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Katzenjammer
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eBook288 Seiten3 Stunden

Katzenjammer

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Über dieses E-Book

Nach einer Bruchlandung auf der Erde mit einem altersschwachen Raumschiff ohne Aussicht auf Rettung, stehen Lea und ihre Eltern vor dem Problem sich ein neues Leben in einer fremden Welt aufzubauen. Die Meinungen, wie das zu bewerkstelligen ist, werden in der Familie sehr kontrovers diskutiert. Lea sucht den direkten Kontakt zu Menschen, was ihr Vater David deutlich missbilligt. Er zieht es lieber vor abzutauchen, um nicht Gefahr zu laufen entdeckt zu werden. Das schafft ihm die nötige Ruhe und Freiheit, seine Experimente mit künstlichen Lebensformen durchzuführen. Kompliziert wird es, als Leas neue Liebe, Leonhardt, unbedingt ihre Familie kennen lernen möchte, wovon David nur mit Hilfe der unorthodoxen Überredungskünste seiner Frau überzeugt werden kann. Als die fröhliche Familienzusammenführung beginnt ins Chaos abzurutschen, fühlt David seine schlechten Erwartungen bestätigt. Fast wäre er versucht sich seiner Schadenfreude offen hinzugeben, wären da nicht seine künstlichen Lebensformen, die an dem ganzen Durcheinander nicht ganz unschuldig sind.
Weitere Infos, auch zum Autor, gibt's unter katzenjammer-der-roman.de
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum3. Nov. 2011
ISBN9783844212556
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    Buchvorschau

    Katzenjammer - Uwe Kling

    Impressum:

    Katzenjammer

    von Uwe Kling

    Copyright 2011 by Uwe Kling

    published at epubli GmbH, Berlin

    www.epubli.de

    ISBN 978-3-8442-1255-6

    Kapitel 1

    Ausgeliefert!

    Nur langsam kämpfte sich ihr Geist durch die Nebel der nachlassenden Reise-Stasis, die bleischwer auf ihrem Gehirn lastete. Das Gefühl verursachte ihr Übelkeit. Der Eintritt in die Atmosphäre dieses Planeten machte sich durch heftiges Rütteln bemerkbar, was ihr zwar half aus der Betäubung aufzutauchen, aber nicht gerade zur Linderung ihrer rasenden Kopfschmerzen beitrug. Hilflos versuchte sie sich aus dem Stasis-Schlauch zu befreien, doch mit jeder Bewegung schien sich dieser Schlauch aus speziell gezüchteter Bantawi-Haut enger um sie zu schnüren und nahm ihr die Luft.

    Nie hätte sie sich auf diesen Trip mit ihrem Vater einlassen sollen. Noch dazu in einer altersschwachen Schrottkiste mit einem zwielichtigen Piloten, der, immer wenn er ihre Füße erblickt, geiferte, als habe er die letzten zwanzig Jahre in einem Strafgefangenenlager auf irgendeinem öden Asteroiden abgesessen.

    Jetzt war es zu spät.

    Wie ein flacher Kieselstein, den man über eine Wasseroberfläche springen lässt, stieß das Raumschiff immer wieder von der Oberfläche des Planeten ab. Trotz der Stasis-Schläuche, in denen die Insassen normalerweise sicher eingeschlossen sind, wurden sie bei jedem Aufprall schmerzhaft zusammengestaucht. Die anschließende, kurze Schwerelosigkeit, machte den nächsten Aufprall nur um so härter. Endlich, nach vier oder fünf dieser Stöße, schrubbte das Schiff auf dem Boden entlang. Es ächzte unter dem Trommelfeuer der vielen Objekte, die während ihrer Rutschpartie von außen auf die Hülle einschlugen. Immer tiefer werdendes metallisches Kreischen begleitete das Ende ihres Höllenritts. Dann war es still.

    Die Stasis-Schläuche lösten sich und sie wurde auf den Boden des Schiffs gespuckt. Vorsichtig versuchte sie sich zu bewegen. Arme und Beine bereiteten kaum Schwierigkeiten. Als sie den Kopf auf die Seite legt, zuckte sie unwillkürlich. Dieser Schmerz würde sie noch eine Weile begleiten, fürchtete sie. Sonst schien sie aber keinen ernsthaften Schaden davon getragen zu haben.

    Na, war doch halb so wild, murmelte der Pilot vor sich hin. Dann drehte er sich vorsichtig um. Alle noch am Leben?

