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7/4: Seven Four
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eBook514 Seiten6 Stunden

7/4: Seven Four

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Über dieses E-Book

Mike Stevens arbeitet als Feldagent in einer Spezialeinheit, die nach 9/11 ins Leben gerufen wurde. Als er nach einem Einsatz wieder in seine Einheit zurückkehrt, häufen sich die Indizien für einen terroristischen Anschlag, der am Unabhängigkeitstag der USA, am 7/4 stattfinden soll. Die Mitglieder einer Zelle planen einen Anschlag auf den Hoover Dam nahe des Grand Canyons. Doch damit nicht genug, die weiteren Ereignisse offenbaren erst nach und nach, dass dieser Anschlag nur den Auftakt einer teuflischen Zerstörungsorgie darstellt. Mike wird klar, dass hinter den Attentätern eine skrupellose Person stecken muss, die vor nichts zurückschreckt…
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum14. Dez. 2012
ISBN9783844242560
7/4: Seven Four

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    Buchvorschau

    7/4 - Jack Timber

    1

    „Es geht los."

    Auf diesen Satz hatte Ali Akbar einige Jahre geduldig gewartet. Als er vor wenigen Augenblicken die Nummer von Said auf seinem Handy sah, wusste er noch nicht, dass es nun endlich soweit war.

    Said und er telefonierten ab und an und unterhielten sich über belanglose Sachen. So konnten die beiden eine unauffällige Kommunikationsbeziehung miteinander aufbauen. Ali hatte Said einige Male in letzter Zeit getroffen, aber weder am Telefon noch an öffentlichen Plätzen hatten sie dabei ein radikales Gesprächsthema gehabt. Zu groß war die Gefahr, dass einer mit lauschen würde. Seit 9/11 geriet man schnell unter Tatverdacht, wenn man nicht wie der typische Amerikaner aussah oder sich wie einer benahm. Ein zu langer Bart, eine zu dunkle Hautfarbe oder eine koschere Lebensweise ließ die Alarmglocken einiger übervorsichtigen Bürger bereits schrillen. Doch diesmal sollte das Treffen anders sein.

    „Wir treffen uns morgen am Platz 37 um 22 Uhr", fuhr Said fort.

    „Verstanden. Bis morgen."

    Ali Akbar verzichtete bewusst auf eine arabische Redewendung zur Verabschiedung. Man musste davon ausgehen, dass jedes Telefongespräch innerhalb der Vereinigten Staaten auf Schlüsselwörter untersucht würde. Je unauffälliger, desto besser war deshalb die Devise der beiden. Aber selbst wenn jemand auf dieses Gespräch aufmerksam geworden wäre, so hätte er das eigentliche Treffen nicht mit verfolgen können. Um sich an immer unterschiedlichen und nicht namentlich benannten Orten zu treffen, hatte Said eine einfache zweispaltige Liste angelegt. Auf dieser Liste waren 50 Orte eingetragen. Hinter der Zahl eins stand „Fisherman’s Warf Hard Rock Cafe, neben der Nummer zwei „Star Bucks Market Street, hinter der Zahl drei „Washington Ecke Powell Street". So ging es bis 50 weiter. Auf der zweiten Hälfte waren Uhrzeiten einer anderen Zahlenfolge zugewiesen. Neben 22 Uhr stand 08:45 a.m. Dies war wahrhaftig kein Meisterwerk der Chiffrierkunst, für diesen Zweck aber absolut ausreichend.

    Ali wusste nun, dass er morgen nicht wie jeden Tag in die Arbeit fahren konnte. Er würde sich für diesen Tag einfach krank melden. Seine Anstellung als Fließbandarbeiter hatte ihm noch nie richtig Spaß gemacht, aber irgendetwas musste man ja machen, um in diesem Land nicht als schmarotzender Einwanderer dazustehen. Ihm war klar geworden, dass er dieser Tätigkeit nicht bis zu seinem Lebensende nachgehen würde, sondern für etwas viel Größeres bestimmt war. Dieser Gedanke war Motivation genug.

    Mehr als genug.

    Als er vor zehn Jahren in das Land der unbegrenzten Möglichkeiten eingereist war, musste er viel über sich ergehen lassen. Miese Beschimpfungen und Beleidigungen gegen seine Herkunft waren an der Tagesordnung. Doch er arbeitete fleißig und verlor nie den Traum des Tellerwäschers aus den Augen.

    Bis er Said kennen lernte.

    Said hatte Ali sofort fasziniert, sein Mitgefühl war Balsam für seine Seele. Dieser Mann verstand es Alis Gedanken auszusprechen und seine tiefsten Emotionen wachzurütteln. Da sie beide keine Familie vor Ort hatten, unternahmen sie häufig etwas gemeinsam. In einer Bar offenbarte sich Said dann zum ersten Mal. Man schrieb das Jahr Fünf des Feldzuges der neuen Welt gegen den Terrorismus. Im Nachrichtensender TTN lief eine Sonderberichterstattung über ein Massaker an der Zivilbevölkerung Afghanistans. Dutzende unschuldige Kinder und Frauen waren von einer alliierten Rakete in buchstäblich Millionen Fetzen pulverisiert worden. Der Oberbefehlshaber der Streitkräfte sprach von einem bedauernswerten Zwischenfall, aber mit Kollateralschäden müsse man eben bei einem so wichtigen Kampf rechnen. Said, der seine Wurzeln in der Region hatte, hatte Tränen in den Augen. Aber auch Wut spiegelte sich in seinem Gesicht. Ali hatte ihn noch nie so gesehen. Endlich konnte Ali ihm aber auch sein Mitgefühl zeigen.

