunkle Öffnung legte. In dem Kranz erkannte er eine Unzahl bunter Farben, die wie bei einem Kaleidoskop ineinander zu fließen schienen. Es waren Farben mit leuchtendem Glanz, noch viel prächtiger, als er es je kannte, unbeschreiblich in ihrer Vielfalt.

    Heiko spürte, wie er in eine schwarze Leere fiel, tief hinein in die absolute Dunkelheit. Es war angenehm und entspannend, denn er wusste, dass ihm nichts geschehen würde. Das endlose Loch breitete sich immer weiter aus, Ewigkeiten schienen zu vergehen. Frei von allen Gedanken genoss Heiko diesen Augenblick. Er machte ihn so leicht, erfüllte ihn mit Freude. Ein wundervolles Glücksgefühl kam in ihm auf. Er hätte für alle Zeiten in dieser angenehmen und so befreienden Schwerelosigkeit verharren können.

    Bald schon erkannte Heiko einen kleinen leuchtenden Punkt mitten in der Dunkelheit. Wo genau, konnte er nicht lokalisieren. Er wurde größer und strahlender, zog Heiko wie magisch an. Ja, dorthin will ich, freute sich Heiko. Dort finde ich Geborgenheit und meine Vollendung.

    Allmählich wich die Dunkelheit. Schon hüllte ihn das Licht voll und ganz ein. Er kam in die Welt der lebendigen Gedanken und der Träume. Dorthin wo es nur Imaginationen gibt und nichts physischen Bestand hatte, wo die Kraft der Vorstellungen Formen und Gebilde schaffte. Und daselbst machte sich Heiko seine eigene Welt.

    Noch aber hatte er nicht das Jenseits erreicht, noch lag es weit vor ihm. Und es gab viele elementare Schöpfungen und Hürden zu überwinden. Nach wie vor führte ihn sein Weg durch die vielen unbekannten Dimensionen, unaufhaltsam tiefer hinein in die Welt des Unvergänglichen. Seine Umgebung wandelte sich von nun an in gasförmige Erscheinungen. Alles wirkte so abstrakt und unwirklich, aber aufgrund der unbeschreiblichsten Visionen unvorstellbarer Kreationen dennoch vollendet. Heiko staunte und fand es wunderschön. Er schien ins Endlose zu treiben, in vollkommen andere Dimensionen, weitab von Raum und Zeit.

    Hier in diesem Reich, einem Ort, an dem die Dinge viel lebendiger und kraftvoller wirkten als in der Wirklichkeit, herrschte eine angenehme Ruhe, die Heikos Geist voll durchflutete. Er spürte das Schweigen und die Entspannung tief in sich wirken. Sie gaben ihm Stärke und Energie.

    Heiko nahm deutlich seine neue Umgebung wahr, die ihm wie ein reines Kristallgebilde und mit dynamischem Flair durchflutet erschien. Sie hatte nichts von negativer Ausstrahlung, war klar und transparent, unverdorben und sauber. Er bestaunte diese leuchtenden Kristalle, die sich nach seinen Wunschvorstellungen geformt hatten und ihm eine zauberhafte Welt zeigten, wie sie ihm vorschwebte und wie er sie empfand.

    Heiko verharrte für einen Moment und schaute sich befriedigt um, bewunderte diese wundervolle Pracht an Reinheit und Vollendung. Es erklangen anmutige Töne. Es handelte sich um die Wellen einer anderen Frequenz, die nur in dieser Dimension zu hören waren, und die Welt wie ein statisches Gerippe zusammenhielten. Sie waren Energie, Kraft und Geist zugleich, aber auch die Nahrung aller Seelen.

    Heiko schwebte unaufhaltsam weiter, mitten durch die Kristallwelt, als würde sie nur aus Luft bestehen. Ein angenehmer Duft umgab ihn, der ihn an irgendetwas erinnerte, er wusste aber nicht, an was konkret.

    Langsam erhob sich Heiko in die Lüfte, wenn man von geometrischen Begriffen sprechen wollte. Es bereitete ihm keine Anstrengung. Er trieb über diesen wundersamen Ort hinweg, blickte auf ihn hinab. Wie Eiszapfen wirkten diese Gebilde aus der Vogelperspektive, wie tiefe Gletscherschluchten, klar und durchsichtig.

    Heiko versuchte, sich an diesen zauberhaften Tönen einer anderen Dimension zu orientieren, den Klängen aus dem Jenseits, deren Sinn und Bedeutung er noch nicht voll und ganz erkannte. Wie ein Neugeborener empfand er, musste er lernen, die Zusammenhänge zu verstehen.

    Erneut spürte Heiko eine Wandlung aufkommen, die ihn in andere Dimensionen, noch unbegreiflichere, führen sollte, noch tiefer hinein in die Unendlichkeit, in das Unvorstellbare, in Sphären, die jenseits jeder Vorstellungskraft lagen. Dorthin, wo die Seelen sich auf ihre lange Reise in physische Welten und reale Zeiten vorbereiten.

