Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Das melancholische Timbre
Das melancholische Timbre
Das melancholische Timbre
eBook556 Seiten8 Stunden

Das melancholische Timbre

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

In den Sechzigern ist der JATSSKÄHER in Stuttgart ein beliebter Treffpunkt. Jugendliche erleben hier neue Musik, die Älteren bekommen Musik zurück, die man ihnen in ihrer Jugend weggenommen hat. Das melancholische Timbre des neuen Trompeters bringt einen sentimentalen Klang in die Band. Das wird man in Frankreich lieben, glaubt der Inhaber des Musikrestaurants BEATNIK in Juans-les-Pins, den viele einen Anarchisten nennen. Aus Amateuren werden Berufsmusiker, die Freundin und Familie verlassen, um ein aufregendes Leben an der Côte d' Azur zu beginnen. Sie haben Erfolg, genießen edle Speisen und treffen auf scheinbar leichtsinnige Lebenslust. Der Trompeter verliebt sich. Der Vater seiner Geliebten ist damals für die Deutschen gewesen, hat aber etwas gegen Künstler. Die Großmutter indes liebt Künstler. Ihr Sohn ist ja aus in einer skandalösen Beziehung zu einem Kunstmaler gezeugt worden. Doch sie verabscheut Jazz wegen der Disharmonien. Der Onkel hat die Konzentrationslager in Friedrichshafen und Überlingen überlebt, trinkt seither deutsches Bier und fühlt sich dabei wie ein Kannibale, der das Blut seines besiegten Feindes zu sich nimmt. Kann Musik heilen? Aus der ganzen Welt finden sich Musiker ein, bieten traurigen Blues, fröhlichen Swing, wirbelnde Flamencos, rührende Chansons, berauschende Sinfonien. Aus Paris kommt eine schwedische Klarinettistin, die bisher nur klassische Musik gespielt hat. Eigentlich keine schöne Frau, die sich unvorteilhaft kleidet und am Strand einfach nackt ins Wasser springt. Aber wie sie nun Jazz interpretiert, fasziniert nicht nur das Publikum. Sie verzaubert den Trompeter.
Musik weckt Gefühle. Jeder Mensch weiß, welche Musik ihn berührt, eine Sinfonie, ein Volkslied, eine Jazzballade... Musik kann aufwühlen, ein Popkonzert verrückt machen, Musik kann Gefühle wecken, für die uns die Worte fehlen. Auch Liebe.
Und der Trompeter glaubt, diese Zeit müsse für immer Gegenwart bleiben.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum20. Jan. 2015
ISBN9783738014013
Das melancholische Timbre

Ähnlich wie Das melancholische Timbre

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Das melancholische Timbre

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Das melancholische Timbre - Dietmar H. Melzer

    I Simones Sinfonie

    Sonntags gönnen wir uns nach dem Mittagessen eine Schwarzwäl­der Kirschtorte. Am Ende unseres Morgenspaziergangs durch die Stadt springt Karin in das Café „Zum Schwarzen Raben hinauf, in den ersten Stock eines bunt restaurierten Fachwerkhauses, wo ihr eine Verkäuferin in weißer Schürze zwei dieser süßen Sünden be­reithält, cremig-sahnige Kunstwerke, in deren Boden man dezent Kirschwasser schmeckt, in deren Sahne man einen Hauch von Walderde zu finden glaubt, und Schokoladenspäne auf der Zunge Düfte von Fichten im Mai freisetzen. Und dann die köstlichen Kir­schen…! Kein schnapsgetränkten, zuckrig kandierte Klumpen, die in den Zähnen ziehen, sondern Kirschen, richtige Kirschen, die ei­nen – wenn man ihre feste Haut durchbeißt – vom kalten Feldberg in das warme Rheintal reisen lassen, und beim Kauen des säuer­lichsüßen Fruchtfleisches zu einem späten Kirschbaum an die Bri­gach führen. Im Café „Zum Schwarzen Raben gibt es die besten Schwarzwälder Kirschtorten der Welt. Karin und ich sind davon überzeugt, und auch alle Einwohner unserer Stadt.

    Wir trinken den Ihringer Weißen dazu, der vom Mittagessen geblieben ist.

    Besonders Karin liebt diese Torte und isst sie mit Lust. Manchmal lässt sie unter der Lippe oder an einer Backe Schokoladenflocken kleben. Ich muss dann aufstehen und mich über sie beugen, um die Schokoladenreste abzulutschen, muss im Gesicht weiter suchen, auch in ihrem Mund, ob dort Süßes geblieben ist. Während sie mich in das Schlafzimmer zieht, kann sie sich geschickt Bluse und Rock und die Wäsche darunter ausziehen und mir auch das Hemd und die Hose, ich muss nicht viel helfen dabei. Ich fühle mich heimisch und geborgen mit ihr und in ihr. Und dann klopft mir das Herz bis zum Hals und ich ringe nach Luft. Ich werde einmal einen Herzinfarkt bekommen. Wir sind nicht mehr die Jüngsten, sagt sie, und führt meine Hand zu mir und zu sich, um ihres und meines auf ihre Brüste zu reiben. Ich muss sie drücken und kneten. Es müsste ihr eigentlich wehtun. Aber sie will es immer und hat es schon beim ersten Mal so verlangt.

    Den Herzinfarkt bekäme ich, wenn sie es nicht mehr und nicht mehr so wollte.

    Wir sind nicht immer zusammen gewesen. Vor unserer Heirat wa­ren wir eine Weile getrennt. Als wir wieder zusammenkamen, war ich etwas erfahrener in der Liebe. Sie ist zuerst eifersüchtig auf die gewesen, mit denen ich in allerlei beglückenden Variationen ge­spielt hatte, auch mit Lippen und Händen. Mit der Zeit hat sie aber nichts von dem abgelehnt, was ich ohne sie alles probiert hatte. Nur bei ihren Brüsten muss ich mit meinen Händen der grobe Jüngling bleiben. Sie räkelt sich dann nackt im hellen Licht des Nachmittags, als ob sie damit in unsere Jugend zurückfinden könnte. Sie hat immer noch die gleiche Frisur, mit der ich sie einst kennenlernte. Nur sind die kurzgeschorenen, einmal braunen Haare, grau geworden. Das magere Mädchen von damals ist sie nicht mehr. Alles ist üppiger an ihr geworden, die Arme, die Hüf­ten, die Schenkel, der Hintern, die Schultern, und ihre einmal win­zigen Brüste haben mir mit den Jahren immer mehr in die Hände zum Drücken und Kneten gegeben, immer nach der Liebe. Sie hat es sogar im Krankenhaus gewollt, nach ihrer Blinddarmoperation, was auch ohne zu lieben in einem Dreibettzimmer aufregend ge­wesen ist. Ich kann mich nicht erinnern, wann wir anfingen, unsere einsam gewordenen Sonntage mit Schwarzwälder Kirschtorten zu versüßen und manchmal trunken vom Ihringer Wein ins Bett zu fallen. Indes haben wir Jahre durchgemacht, in denen wir uns nicht anrührten.

    Viel Geld habe ich nie verdient. Nur in der Zeit, als ich glaubte, ein Künstler zu sein, damals in der Provence, habe ich mehr Geld ge­habt als ich brauchte. Ich hielt es für viel.