    „Das ist schon eine Schande. Da werden unschuldige Menschen in einen Krieg gezogen, der gar nicht ihrer ist."

    Saids Stimme zitterte leicht, als er den nächsten Satz aussprach: „Die Bevölkerung Afghanistans hat nichts mit diesem Krieg zu tun. Wieso kommen die Amerikaner immer so ungeschoren davon, wenn sie Kinder und Frauen anderer Nationen in ihrem weltpolizeilichen Getue ermorden? Das ist ungerecht und schreit nach Vergeltung."

    Ali war leicht irritiert was er von dieser Aussage halten sollte. Aber aus Saids Mund klang es weder verwerflich noch radikal. Es klang irgendwie logisch.

    Mit Mord an Unschuldigen konnte man sehr leicht Leute für sich gewinnen, das wusste auch Said. Als die beiden die Bar verlassen hatten, erläuterte Said seine Weltanschauung. Es klang überhaupt nicht wie dieses 08/15-Terrorthema aus den Nachrichten oder wie man es bei Talkshows mitbekam. Für Ali klang alles sehr logisch. Irgendjemand musste solche Taten bestrafen. Und Said schien sich dafür bereit zu erklären.

    Auge um Auge, Zahn um Zahn.

    Als Ali an diesem Abend nach Hause kam, blickte er in den Spiegel. Er war etwas kleiner als der Durchschnittsbürger und wirkte mit seiner Brille und seinem Schnauzer schutzbedürftig. Seine dunklen Augen funkelten vor Angst und gleichzeitiger Neugier. Said war sein bester Freund und es tat ihm leid, ihn so leiden zu sehen. Leichte Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Entschlossen wischte er sie in seine kurzen dunklen Haare. Er würde Said unterstützen, egal was es kostete. Er würde alles für ihn tun, seinen besten Freund ließ man nicht hängen.

    In den nächsten Monaten intensivierte sich das Verhältnis der beiden. Sie trafen sich häufiger und sprachen immer mehr über die Weltordnung, die ihrer Ansicht nach mehr als nur ins Schwanken geraten war. Einer musste doch etwas unternehmen und ein Zeichen setzen. Said schien für Ali immer mehr der perfekte Mann für diese Aufgabe zu sein. Er versprach ihm eine wichtige Rolle in diesem Kampf. Aber bis dieser Moment gekommen war, sollte er normal weiterarbeiten und das Beziehungsverhältnis der beiden auf ein Minimum reduzieren.

    Ali Akbar würde nie erfahren, dass Said dieses Vorgehen bei einem Dutzend weiterer Männer ebenfalls erfolgreich angewendet hatte.

    Dass die erlösende Aktivierung erst nach über drei Jahren kam, störte Ali nicht. Er wusste, sein Tag würde kommen und jetzt war es endlich soweit. Die Gerechtigkeit würde kommen und er würde einen entscheidenden Beitrag dazu leisten. Sein Name würde in die Geschichtsbücher eingehen. Ali Akbar El-Hendy. Sein Vater hatte ihm nicht umsonst den Namen „großer Ali" also Akbar gegeben. Voller Stolz verstaute Ali sein Handy in der Jackentasche. Auf einmal sah die Welt ganz anders aus. Endlich hatte alles einen Sinn.

    Sein Blick schweifte über das traumhafte Panorama der San Francisco Bay Area. Millionen Menschen lebten in dieser Gegend und er würde einer sein, der wirklich etwas bewegen würde. Mit diesen Gedanken drehte er sich um und ging in Richtung seiner Wohnung.

    2

    Der Wagen von Mike fuhr gerade den ersten Security Posten an, als das Radio eines seiner Lieblingslieder anstimmte. „Hotel California von den Eagles. Mike trommelte mit den Fingern rhythmisch auf dem Lenkrad. Mit einem Knopfdruck ließ er die Fahrerfensterscheibe herunter und zeigte dem Wachmann seinen Ausweis. Gut gelaunt durch die musikalische Untermalung fragte er ihn: „Wie geht’s Ihnen, David? Er las dabei dessen Vornamen vom Namensschild ab. Mike sprach gerne die Leute mit Namen an. David antwortete mit einem knurrendem aber höflichem „Sehr gut, Ihnen auch?" Der Stimmlage nach zu urteilen handelte es sich aber nur um eine oberflächliche Routineantwort.

    „Könnte nicht besser sein. Die Sonne scheint, die Musik ist klasse, jetzt fehlt nur noch ein freier Tag".

    Mike wusste, dass in diesem Moment ein Foto von ihm gemacht wurde. Es wurde benutzt, zum einen um den Personenverkehr zu dokumentieren, zum anderen um das Gesicht mit den biometrischen Daten im System abzugleichen. Er verkniff es sich nie, am Eingang immer übertrieben freundlich in die Kamera zu grinsen. Er wartete auf den Tag, an dem die Security mal zu ihm sagte, wenn er so weitermachte, könne er mit den Backenzähnen die Ohren massieren.

    Nach wenigen Momenten gab ihm David seinen Ausweis zurück.

    „Alles klar. Sie können passieren. Einen schönen Tag noch, Mr. Stevens."

    „Danke David, Ihnen ebenfalls."

