Die Stadt und der Tod
Von Anja Kuemski
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Anja Kuemski ist eingeborene Bielefelderin.
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Buchvorschau
Die Stadt und der Tod - Anja Kuemski
Kapitel 1
Der Gestank nach Erbrochenem schlug Linus Jagelowsky schon am Eingang zu den Büroräumen entgegen. Dass ausgerechnet er immer dahin musste, wo seine empfindliche Nase so strapaziert wurde, betrachtete er als bösen Streich des Schicksals. Oder seines Vorgesetzten. Seit Linus einmal bei einer Ermittlung des Geheimdienstes STF hinzugezogen worden war, schien ihm sein Chef bevorzugt Dienste aufzubürden, die ihn auf den Boden des dreckigen Alltags eines Streifenpolizisten zurück holen sollten. Heute war dies ein Fall von Lebensmittelvergiftung. Zumindest behauptete das der Notarzt vor Ort, der die Polizei informiert hatte.
„Wo ist denn der Vergiftete?", fragte er die erste Person, die ihm begegnete. Eine junge Orkin deutete mit einer rot lackierten Klaue auf eine der Bürotüren und eilte dann, mit der Hand vor den Mund gepresst, an ihm vorbei Richtung Toiletten.
Linus betrat das Büro und musste würgen. Der Gestank hier war noch viel ekelhafter. Zu seinen Füßen hockte eine Zwergin mit Notarztabzeichen auf der Armbinde und schaute nur kurz von der Leiche neben sich auf. „Ah, die Staatsgewalt. Wird auch Zeit."
„Sie mich auch", antwortete Linus. Er ging ohne anzuhalten durch bis zu den weit geöffneten Fenstern und atmete die frische Luft ein. Sofern man die Luft in der riesigen Stadt als frisch bezeichnen konnte. Die Abgase der Metropole erschienen Linus im Moment aber als Wohlgeruch im Vergleich zu dem erbärmlichen Gestank im Zimmer.
„Also?", fragte der Polizist und drehte sich wieder zur Notärztin um. Er versuchte, jeglichen Blick auf den Mageninhalt zu vermeiden, der sich überall im Büro zu befinden schien.
„Auf den ersten Blick eine Lebensmittelvergiftung. Er ist nicht der einzige, den es erwischt hat, aber bisher der einzige, der es nicht überlebt hat, erklärte sie ruhig. „Ich habe bereits die Gesundheitsbehörden informiert.
„Warum bin ich dann hier?", wollte Linus wissen.
„Weil ich mir nicht sicher bin, ob es sich um ein paar verdorbene Lebensmittel handelt oder um einen Anschlag."
„Wie kommen Sie auf den Gedanken?"
Die Zwergin schaute ihn als habe sie es mit einem Vierjährigen zu tun. „Für eine Lebensmittelvergiftung muss man auch Lebensmittel zu sich nehmen. Echte Nahrung, die verderblich ist. Aber die Kollegen dieses beklagenswerten Menschen haben übereinstimmend behauptet, dass er niemals frisches Essen mitbrachte. Und in der Kantine wird aus Druckern serviert."
„Lassen Sie mich raten: die anderen Fälle von Vergiftung waren auch in der Kantine?" Linus hatte sein eKomm bereits gezückt. Er erwog kurz, den Dienstweg einzuhalten, beschloss dann aber, dass dies zu viel Zeit kosten würde. Er schickte eine Nachricht an Semuel Weston, den Chef der Special Task Forces.
Kapitel 2
„Das war sehr geistesgegenwärtig von Ihnen, Sergeant Jagelowsky", lobte Weston, nachdem Linus dem betagten Elfen einen knappen Bericht der Sachlage gegeben hatte.
„Ich hoffe, mein Chef sieht das auch so", sagte er ein wenig missmutig. Weston winkte ab.
„Ich werde es ihm schon passend erklären. Befragen Sie die Angestellten, ob ihnen etwas aufgefallen ist, vor allem das Kantinenpersonal. Briggs, Cooper, ihr beide geht mit. Ich schicke einen Chemiker vorbei, der ein paar Proben der Zutaten aus den Druckern entnimmt."
Agent Briggs klopfte Linus grüßend auf die Schulter, während der schweigsame Cooper ihm nur knapp zunickte. „Wurdest du in einen anderen Distrikt versetzt?, wunderte sich Briggs. „Du fährst doch sonst die Tour im Ersten, am Fluss, oder nicht?
„Mein Chef ist der Ansicht, dass ich nicht genug Drecksarbeit mache. Er schickt mich neuerdings immer da hin, wo es besonders ekelig zu werden verspricht. Oder gefährlich. Oder mit unbezahlten Überstunden."
„Das fing nicht zufällig an, als du mal bei uns ausgeholfen hast?", fragte Briggs und verzog mitfühlend das Gesicht. Linus nickte.
„Er glaubt, mir würde das zu Kopf steigen, wenn Weston mich anfordert. Ich solle gefälligst nicht aus der Reihe tanzen."
„Und du hast nichts Besseres zu tun, als Weston direkt zu informieren, sobald dir etwas merkwürdig vorkommt, spottete Cooper, aber es war ihm anzusehen, dass er das eigentlich guthieß. „Wenn dein Chef dich rauswirft, nimmt die STF dich bestimmt gerne auf.