    Stümper!, fauchte sie und stellte befriedigt fest, dass auch er bleich war.

    Lea, bitte, ein kleiner, dünner Mann neben ihr hatte sich ebenfalls aufgerichtet.

    Sie funkelte ihn grimmig an. Du musst still sein, Papa. Wer ist denn schuld, dass wir hier sind?

    Wir hatten uns diesen Ausflug alle ein wenig anders vorgestellt. Die Frau unter dem letzten Schlauch versuchte, noch ein wenig benommen, zu lächeln.

    Ach, Mutter, irritiert schüttelte sie den Kopf. "Irgend etwas in meinem Bauch hat mir von Anfang an gesagt, ‚lass diesen Trip lieber sein‘. Ich hätte auf das Gefühl hören sollen.“

    Das ist doch jetzt völlig egal. David schüttelte den Kopf. Wir werden uns doch von dieser kleinen Panne nicht aus dem Konzept bringen lassen.

    Lea sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an.

    Schließlich sind wir Allimá. Ich bin sicher unser Pilot hat schon einen genauen Plan, wie wir vorgehen müssen um uns aus dieser misslichen Lage zu befreien.

    Papa, ich glaube du verstehst nicht, wie ernst unsere Lage ist.

    Lea, bitte, ihre Mutter sah sie beschwichtigend an.

    Danke, Aurora. Es ist schön zu wissen, dass wenigstens ein Familienmitglied meiner Meinung ist. Er wendete sich an den Piloten. Was gedenken Sie denn jetzt zu tun?

    Keine Reaktion. Lea konnte ein verächtliches Schnauben nicht unterdrücken. Der Pilot saß mit geschlossenen Augen auf dem einzigen Sitz in der Mitte des Raums. Er hatte sich eine mit Gel gefüllte Haube übergestülpt, in der sich rötliche Schlieren umher bewegten.

    David räusperte sich. Entschuldigung.

    Er öffnete die Augen.

    Ich fragte Sie gerade, was Sie nun zu tun gedenken.

    Rausgehen und mir den Blecheimer mal von außen ansehen. Er zog die Haube von seinem kahlen Schädel und hielt sie David hin. Wenn irgend etwas schief geht, wissen Sie was Sie zu tun haben.

    David schluckte. Er nahm die Haube und nickte.

    Was hast du zu tun? Lea spürte, wie sich ihre Nackenhaare sträubten.

    David hatte die Haube bereits aufgesetzt und schüttelte angespannt den Kopf. Nicht jetzt.

    Basisstation, hier Feuervogel 1. Das Ding hat eine zwölfspurige Autobahn in den Wald gefräst. Over. Der Mann im Hubschrauber schüttelte den Kopf, als er die Verwüstung sah, die das Schiff hier angerichtet hatte.

    Feuervogel 1, hier Basisstation. Kannst du das Objekt schon sehen? Over. Die Stimme aus den Kopfhörern klang näselnd.

    Nein. Over. Halt, doch. Da vorn ist es. Over.

    Wie sieht es denn aus? Over.

    Also, ein Meteor ist das ganz sicher nicht. Dazu ist die Oberfläche viel zu gleichmäßig. Zumindest von dem Teil, der noch aus der Erde heraus ragt. Over.

    Was heißt gleichmäßig? Over.

    Na, gleichmäßig halt. Schön rund und glatt, wie der Arsch von Amanda. Over.

    Es knackte in den Kopfhörern, dann war eine weibliche Stimme zu hören.

    Halt dich zurück, Charlie, oder du schiebst mehr Wochenend-Dienst als du Dir vorstellen kannst.

    Der Mann im Hubschrauber grinste, wurde aber gleich wieder ernst. Jedenfalls ist das Ding kein Meteor.

    Bist du dir sicher? Over.

    Völlig sicher. Oder habt ihr schon mal einen Meteor mit Blinklichtern gesehen? Over.

    Blinklichter? Hast du gesoffen, Charlie? Over.

    Wenn ihr mir nicht glaubt, fliegt doch beim nächsten mal selber. Over.

    Charlie, du bleibst wo du bist. Keine Experimente! Beobachte das Ding aus sicherer Entfernung. Ich alarmiere das Militär. Over.

    Ach, Scheiße, immer wenn’s spannend wird. Over.