    Mike steuerte den Wagen auf den Parkplatz und musste feststellen, dass sich in seiner Abwesenheit einiges geändert hatte. Sämtliche Parkplätze verfügten nun über eine durchgängige Überdachung, auf denen Sonnenkollektoren angebracht waren. Etwas verblüfft parkte er den Wagen, freute sich aber schon darauf wenn er am Abend, nicht in ein völlig überhitztes Auto steigen musste. Der Eingang des Gebäudes war in wenigen Minuten zu erreichen. An einem kleinen See war ein Raucherpavillon aufgestellt. Wenigstens hier war noch alles beim Alten geblieben. Im Pavillon stand Carlos, einer von Mikes Kollegen. Carlos war ein Kettenraucher wie er im Buche steht. Wenn er zum Rauchen nach draußen ging, steckte er sich immer drei Zigaretten hintereinander an. Das hielt dann für ungefähr eine Stunde an. Dann wieder drei Zigaretten, mindestens. Aber Carlos war auch ein begabtes Genie in Sachen Computernetzwerke. Er konnte sich in fast jedes Netzwerk hacken. Er war fast süchtig nach dem Moment, wenn er erfolgreich ein Netz penetrierte. Solche Leute konnten hier gebraucht werden. Schade eigentlich, wenn sie frühzeitig an Lungenkrebs starben, aber das war ein anderes Thema.

    „Carlos, schön dich noch unter den Lebenden zu sehen. Mein Ratschlag das Rauchen aufzuhören, scheint ja noch nicht gefruchtet zu haben."

    „Du musst gerade reden. Ich glaube, es ist gesünder drei Schachteln am Tag zu quarzen, als sich monatelang in die Höhle des Löwen zu begeben."

    Der Vergleich hatte was. Mike gefiel die spontane Art von Carlos. Immer einen Spruch auf Lager. Carlos war mit seinen Einmetersiebzig etwas kleiner als Mike. Sein volles Gesicht und die ungepflegte Haut deuteten auf eine ebenfalls nicht gerade gesunde Lebensweise hin. In sämtlichen Fast Food Filialen seiner Wohngegend kannte man ihn und schätze ihn als treuen Kunden. Die mexikanischen Wurzeln seiner Eltern sah man an seiner etwas dunkleren Hautfarbe. Der Dreitagebart rundete das Klischee ab.

    „Wo hast du dich denn eigentlich genau herumgetrieben?", wollte Carlos wissen.

    „Das weißt du doch. Wenn ich dir mehr erzählen würde, müsste ich dich erschießen."

    „Komm sag schon, ich kann schweigen wie ein Grab. Auch ohne erschossen zu werden." Carlos setzte ein breites Grinsen auf, so dass man seine zwei goldenen Zähne erkennen konnte.

    Carlos ließ nicht locker. „Hast du deine arabischen Kenntnisse auf Vordermann gebracht?"

    Mike musste sich an eine herrlich komische Szene erinnern. Er ging mit Carlos in ein persisches Restaurant und brachte ihm vorher ein paar Wörter bei. Mike sagte ihm „Das sieht sehr gut aus hieße „Balla biaram. Als der Kellner den beiden das Essen auf den Tisch stellte, wollte Carlos mit seinem neu gelernten Satz punkten. Der Kellner lief rot an und Mike sagt zum Kellner etwas was die Situation entschärfte. Carlos‘ Worte hießen übersetzt nämlich „Soll ich kotzen?. Mike meinte zum Kellner, Carlos lernte gerade die wundervolle Sprache, habe sich aber wohl in der Aussprache vertan und gemeint „das sieht sehr lecker aus was etwas ähnlich klang. Das gleiche sagte er auch zu Carlos. Innerlich wäre Mike fast geplatzt und musste ein Lachen unterdrücken.

    „Tja, Carlos, da kann ich dir nur eins sagen: Ta farda." Mike gab Carlos noch ein Klaps auf die Schulter, drehte sich um und ging in das Gebäude.

    Carlos sah Mike noch kurz hinterher, rauchte die Zigarette fertig und entschloss sich eine vierte anzustecken. Sagt der doch „bis morgen" zu mir, dachte er. An die Übersetzung dieses Satzes konnte er sich nämlich noch erinnern. Der war bestimmt irgendwo im Iran.

    Mike verschwand in einem unauffälligen Gebäude. Gleich würde er die zweite Sicherheitsschleuse passieren. Von außen sah man nur einen zweistöckigen Komplex. Was sich allerdings im Boden befand, blieb jedem Beobachter verborgen: Fünf Etagen im Keller, jede vollgepackt mit Technik und Mitarbeitern der wohl geheimsten Abteilung von Homeland Security. Am Rande eines etwas weiter entfernten Ortes von Los Angeles. Obwohl man für amerikanische Verhältnissen vielleicht sogar noch das Wort Vorort benutzen könnte. Das Areal war mit einem unauffälligen Zaun umgeben. Kleinste Kameras, Bewegungs- und Drucksensoren, sowie unsichtbare Lasergitter ließen nicht einmal eine Maus unbemerkt näher kommen.

    Die Anti Terror Abteilung bekam ihre Aufträge in der Regel vom obersten Management von Homeland Security. Von ihrer Existenz wussten nur die wenigsten. Nicht einmal der Präsident der Vereinigten Staaten wusste von deren Existenz, geschweige denn von einem Mitarbeiter.

    Zumindest noch nicht. Das sollte sich in wenigen Monaten ändern. Bald würde er in direkten Kontakt mit der Abteilung stehen und Befehle geben.