Briggs wackelte mit dem Kopf hin und her. „Das mag schon sein, aber ich glaube, Weston ist es ganz recht, dass er einen zuverlässigen Cop in Uniform auf der Straße hat, auf den er im Einzelfall zurückgreifen kann. Also, wenn du es drauf anlegst, suspendiert zu werden, rechne nicht damit, dass Weston begeistert wäre. Er mag es nicht, wenn man seine Strategie durchkreuzt."
Sie betraten die Kantine und wiesen das Personal an, sich zur Verfügung zu halten. An der Längsseite des mit schlichten Plastikmöbeln ausgestatteten Raums standen sieben große Drucker, die eine umfangreiche Palette von Angeboten produzieren konnten. Von Hühnchenpastete über Fischgratin bis hin zu Obsttorte wurde alles geboten, was die neueste Generation von Essensdruckern zu fabrizieren vermochte.
„Das ist ein besseres Angebot als in den meisten Foodfactories in der Shoppingmeile, murmelte Cooper. Briggs zwinkerte Linus verschwörerisch zu. „Gutes Essen ist sein Schwachpunkt. Keine Ahnung, wo er das alles lässt.
Er deutete auf die durchtrainierte Figur seines Kollegen und hob in gespielter Ratlosigkeit die Arme.
„Wie Alois. Der würde seine Großmutter für ein Stück echten frischen Fisch verscherbeln."
Cooper trat neben sie und legte beiden schwer eine Hand auf die Schulter. „Erstens möchte ich nicht, dass ihr über mich redet, als wäre ich nicht anwesend. Zweitens möchte ich außerdem nicht, dass ich mit dem grobschlächtigen grantigen Troll verglichen werde. Klar soweit? Seine leise Stimme hatte einen drohenden Unterton angenommen, der Linus schwer schlucken ließ. Dem Gesicht des Agenten war nicht anzusehen, ob er das wirklich ernst meinte. Aber sein Kollege grinste breit und tätschelte ihm die Wange. Dann räusperte er sich einmal laut und nahm eine etwas professionellere Haltung an. „Gut, also, was haben wir?
Kapitel 3
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mir das alles gar nicht erzählen darfst", stellte Alois grummelig fest und trank sein Bier aus. Er hatte sich nicht gewundert, als Linus ihn auf ein Feierabendbier eingeladen hatte, denn der Mensch schien sich in seiner Gesellschaft erstaunlich wohl zu fühlen, trotz seiner grantigen Bemerkungen. Was Alois viel mehr verwunderte war, dass er selber es auch recht angenehm fand, mit dem jungen Cop hin und wieder in die Kneipe zu gehen und etwas zu plaudern. Small Talk war eines Trolles Sache eigentlich nicht. Zumindest nicht in Alois' Fall. Aber als Linus ihm eine Nachricht geschickt hatte, ihn heute Abend zu treffen, hatte er sich doch ein wenig gefreut. Das musste er dem Kleinen aber nicht unbedingt auf die Nase binden. Menschen kriegten so etwas immer schnell in den falschen Hals.
„Aber der Psycho hat mir mal gesagt, ich soll dafür sorgen, dass ich meine Arbeit nicht in mich hineinfresse. Das kann doch nur bedeuten, dass ich es jemandem erzählen muss, oder nicht?"
„Welcher Psycho?", wollte Alois wissen. Er war nicht ganz bei der Sache, denn verfolgte nebenbei auf dem Bildschirm über der Theke ein Raufball-Spiel. Er würde einen ordentlichen Batzen Geld bekommen, wenn die Werksmannschaft von Pan-Solar heute endlich mal den verdammten Cup gewinnen würde. Jedes Jahr kamen die bis ins Finale und dann verloren sie jedes mal kläglich. Langsam bekam Alois seine Zweifel, ob es im Konzern-Cup noch mit rechten Dingen zuging. Es war zum Hörner raufen.
„Bei der Einstellung in den Polizeidienst muss man sich mehreren psychologischen Tests unterziehen und es gibt jede Menge Gespräche."
„Klar, damit man nicht zu viele neurotische Killer in den eigenen Reihen hat. Jedenfalls nicht von vornherein, spottete Alois. „Was der Dienst dann aus euch macht, ist noch mal was ganz anderes, was?
„Was?" Linus sah aus, als habe er nicht wirklich zugehört.
Alois winkte ab. „War nicht so wichtig. Also, was ist dabei rausgekommen? Wer hat das Essen vergiftet und warum?"
„Keine Ahnung. Ich musste dann zurück zum Dienst. Glaube nicht, dass Weston sich die Mühe machen wird, mich über den Stand der Ermittlungen aufzuklären."
Alois brummte zustimmend und winkte dem Wirt mit dem leeren Bierglas.
„Was hat dein Chef dazu gesagt, dass du mal wieder auf Abwegen warst?"
„Eintrag in die Akte, sagte Linus leise und seufzte schwer. „Dabei hat er mich doch da hin geschickt. Und dass ich nicht sofort auf dem Absatz kehrt mache, sobald die STF eintrifft, ist doch auch klar, oder nicht?
Der Kleine redete sich aus seiner Niedergeschlagenheit schnell in einen gerechten Zorn. Das kam Alois sehr entgegen, denn er wusste nicht, was er mit einem bedrückten Linus anfangen sollte. Wütend war auf jeden Fall besser.
„Die Welt ist schlecht und ungerecht", reimte Alois und klopfte dem