    Danach habe ich eine Stelle bei Schmidl & Cie angenommen, zu einem angemessenen Gehalt. Die Schmidl Kuckucksuhren kennt man ja in der ganzen Welt. Nur in Frankreich wusste man nichts von den schönen, geschnitzten Wanduhren, bei denen einem ein Vögelchen die vergangene Stunde besingt. Kuckkuck – kuckuck. Französisch habe ich widerwillig in der Schule gelernt. Eigentlich wollte ich mein Gehirn nicht weiter mit unregelmäßigen Verben und Konjunktiv belasten. Aber... ! Je t’aime. – Tu sais qu’est-ce

    que ca veut dire ? Ich dachte, ich wüsste es. Da wollte ich mit die­sen redseligen Provenzalen mitquatschen und schäkern können, und ich begann die ungeliebte, dann doch geliebte Sprache, leid­lich zu beherrschen. Das hat mir dann als Schmidls Angestellter geholfen, die Kuckucksuhren in Frankreich zu verkaufen und in französische Wohnungen Schwarzwälder Romantik zu verbreite­ten. So lange Herr Schmidl lebte, habe ich jedes Jahr eine Gehalts­erhöhung bekommen, und immer ein wenig über dem, was nach dem Tarif Vorschrift gewesen wäre. Nach Schmidls Tod verkauf­ten seine beiden Kinder, Ariane und Baldur, die Firma an einen amerikanischen Investor. Die brauchten meine Französischkennt­nisse nicht mehr, weil die Uhren nicht mehr in Uhrengeschäften und provenzalischen Souvenirläden angeboten werden sollten, sondern in Supermärkten und Versandhäusern. Was dort verkauft wird, machen die Investoren unter sich aus. Sie wollten mich aus der Firma hinauswerfen. Aber der Buchhalter, Herr Jauch, machte mich auf eine Klausel in meinem Arbeitsvertrag aufmerksam, de­ren Bedeutung mir nie aufgefallen war. Warum sie in dem Papier stand, dämmerte mir auf Herrn Schmidls Beerdigung, als ich stau­nend erfuhr, mein Chef sei ein leidenschaftlicher Jazzmusiker ge­wesen und habe jeden Sommer während der Betriebsferien seiner Kuckucksuhrenfabrik das Altsaxophon in einer Kellerbar in der 18. Straße in New York gespielt. Bis zu seinem Tod mit 74 Jahren. Und er hatte mir seine Schallplatten vermacht. Bis ich in Rente kam, hatte ich nicht alle angehört. Es scheinen alle Aufnahmen zu sein, die in der Geschichte des Jazz von ihrem Beginn bis zum Tode Herrn Schmidls je verkauft worden sind. Ich musste mehr­mals mit dem Auto fahren, um die ganze Sammlung abzuholen. Weil ich in der Wohnung zunächst keinen Platz freimachen konnte, räumte ich Schmidls Hinterlassenschaft erst einmal in den Keller ein. Dabei fiel mir ein Päckchen auf. Ich öffnete es. Zwei Tonbänder mit Etiketten von Radio Monte Carlo kamen zum Vor­schein. Und zwei Briefumschläge. Neugierig riss ich einen auf. „Ich habe nicht nur ein Stück meines Herzens herausgerissen", las ich auf einer Karte, „sondern alles, und habe seither keinen Ver­trauten mehr gefunden

    für Grünspan, Sellerie, Spargel und Kastanienblüten. Yrida." In Tinte geschrieben. Das Wort Kastanienblüten verwischt. Eine Träne? Ich kenne die Schrift. Und habe die Tonbänder und den an­deren Brief erschrocken wieder eingepackt. Wenn die Karte in Schmidls Schallplattensammlung geraten ist, war meine Arbeit für die Kuckucksuhrenfabrik vielleicht nicht so bedeutungsvoll, wie ich mir eingebildet habe. Seit Herrn Schmidls Tod habe ich keine Gehaltserhöhung mehr bekommen. Von den zweihundert künstle­risch begabten Handwerkern arbeitet keiner mehr in der Firma. Die Kuckucksuhren werden am Stück gepresst und sind dem Schwarzwälder Fichtenholz gut nachgeahmt. Selbst aus der Nähe betrachtet erkennt niemand, dass das Gehäuse aus Plastik ist. Sollte die Uhr jemals von einer Wand fallen, zerbräche sie nicht. Die sti­lisierten Tannenzapfen an den Ketten sind nicht notwendig, weil ein batteriebetriebenes Quarzwerk die Zeiger bewegt. Das neueste Modell der Schmidl Kuckucksuhr wird über Funk gesteuert und projiziert auf Wunsch neben der Zeit auch das Datum, die Tempe­ratur und die relative Luftfeuchtigkeit an die Decke. Die Uhr kostet nur noch ein Zehntel des damaligen Preises. Sie wird in Südkorea hergestellt. Schmidl & Cie ist hier nur noch ein Büro mit drei Ver­triebsfachleuten und drei Computern.

    Die Firma musste mich behalten, bis ich sechzig Jahre alt gewor­den war und mir dann noch eine Abfindung bezahlen. Damit konnten Karin und ich den Rest der Hypothek ablösen, die wir aufnehmen mussten, um unsere Wohnung von der Schwarzwald­bau zu kaufen, als die Genossenschaft privatisiert wurde. Diese Abfindung hat unsere Haushaltskasse saniert.

    Mit dem Gehalt, das ich bekam, ist Karin, immer ausgekommen. Auch als sie selbst nichts hinzuverdienen konnte, hielten wir uns nicht für arm. In unserem Block waren wir die erste Familie, die einen Farbfernseher hatte, als die drei Programme bunter wurden. Karin führte einen ordentlichen Haushalt, kochte, putzte, wusch Wäsche, wir hatten natürlich eine Waschmaschine, es war viel Ar­beit mit Simones Windeln, Ricos Windeln habe ich nicht erlebt. Karin und ich waren da nicht zusammen. Ich habe auch nicht glau­ben wollen, Ricos Vater zu sein, bis meine Mutter mir schwor,

    Karin habe den dicken Bauch schon gehabt, bevor sie Ricardo ken­nenlernte. Einen italienischen Feinmechaniker aus Turin. Bei der Geburt des Jungen habe Karin ihm den Namen Rico nur gegeben, weil der Italiener der einzige Mann auf dem Schlesierball gewesen sei, der mit der Schwangeren getanzt habe. Auch danach habe er sich um sie gekümmert. Er habe sie sogar heiraten wollen, diese, obwohl schwanger, magere Deutsche, mit dunkelblauen Augen, wie er sie noch nie gesehen hätte.