    Du unternimmst gar nichts und bleibst in sicherer Entfernung, ist das klar? Over.

    Was ist los? … Hallo? … Ich verstehe euch nicht …

    Charlie? … Charlie, mach keinen Scheiß! … Charlie?!!

    David kauerte auf dem Sitz des Piloten mit seiner Haube und hatte die Augen geschlossen.

    Was passiert denn da draußen?, fragte Lea ungeduldig.

    Moment. David öffnete die Augen um sie mit einem ungehaltenen Blick zu strafen. Ich muss mich mit dieser Steuerung erst zurecht finden. Er schloss die Augen wieder und lehnte sich zurück. Aha, da geht die Tür auf. … So. … Und wo kann ich jetzt die Umgebung sehen? … Ah, hier.

    Der Pilot stieg vorsichtig aus dem Raumschiff und sah sich um. Er stieß einen leisen Pfiff aus, als er die breite Schneise sah, die das Schiff in den Wald geschlagen hatte. Dann drehte er sich um. Ach du Scheiße!

    Er hat ‚ach du Scheiße‘ gesagt, informierte David seine Familie.

    Wie vulgär, meinte Aurora.

    Muss uns das beunruhigen? Leas Magen war gerade bis zu ihren Kniekehlen durchgesackt.

    Er zuckte mit den Schultern. Mit den optischen Einheiten kann ich nur die Umgebung und nicht das Schiff sehen. Moment. Ich glaube, er stellt ein paar mobile Einheiten außerhalb des Schiffes auf. Wenn er die angeschlossen hat, kann ich mehr sagen.

    Angespannt tupfte Aurora den Schweiß von der Stirn ihres Mannes.

    Ach du Scheiße, sagte David.

    Hat er das jetzt schon wieder gesagt? Aurora schüttelte den Kopf.

    Er hat gar nichts gesagt, antwortete David tonlos. Ich kann jetzt unser Schiff von außen sehen.

    Oh.

    Was denn, ist es so schlimm? Lea begann ihre Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses katastrophalen Ausfluges zu begraben.

    Charlie war mit seinem Hubschrauber auf einer Lichtung in der Nähe gelandet und auf den nächsten Hügel geklettert.

    Ich glaub’s nicht, entfuhr es ihm, als er den Piloten in seinem gelben Overall durch sein Fernglas beobachtete, wie er verschiedene … Charlie versuchte sich die Dinger genauer anzusehen. Spanferkel auf Stativen?, ungläubig nahm er sein Fernglas herunter und starrte auf die Linsen. Wollen die jetzt ein Picknick machen?

    Vorsichtig schlich er näher und entsicherte seine Schrotflinte. Als er bis auf zehn Meter heran gekommen war, blieb er stehen. Der Pilot schien ihn noch nicht bemerkt zu haben.

    Ähm, schöner Abend, dieser Abend?, rief Charlie dem Piloten zu.

    Dieser hielt in seiner Bewegung inne und drehte sich langsam um.

    Ach du Scheiße, sagte David.

    David! Aurora war empört.

    Es ist zum Kotzen, dass dieser Kahn hier nur eine einzige Kommandoeinheit hat. Was ist so schlimm an einem schönen, elektronischen Display, wo alle etwas sehen können? Lea rüttelte am Arm ihres Vaters. Sag schon, was ist los, Papa?

    Wir haben Besuch.

    Lea und Aurora schluckten.

    Ich dachte immer, ET sieht ganz anders aus.

    Der Pilot bewegte sich nicht. Er sah Charlie nur an.

    Kannst du mich verstehen?

    Keine Reaktion.

    Unglaublich. Holzt mit einem blinkenden Blecheimer den halben Wald ab, kriegt die Zähne aber keinen Millimeter auseinander. Charlie runzelte die Stirn. Falls du überhaupt Zähne hast.

    Charlie wagte sich weiter vor, bis der Lauf seiner Schrotflinte nur noch einen halben Meter von dem Außerirdischen entfernt war. Der Pilot blickte auf die Waffe und streckte neugierig die Hand danach aus. Erschrocken drückte Charlie ab. Die Schrotladung riss ein handgroßes Loch in den Bauch des Außerirdischen. Er war sofort tot.

    David schrie auf.

    Lea und Aurora sahen ihn entsetzt an.

    Wir müssen verschwinden, David war bleich. Sofort!

