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Czordan und der Millionenerbe
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eBook248 Seiten3 Stunden

Czordan und der Millionenerbe

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Über dieses E-Book

Der New Yorker Privatdetektiv Sam Czordan kommt nach Berlin, um hier seinen Lebensabend zu verbringen. Weit weg von seiner Vergangenheit und seinen Feinden. Doch als er mit einem Mord konfrontiert wird, lässt ihm sein beruflicher Instinkt keine Ruhe mehr. Czordan ermittelt. Zwei weitere Morde werden verübt, während Czordan auf der Suche nach dem Täter in das Geflecht sozialer Organisationen in Berlin eindringt. Behindert von Anwälten, Vereinsvorständen und der Polizei stellt er dem Mörder eine Falle.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum10. Sept. 2011
ISBN9783844210125
Czordan und der Millionenerbe

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    Buchvorschau

    Czordan und der Millionenerbe - Manfred Rehor

    Kapitel 1

    An dem Abend, der uns den Drombacher-Fall bescherte, saß Czordan länger als üblich hinter seinem Schreibtisch. Er las wissenschaftliche Zeitschriften, beobachtete mich dabei aber aus den Augenwinkeln.

    Ich ließ mich davon nicht beeindrucken, denn ich wusste, was ihn umtrieb. In aller Ruhe kontrollierte ich alte Rechnungen. Dabei stieß ich auf die Kosten für die Anschaffung meines Arbeitsplatzes. Der Preis des Bürostuhls, auf dem ich saß, überstieg mein Monatsgehalt. Der Alte achtete nicht aufs Kleingeld, das musste ich ihm zugestehen. Zumindest, wenn es sich um Sachwerte handelte. Eigentlich gingen mich die Belege nichts an, aber wenn Czordan keine Arbeit für mich hatte, suchte ich mir eben welche.

    Um neunzehn Uhr schob ich den Aktenordner ins Regal zurück und griff nach meinem Jackett. „Feierabend!"

    „Stopp! Czordan baute sich vor mir auf. Um mir ins Gesicht sehen zu können, musste er den Kopf in den Nacken legen. Sein struppiger, weißer Kinnbart zitterte. „Sig, wofür bezahle ich dir seit vier Monaten dein Gehalt?

    „Jedenfalls nicht für die Buchhaltungsarbeiten. Die erledige ich nebenbei. ‚Mitarbeiter in der Detektei‘ lautete, glaube ich, die Aufgabenbeschreibung."

    „Acht Stunden pro Tag steht in deinem Arbeitsvertrag. Du bist erst mittags gekommen. Also tue etwas für dein Geld."

    „Vorschläge?"

    „Wir haben einen Klienten. Arbeite an dem Fall!"

    „Ron recherchiert schon. Soll ich ihm dabei Händchen halten?"

    Der Alte trat zurück, stemmte die Fäuste in die Hüften und blitzte mich aus seinen blassblauen Augen an. „Machst du dich lustig über die Arbeit eines Detektivs?"

    „Keinesfalls. Sie ist zweifellos nützlicher und wertvoller, als man gemeinhin glaubt. Aber es gibt zur Zeit nun einmal nichts zu tun."

    „Dann erledige weiter den Bürokram", forderte er.

    „Das werde ich! Gerne, sorgfältig und bis zur letzten Minute meiner vorgeschriebenen Arbeitszeit."

    Czordan stapfte zurück zu seinem Schreibtisch und ließ sich auf den Stuhl fallen. Er sah nicht so aus, als würde er sich in absehbarer Zeit wieder daraus erheben.

    Ich nahm mir den Ordner mit den Rechnungen wieder vor und blätterte geschäftig darin herum.

    Eine Stunde später saßen wir immer noch so da. Ich sinnierte über die Höhe der Stromrechnung des Vorjahres. Czordan las zum dritten Mal die Titelgeschichte des aktuellen National Geographics-Magazins. Immer wieder blinzelte er nach der Uhr. Er hatte sich selbst ausmanövriert. Da ich an dem Abend nichts vorhatte, ließ ich ihn schmoren.

    In dieser Pattsituation läutete es kurz nach 20 Uhr an der Tür.

    Ich öffnete und streckte gleich helfend die Hand aus. Die Frau, die vor mir stand, schwankte bedenklich. Sie hatte so geladen, dass es unverantwortlich war, sie alleine auf die andere Straßenseite hinüber torkeln zu lassen. „Soll ich Sie nach Hause bringen?", fragte ich.