    Seit ich in Rente bin, finde ich Zeit und Muße, Herrn Schmidls Jazzsammlung zu hören. Karin mag diese Musik nicht. Sie hört lieber alte Schlager mit Caterine Valente oder Rudi Schuricke und Tanzmusik mit den Orchestern Kurt Edelhagen oder Erwin Lehn, vielleicht auch mal etwas von Glen Miller. Als Karin und ich uns wieder mochten, habe ich mir das Zimmer, das einmal den Kindern gehörte, zu einem Musikzimmer einrichten dürfen. Herrn Schmidls Schallplatten beherrschen den Raum. Sie sind in Regalen aufge­stellt, nach den Jahren der Aufnahme geordnet, was sehr viel Mü­hen bereitet hat. Besonders bei alten Schallplatten ist das Datum der Aufnahme oft nicht angegeben. Ich musste sie dem Stil nach der Zeit zuordnen, in der sie bespielt worden sein konnten, und mich dabei auch an der Aufnahmetechnik orientieren. Die Auf­nahme einer New Orleans Band aus den Zwanzigern klingt ja an­ders, wenn sieben Musiker in ein Mikrophon spielen als die einer aus den Sechzigern, selbst wenn sie stilgetreu musizieren, weil je­der in ein eigenes Mikrophon spielt und der Toningenieur hernach die Instrumente zusammenfügt. Ob ich alles richtig geordnet habe, ist somit gar nicht sicher. Ich bin auch noch lange nicht durch. Aber ich kann mich gut orientieren, wenn ich mich beim Hören in einen Stil verlieren will, in Chicagoer Swing oder in Cool Jazz, je nach Stimmung, mal fröhlich, mal im Blues. Hierfür habe ich eine hochwertige Stereoanlage mit einer Leistung von 1000 Watt. Wenn ich sie jemals voll aufdrehte, zersprängen die Fensterschei­ben. Meine Jazzkonzerte gehen natürlich nicht über Zimmerlaut­stärke hinaus. Einmal vielleicht doch. Es werden gleich allerlei Kontrollmechanismen aktiv. Ermahnungen, bitte Liebling, Klopfen an der Wand, Unerhört-Geschrei von unten, ein schrilles Telefon… Da bleiben einem nur die Kopfhörer. Aber mit den Muscheln an den Ohren findet das Konzert nur im Kopf statt. Dabei müssten die große Trommel und die Posaune den Brustkorb zum Vibrieren bringen und die spitze Trompete durch Mark und Bein brennen und… Aber nicht einmal mit 1000 Watt aus Lautsprechern, wenn man sie aufdrehte, wäre es so wie in einer Session mitten unter den Musikern.

    Gelegentlich musiziere ich selbst, probiere auf einem Keyboard herum, das wir uns mal gekauft haben. Kein schlechtes Instrument. Man kann sich den Rhythmus mit allen möglichen Schlaginstru­menten einstellen, so solide gespielt, wie man es von einer Ma­schine erwarten darf, immer gleichmäßig weiter bis zum Einschla­fen. Man kann den Klang eines ganzen Orchesters mit Bläsern und Streichern imitieren, kann Posaunen von Jericho donnern lassen, kann meine dünne Stimme dazu aufnehmen und zu einem brau­senden Chor verwandeln, Freude schöner Götterfunken, alles mit Hilfe des Computers. Auf dem Keyboard kann ich alles ausprobie­ren, nur das Piano nicht, weil man da mehr können muss als Tasten zu bedienen, die Rhythmus, Akkorde und eine Melodie mit Or­chesterklang erzeugen. Wie das Piano eines genialen Virtuosen klingt, habe ich im Kopf. Ich höre immer Jean Christan Viennois spielen, das Piano, wie Sekt perlen die Töne durch mein Gehirn, und dann treibende Akkorde, gegen den Rhythmus, spielerisch eingeworfene Töne dazwischen, die einen auffordern, inspirieren. Ich werde verrückt mit diesen Erinnerungen, lege eine CD mit ei­nem Konzert von Serge Rachmaninow auf, die Moskauer Philhar­monie unter der Leitung von Dimitri Kitaenko, und Jean Christian ist am Flügel. Die schwermütige Musik wühlt mich auf. Aber sie beruhigt mich auch. Die CD habe ich mal aus St. Petersburg ge­schickt bekommen. In Herrn Schmidls Sammlung gibt es indes keine Schallplatte oder eine CD von Jean Christian. Er hat doch auch mal den Blues gespielt.

    An einer freien Stelle zwischen den Regalen hängt Jürgen Hers­felds verbogene Posaune an der Wand. Sie hat eine Party, damals noch in Stuttgart, nicht überlebt. Wir haben danach gesammelt, um Jürgen eine neue zu kaufen. Meine Mutter erzählte, Karin habe das demolierte Instrument mitgebracht, als sie bei ihr eingezogen ist. Hier habe ich dann auch meine Trompete aufgehängt. Neben der Posaune. An einen Nagel. Im wahrsten Sinn des Wortes, an den Nagel gehängt.

    Eigentlich ist das Musikzimmer zu groß, weil ich meistens allein bin, um Jazz zu hören, zu träumen und auch mal ein Stück zu komponieren. Der Architekt hatte es als Schlafzimmer ausgewie­sen und für Kinder einen viel kleineren Raum vorgesehen. Zum Glück befinden sich in der Nordseite zwei Fenster so weit ausein­ander, dass wir eine dünne Wand dazwischen ziehen konnten, als Simone auf die Welt kam. Wir wollten für den Jungen und das Mädchen jeweils einen eigenen Raum schaffen und zogen mit Bett und Schränken in das Kinderzimmer. Für Rico und Simone richte­ten wir so zwei hübsche Kinderreiche ein. Es ist lange her, dass hier gespielt, gelacht, geweint und gestritten wurde. Ein ganz ande­res Leben ist das gewesen. Ich hatte es mir so nicht gewünscht und glaubte lange Zeit, ich sei nur aus Versehen in die Rolle des sor­genden Familienvaters geraten. Irgendwann würde man mich wie­der entdecken. Und ich träumte, Yrida würde mich suchen. Aber die sichere Existenz als Schmidls Angestellter, die treue, adrette Ehefrau, Windeln, Kindergarten, Schule, fröhliches Beisammen­sein, Streitereien, was würde der Junge studieren?, welchen Beruf wollte das Mädchen wählen?, Weihnachtsfeste, Ostereier, Som­merferien an der Adria, ein überschaubarer Weg für uns ins Alter mit einer ausreichenden Rente, nicht reich, nicht ganz arm, wir wählten sozialdemokratisch, die Kinder würden es besser haben, ich bekam Geheimratsecken, die Zeit eilte dahin. Nicht die Erinne­rungen, aber meine Sehnsucht wurde blasser. Führte ich nicht ein bequemes, gutes Leben? Nur wehrte sich Karin, wenn ich das Jazzlokal besuchen wollte, das ein paar Jahre in der Metzgergasse geöffnet hatte. Ich hätte ja meine Schallplatten. Und zu einem Ur­laub in Südfrankreich konnte ich sie nie überreden.

    Dass wir alle glücklich gewesen sein müssen, merkte ich erst, als Rico ums Leben kam. Ein sanfter, zierlicher Junge mit den braunen Haaren seiner Mutter und ihren dunkelblauen Augen. Er war or­dentlich, umsichtig, fleißig in der Schule mit annehmbaren Noten, leider nicht musikalisch. Er hatte überhaupt keine musische Bega­bung. Damit konnte ich leben. Er machte keine Dummheiten und schlug nie über die Stränge. Solch einem Jungen passiert gewöhn­lich nichts.