    Gewaltige Kräfte aus dem Verborgenen zogen Heiko an. Mit einer unbeschreiblichen Geschwindigkeit zerrten sie ihn fort, Zeitbarrieren überwindend, mitten durch die abstraktesten feinstofflichen Räume, tief hinein in dunkle Bereiche, die keine Orientierung zuließen. Nur sehr langsam kam Heiko zur Ruhe und schwamm wie in einem tiefen Meer dahin. Er fühlte sich umgeben von ungezählten und pulsierenden Elementen. Hier klangen die Töne anders als zuvor, verständlicher und nicht so fremdartig, vertrauter und freudiger.

    Heiko hörte eine leise Stimme, die zu ihm sprach: „Nun bist du frei von allen irdischen Verbindungen, gelöst von den materiellen Dingen. Du gehörst zu uns und gibst mit deinem Geist die Impulse für neues Leben.

    Hier versetzt die Molekularschwingung des Seins die Körper und andere Gegenstände vom physischen in den astralen Zustand und umgekehrt. Die verdichtete Energiebündelung gibt dir einen Körper nach deinen imaginären Vorstellungen. Und dennoch bist du nicht mehr als der Stoff, der sich aus den Gedanken formiert. Du bist ein unsichtbares Wesen, aber vollkommener als jeder materielle Körper."

    Heiko spürte alles sehr deutlich. Er sah auch die Stimme, da sie sich durch ihre hochfrequenten Ausschläge visualisierte. Und er stellte sich die wunderbarsten Gebilde vor, Erscheinungen, denen er jederzeit und ohne große Schwierigkeiten ein anderes Aussehen geben konnte. Es war ein herrliches, eigenartiges und erleichterndes Gefühl.

    Zum ersten Mal sah er eine Farbenpracht, wie er sie in seinem physischen Leben nicht gekannt hatte. Die Farben strahlten in einem unbeschreiblichen Glanz, wirkten nicht so matt und verwaschen, wie es in seinem vorherigen Dasein der Fall war.

    Wieder sprach die Stimme zu Heiko: „Lass deinen Gedanken fortan freien Lauf. Spüre deine Gefühle und die Kraft, die dich umgibt. Dies sind deine wahren Sinne. Sie drücken all das aus, was dein wirkliches Streben ist, wozu du berufen bist. Du wirst befreit sein von den gewohnten Empfindungen und der Begierde deines einstigen organischen Lebens. Du wirst wahres Glück, Freude und Leid erfahren und dich an deinen Regungen entzücken, begreifen, was sie wirklich bedeuten. Du kannst die Erinnerungen all deiner vergangenen physischen Leben wach werden lassen und als ein Geist in sie hineintreten. Dir wird es gelingen, auf den feinstofflichen Wellen in Kontakt zu treten zu jenen, die deine Ausstrahlungen empfangen. Doch sie müssen bereit sein für das Übersinnliche.

    Gehe nun durch den Bogen der Empfängnis, dorthin, wo du eins sein wirst mit dem Odem der Genesis. Es ist eine Welt der Zauberei und des kosmischen Bewusstseins."

    Heiko gelangte in eine vollkommen neue Dimension, die alle Erinnerungen an seine vergangenen Leben sowie die zukünftigen Leben wachriefen und Vergleiche zu seinem jetzigen geistigen Dasein in einer Welt des Feinstofflichen darboten. Er begriff, wie verschieden doch diese Realitäten waren, zumal es eine deutliche Abgrenzung zwischen diesen beiden Dimensionen gab. Ein Unterschied wie Tag und Nacht, Feuer und Wasser, Helligkeit und Dunkelheit.

    Seine Gedanken kehrten noch einmal kurz zurück in die nahe Vergangenheit, zu den Menschen, die er einst zu Lebzeiten von ganzem Herzen geliebt hatte. Carmen tauchte vor seinem Auge auf, in materialisierter Form, so plastisch und wirklichkeitsnah, als stünde er ihr wahrhaftig gegenüber. Deutlich erkannte Heiko ihre klaren leuchtenden Augen, ihren wundervollen Teint, die dichten glänzenden Haare. Aber konnte sie ihn auch sehen? Nein! Heiko wusste es genau. Zeit und Raum, Tod und Leben trennten sie voneinander. Carmen war so nah und doch so fern, unerreichbar, getrennt durch unbekannte Dimensionen.

    „Konzentriere dich nun auf andere Erinnerungen aus deinem vergangenen Leben!", hörte Heiko eine Stimme.

    Spontan fiel ihm seine Mutter ein. Deutlich tauchte sie vor ihm auf. Und mit ihr eine ihm vertraute Umgebung. Heiko sah, wie sie zu Hause im Garten das Unkraut jätete. So hatte er sie oft als Kind von der Terrasse aus beobachtet und sich über ihre Anwesenheit gefreut.