    „Lass das, Jungchen!" zischte sie. Ihre Schnapsfahne war noch intensiver als der Gestank nach Schweiß, der sie umgab.

    „Sie wohnen gegenüber", sagte ich freundlich.

    „Det wees ick! Ich will zum Tschsssordan." Sie drängte sich an mir vorbei ins Büro.

    Ich ließ sie gewähren, weil ich sie vom Sehen kannte. Tag für Tag stand sie auf einen Besen gestützt vor dem Mietshaus auf der anderen Straßenseite, beobachtete alles und jeden und tratschte mit Passanten. Ihr verknautschtes Gesicht mit den zahnlosen Kiefern und ihre Kittelschürze waren Erkennungszeichen unserer Gegend; eben ein typisches Berliner Original. Vermutlich wusste sie mehr über uns als wir selbst - zumindest, was die Gerüchte betraf, die in Umlauf waren.

    Sie zeigte mit dem Finger auf Czordan und folgte dann der so angedeuteten Linie bis zu seinem Schreibtisch. „Du! Du bist doch der Ami... Amerikaner. Ick habe nen Auftrag für dir."

    Ich schob ihr einen Stuhl in die Kniekehlen. Sie kippte nach hinten auf ihn.

    Czordan umfasste mit den Händen die Lehnen seines Bürostuhls. Um zu verhindern, dass er einfach aufstand und das Büro verließ, bedachte ich ihn mit meinem breitesten Grinsen. Wenn er jetzt kniff, würde ich ihm das tagelang vorhalten. Er presste die Lippen zusammen, setzte sich aufrecht hin und schob die Zeitschriften beiseite. „Mein Name ist Samuel Czordan. Was kann ich für Sie tun?"

    Ganz der korrekte Dienstleister. Er zeigte mir, wie man mit Klienten umgeht.

    Die Frau wackelte mit dem Kopf, starrte dabei Czordan an und antwortete langsam und konzentriert: „Mir Geld verschaffen. Ick habe was gesehen, das die Polizei interessiert. Dafür will ich ne Belohnung."

    „Falls Sie Zeugin eines Verbrechens geworden sind ..."

    „Bin ick."

    „... ist es Ihre Pflicht, das der Polizei mitzuteilen."

    „Will ich aber nicht. Ihre Augen funkelten. Mit jedem Wort wirkte die Frau nüchterner. „Und jetzt schick mich nicht zu nem Anwalt. Anwälte sind noch schlimmer. Ich traue niemandem.

    „Warum kommen Sie zu uns, wenn Sie niemandem vertrauen?"

    „Da ist seit ein paar Wochen ein Schild ‚Detektei‘ an eurer Tür. Ich war noch nie bei einem Detektiv. Bin nur mal von einem im Kaufhaus erwischt worden, aber das will ich euch nicht anrechnen."

    „Sehr freundlich von Ihnen, mischte ich mich ein. Ich saß wieder an meinem Platz und legte am PC einen neuen Eintrag in der Klientenkartei an. Fortlaufende Nummer zwei. Wenn schon, dann richtig. „Wie heißen Sie?

    „Gisela Ahner. Sie rasselte Anschrift und Geburtsdatum herunter, als wäre sie solche Befragungen gewohnt. „Beruf: Hauswartsfrau. Jedenfalls amtlich.

    „Hauswartsfrau nur amtlich?"

    „Ja. Ich arbeite nämlich noch nebenher. Abends zwei, drei Stunden bei Joschi‘s. Bin natürlich nicht angemeldet. Ist mehr so ein Freundschaftsdienst."

    Czordan runzelte fragend seine Stirn, auf der auch so schon unzählige Linien eingegraben waren.

    Joschi‘s Curry-Imperium, informierte ich ihn. „Ein Imbiss in der Nähe der Potsdamer Straße. Keine gute Gegend. Nachts dürften Huren und Freier die Hauptkunden sein.

    „Na, und?, fuhr mich Frau Ahner an. „Sind auch nur Menschen. Jedenfalls, ich habe vorhin mal in ner ruhigen Minute das alte Fett weggebracht. Stehe in der dunklen Ecke zwischen den Müllcontainern, da kommt ein Auto. Ein Geländewagen, so ein ganz teurer. Eine Frau steigt aus. Auch ganz teuer. Ihr Fummel, meine ich. Dafür habe ich einen Blick.

    „Manche verdienen ganz gut beim Anschaffen", warf ich ein.