    An einem sonnigen Samstagmorgen im Juni fuhren Rico und vier seiner Freunde mit ihren Rädern in den Wald, der hinter dem Kir­nacher Bahnhof beginnt. Sie zogen einen Grill hinter sich her und Würste und Steaks und einen Kasten Bier, um ein zünftiges Freundschaftsfest zu feiern. Es wollten noch andere Buben zu ih­nen stoßen. Die Brigach macht hier ab und zu einen Bogen an den Bahndamm heran. An einer Stelle öffnet sich der dunkle Fichten­wald zu einer Lichtung mit Weidenbüschen am Ufer und einer satten Wiese, auf der in dieser Jahreszeit Löwenzahn, Giersch und Sauerampfer blühen. Der Bahndamm mit den Geleisen schadet dieser Idylle nicht. Die gemütlich vorbeiziehende Schwarzwald­bahn unterstreicht die wilde Natur um den über rote und graue Kiesel sprudelnden Bach. Reisenden auf dem Weg von Offenburg nach Villingen wird diese Lichtung kaum auffallen. Sie lassen sich leichter einfangen von dem aufregenden Wechsel, immer wieder nach finsteren Tunnels über grüne Täler zu schweben, an Wiesen­hängen vorbei mit abgelegenen Bauernhöfen und dann von einem weiten Blick über blauschwarzbewachsene, bucklige Berge. Hinter St. Georgen ist die Landschaft hügelig mit ausgedehnten Wiesen. Wenn danach der Wald beginnt, kann wohl kein Fremder die Lichtung in Erinnerung behalten, die sich für einen Moment an seinem Fenster vorbeidreht.

    Ein geheimer Ort ist sie nicht. Jeden Sommer wird sie von Jugend­lichen entdeckt, die sich zu einem Picknick einfinden, Fleisch und Würste grillen und auch Lieder zur Gitarre singen. Der Kasten mit den Bierflaschen steht derweil im kalten Wasser der Brigach. Ich bin ja auch schon hier gewesen, früher, als die Schwarzwaldbahn noch von einer fauchenden Lokomotive gezogen wurde, und ich hinter den Weidenbüschen herausfand, was ein schweißtriefendes Mädchen mit wirren Haaren mit einem Jungen alles anstellen kann. Ich freute mich sehr, dass Rico hier mit seinen Freunden ein Freundschaftsfest feiern wollte, in meinem Garten Eden, grillen, schmausen, über Gott und die Welt reden, vielleicht auch einander Geheimnisse anvertrauen. Karin war dagegen, wegen des Bieres. Ach was, ein Kasten Bier, zwanzig Flaschen für fünf gesunde Bu­ben. Es kamen ja noch andere Jungen hinzu. Sie würden sich be­reits beim Geruch des Bieres beschwipst fühlen und sich nach dem Genuss von einer Flasche im Vollrausch wähnen. In einer halben Stunde haben sie sich den wieder herausgeschwätzt. In meiner Ju­gend ist das genau so gewesen. Zum Schluss nehmen sie die Hälfte der Bierflaschen ungeöffnet zu ihren Eltern nach Hause zurück. Es sei ein wunderschöner Fleck dort an der Brigach, Rico würde ein­mal eine Freundin hinführen, sie würden eine romantische Zeit ha­ben, ich sei froh, dass der Junge die Lichtung erleben werde, sie sei für mich ein Stück Paradies. Von Siegrid Dörflinger habe ich na­türlich nichts erzählt.

    Es waren ein paar Wolken aufgekommen am Abend, als sich die Jungen, inzwischen sieben Burschen, mit ihren Rädern auf den Heimweg machten. Auf dem Breitbrunnenweg blieben drei von ihnen etwas zurück, weil sie die kleinen Anhänger mit Grill und Picknickbesteck und dem Bierkasten – sie hatten vierzehn Fla­schen davon getrunken – hinter sich herzogen. Doch als sich die Gruppe der Kirnacher Straße näherte, kam von der Oberen Wald­straße ein BMW heran, mit hoher Geschwin-digkeit, stand im Poli­zeibericht, bog scharf in die Kreisstraße ein, kam in der Kurve hinter der Brücke über die Eisenbahn ins Schleudern und raste, an­statt die Kurve vor der Einmündung des Breitbrunnenweges zu nehmen, in den Weg hinein. Hier hatten die Radfahrer angehalten und waren abgestiegen, damit die zurückgebliebenen aufschließen konnten. Rico hätte sich nach ihnen umgedreht, haben seine Freunde später erzählt, und den auf ihn zuschießenden BMW gar nicht kommen gesehen. Man hätte ihn auch nicht warnen können, weil alles so schnell geschah. Der BMW wurde von Frau Lydia Herbst gelenkt, der Inhaberin der Modeboutique „parisienne" in der Niedere Straße. Sie blieb unverletzt. Die Polizei hat von allen Blutproben entnehmen lassen. Von den Radfahrern, weil sie Bier in einem Anhänger mit sich führten, und von Lydia Herbst. Die Buben hatten zwischen 0,3 und 0,4 Promille Alkohol im Blut. Rico nur 0,2 Promille. Bei der Autofahrerin stellten sie einen Alkohol­gehalt von 2,3 Promille fest. Sie wurde sechs Monate später wegen fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr zu zwei Jahren auf Bewäh­rung verurteilt. Ein viel zu mildes Urteil für die Ermordung unse­res Sohnes, fanden Karin und ich und alle unsere Freunde und Be­kannten. Der Klatsch in der Stadt hat uns zugetragen, Frau Herbst sei betrunken von einem Stelldichein mit ihrem Geliebten gekom­men, einer prominenten Person aus der Stadtverwaltung, der sich den Gerüchten nach nicht von seiner Frau scheiden lassen wollte. Die Boutique schien danach nicht mehr gut zu laufen. Sie wurde ein Jahr später aufgegeben. Ein neues Geschäft dieser Art ist nicht wieder eröffnet worden. Die reichen Leute unserer Stadt müssen ihre Klamotten seither in Stuttgart oder in München kaufen oder gleich nach Paris fahren.

    Für die Freunde und die Bekannten und für unsere Nachbarn und für die Schule und für die ganze Stadt war es eine ergreifende Be­erdigung mit vielen Kränzen und zahlreichen Blumenbouquets. Das Schulorchester mit Streichern, Bläsern und Chor führte den Introitus des Requiems in d-Moll von Mozart auf, der Stadtpfarrer wetterte gegen die verkommene Moral in gewissen Kreisen, und alle, außer Karin, heulten und schluchzten. Karin war zu Stein ge­worden.