    Charlie sah entsetzt auf die blutige Leiche vor ihm. Du blöder Arsch!, er konnte seine Stimme nur mühsam unter Kontrolle halten. Du kannst doch nicht erst Salzsäule spielen und dann versuchen mich zu entwaffnen. Scheiße, Scheiße, Scheiße!

    Vor ihm begann es zu blubbern und zu schmatzen. Erschrocken sah er auf.

    Was ist denn jetzt los?

    Das Schiff begann zu tropfen. Es schien zu schmelzen wie Schnee in der Sonne. Außerdem breitete sich bestialischer Gestank aus. Charlie drehte sich um und rannte los.

    Kapitel 2

    Autsch!

    Lea war mit ihrem rechten Stöckelschuh umgeknickt. Schnell beugte sie sich nach unten um ihren Knöchel zu reiben und bereute es sofort. Der Saum ihres sehr knappen Kleids, das sie sich nach einer Empfehlung von „Dr. Smooth - Lebens-und Liebesberatung im Internet” für ihr bevorstehendes Blind-Date besorgt hatte, war beim Vorbeugen ein Stückchen höher gerutscht, als für ein Mini-Kleid normaler Weise üblich. Der Mann, der ihr seit zehn Minuten folgte, atmete deutlich hörbar durch die Zähne ein.

    Lea richtete sich sehr schnell wieder auf und verlor beinahe erneut die Balance.

    Scheiß Absätze, fluchte sie.

    Sie zupfte ihr Kleid zurecht, fuhr mit der Hand durch ihre lockigen Haare und blickte sich um. Etwa hundert Meter weiter war ein Brunnen auf einem kleinen Platz. Auf den konzentrierte sie sich und stelzte wieder los.

    Eigentlich hielt sie nichts von solchen mehr oder weniger anonymen „Beratungen“ aus dem Netz. Aber ein Blind-Date hat sie noch nie ausprobiert und schlimmer als sonst konnte das auch nicht werden, da alle ihre bisherigen Verabredungen ohnehin eher in Katastrophen geendet waren.

    Dr. Smooth hatte ihr in seiner letzten e-mail Anweisungen übermittelt, die sich so interessant anhörten, dass sie einen Versuch wert waren, hatte sie überlegt. Obwohl ihr die Interpretation einzelner Details doch einige Schwierigkeiten bereitet hatten.

    ‚Mach dich schön. Zeige ihm deinen exquisiten Geschmack.‘

    ‚Was ist schön?‘, dachte sie und blickte auf ihr Kleid. ‚Ist so eine ‚Wurstpelle‘ wirklich schön? Zumindest scheine ich den Perversen hinter mir beeindruckt zu haben‘, seufzte sie. ‚Und was ist exquisit? Ist Schmuck aus Computer-Bausteinen exquisit genug?‘, sie schüttelte den Kopf. ‚Es ist wahrscheinlich einfacher, wenn man diese merkwürdigen Regeln und Rituale von klein auf trainiert.‘ Sie überlegte, ob ihre Füße einen ernsthaften Schaden von diesen Schuhen davon tragen könnten. ‚Was muss da versprochen werden, um die Hälfte der Menschen dazu zu bewegen sich ein Leben lang freiwillig einer solchen Folter zu unterziehen?‘

    Endlich erreichte sie den Brunnen.

    Uff, pustete sie erleichtert.

    Was für ein Gefühl festen Halt zu spüren.

    Wieder musste sie an die e-mail von Dr. Smooth denken. ‚Sei nicht zu früh. Es macht sich gut, wenn du mindestens zehn Minuten zu spät kommst.‘

    Lea schielte auf ihre Uhr. Zehn Minuten zu früh. Sie war auf ihren Stöckelschuhen schneller als sie befürchtet hatte.

    Bei Dr. Smooth war es, wie auf vielen ähnlichen Sites, üblich sich mit einem Nickname, einem Pseudonym, anzumelden und anderen gegenüber auszugeben. Sie hatte sich angemeldet als ‚Alien Woman‘, ihr Date hatte sich ‚Terminator‘ genannt.

    ‚Terminator‘. Sie schüttelte den Kopf. ,Hoffentlich steht jetzt nicht gleich so ein Kleiderschrank vor mir, der drei Köpfe größer ist als ich.’ Sie hasst es, wenn sie an jemandem hochsehen musste.

    Hasta la vista, Baby.