    „Quatsch. Das war keine von denen. Die kenne ich alle. Nee, die gehörte zu diesen jungen Frauen, bei denen man sich fragt, wen sie wohl geheiratet haben, um an so viel Geld zu kommen. Jedenfalls, ich denke noch, was will die hier? Da kommt ein Mann die Straße lang. Die beiden reden. Ich habe das Fett unter den Hausmüll gemischt und will gehen. Da schreien die sich an, der Mann zieht einen Revolver und zielt auf die Frau!"

    „Sie haben die Waffe gesehen?", fragte Czordan.

    „Sag ich doch. Die beiden setzen sich ins Auto, sie ans Steuer, er neben sie, immer den Revolver in der Hand, und sie fährt los. Direkt auf mich zu. Fast hätte der Wagen mich erwischt. Aber der Müllcontainer war im Weg, es hat gekracht. Die Frau hat Gas gegeben und weg waren sie." Frau Ahner mummelte mit ihren eingefallenen Lippen, als redete sie weiter, sagte aber nichts mehr.

    „Der Wagen fuhr also davon."

    „Na, der Container ja wohl nicht. Das war eindeutig eine Entführung. Da geht es um Lösegeld. Davon will ich meinen Anteil haben. Schließlich habe ich es gesehen!"

    „Sie möchten einen Anteil vom Lösegeld?"

    „Jau! Sie stutzte. „Nee, von der Belohnung, meine ich. So von wegen sachdienliche Hinweise für die Polizei. Aber die nehmen mich nicht ernst, das kenn ich schon. Deshalb bin ich hier: Du regelst das für mich und bekommst Prozente. Ist das ein Angebot?

    „Das ist keine Arbeit für einen Detektiv!", wehrte Czordan ab.

    „Na, dann geh eben los und such den Entführer. Das ist Detektivarbeit, oder? Frau Ahner fuhr mit der Hand suchend über die Fläche von Czordans Schreibtisch. „Warum sitze ich hier eigentlich noch auf dem Trockenen?

    „Ich bringe Ihnen gerne ein Mineralwasser", bot ich an.

    „Hier bin ich verkehrt", murrte sie.

    „Haben Sie sich die Nummer des Wagens gemerkt?", hakte Czordan nach.

    „Nee, ging zu schnell. Aber die Farbe, das war so ungefähr Silber untenrum und oben Rosa. Ziemlich abartig, wenn de mich fragst. Und eine ordentliche Beule muss er haben, vom Müllcontainer."

    „Wenn es ein hochwertiger Geländewagen war, hat er höchstens eine Schramme", korrigierte ich.

    Czordan sah einen Moment lang starr vor sich ihn, bevor er mich entschlossen anwies: „Sig, ruf die Polizei an!"

    „Nein!", rief Frau Ahner.

    Czordan warf ihr einen bösen Blick zu, was er sehr gut konnte. Er drehte dabei sein hageres Gesicht halb vom Licht weg, so dass es einen diabolischen Zug bekam. Frau Ahner verstummte.

    Ich suchte das Revier in der Nähe von Joschi‘s aus dem Telefonbuch heraus und gab die Beobachtung von Frau Ahner durch, ohne ihren Namen zu nennen. Auf Rückfragen ließ ich mich nicht ein.

    „Ihr bescheißt die Leute auch nur!, giftete Frau Ahner. „Detektive, von wegen! Hätte ich mir denken können.

    Czordan hob belehrend den Zeigefinger: „Eine Belohnung wird erst ausgelobt, wenn eine Forderung des Entführers vorliegt oder zumindest jemand als vermisst gemeldet wird. So oder so erfährt die Polizei zuerst davon. Wir müssen also abwarten, bis es so weit ist. Vorher können wir nichts Sinnvolles unternehmen."

    Frau Ahner stand auf. Ihr Gesicht rötete sich und sie spukte andeutungsweise auf den Boden. „Faules Gerede!"

    Damit konnte sie Czordan nicht beeindrucken. Im Gegenteil, er lächelte sie an. „Nein. Ein Detektiv muss warten können. Sig, drucke ein Vertragsformular aus."

    „Kommt sofort." Ich klickte mit der Maus auf das entsprechende Symbol auf dem Bildschirm.

    „Ach was, Vertrag. Gib mir dein Wort als Amerikaner, dass de mich nicht reinlegen willst." Frau Ahner schwankte leicht.

    „Glauben Sie Amerikanern mehr als anderen?"

    „Logisch. Ich hab fünfzehn Jahre lang in der Clayallee geputzt, da lernt man die Menschen kennen. Also, was ist, gilt dein Wort?"

    „Ja."

    „Das reicht mir. Nacht, zusammen."

    „Einen Moment noch!"