    Mit unseren Freunden und Bekannten wollte sie nichts mehr zu tun haben. Wir gingen nicht mehr ins Kino, auch nicht ins Theater, wir besuchten kein Restaurant mehr, und schon gar nicht den Fasnets­ball unseres Narrenvereins. Karin redete mit anderen Menschen nur noch, was notwendig war, korrigierte gleichgültig Simone, wenn sie es für angebracht hielt, und auch mit mir sprach sie kaum noch. Ich erhielt leidvolle Blicke mit stummen Vorwürfen. Ich hätte den Jungen an diesem Tag nicht fahren lassen dürfen, vor al­lem nicht mit einem Kasten Bier im Gepäck, welch eine dumme Idee von leichtsinnigen Freunden – was waren das überhaupt für Kinder? – sich mit Alkohol in einen Wald zu verdrücken, an einen kalten Bach, ich hätte mich nicht genug um Ricos Erziehung ge­kümmert. Dabei gab es bei ihm nichts zu erziehen. Er tat meistens von selbst, was er sollte, in anderen Fällen, wenn man mit ihm darüber sprach, war er einsichtig. Er kam nie zu spät nach Hause, murrte nicht über zu wenig Taschengeld, hatte mit keinem Streit, außer mit seiner Schwester, und das recht heftig, obwohl sie fünf Jahre jünger als er war.

    Mit Simone ist das alles ganz anders gewesen. Um ihre Erziehung hätte ich mich mehr kümmern müssen. Wenn es denn möglich ge­wesen wäre. Simone hat sich nicht erziehen lassen. Bereits als kleines Kind machte sie, was sie wollte, und war oft nur mit Ge­walt ins Bett zu bekommen. Als Mädchen hatte sie andere An­sichten als ihre Eltern über Kleidung, wann gegessen werden sollte, über Ordnung in der Wohnung und besonders in ihrem Zimmer, wann sie abends nach Hause zu kommen hatte, mit wel­chen Freunden sie unterwegs war. Mit dreizehn Jahren ist sie mir wie eine erwachsene Frau vorgekommen, mit kräftiger Figur und voll entwickelten Brüsten. Von wem aus unserer Sippe hatte sie ihre strohblonden Haare geerbt?

    Aber die ließ sie sich eines Tages abrasieren. Nur einen Strei­fen stachelig frisierter Haare von der Stirn bis zum Nacken hatte sie stehen lassen und rot und blau und gelb gefärbt. Was die Nachbarn dazu sagten oder ihre Lehrer, sei ihr scheißegal, und die Meinung ihrer Eltern interessiere sie nicht, wir seien einfältige Spießer, würden nichts begreifen und verstünden vom Leben rein gar nichts. Da war sie fünfzehn. Ihre aufgedrehte Stereoanlage, die jaulenden Gitarren und Lieder mit brutal anmutenden Texten, das war keine Musik, sondern Körperverletzung, haben wir durchge­hen lassen, trotz wütender Nachbarn. Aber sie begann Kleider zu tragen, die wir nicht gekauft hatten und die sie mit ihrem Taschen­geld nicht hätte bezahlen können und die wir niemals hätten erlau­ben dürfen. Abgewetzte, löchrige Jeans oder einen Rock, der kaum den Hintern bedeckte, dünne Shirts oder eine Bluse, die sie schier bis zum Bauchnabel offen ließ. Da konnte Karin nicht länger gleichgültig bleiben und schrie Simone an. Aber die schrie zurück. Und meine autoritären Donnerwetter hat­ten auch keine Wirkung. Tu doch, was in deiner Macht steht, heulte Karin. Aber welche Macht hat ein Vater bei einer aufsässigen Tochter, wenn er sie nicht verprügeln will? In Gedanken habe ich sie sehr wohl ge­schlagen. Doch macht man das in Wirklichkeit nicht. Ich liebte sie und hätte ihr niemals Schmerzen zufügen oder sie durch Schläge demütigen können. Sie würde erwachsen werden, sich die Anhän­ger mit den Rasierklingen aus den Ohrläppchen nehmen und den Metallring aus dem Bauch. Sie würde vernünftig werden.

    Eines Nachts kam sie nicht nach Hause, auch nicht am Mor­gen, nicht am Nachmittag und nicht am Abend. Wir versuchten bei ih­ren Freundinnen und Freunden zu erfahren, so weit wir sie kann­ten, wo Simone stecken könnte. Wir gerieten so in eine Mansarde in der Altstadt zu einem Typen mit dunklen, wirren Haaren, der ziemlich älter als Simone war und ganz sicher kein Schüler mehr. Der behandelte uns recht grob, herrschte uns an, die dumme Schlampe hätte die Pillen bei ihm vergessen, sie solle bloß ihm nichts anhängen, wenn sie sich von irgendeinem Arsch füllen ließe. Solch eine Ausdrucksweise schockierte uns. Aber noch mehr empörte mich: welcher Arzt verschreibt einer Fünfzehnjährigen die Pille? Wir erstatteten bei der Polizei eine Vermisstenanzeige mit einer Menge Fotos, damit man sie fand, gleich, in welcher Ver­kleidung sie unterwegs sein mochte. Die Strafanzeige wegen Ver­führung einer Minderjährigen wollten wir noch zurückhalten. Weil wir ein Ziel hatten und immer gemeinsam unterwegs waren, rede­ten Karin und ich wieder miteinander. Wir mussten ja suchen, un­tersuchen, erwägen, abwägen, einander Mut machen, ihr wird schon nichts passiert sein, eher hat sie einem anderen etwas ange­tan. Wir führten beinahe wieder ein Eheleben. Wenigstens tags­über. In Gesprächen mit ihren Lehrern erfuhren wir, dass Simone, bei all ihrer Widerspenstigkeit, die ganze Zeit eine gute Schülerin geblieben war. Und wir hörten, sie habe besonders im Musikunter­richt sehr gut mitgemacht, habe Lieder komponiert, sogar eine Sin­fonie, die nächstes Jahr vom Schulorchester aufgeführt werden soll, sie spiele hervorragend Klavier, und unser ungläubiges Kopf­schütteln, unsere erstaunten Ausrufe, wieso wir so täten, als wüss­ten wir von nichts, wir hätten doch den Klavierunterricht bei Herrn Ottmar Rodewald bezahlt, einem pensionierten Musikpädagogen, der übrigens auch ein ausgezeichneter Pianist sei, und sie hätte bei einem jungen Mann in der Stadt Gitarrenunterricht gehabt… Un­glaublich, was uns hier zu Ohren kam. Karin hatte es stets abge­lehnt, die Kinder ein Musikinstrument lernen zu lassen. Nun hatte unsere Tochter heimlich musiziert. Aber wer hatte ihr die Unter­richtstunden bezahlt? Und wo hatte sie geübt? Sie spiele hervorra­gend Klavier!