    Die Abteilung kam dann ins Spiel wenn bei allen anderen Organisationen, wie das FBI oder der CIA, selbst die besten Männer nicht mehr weiter wussten. Oder wenn rechtliche Aspekte im Wege standen. In der Regel arbeiteten die Kollegen im Inland und überwachten verdächtige Zielpersonen. Aber auch ausländische Einsätze werden von ihr durchgeführt. So wie gerade bei Mike.

    Im Ernstfall war es auch diese Abteilung, die, nach dem Präsidenten, das Sagen hatte. Sämtliche Kommunikation und Koordination aller Kräfte würden dann von ihr geregelt. Bisher war dieser Fall seit ihrer Gründung im Jahr 2002 nicht eingetreten. Auch dies sollte sich in wenigen Monaten ändern.

    3

    Am nächsten Morgen stand Ali Akbar etwas früher auf als sonst. Wie in fast allen Orten in diesem Land ließ er die Kaffeemaschine laufen und gönnte sich eine heiße Tasse des koffeinhaltigen Getränks. Dazu aß er die typisch amerikanischen Bagels mit Frischkäse. Nach dem Frühstück rasierte er sich und putzte sich die Zähne. Von außen betrachtet erschien Ali wie ein typischer amerikanischer Durchschnittsbürger. Im Inneren allerdings formierten sich Gedanken, die die Vereinigten Staaten in ihren Grundmauern erschüttern sollten.

    Um halb acht rief er bei seiner Firma an und meldete sich krank. Er sagte, er wolle noch beim Arzt vorbeischauen, hoffte aber, dass es nichts Ernstes sei und morgen wieder auf der Matte stünde. Ali liebte landestypische Redewendungen. Er wirkte wie ein perfekt integrierter Gastarbeiter.

    Kurz nach dem Telefonat verließ Ali seine Wohnung. Er ging wie jeden Morgen zu seinem Kiosk und kaufte eine Zeitung, die „USA today". Dieses Blatt lasen viele Amerikaner und es hatte ein praktisches Format, einige Bilder und leicht verständliche Texte. Ali hasste Zeitungen, die man von vorne bis hinten lesen musste und nachher trotzdem kein Wort verstanden hatte.

    „Hey Ali, du schaust gut erholt aus. Wirkst ja richtig glücklich." Tom, der Zeitschriftenhändler, kannte Ali schon seit mehreren Monaten. Für ihn war Ali ein treuer Kunde, der sich wie er auch für Baseball und Football interessierte.

    „Du weißt doch, die 49ers haben gestern so richtig das Haus gerockt. Ich fand das Spiel Klasse. Hast du es auch verfolgt?"

    „Nein, leider nicht. Meine Frau war mit ihren Freundinnen aus und ich musste auf die Kinder aufpassen. Shit happens."

    „Du sagst es. Aber weißt du was? Beim nächsten Spiel kaufe ich uns Karten und wir gehen rüber ins Stadion. Wäre das nicht eine tolle Entschädigung?"

    „Wow, das wäre Klasse. Ali, du bist ein guter Mensch. Ich wünschte es gäbe mehr von deiner Sorte."

    Mit einem heimlichen Grinsen verabschiedete sich Ali von Tom. Er wusste genau, dass es zu diesem Termin nicht kommen würde. Genauso wenig wie er sich gestern dieses alberne Spiel angeschaut hatte. Aber es machte einen guten Eindruck, wenn man sich für die lokalen Sporthelden interessierte.

    Mit der Zeitung unter seinem Arm bestieg Ali die BART, die Nahverkehrsverbindungen in der San Francisco Bay Area. In Oakland, seinem Wohnort, war er nur wenige Meilen von Downtown San Francisco entfernt. Er schätzte die doch verhältnismäßige ruhige Stadt und den Vorzug binnen Minuten in der seiner Meinung nach wohl schönsten und beeindruckendsten Stadt der USA zu sein.

    Ali saß am Fenster und schaute sich die Skyline der Metropole im aufgehenden Sonnenlicht an. Die Wolkenkratzer spiegelten sich golden und ein leichter Dunst lag über der Stadt. Normalerweise lag hier alles im Nebel. Es gab nur wenige Tage die solch ein Panorama zuließen. Der Zug beschleunigte und rauschte in den Tunnel, der unter dem Meer Richtung Downtown führte. Ali blickte nun auf seine Zeitung. Mit großen Buchstaben stand auf der Titelseite „Why are we still there?". Das Bild darunter zeigte etliche Särge, die mit dem Star-Spangled Banner, der amerikanischen Flagge, abgedeckt waren. Gemeint war der Afghanistankrieg. Im Bericht stand, dass täglich sehr viel Geld verloren ginge und es dem US Bürger keinen sichtbaren Nutzen brächte. Im Gegenteil, in den Staaten stiege die Arbeitslosigkeit und an allen Ecken und Enden würden die Gelder fehlen. Krankenversicherung wurde als ein Beispiel genannt. Im Bericht wurden noch weitere Parallelen zum Vietnamkrieg gezogen. Ein Zitat eines Vietnamveteranen kurz vor Beginn des Krieges im Nahen Osten spielte sarkastisch auf die momentane Lage an: Wenigstens kann sich der Feind nicht im Laub verstecken. Wir können alle ausräuchern, die haben ja keine Chance sich zu verstecken.