    Frau Ahner drehte sich zu Czordan um.

    „Der Mann mit der Waffe hat Sie vermutlich beim Wegfahren gesehen. Es kann sein, dass Sie sich in Gefahr befinden. Halten Sie sich von dieser Gegend in den nächsten Wochen fern."

    „Unsinn. Es war schon duster und ich stand hinter den Müllcontainern. Jetzt mach dich mal nicht wichtig."

    „Seien Sie trotzdem vorsichtig."

    Ich vollbrachte meine gute Tat für diesen Tag, indem ich sie über die Straße führte und bei ihr blieb, bis sie die Schlüssel aus der Schürzentasche gefummelt und das Schlüsselloch getroffen hatte. Dann kehrte ich ins Büro zurück und sah zu, wie Czordan seinen Schreibtisch aufräumte.

    „Glückwunsch zum neuen Fall!", lästerte ich.

    „Das ist eine Ausgangssituation, wie sie jeder Detektiv schon erlebt hat, belehrte er mich. „Daraus kann sich einiges entwickeln.

    „Wenn sich Frau Ahner in ihrem Rausch etwas eingebildet hat, entwickelt sich nichts."

    Er sah nicht auf, als er antwortete: „Aber falls sie wirklich ein Verbrechen beobachtet hat, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie in den nächsten Tagen ermordet wird. Das lehrt die Erfahrung."

    „Wie bitte?"

    „Sie wird ermordet werden", sagte er im Tonfall eines ungeduldigen Lehrers, der zum wiederholten Mal eine Selbstverständlichkeit vorbeten muss.

    „Und was unternehmen wir dagegen?"

    „Nichts. Die Polizei gewährt auf bloßen Verdacht hin keinen Personenschutz. Du könntest das übernehmen, aber dich brauche ich hier im Büro."

    „Das ist zynisch."

    „Ich nenne es Realitätssinn. Wenn Frau Ahner sich an meinen Ratschlag hält, ist sie sicher."

    „So viel Vernunft wird sie wohl haben", sagte ich, ohne recht daran zu glauben.

    „Zum Detektiv fehlt dir die Menschenkenntnis."

    „Wenn es nur das ist."

    Das war nun doch zu vorlaut. Czordan schüttelte drohend den Zeigefinger in meine Richtung, als er erwiderte: „Was kannst du denn? Kämpfen, schießen, Personen schützen. Deshalb habe ich dich eingestellt. Aber wahre Detektivarbeit hat mit Köpfchen zu tun. Mit Menschenkenntnis, tiefer Einsicht in die Seele Anderer wie in die eigene, und der Fähigkeit, logisch zu denken. Das macht den Detektiv aus! Nicht die Waffe im Schulterhalfter."

    „Tut mir leid, aber das stand nicht in der Annonce, auf die ich mich gemeldet habe."

    „Pah! Ich werde dich ausbilden. Die richtigen Anlagen für diesen Beruf hast du. Über das nötige Wissen verfüge ich."

    Das bot mir die seltene Möglichkeit, mehr über die Vergangenheit des Alten herauszufinden. Er erzählte nur gelegentlich davon und was er sagte, widersprach sich auch manchmal. Ich versuchte, ihn mit einer weiteren abfälligen Bemerkung aus der Reserve zu locken: „Da redete der Fachmann - auch wenn er bisher nur Inhaber einer ‚Wissenschaftlichen Auskunftei‘ war."

    Es funktionierte!

    „In New York habe ich dreißig Jahre lang als Detektiv gearbeitet. Als private eye mit fünf Festangestellten! Erst hier in Berlin musste ich mir etwas Anderes einfallen lassen. Ich gebe zu, die Idee, mein Allgemeinwissen zu Geld zu machen, war nicht sonderlich erfolgreich. Also kehre ich nun zurück zu der Tätigkeit, für die ich über ein Talent verfüge wie wenige Andere. So oder so, die Investition in die Maschinen macht sich auf jeden Fall bezahlt. Czordan deutete auf die Tür, die in unsere Bibliothek und von dort aus in den Computerraum führte. „Jetzt geht es darum, das auch für die Investitionen in Menschen zu erreichen.

    Da er mich dabei ansah, schlussfolgerte ich, dass ich eine dieser Investitionen war. „Möge Ihre Rendite weit über dem Marktüblichen liegen. Was soll ich tun, um nicht als totes Kapital zu gelten?"

    Er stand auf und streckte sich. „Arbeiten", sagte er.

    „Gut, ich bleibe noch eine Weile hier. Vielleicht kommt ein weiterer Klient herein getorkelt."