    Neun Tage später hat die Polizei sie am Mannheimer Wasserturm aufgegriffen, in einer Gruppe von Mädchen und Jungen, die durch Streit und laute Musik aufgefallen war. Sie sah nicht verwahrlost aus, als zwei Beamte sie bei uns ablieferten, mit einem Gitarren­koffer in der Hand. Unter Drogen schien sie nicht zu stehen. Sie betrachtete mich mit ihren wasserblauen Augen, und ich meinte, eine verschwörerische Kumpelhaftigkeit in ihnen zu sehen. Sie lachte unbekümmert, als käme sie von einem Tagesausflug, zog mein Gesicht zu sich heran, sie ist schon mit Fünfzehn etwas grö­ßer als ich gewesen, und gab mir Küsse auf die linke und auf die rechte Wange, wie bei einem gewöhnlichen Wiedersehen. Da beg­riff ich, dass wir sie verloren hatten. Ihre Mutter bedachte sie mit derselben, oberflächlichen Vertrautheit. Wir haben nie mehr wie­der mit ihr gestritten

    Ein paar Tage nach Simones sechzehntem Geburtstag führte das Schulorchester in der Tonhalle die von ihr komponierte Sinfonie auf. Es war keine Musik wie etwa von Mozart, die einen heiter stimmt oder zum Beispiel von Beethoven, die einen ergreift und erhabene Gefühle weckt. Ich fand keinen Zugang zu dem, was die Gymnasiasten boten. Brausende, elektronisch verstärkte Orgelkas­kaden; Streicher, die sich kaum um Harmonien scherten; eine ein­same Mädchenstimme in schrillem Sopran, begleitet von irgendwie melodisch klingendem Klopfen auf Hölzern und Steinen, in das dann eine heisere Trompete schrie. Nur ein paar Takte einer Gi­tarre, die mich an Rodrigos’ Aranjuez erinnerten, trafen auf das von mir gewohnte Musikgefühl. Trotzdem bewunderte ich die jun­gen Leute, mit welchem Ernst sie spielten, wie sie sich hingaben in eine mir unbekannte Welt, aus der sie uns hier etwas vortrugen. Das Publikum spendete höflichen Applaus. Nur eine kleine Gruppe klatschte stürmisch mit hysterischen Schreien wie auf einem Beat­leskonzert, was die anderen Gäste für unangebracht hielten.

    Simone ließ sich einige Wochen darauf einen Personalausweis aus­stellen, packte ganz offen ein paar Sachen in ihren Rucksack und nahm ihre Gitarre. Sie wolle uns jetzt verlassen. Was soll aus dir werden, Simone? Nicht, was aus dir geworden ist, Papa. Ich fühle mich hier nicht zu Hause, weil alles, was ich möchte, nicht ge­wünscht wird oder verboten ist. Dann ging sie aus dem Haus. Wir haben sie seither nicht mehr gesehen. Vor vielleicht zehn Jahren, ich glaube, es war nach Herrn Schmidls Beerdigung, erhielten wir einen Brief von ihr aus San Francisco. Sie mache keine Rockmusik mehr, schrieb sie, als ob wir darüber informiert gewesen wären, sie spiele nun das Piano in einem Salsaorchester, mit dem sie in den Vereinigten Staaten unterwegs sei, und sie habe sich gerade be­worben, die Musik zu einem Film zu schreiben. Verheiratet sei sie nicht und sie habe auch keine Kinder. Ihr Geliebter zur Zeit sei der erste Trompeter des Salsaorchesters, mit dem sie sich im Wechsel­spiel von Piano und Trompete auch musikalisch gut verstehe. Dem Brief lag ein Schwarzweißfoto bei. Das Gesicht einer ernsten Frau um die dreißig mit langen, blonden Haaren. Karin hat als erste von uns beiden angefangen zu weinen. Es sei alles ihre Schuld. Nach Ricos Unfall habe sie geglaubt, keine Gefühle mehr haben zu dür­fen, habe Simone behandelt, als sei sie ihr gleichgültig. Dabei liebte sie sie doch und hätte Simones musikalisches Talent erken­nen können. Man hätte sie fördern müssen, anstatt ihr Musikin­strumente zu verbieten. In Deutschland wäre alles viel einfacher gewesen mit einem Musikstudium, mit Bafög, mit der Künstlerso­zialversicherung, mit einer Stelle in einem staatlichen Orchester… Hätte Simone es so gewollt? Wie hatte sie es nur geschafft, in den Vereinigten Staaten als Musikerin zu arbeiten, wo doch die ameri­kanische Gewerkschaft der Musiker sonst erfolgreich verhinderte, dass ausländische Künstler in ihrem Land auftraten?

    Nach all den verschwendeten Lebensjahren ohne Liebe sind Karin und ich wieder ein richtiges Paar geworden. Aber wir haben keine Freunde. Wir haben nur uns. Und es ist, als müssten wir in unseren herbstlich welkenden Körpern all das Verlangen neu wecken, das während unseres jüngeren Lebens nicht beachtet worden ist. Manchmal sonntags. Wenn Karin in der Konditorei „Zum Schwar-

    zen Raben" gewesen ist. Und wir uns am hellen Nachmittag, nach dem Genuss der herrlichen Schwarzwälder Kirschtorte, von frivo­ler Lust ins Bett treiben lassen wie ein frisch getrautes Paar.

    Heute allerdings nicht. Neulich bin ich wieder auf das Paket mit den Tonbändern gestoßen und habe den zweiten Umschlag geöff­net. Es war ein Brief von Herrn Schmidl. Er war an mich gerichtet.

    „Lieber Gerhard,

    was während meines Lebens kaum möglich war, kann ich nun, ich duze Dich einfach, weil wir seelenverwandt sind. Obwohl Deine Zeugnisse miserabel waren, habe ich Dich seinerzeit in meiner Firma angestellt, weil eine schwedische Musikerin, die Du gut kennst, mich darum gebeten hat, Die Dir gestellten Aufgaben hast Du ordentlich erfüllt, so wie es Dir möglich war. Du bist nicht be­sonders energisch, sondern eher verträumt, dafür aber ehrlich und immer guten Mutes. Ich habe Dir ein Gehalt bezahlt, mit dem Du Dein Leben bestreiten konntest. Kuckucksuhren sind für meine Kinder leider bescheuerter Kitsch. Deine Stelle wirst du aber auch dann behalten, wenn sie die Firma verkaufen sollten. Dein Leben habe ich aufmerksam verfolgt. Auch mich traf Ricos plötzlicher Unfalltod. Doch musst Du Dich um Simone nicht sorgen. Den Unterricht in Klavier und Gitarre habe ich ihr bezahlt. Niemand sonst weiß etwas davon. Hinterher war ich allerdings in Sorge, über das, was ich über den Gitarrenlehrer hörte. Indes mag ich nicht beurteilen, ob er ein Verbrechen beging, als Simone seine Geliebte wurde. Ich glaube, dass Deine Tochter nicht von ihm ab­hängig war und nur geschah, was sie auch wollte. Simone hat Dein musikalisches Talent, doch darüber hinaus auch die Kraft, etwas zu erreichen, was sie glücklich machen wird. Verzeih mir, mich in Deine Familie eingemischt zu haben. Ich gebe mir die Schuld, dass Simone Euch so jung verlassen hat. Aber es wird schon richtig ge­wesen sein, sie musikalisch weiterzubilden, weil ihr Glücklichsein auch Dir gut tut. Die Bänder hier habe ich von Deiner schwedi­schen Freundin. Und auch den Briefumschlag. Erst wenn sie und ich gestorben wären, sollte alles an Dich weitergehen. Dabei bin ich ein ganzes Leben lang neidisch auf Dich gewesen, weil sie Dich geliebt hat und nach Dir keinen anderen Mann mehr wollte. Hast Du sie nicht gesehen bei der Übertragung eines Konzerts des Orchestre Symphonique Français in arte am Ostermontag vor vier Jahren? Bis zu ihrem Tod hat sie in dem Orchester Oboe und Kla­rinette gespielt. Sie ist mit 61 Jahren gestorben. Du hättest sie nachmittags nicht in die mediterrane Sonne lassen sollen. Ein Me­lanom wurde nicht rechtzeitig erkannt.