    Dieser Kommentar ärgerte Ali sehr. Wie dieser Veteran so herablassend über sein Volk redete gefiel ihm gar nicht. Als ob wir keine Menschen wären. Aber immerhin sahen es nun auch einige Journalisten in den USA, dass dieser Krieg nicht zu gewinnen war. Eine weitere Schlappe für die größte Militärmacht der Welt. Dieser Gedanke befriedigte Ali wieder etwas.

    Er konnte nicht tatenlos zusehen, wenn er von diesen ganzen Wahnsinn und diese Ungerechtigkeit hörte. Er war heilfroh Said kennengelernt zu haben. Mit ihm hatte er die Chance seines Lebens. Egal wie es für ihn auch ausgehen würde, er würde seinen Platz in der Geschichte bekommen. In seiner Heimat würde man die Kinder ehrenvoll nach ihm benennen. Er durfte nur keine Fehler machen, musste Geduld zeigen. Said würde ihn sicherlich nicht enttäuschen. Es konnte losgehen, er war bereit.

    4

    Für den normalen Mitarbeiter des Anti-Terror-Departments von Homeland Security begann der Arbeitstag um 8 Uhr. Die Kaffeemaschinen auf den Fluren hatten um diese Zeit Hochkonjunktur. Es wurden kleine Späßchen gemacht, die Schiedsrichterentscheidungen des gestrigen Footballspiels diskutiert und Donuts in rauen Mengen verdrückt. Die erste Stunde wurde traditionell von diesen Ereignissen geprägt, so dass die ersten Meetings frühestens um 9 Uhr begannen. Wie jeden Tag lud Peter Haynes zu einem Einsatzbericht ein. Der Meetingraum „Ohio" war mit der am besten ausgestattete. Riesige LCD-Wände konnten Karten, Fotos und Videokonferenzen aus aller Welt zeigen. Amanda Jackson war bereits anwesend. Sie koordinierte die Einsätze der Feldagenten und war das Verbindungsglied zwischen Abteilung und Agenten. In der Regel ging jede Kommunikation über sie. Mit ihren blauen Augen und dem hüftlangen blonden Haar sah sie aber eher aus wie ein Topmodel. Die notwendigen Körpermaße für diesen Job erfüllte sie leicht. Sie liebte enge knielange Röcke und trug dazu gerne gleichfarbige Blusen, meist kombinierte sie eine champagnerfarbige Strumpfhose dazu. Kein Spaß bei den Temperaturen in Los Angeles, aber es sah verdammt scharf aus. Kein Tag verging, an dem sich nicht mindestens drei Männer nach ihr den Kopf ausrenkten. Doch ihre wahre Liebe galt nicht einem Mann oder dem Vergnügen. Sie koordinierte und organisierte für ihr Leben gerne. Es war daher nicht schwer für sie, diesen Job zu bekommen. Welche bildhübsche und talentierte Frau kam nicht dahin wo sie wollte? Amanda wusste nämlich ihre Reize einzusetzen. Es konnte schon sein, dass ihr bei einer Besprechung der Busen ganz leicht aus dem Dekolleté rutschte. Den darauffolgenden Moment der Bewunderung durch die Männerwelt konnte und wusste sie zu nutzen. Ihr Lieblingsmotto lautete: Gute Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen überallhin. Für den heutigen Tag stand eine Routinebesprechung mit Mike Stevens an. Er sollte von seinem letzten Einsatz berichten.

    Um kurz vor neun betrat Peter Haynes, der leitende Direktor der geheimen Abteilung, den Meetingraum. Mit Entzücken stellte er fest, dass Amanda eine seiner Lieblingsblusen anhatte, mit einem sehr gewagten Ausschnitt, durch den man leicht die Spitzen des schwarzen BHs sehen konnte. Eine Besprechung konnte doch gar nicht besser beginnen. Peter hatte eine Familie zu Hause und so lebte er nach dem Motto, Appetit holen ist in Ordnung, aber gegessen wird zu Hause. Im Grunde war er eine gute Seele, aber halt eben auch ein Mann.

    „Na Amanda, hast du gestern auch das Spiel der 49ers gesehen? War ja ziemlich spannend am Ende."

    Amanda interessierte sich nicht für Sport, aber ihr Desinteresse wollte sie auch nicht so offen zeigen. Small Talk gehörte auch bei der geheimen Abteilung zum täglichen Brot.

    „Leider nicht. Ich hatte gestern noch etwas zu tun. Ich hätte mir bestimmt in die Lippe gebissen, so spannend muss es gewesen sein. Wobei wir nicht zu sehr die fremden Städte bejubeln sollten, schließlich sind wir in Los Angeles."

    „Da kann ich Amanda nur Recht geben. Mike Stevens betrat den Meetingraum in seinem typischen Innendienstoutfit: Blue Jeans, gehalten von einem schwarzen Gürtel mit einer dicken Schnalle. Das silberne Funkeln der Schnalle hob den Schriftzug „Kansas gut hervor. Unterhalb der Schrift war eine Postkutsche mit sechs Pferden im Gespann abgebildet. Oberhalb ein einzelnes Rodeopferd, das einen Reiter abzuwerfen versuchte. Der Cowboy hielt sich mit einer Hand im Sattel, mit der anderen schwang er seinen Hut. Eine perfekte Cowboy-Szene. Mike war zwar kein Vollblutcowboyfan. Nie würde er in voller Montur in Downtown Los Angeles rumlaufen. Aber ab und zu besuchte er gerne ein Rodeo oder ein Country-Music-Konzert in seinem Geburtsstaat.