    „Du wirst ein Protokoll des Gesprächs mit Frau Ahner in den PC tippen. Anschließend fährst du zu diesem Imbiss und siehst dich dort um."

    Czordan ging durch die Hintertür nach oben in seine Wohnung.

    Er hatte mich drangekriegt. Ich setzte mich an den Computer und schrieb auf, was mir im Gedächtnis geblieben war. Anschließend fuhr ich zu Joschi‘s, gönnte mir eine Currywurst und erkundigte mich nach der alten Frau, die sonst abends dort arbeitete.

    „Ist heute früher gegangen", war alles, was ich aus dem dicken Imbissbesitzer herausbekam. Als ich nachhakte, musterte er mich misstrauisch, wandte sich ab und fing mit einem anderen Kunden ein Gespräch an.

    Leute aushorchen konnte ich also noch nicht. Aber da ich erst dabei war, das Detektivhandwerk zu erlernen, machte ich mir nichts daraus und begab mich auf die Suche nach den Müllcontainern. Sie standen fünfzig Meter vom Imbiss entfernt. Einer davon hatte eine waagerechte Schramme entlang der Vorderseite. Als ich mich bückte, um nach Farbresten zu suchen, die der Wagen vielleicht hinterlassen hatte, fühlte ich, dass ich beobachtet wurde. Langsam richtete ich mich auf.

    Im Dunkel des nächsten Hauseingangs stand eine Frau und sah herüber. „Hallo, Süßer, einsam heute Abend?", fragte sie mit osteuropäischem Akzent.

    „Nein, aber neugierig, sagte ich und ging auf sie zu. „Vorhin ist ein Wagen ...

    Sie verschwand blitzartig im Haus. Hinter ihr fiel die Tür ins Schloss. Ich hörte das leiser werdende Stakkato ihrer Stöckelschuhe, als sie durch den Hausflur davon rannte.

    Kapitel 2

    Am folgenden Tag erschien ich pünktlich um zehn Uhr im Büro. Das war normalerweise nicht meine Zeit, aber ich wollte guten Willen zeigen.

    Czordan erwartete mich, was ungewöhnlich war. Ich fürchtete schon, er hätte schlechte Nachrichten über Frau Ahner, aber er wünschte nur knurrig „Guten Morgen!" und ging mit seinem täglichen Stapel Zeitungen nach oben.

    Auf dem Anrufbeantworter war keine Nachricht, also fuhr ich den PC hoch und überflog die Liste der Emails, von denen fast alle unerwünschte Werbung enthielten. Eine als wichtig gekennzeichnete Mail mit einem verschlüsselten Anhang stammte von Ronald Swoboda, dem freiberuflichen Detektiv, den Czordan als Hilfe angeheuert hatte.

    Ron arbeitete an einem Fall von Industriespionage. Czordans ‚Wissenschaftliche Auskunftei‘, die nur aus ihm selbst bestand, recherchierte unter anderem für eine Hightech-Firma in Berlin-Adlershof. Als deren Chef sich beiläufig beklagte, dass die chinesische Konkurrenz wichtige Patente und Infos über Verfahrensabläufe in kürzester Zeit in die Hände bekam, bot Czordan an, die undichte Stelle in der Firma zu finden. Das war der Auslöser, der zur Gründung der Detektei führte.

    Seit einigen Tagen war Ron unterwegs, um sich das Umfeld des Betriebes genauer anzusehen. Sein Bericht erwies sich als fünf Seiten lange Aufzählung von Orten, Uhrzeiten und Beobachtungen. Ich formatierte das Dokument um und druckte es für Czordan aus. Der Alte las nicht gerne am PC. Dann ging ich Rons Informationen gründlich durch. Das einzig Chinesische, das er entdecken konnte, war das Chinarestaurant, in dem die Mitarbeiter der Firma mittags aßen, weil der Betrieb keine Kantine hatte.

    Ansonsten bot sich das übliche Durcheinander menschlicher Beziehungen: Der Vorsitzende des Vorstandes, ein Mensch namens Raineri, verheimlichte seine Vorliebe für lederbekleidete käufliche Frauen; das war der Mann, der Czordan beauftragt hatte. Der Leiter der Entwicklungsabteilung hatte ein Verhältnis mit seiner Sekretärin. In der Wohnung der Chefbuchhalterin lebte ein illegal eingereister junger Kubaner. Der Chef der Qualitätssicherung betrog seine Frau mit einem achtzehnjährigen Azubi. Ron war sicher,

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