    Lea schreckte herum, als sie die kieksende Stimme hinter sich hörte. Da stand ein spindeldürrer, junger Mann mit einer dicken Brille, einem für seine Verhältnisse mindestens 3 Tage alten Bart, einem zu großen Hemd und einer zwar sauberen, aber sicher schon oft getragenen Jeans.

    Du bist bestimmt Alien Woman? Es war mehr eine Frage als eine Feststellung. Er blickte sie unsicher an, bereit zur Flucht, falls Lea ihn auslachen oder nach ihm schlagen sollte.

    Lea war verwirrt.

    Terminator?

    Ein Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Mannes. Na ja, der Name ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Ich heiße Martin, aber das klingt so …, er überlegte kurz, … gewöhnlich. Lea wollte etwas erwidern, aber Martin ließ sie nicht zu Wort kommen. Na ja, und wenn man dann noch so aussieht wie ich, hat man praktisch keine Chance, dass irgendeine Frau mit einem ausgeht. Und schon gar nicht so eine wie du.

    Sie sah ihn fragend an. Wie meinst du das?

    Na, so eine Wahnsinnsfrau wie du würde doch normalerweise nicht im Traum daran denken mit einem Martin auszugehen, der so aussieht wie ich oder?

    Hm, das mag schon sein…, begann Lea vorsichtig. Martin zuckte zusammen und sprach schnell weiter. Ich war so aufgeregt, dass ich schon seit über einer Stunde hier bin. Du bist die erste Frau, die hier auftaucht und RISK-Chips als Ohrringe trägt. Da dachte ich, das muss sie sein.

    Ja, Lea nickte zögernd. Martin war das krasse Gegenteil von dem, was sie erwartet hatte. Sie überlegte, ob sie enttäuscht oder erleichtert sein sollte.

    Sollen wir dann gleich rein, er sah sie erwartungsvoll an, oder möchtest du noch etwas spazieren gehen?

    ‚Bloß das nicht‘, dachte sie entsetzt. ‚Meine Füße halten diese Schuhe keine hundert Meter mehr aus.‘

    Nein, nein, lass uns mal reingehen und sehen, ob unser Tisch schon frei ist.

    Sie betraten ein nobles, französisches Restaurant, das Dr. Smooth als Treffpunkt vorgeschlagen hatte. Der Eingangsbereich war mit dunklem Teppichboden und Teakholz-Vertäfelung an Wänden und Decke ausgestattet. Die leise Musik und das dezente Klappern von Besteck hörten sie erst, als die Tür hinter ihnen den Straßenlärm ausschloss. Neben einem großzügigen Durchgang, der von zwei mächtigen Topfpalmen eingerahmt wurde, befand sich ein Stehpult, über dessen Rand hinweg die beiden die Stirn und den schütteren Haaransatz eines kleinen Mannes sahen, der gerade telefonierte.

    Aber sicher, Herr Minister. Er machte eine leichte Verbeugung und sein Kopf verschwand hinter dem Pult. Natürlich, keine Frage. Er lauschte kurz, dann erschienen entsetzt ein Paar Augenbrauen auf seiner Stirn, mais non, mais non, mais non! Alles wird wie immer zu Ihrer Zufriedenheit sein. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen. Wieder machte er eine Verbeugung. Ihre Gattin liebt noch immer Orchideen? Ja…, er lauschte wieder. Selbstverständlich Herr Minister. Seine Verbeugungen wurden immer tiefer. Ja…, ja…, nein…, ich persönlich…, Maurice wird sich persönlich darum kümmern, selbstverständlich. Vielen Dank, Herr Minister.

    Behutsam legte er den Hörer auf und nahm einen goldenen Füller von der Ablage des Pultes. Er schraubte ihn auf, blätterte in seinem Buch eine Seite weiter und machte eine Eintragung. Dann schraubte er den Füller wieder sorgfältig zu, legte ihn sachte auf das Pult zurück und strich sein Jackett glatt. Er streckte sich und sah über das Pult.

    Seine Augen verengten sich unmerklich, als er Martin erblickte, dann sah er zu Lea auf und näselte mit hochgezogenen Augenbrauen, Sie hatten reserviert?

    Ja, Lea Anders.

    Der Maître seufzte und blätterte umständlich in seinem Buch. Ah ja, tatsächlich. Er räusperte sich. Aber leider …, der Versuch ein bedauerndes Gesicht zu machen, endete in einer seltsam anmutenden Grimasse, … bei uns ist Krawatte vorgeschrieben.