    „Guten Morgen Mike. Schön, dass du wieder in einem Stück zurückgekommen bist." Amandas letzter Satz, verbunden mit einem Grinsen in den Mundwinkeln, ließ Peter insgeheim vor Neid platzen. Er wollte sich gar nicht vorstellen, was die beiden wohl machen würden, wenn er nicht im Raum wäre.

    „Schön, dass du es pünktlich geschafft hast, Mike." Peter setzte sich und legte einen Stapel Papiere vor sich hin.

    „Ich habe deinen Bericht natürlich bereits gelesen. Trotzdem würde ich gerne nochmal eine Zusammenfassung von dir hören."

    Das ist ja mal wieder typisch, durchfuhr es Mike. Wozu schreibe ich eigentlich diese Mistberichte? Formalitäten gab es in jeder Abteilung, das war auch Mike klar. Daher verbiss er sich seinen Kommentar.

    „Selbstverständlich. Wie Ihr bereits wisst, habe ich die Staaten vor über drei Monaten verlassen. Meine Reise verlief zunächst über einige Drittländer, um meinen Reiseweg so gut wie möglich zu verschleiern. Nach einer Woche bin ich im Grenzgebiet am Hindukusch angekommen. Durch unsere Ermittlungen konnte ich die drei großen unabhängigen Mohnplantagen leicht ausmachen.

    Fangen wir bei der ersten an. Ich bin im Norden über Usbekistan ins Land eingereist. Ein kleiner unbedeutender Grenzposten. Mit ein bisschen Bakschisch kommt man leicht ohne großes Aufsehen nach Afghanistan. In der Stadt Taloqan, etwas östlich von Kunduz, habe ich dann meine Fühler in der Bevölkerung ausgestreckt." Mike deutete auf einen kleinen Punkt auf der Landkarte im äußeren Westen von Afghanistan.

    „Besonders hilfreich war der Besitzer meiner Absteige, anders konnte man diesen Platz nicht bezeichnen. Ihn konnte ich überreden mir eine Fahrgelegenheit zur ersten Mohnplantage zu organisieren. Der Bauer war einer seiner Bekannten. Am folgenden Tag wurde ich von einem Pick Up abgeholt. Sie brachten mich direkt zum Bauern, was zirka eine Stunde Fahrtzeit beanspruchte. Wie unsere Aufklärungen im Vorfeld ergeben hatten, handelte es sich um ein mittelgroßes Feld. Von den ca. 4.000 Tonnen reinen Opiums, die jährlich in Afghanistan produziert werden, fallen an dieser Plantage ca. 300 Tonnen an. Das Feld wurde vom Stamm des Bauern bewacht. Der empfing mich recht freundlich. Ich denke, der Kontakt zum Hotelbesitzer war hilfreich. Man muss wissen, dass in dieser Gegend ein ziemlich fieser Dialekt des Paschtu gesprochen wird. Mit meinem Hochpersisch kam ich aber trotzdem ganz gut zurecht, obwohl das so ähnlich ist, als wenn man in Bayern in eine Dorfgemeinde aufgenommen werden will, aber eigentlich nur hochdeutsch spricht. Im Unterschied zu unseren Freunden aus dem alten Europa können aber bei unseren Drogenbauern ein paar Scheine die Wogen glätten." Mike zog gerne Vergleiche aus anderen Kulturkreisen, insbesondere aus Deutschland. Seine Vorfahren waren im späten 19. Jahrhundert aus dem Land immigriert, in dem einige Jahrzehnte später zwei Weltkriege entstehen sollten. Trotzdem verspürte er einen leichten Stolz wenn er an die Krauts und seine Wurzeln dachte. Er fand, dass die Deutschen ein fleißiges Volk waren. Arbeiteten tadellos und waren sehr innovativ. Allerdings meckerten und jammerten sie ziemlich viel. Aber das musste wohl so sein.

    „Unser Plan ging sehr gut auf. Mit unserem Geschäftsmodell konnte ich auf offene Ohren stoßen. Die Idee genmanipuliertes Mohn als Samen zu verkaufen interessierte ihn sehr. Als er hörte, dass es deutlich resistenter gegen Krankheiten ist, in 2/3 der Zeit wächst und dann sogar noch eine deutlich höhere Qualität hat und obendrein kann man damit 20 Prozent mehr Volumen des Rauschgiftes herstellen. Der abschließende Vorteil, auch immun gegen Kampfstoffe der Amerikaner zu sein, ließen seine Augen aufblitzen. Er hatte berichtet ein Drittel seiner Ernte vor zwei Jahren verloren zu haben, nachdem ein Satansflugzeug etwas über seinem Feld versprüht hatte."

    Peter nutzte die kurze Pause von Mike. „Und wie wir vermutet haben, konnte er die Entscheidung aber nicht alleine treffen, oder?"

    „Exakt. Auch hier ist alles nach Plan verlaufen. Der Bauer konnte diese Entscheidung unmöglich alleine treffen. Hätte er hier Mist gebaut und ihm wäre dadurch die Lieferung ins Stocken geraten, wäre sein Leben weniger wert gewesen, als eine einzige Mohnblume.