    „Wie ist das möglich?, flüsterte Heiko. „Sie ist doch schon sehr lange tot ... Und jetzt sehe ich sie hier putzmunter und im fast jugendlichen Alter im Garten ... als wäre die Zeit zurückgedreht worden.

    Er schaute ihr eine Weile zu, bis von irgendwoher wieder die vertraute Stimme erklang: „Das ist die Kraft der Gedanken, der Strom deines Geistes, der ungehemmt dahinfließt und sich ausbreitet. Er vermag dir eine Welt zu projizieren, die von deinen Gefühlen gelenkt wird. So entstehen lebendige geistige Materialisationen, die nur du wahrnimmst. Es ist allein deine Welt, die vor dir liegt. Sie ist unermesslich und vollendet. Du bist ihr wahrer Schöpfer. Denn du bist Gott. Du bestimmst, was geschehen soll. Du bist der Anfang und das Ende. Du bist ewig ..."

    Es wurde still um Heiko. Die Stimme verstummte. Er war wieder allein, mitten in seiner imaginären Welt, umgab sie schützend mit seinem geistigen Körper, behütete sie mit ganzem Stolz. Und er betrachtete sie genau, genoss den Augenblick des Wundervollen. Bald verschwanden die Bilder wieder, weil Heiko es so wollte. Es trieb ihn weiter.

    Heiko schwebte empor, weit hinaus in eine Sphäre neuer Impulse, hoch über den von ihm geschaffenen Himmel in eine übergeordnete Dimension mit anderen Gesetzmäßigkeiten. All die Sterne lagen ihm zu Füßen wie ein Meer aus tausend Lichtern. Und er konnte an jedem Ort sein, den er sich vorstellte, schnell wie ein Gedanke.

    Nun erst erkannte Heiko, dass das Jenseits, das Reich der Toten und der Seelen, nicht aus Engeln oder Teufeln bestand, dass es nicht Himmel oder Hölle gab, weder Gut noch Böse. Er begriff, dass Gott nicht Gott war, und all die Vorstellungen von Glaube und Religion nur reine Phantasie bedeuteten. Denn ein jeder von uns war Gott. Heiko war ein Teil davon, seine reine und klare Seele.

    „Was ist es, das ich hier vollbringen muss?", rief er und spürte zum ersten Mal, dass die Worte reine Gedankenenergie darstellten und keine akustischen Laute. Aber er wusste, man würde ihn hören und verstehen.

    Im selben Moment bekam er die Antwort auf seine Frage. „Was du vollbringen musst, das hast du schon getan. Gehe tief in dich. In das, was du wirklich bist. Begreife deine ungeheure Macht der Vollendung, lass die Elemente tanzen. Mach was dir gefällt. Öffne deinen Geist. Bau dir ein energetisches Feld auf und erkenne deine Erfahrungen."

    Es war die Stimme, die er schon mehrmals in diesen neuen Dimensionen hörte, ein Klang, den er vertraut in sich aufnahm und der ihm Kraft und Erkenntnis gab, der aber gleichzeitig auch Harmonie ausstrahlte.

    Umgeben von den unzähligen funkelnden Sternen trieb Heiko im weiten Meer der Ewigkeit durch das endlose Universum. Dunkel, angefüllt mit Abermillionen leuchtenden Punkten, breitete es sich vor ihm aus. Dann sah er sie, diese rotierende Spirale in den buntesten Farben, wie sie unvorstellbarer nicht sein konnte. Es war das Tor hinein in die Urschöpfung aller Welten und aller Dimensionen, zur Geburtsstätte allen Seins, an den Anfang der Entstehung. Dort entsprangen die Elemente und nahm das wahre Leben seinen Ursprung. Hier gab es weder Zeit noch Raum.

    Deutlich spürte Heiko, dass er wie ein mikroskopisch kleines Staubkorn war, einsam und allein durch die Unendlichkeit dahintreibend. Es schien ihm, als sei um ihn herum alles nur für ihn geschaffen. Als sei er der Mittelpunkt jeden Geschehens. Er, ein kleiner Punkt, ein mit Lichtgeschwindigkeit dahinschießendes Photon, von dem gewaltige Energien ausgingen und den Raum ins Unermessliche ausdehnten.

    Heiko hatte das Tor in die Ewigkeit durchschritten. Ein ungeheuer wohltuender Lichtblitz durchzuckte ihn. Er spürte es ganz deutlich in diesem Moment. Um Heiko herum gab es bald überhaupt nichts mehr. Nur die absolute Leere, keine Materie, keinen Raum, kein Licht und keine Schatten. Nur Heiko war mitten darin, als Geist, als ein Gedanke, unsichtbar und ohne Formen, ein gewaltiges Energiebündel, kleiner noch als ein Atomkern und dennoch gewaltiger als der mächtigste Vulkan.

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