    Du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der mit meinen Schall­platten richtige Freude hätte. Die Musik wird Deine Träume be­gleiten und vielleicht Erinnerungen wach halten. Ich lege diesen Brief nun in einen der Umschläge mit den Bändern.

    Franz Schmidl"

    Zuerst bin ich wütend auf Herrn Schmidl gewesen. Er hat sich in mein Leben, in meine Familie eingemischt. Es hätte genügt, mich bei ihm arbeiten zu lassen. Wenn dies denn wirklich ihr Wunsch gewesen ist. Wieso hat sie darum bitten können? Warum wühlt er jetzt in meinen Erinnerungen?

    Simone hat in einem Salsaorchester gespielt. Vielleicht ist sie ja glücklich, hat inzwischen auch Musik zu einem Film ge­schrieben. Wenn Simone glücklich wäre, dürfte ich nicht wütend auf Herrn Schmidl sein. Wenn ich nur wüsste, was glücklich sein ist. Wird man es wirklich, wenn man erreicht, was man will? Man müsste nur immer wissen, was man will. Hat Simone es gewusst? Und was kommt danach, wenn man alles erreicht hat? Was habe ich er­reichen wollen, um glücklich zu sein? Eigentlich nichts. Ich wollte nichts bekommen, nichts werden, habe immer nur geträumt, dass alles so weitergegangen wäre. Vielleicht ist man auch glücklich, ohne etwas erreicht zu haben, bekommt das Glücklichsein einfach geschenkt, ohne etwas dafür tun zu müssen. Ich will nichts errei­chen, wenn Karin mich nach der Schwarzwälder Kirschtorte vom Tisch wegzieht. Aber die Berührungen geben Geborgenheit und machen mich glücklich in dieser Weile. Indes habe ich die Erinne­rungen. Sie sind wie ein zweites Leben. Natürlich liebe ich meine Frau. Nur muss ich jetzt etwas aus jener Zeit herausholen, die Ge­genwart hätte bleiben müssen.

    Mit den Tonbändern bin ich zu Herrn Jaruselski gegangen, dem Inhaber eines Rundfunkgeschäfts in der Färberstraße, der einem in seiner Werkstatt auch ein altes Röhrenradio mit dem magischen Auge reparieren würde. Ob man bei ihm die Bänder abspielen könne. Selbstverständlich, Herr Kalisch, habe ich ein Tonbandge­rät, mit dem wir die Bänder anhören können. Die Tonqualität sol­cher Bänder ist in der Regel besser als die von Schallplatten und ganz gewiss viel besser als die dieser digitalen Kompaktdisketten. Bei digitaler Technik klingt die Musik steril, irgendwie leer, die Höhen sind zu scharf, die Tiefen ohne Raum, einfach zu direkt, wenn Sie verstehen, was ich meine, kein binäres Zahlensystem kann, nur ein Beispiel, den Nachhall von Tschaikowskys Bassgei­gen in der Pathétique einfangen. Die digitale Technik kann nur aufnehmen, was zu hören ist. Die komplexen Tonsäulen, die mit jedem Ton, mit jedem Akkord entstehen, gehen einfach verloren, weil Computer sie nicht erkennen. Menschen, Herr Kalisch, fühlen alles, was mitschwingt, auch wenn sie es nicht hören, und sie wis­sen dann gar nicht, warum sie bei den Bassgeigen in Tränen aus­brechen. Die Melodie allein, so schwermütig sie auch sein mag, ist es ja nicht. Verstehen Sie das? Wenn zum Beispiel Harry James das hohe C bläst, sind Schwingungen darunter bis in die Unterwelt und auch Schwingungen darüber bis sie sich im Weltall verlieren, wo sie mangels Moleküle nicht weiterschwingen können. Wenn Sie Musiker wären, Herr Kalisch, verstünden sie es. Mozart zum Beispiel, der ein absolutes Musikgehör hatte… Ich konnte ihm nicht mehr zuhören, denn er hatte eines der Bänder in ein Ton­bandgerät gelegt und eine elfenbeinfarbene Taste gedrückt. Was ich da auf einmal hörte, ließ mich schwindeln. Ich glaubte, ohn­mächtig zu werden.

    „Halten Sie an, Herr Jaruselski", fuhr ich ihn an.

    Er drehte sich erstaunt zu mir um.

    „Ich… Ich habe jetzt keine Zeit. Ist es möglich, die beiden Bänder auf CDs zu übertragen, damit ich sie zu Hause anhören kann?"

    Ich musste diese Musik allein hören.

    „Selbstverständlich, Herr Kalisch. Ich kann den Inhalt dieser bei­den Bänder digitalisieren und auf CDs brennen. Wahrscheinlich werden es zwei. Aber die Qualität, wie gesagt…"

    Ich möchte heute Nachmittag zwei CDs hören, sage ich zu ihr und stehe von meinem Stuhl auf. Karin schleckt sich die Schokoladen­späne mit der Zunge von den Lippen. Einen Augenblick zieht sie die Stirn in Falten, lacht dann aber und meint, ich spüle dann das Geschirr. Du kannst es hernach ja abtrocknen und wegräumen, wenn du nicht zu betrunken bist. Du wirst ja wohl Bier trinken, wenn du dich mit Herrn Schmidls Plattensammlung beschäftigst. Ich helfe ihr, das Kaffeegeschirr in die Küche zu bringen. In mei­nem Musikzimmer ist es dunkel und kühl. Es war nicht so teuer, die Bänder auf die CDs zu übertragen. Auf den silbernen Schei­ben steht Gerhard Kalisch I und Gerhard Kalisch II. Ich setze mich in meinen bequemen Ohrensessel und lege eine Platte in das Gerät. Wieder wird mir schwindelig als ich die ersten Takte höre. Aber es kann mir nichts passieren. Ich sitze ja. Karin kommt nach einer Weile mit einer Flasche Bier und einem Glas. Sie schenkt ein und stellt mir beides auf die Anrichte am hinteren Fenster. Das klingt traurig, ja herzzerreißend, wie der Musiker die Klarinette spielt, sagt sie im Hinausgehen.

    II Negermusik

    Dieses ewige Rollen auf Eisen hatte mich irgendwann einschlafen lassen. Doch immer, wenn die Räder über Weichen polterten, schreckte ich aus wirren Träumen auf, ohne wirklich zu mir zu kommen. Ich hatte viel getrunken, und die beklemmende Lähmung meiner Empfindungen machten die Nacht und die Geräusche des fahrenden Zuges quälend, wenn sich ihre Monotonie änderte. Ich erwachte, als der Ton der rollenden Räder hohl klang und ihr rhythmisches Pochen verlangsamten. Fabriken und Lagerhallen ließen unerträglichen Lärm daraus werden. Ich schloss das Fenster und merkte endlich, wie eisig die Luft im Abteil war. Mein Herz klopfte, im Mund spürte ich eklig Süßsäuerliches und im Kopf ein beharrliches Ziehen. Wie war ich nur zum Bahnhof gekommen? Ich suchte die Zigaretten. Nach dem ersten Zug meinte ich, bre­chen zu müssen. Vielleicht würde kaltes Was­ser helfen und ich hatte noch genug Zeit. Also drückte ich die Zigarette aus, konnte den stinkenden Rauch aus dem Aschenbecher aber nicht aufhalten. Die Abteilungstür quietschte, als ich sie aufschob. Ich stützte mich mit den Händen an den Wänden des schwankenden Ganges ab. Zum Glück war die Toilette frei.