    Er schlug daher vor mit seinem Abnehmer über das Thema zu sprechen. Glücklicherweise hatte er nichts dagegen, dass ich auch ihm dieses Thema vorstellen durfte. Selbstverständlich wollten sie mich aber davor richtig filzen. Kein Problem, denn ich hatte unsere Widgets in der Mundhöhle gut versteckt. Hätte ich beim Bauern ein Attentat oder irgendeine Dummheit versucht, wäre der Schaden geringfügig gewesen und es hätten sofort 30 Kalaschnikows auf mich gezielt. Der Bauer wäre noch nicht einmal richtig kalt, schon wäre er im Stamm ersetzt worden. Beim Abnehmer der Ware waren die Sicherheitsvorkehrungen aber ganz anders. Hier war man deutlich vorsichtiger. Laut Aussage des Bauers musste dieses Treffen aber erst noch organisiert werden. Ich sollte mich in mein Hotel begeben und dort auf seine Nachricht warten. Diese kam nach zwei Tagen. Ich wurde am Nachmittag abgeholt. Ich denke, dass die Jungs in der Zwischenzeit auch meine Identität mehrfach geprüft haben. Aber dank dir, Amanda", Mike lächelte sie dabei an und dankte mit seiner rechten Hand, die vom Herzen zu ihr wanderte, „konnten die Kerle keine Auffälligkeiten finden. Nur einen Drogendealer auf hohem Niveau, der sich durch herausragende Geschäfte und neue Ideen weltweit einen Namen gemacht hatte.

    Der Pick Up brachte mich in knapp zwei Stunden in ein kleines Dorf. Nachdem es keine Straßen- oder Ortsschilder mehr gab, konnte ich nur vermuten, dass wir in Ashku waren."

    Mike deutete auf der elektronischen Karte mitten in die Gebirgskette des Hindukusch auf einen Punkt südlich von Taloqan. Mit einer ziehenden Fingerbewegung vergrößerte er den Ausschnitt. Jetzt konnte man ein kleines Dorf erkennen, etwas abseits von einer besser ausgebauten Passstraße.

    „Direkt nach der Ankunft wurde ich, wie zu erwarten war, sehr gründlich durchsucht. Meine Waffe hatte ich vorher in eine alte P1 getauscht. Meine Standardwaffe, die moderne Heckler und Koch USP Expert hätte die doch etwas verwundert. An sich ist das Tragen einer Pistole zum Selbstschutz üblich und erzeugte kein großes Aufsehen bei den Burschen. Das Magazin hatte ich bei der Ankunft entfernt und dem in die Hand gedrückt, der mir nach der größten Pfeife aussah. Den Schlitten des Laufes hatte ich geöffnet, um zu beweisen, dass sich auch dort keine Patrone mehr befand. Nicht gerade ein beruhigendes Gefühl, sich ohne effektiven Selbstschutz in die Höhle des Löwen zu begeben, aber anders gewinnt man nicht das Vertrauen der Brüder.

    Das Haus war von außen ziemlich verkommen, innen jedoch ganz passabel. Die Türen waren deutlich massiver als man von außen auch nur erahnen könnte. Sehr wahrscheinlich gab es auch einen versteckten Tunnel als Fluchtweg. Im Wohnzimmer, wenn man es als solches bezeichnen will, wartete auf dem Sofa unser Mann.

    Der Abnehmer gab sich als Jamil aus. Ein 175cm großer, schlanker Typ. Sehr eiserne Miene, schwarze Augen und ein kantiges Kinn. Er stand auf und begrüßte mich auf westliche Art und Weise. Beim Händeschütteln konnte ich seine übertriebene Bewaffnung erkennen. Einen Revolver unter dem Jackett, sowie ein Messer daneben. An jedem Fuß hatte er je eine weitere Waffe, die Ausbeulungen waren nicht schwer zu übersehen. Seine Komplizen waren ebenfalls stark bewaffnet. Alle mit Kalaschnikows und fünf Ersatzmagazinen, die sie am Waffengurt um die Schultern gebunden hatten. Jamil selber schien auch noch einen persönlichen Bodyguard zu haben. Der Typ sah so aus, als ob er mit seinen Händen und Füßen weit mehr anrichten konnte als Jamil mit seinen Waffen.

    Wie geplant stellte ich ihm meine Mohnsamen vor. Die Präsentationen, Grafiken und Datenblätter hatte ich sowohl in Englisch als auch in Persisch auf meinem Tablet-PC. Er hatte sichtlich Spaß sich durch die Bilder zu scrollen. Eine Mohnpflanze zoomte er dann schön heran und war sichtlich beeindruckt. Auch beim Preislichen gab es keine Probleme. Bewusst hatte ich ihm keinen Schleuderpreis angeboten, sondern einen, der 20% über dem des Standardsamens lag. Bei der höheren und schnelleren Ausbeute rechnet sich das ja schnell. Wie man im „Bullshitenglisch so schön sagt, eine Win&Win Situation bei der sich zügig der Break-Even einstellt.

    Amanda musste schmunzeln. Die von Mike so verspottete „Businesssprache" spiegelte sich leider wirklich sehr in ihrem Alltag wieder. Einmal bekam sie von einem Freund eine nette Scherzmail mit einem Bullshit Bingo. Per Zufallsgenerator wurden 25 Bussinesswörter wie Synergieeffekte, Kernkompetenz oder Guiding Principle in fünf Zeilen mit je fünf Spalten erzeugt. In einem Meeting hatte man dann die Chance mit diesen Wörtern eine Bingo-Reihe zu vervollständigen. Wer zuerst eine hatte, durfte laut Bullshit rufen. Amanda musste sich dabei das Gesicht von Peter vorstellen, wenn plötzlich einer im Meetingraum laut Bullshit rufen würde. Aber auf Grund des nicht vorhandenen Kündigungsschutzes hatte sie solch eine Aktion noch nie erlebt. Mike fuhr mit seinem Bericht fort.