    Martins Schultern sanken herab.

    Sie haben doch für solche Fälle sicher eine, die Sie uns leihen können oder?, Lea machte große Augen.

    Äh, …nun ja, es ist…

    Na wunderbar, vielen Dank Maurice.

    Er richtete sich auf soweit er konnte. So ist das eigentlich nicht gedacht.

    Ach, Lea versuchte so überrascht wie möglich auszusehen. Jetzt bin ich aber enttäuscht. Mein Vater, der Herr Minister, mit dem Sie soeben telefoniert haben, hat Sie mir so sehr ans Herz gelegt.

    Maurice stutzte etwas und überlegte. Mademoiselle, begann er zögernd, was ich damit sagen wollte, ist…

    Nein, nein, ich verstehe schon. Wenn es eben nicht geht, aber mein Vater wird sicher enttäuscht sein, wenn ich ihm erzähle…

    Was ich damit sagen wollte ist …, er atmete tief durch, … wenn bei uns Krawatte vorgeschrieben ist, dann bedeutet das natürlich auch ein entsprechendes Jackett.

    Martins Schultern sanken noch tiefer herab.

    Aber selbstverständlich haben wir beides hier, um besonderen Gästen aus einer eventuellen Verlegenheit helfen zu können. Wenn der junge Mann mir bitte folgen möchte.

    Der Maître öffnete eine Tür in der Vertäfelung neben seinem Pult und die drei gingen in ein sehr großes Ankleidezimmer. In einem riesigen Wandschrank sahen sie eine Reihe sehr teurer Anzüge, die sehr ordentlich nebeneinander auf der Stange hingen. Maurice sah Martin abschätzend von oben nach unten an, wobei die Augenbrauen noch höher zu wandern schienen, griff nach dem dritten Jackett auf der rechten Seite und half Martin hinein. Es passte tadellos und Martins herabhängende Schultern waren nicht mehr zu sehen. Der Maître nickte zufrieden, öffnete eine Schublade und holte eine Schachtel mit einer Krawatte heraus. Er hielt sie an Martins Brust. Wieder nickte er zufrieden. Wenn Sie die vielleicht probieren möchten, mein Herr?

    Martin schielte unsicher zu Lea hinüber, dann beugte er sich zu Maurice. Äh, entschuldigen Sie bitte, raunte er ihm zu und wird rot, aber ich habe noch nie eine Krawatte gebunden.

    Mon dieu, entfuhr es Maurice und er verdrehte die Augen zur Decke. Mit geübten Handgriffen, nicht ohne einen gequälten Seufzer, band er ihm die Krawatte und zog sie zu. Martin schluckte schwer über die ungewohnte Enge. Der Maître trat zurück und nickte zufrieden.

    Sehr schön, Maurice, sagte Lea. Mein Vater hat Sie nicht umsonst so sehr gelobt.

    Er dankte mit einem dezenten Nicken. Mademoiselle, wenn ich Sie nun zu Ihrem Tisch führen darf?

    Er wies mit der Hand hinaus und sie verließen den Raum.

    Endlich saßen die beiden am Tisch. Er war perfekt gedeckt. Sechs verschiedene Gläser für entsprechende Getränke, fünf verschiedene Gabeln, sechs Messer, acht Löffel, in der Mitte des Tisches ein riesiges Blumenbouquet mit zehn Kerzen. Lea versuchte Martin anzusehen, schaffte es aber erst, als sie sich ein wenig zur Seite beugte um an den Blumen vorbeisehen zu können. Martin hatte sich in die Ecke seines geliehenen Jacketts zurückgezogen und versuchte unbehaglich mit dem Finger den Hemdkragen zu weiten. Lea verschwand wieder hinter den Blumen und musste lächeln.

    Ein kleiner, aber sehr würdevoll aussehender Ober kam, um ihre Wünsche entgegenzunehmen. Sie bat ihn, zunächst das Blumenbouquet zu entfernen, damit sie ihr Gegenüber ansehen konnte. Er blickte unsicher zu Maurice, der sich noch in der Nähe befand. Als dieser mit einem Seufzen nickte, fasste er nach den Blumen und stellte sie ächzend beiseite.

    Einen Apéritif vielleicht?, der Ober sah von einem zum anderen.

    Lea entschied sich für einen doppelten Wodka, Martin fragte nach einer Cola

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