    Ich ließ alles aus meinem Körper in diesen schmutzigen Trichter sprudeln und in das Dröhnen da unten verdampfen. Das würde vom Schnaps und von den Bieren befreien. Und das kalte Wasser tat gut im Gesicht. Ein müdes, verkatertes Gesicht sah ich im Spiegel, und ein blödes Grinsen. Den drängenden Wunsch, dieses Wasser auch zu trinken, musste ich wohl unterdrücken. Durstig begab ich mich in das Abteil zurück und öffnete wieder das Fens­ter. Die Schienen hatten sich vermehrt und blinkten kalt in den vorbeifliegenden Lichtern. Eine Lokomotive schob dampfend Gü­terwagen vor sich her.

    Der Zug würde in einen Kopfbahnhof einlaufen. Ich hatte genü­gend Zeit zum Aussteigen. Trotzdem zog ich schon meinen Mantel an, ein etwas abgewetztes Stück aus blauem Popelin, und wuchtete meinen Koffer und meine Tasche aus dem Gepäcknetz. Vor mei­nem Abteil schoben sich andere Passagiere mit ihrem Gepäck vor-bei. Sie hatten es noch eiliger als ich. Dabei war es völlig egal, ob ich um 21.13 Uhr aus dem Zug stieg oder eine Stunde später. Trotzdem drängte ich mich aus dem Abteil in die Menschen­schlange, stieß mit dem Koffer gegen Körper, stellte die Tasche auf einen fremden Fuß. Entschuldigung. Entschuldigung. Lichter fluteten herein. Als der Zug mit einem Ruck anhielt, musste ich mich an einem Arm festhalten. Entschuldigung. Die Schlange setzte sich in Bewegung und stieß mich Schritt für Schritt auf den Bahnsteig in eine Menschentraube hinein. Stuttgart Hauptbahnhof, brüllte es aus Lautsprechern. Die nächsten Anschlüsse. Eilzug nach Mannheim über Ludwigsburg, Heilbronn, Heidelberg um 21.40 Uhr auf Gleis 14; Fernschnellzug nach Hamburg Altona über Würzburg, Kassel, Göttingen, Hannover um 22.10 Uhr auf Gleis 9; Personenzug nach Karlsruhe… Die Dampflokomotive am gegenü­berliegenden Bahnsteig hüllte alles in graublauen, nach heißem Wasser und Kohle riechenden Dunst. Die Bundesbahn wollte bis zum Ende des nächsten Jahrzehnts das Rauchen aufgeben, hatte ich in einer Anzeige gelesen. Der Beruf des Heizers fiele weg. Auf Hauptstrecken sollten nur noch elektrische Lokomotiven die Züge ziehen, auf den anderen leicht zu bedienende Dieselmaschinen. Aber die stanken und rußten ja auch. Elektrisch wäre alles besser. Ich hörte das schnarrende Signal des Gepäcktransporters und wich mit anderen Leuten zur Seite. Der Transporter surrte mit seinen Wagen voller Gepäckstücke vorbei. Elektrische Motoren waren ideal. Sie stanken nicht und machten keinen Lärm. Das Hin- und Hereilen mit Raunen und Plappern um mich herum ließ mich krib­belig werden. Ich rempelte eine kleine Person an. Entschuldigung. Eine alte Frau. Ich sah zuerst nur ein geblümtes Kopftuch von ihr. Ich muss auf den Zug nach Hamburg! Dann gehen Sie auf den Bahnsteig neun. Ja, ja. Aber ich sehe nicht mehr so richtig. Die Frau hatte in jeder Hand einen Koffer. Wie sollte ich ihr Gepäck mit dem meinen dazu auf ihren Bahnsteig schleppen? Meine Kof­fer können Sie mich ruhig tragen lassen, junger Mann. Ich meinte, Spott in ihrer Stimme zu hören. Führen Sie mich nur bis zu mei­nem Zug, bitte. Das war nicht weit. Und ich hatte ja Zeit. Ein weiß gekleideter Mann mit einem Bauchladen drängelte sich vorbei. Leibnitz Keks, Tabak, Zigaretten, schrie er. Dann stand ich ziemlich verwirrt an der Treppe zum Arnulf-Klett-Platz hinunter. Die alte Frau hatte mich zum Abschied geküsst, aus Dankbarkeit vielleicht, hatte meinen Kopf zu sich hinabgezogen, hatte ihre Zungenspitze flüchtig in meinen Mund gleiten lassen, und ich hatte gemerkt, dass sie nicht so alt war. Meine Kopfschmerzen fielen mir jetzt wieder ein. An der Sperre hatte mir ein mürrischer Beamter meine Fahrkarte abgenommen. Ich versuchte, mit festen Schritten die Stufen zu den Straßenbahnen hinunter zu kommen. Mein vorher trockener Mund fühlte sich nun aber weich und fließend an. Die Zungenspitze einer alten Frau mit einem Kopftuch, die gar nicht so alt war… Sie haben zu viel Alkohol getrunken, junger Mann, und – geben Sie das Rauchen auf!

    Draußen nieselte dünner Regen herab. Den lärmenden Verkehr von Autos und Straßenbahnen, die eilenden Menschen, die vielen Lichter und grellen Neonreklamen, die sich in den nassen Straßen spiegelten, war ich nicht gewohnt. Ich wusste nicht, wohin ich sollte. Unschlüssig trottete ich an den Sandsteinmauern des Bahn­hofsgebäudes entlang bis ich auf eine breite Straße mit noch mehr Verkehr stieß, die aus der Stadt hinaus zu führen schien. Der Kof­fer und die Tasche wurden mir schwer, und in den Nacken rieselte kaltes Nass. Ich kehrte um. Ein Polizist stand an den Stufen zu den Bahnsteigen hinauf. Wie komme ich in die Rötestraße, bitte schön? Fahren Sie mit der Einser oder mit der Sechser bis zur Station Schwabstraße. Dann die nächste Straße rechts. Vielen Dank, Herr Wachtmeister. Der Polizist wies mit seinem Gesicht auf eine Fuß­gängerampel, die gerade Grün anzeigte. Ich ging über den Zebra­streifen auf die Haltestelle der Straßenbahn zu. Weiter auf der an­deren Seite sah ich die leuchtende Reklame eines preiswerten Schnellrestaurants. Da merkte ich, dass ich hungrig war. Wohl hatte ich etwas gegessen, Würstchen mit Kartoffelsalat, bevor wir meinen Abschied in den Nachmittag hinein begossen hatten, doch meinte ich beim Anblick des strahlenden Glasbildes, auf dem ein saftiges Kotelett und goldene Bratkartoffeln mit knusprig braun ge­rösteten Rändern zu sehen waren,

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1