    „Ich bot ihm dann folgenden Deal an. Wenn er Interesse hätte, würde ich ihm Testsamen für 500qm innerhalb von drei Tagen liefern lassen. Nach vier Monaten würde ich dann wieder kommen, wir könnten uns beide von der Qualität überzeugen und den Deal perfekt machen. Damit er genug Zeit hatte sich alle Daten und Fakten in Ruhe anzuschauen, schenkte ich ihm den Tablet-PC. Jetzt kam mein Moment. Ich zeigte ihm wie man sich Bilder von hübschen Frauen anzeigen lassen konnte, die ich vorher in den Speicher geladen hatte. Auch wenn es risikoreich war in einem solchen Land mit diesem Versuch zu punkten, stimmte doch immer, dass nahezu alle Männer zumindest mal hingucken. Als die Wachen ebenfalls ihre Hälse verrenkt hatten, holte ich den Widget, die X4, mit einer beiläufigen Handbewegung aus dem Mund und klebte es in die Innenseite des Jacketts von Jamil. Das zweite Widget ließ ich direkt neben dem Bodyguard fallen, so dass er beim nächsten Schritt drauf steigen musste. Da ich nicht sicher sein konnte ob Kameras versteckt waren, musste ich extrem vorsichtig sein.

    Wir verabschiedeten uns und draußen am Pick Up bekam ich mein Magazin wieder. Ich kontrollierte es, lud die Waffe und stieg in den Wagen. Der Rest des Tages war dann unspektakulär.

    Die Lieferung der Testsamen hat Jamil dann wie vereinbart drei Tage später erhalten. Zu diesem Zeitpunkt befand ich mich allerdings schon 100km entfernt am nächsten Ort."

    „Das war dann, als du dich bei mir das erste Mal per Bilderupload gemeldet hast. Bilder mit hauptsächlich Bergen heißt alles läuft nach Plan. Hätte ich viele Stadtbilder zu Gesicht bekommen, wäre etwas dazwischen gekommen."

    „Und bei Restaurantbildern hättet ihr beiden dann gleich ein Date ausmachen können, oder?" Peter konnte sich diese Bemerkung nicht verkneifen, aber Amanda und Mike nahmen es ihrem Lächeln nach nicht übel.

    Mike rechtfertigte ihre Kommunikation, die sich Amanda und Mike ausgedacht hatten, dennoch.

    „Mit dem Bilderupload konnten wir sehr unauffällig kommunizieren. Die Bilder sind bei einem Onlineprovider für jeden Menschen mit Internetanschluss sichtbar. Keine offene Kommunikation. Amanda benutze auch einen komplett autarken Laptop, mit dem sie sich nur in öffentlichen WLANs, zum Beispiel von Starbucks, anmeldete. Es war theoretisch unmöglich eine Verbindung zwischen mir und der Abteilung herzustellen. Im äußersten Notfall hätte ich eine Nachricht hochverschlüsselt in dem Bild versteckt. Diese Technik ist zwar sehr schick, aber für einen Profi lässt sich die Unregelmäßigkeit im Bild entdecken. Auch wenn er die Information nicht hätte entschlüsseln können, so wäre es doch verdächtig gewesen und hätte unseren Gesamtauftrag gefährden können."

    „An dieser Stelle möchte ich einhaken. Auch wenn ich es eigentlich nicht wissen dürfte, aber wozu verkaufen wir den Leuten am Hindukusch Opium und riskieren das Leben von Mike? Nur um die auszuhorchen? Und warum machen wir das? Wir sind doch eine Terrorabteilung und haben mit Drogengeschäften eher wenig am Hut?"

    „Amanda, dieses Mal war es Peter, der sich einschaltete, „du hast ein Recht dies zu erfahren. Ich denke die Beförderung zur leitenden Kommunikationsspezialistin ist dir nicht mehr zu nehmen. Ich wollte es dir zu einem geeigneteren Zeitpunkt sagen, aber manchmal kann auch ich nicht alles nach Plan machen. Amanda war ziemlich verdutzt und wusste gar nicht, ob Peter das mit der Beförderung ernst meinte. Auch Mike schaute Peter etwas schief von der Seite an.

    „Schau nicht so überrascht. Du bist eines meiner besten Pferde im Stall.

    Und in leitender Funktion hast du nicht nur das Recht sondern auch die Pflicht alles in Erfahrung zu bringen.

    Die X4 sind keine normalen Wanzen. Sie sind ultraleichte, kompakte und nahezu unsichtbare GPS Sender. Sie können für ungefähr zwei Monate die exakten Positionsdaten aufzeichnen. Wenn sich die X4 um 5 Meter bewegen wird ein Datensatz mit Datum, Uhrzeit und Position gespeichert. So wird vermieden, dass der Speicher sich mit gleichbleibenden Positionsdaten unnötig vollfrisst. Es interessiert uns ja nicht, wenn unsere Zielperson acht Stunden im Bett verbringt. Anfang und Ende ist absolut ausreichend. Die X4 haben auch den Vorteil, dass man das Senden nicht erkennen kann, da sie das nur kurz vor Speicherüberlauf selbstständig machen. Erreicht der Speicher 80% der Kapazität wartet das Gerät bis es die Positionsdaten von mindestens 6 Satelliten erfasst. Somit kann es sicher sein, sich unter freien Himmel zu befinden. Zum einem sind dann nur sehr unwahrscheinlich Sendedetektoren im Einsatz, die vom Feind

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