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eBook214 Seiten2 Stunden

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Über dieses E-Book

Violette Girold führt ein zurückgezogenes Leben. In der kleinen Weinhandlung, in der sie arbeitet, trifft sie auf den ruhigen und korrekten Buchhalter Mangold. Obwohl seit Jahren im Betrieb eine strenge Atmosphäre herrscht, kommt es eines Tages zu einem persönlichen Kontakt zwischen den beiden. Am nächsten Morgen wird sie von Mangold auf dem Weg zur Arbeit aufgehalten. Er wirkt seltsam und erzählt ihr, dass seine Ex-Frau gestern Nacht auf offener Strasse ermordet wurde. Und er bittet Violette, sie solle der Polizei erzählen, er wäre gestern bis Mitternacht bei ihr gewesen. Mangold war zwar bei ihr gewesen, doch keinesfalls bis Mitternacht. Das falsche Alibi ist der Anfang einer Entwicklung, die alptraumhafter nicht enden kann. Violette gerät in die skurrile Welt dieses Buchhalters, der in seiner krankhaften Manie ein System entwickelt hat, nach dem er ohne Rücksicht handelt und lebt. Violette muss dabei eine Entdeckung machen, die abstossender nicht sein kann …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum10. Nov. 2013
ISBN9783847660569
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    Buchvorschau

    MINUS - Jon Pan

    Kapitel 1

    Als hätte er sich gegen sie verschworen, setzte pünktlich um vier Uhr nachmittags der Regen wieder ein. Violette Girold saß an ihrem Schreibtisch und beobachtete, wie sich die gegen das Fensterglas prallenden Tropfen zu Rinnsalen ausdehnten. Düsterheit trübte die menschenleere Seitenstraße ein. Heftiger schossen die kleinen Wasserkugeln vom Himmel, und der rauschende Klang des Unwetters drängte sich in die Stille des Büros.

    Wie schon die ganze Woche – und heute war Donnerstag – hatte es immer gegen Feierabend hin zu regnen angefangen. Es schien wie eine unangenehme Verabredung mit jemandem, der es sich nicht nehmen ließ, Violette Girold mit kühler Nässe auf dem Nachhauseweg zu begleiten. Ob andere auch so sehr darunter litten, wusste sie nicht, aber sie fühlte sich zurzeit besonders einsam. Fast sehnsüchtig hatte sie die letzten Tage jeweils darauf gewartet, dass die Dunkelheit der anbrechenden Nacht die regnerische Trübe einschwärzte, auch wenn das Rauschen weiterhin zu hören war. Sie schlief bei diesem Geräusch dann schlecht ein, aber in der Hoffnung, beim Erwachen der Wärme der Sonne begegnen zu können.

    Das Telefon klingelte.

    »Weinhandlung Werenfels«, meldete sich Violette Girold. Das tat sie täglich viele Male, und meistens waren es Bestellungen, die sie entgegenzunehmen hatte. Auch diesmal war es so. Auf der vorgedruckten Liste schrieb sie mit flinker Hand die Posten mit, verabschiedete sich dann freundlich und legte auf.

    Die Weinhandlung, in der sie seit bald drei Jahren arbeitete, war klein. Es gab insgesamt nur vier Mitarbeiter, den Fahrer des Lieferwagens mit einberechnet. Dazu kam der Inhaber, Herr Anton Werenfels, der seinen Betrieb selbst leitete.

    Wieder das Telefon, diesmal intern: »Fräulein Girold, ist die Post schon weg«? Herr Werenfels persönlich wollte das wissen.

    »Nein, Herr Werenfels«, antwortete sie. »Soll ich bei ihnen noch etwas abholen kommen«?

    »Ja.« Er legte gleich auf. Das war seine Art und hatte nichts zu bedeuten.

    Der ganze Betrieb wirkte altmodisch, die Zeit schien stehen geblieben zu sein. Werenfels selbst war ein bald sechzigjähriger, strenger Mann, der immer denselben grauen Anzug trug. Eigentlich hatte er zwei davon, in derselben Farbe und Ausführung, damit ja niemand dachte, er würde sich mehrere Anzüge leisten können. Er war aber bestimmt nicht ohne Vermögen, denn das Geschäft lief seit Jahrzehnten gut.

    Über einen mit Neonlicht beleuchteten, schmalen Gang kam man zur Tür des Chefs. Fast etwas schüchtern klopfte Violette an.

    »Herein.« Die Tür war auf der Innenseite mit schwarzem Leder gepolstert und Werenfels sprach dieses »Herein« immer in normaler Stimmlage aus. Wenn es Violette Girold überhörte, so doppelte er nach und wiederholte laut: »Herein, habe ich gesagt!« So war es auch heute.

    »Sie sind’s«, stellte Werenfels unnötigerweise fest, kaum stand Violette unter der halb offenen Tür. Er machte sich nicht die Mühe, sie anzuschauen, sondern blätterte in einem Ordner, den er auf seinem massiven Schreibtisch liegen hatte. Mit der Hand griff er nach einem Brief, der gegen den Sockel der antiken Schreiblampe angelehnt war, und streckte diesen mit noch immer abgewandtem Blick über die Tischplatte. Violette trat näher und nahm den Umschlag an sich.

    »Herr Hardmeier soll sich, wenn er die Post erledigt hat, noch kurz bei mir melden«, murmelte Werenfels vor sich hin, doch es war für Violette bestimmt..

    Hardmeier war der Fahrer, der mit dem Lieferwagen die Kundschaft belieferte.           Er musste auch zweimal täglich auf die Post fahren, um Pakete zu bringen, die auf diese Weise versendet wurden – immer kurz vor zwölf und kurz vor Feierabend.

    »Ich werde es ihm ausrichten«, sagte Violette und verließ das Büro ihres Chefs.

    Die Weinhandlung befand sich in einem alten Haus, das Werenfels selbst gehörte und in dessen oberen Stockwerke er drei Wohnungen vermietet hatte. Der Lagerraum war nachträglich hinter dem Haus angebaut worden, über eine schmale Zufahrt zwischen Straße und Hinterhof erreichbar, wo der Lieferwagen an der Rampe ein- und ausgeladen werden konnte.

    Die Böden in den Büros waren alle aus Holz und knarrten beim darüber gehen, ebenso war das Mobiliar – Schreibtische, Aktenschränke, Stühle – aus massivem Holz, schwerfällige Stücke, die längst über der Zeit waren. Selbst die Telefonapparate waren seit Jahrzehnten nicht erneuert worden, denn wo gab es diese schwarzen, klobigen Dinger denn noch! Und die überall an den Decken angebrachten Neonlampen wirkten irgendwie fehl am Platz.

    Violette ging an der Tür des Buchhalters vorbei. Hermann Mangold hieß der Mann, der schon seit bald dreißig Jahren für die Weinhandlung arbeitete. Er hatte sogar seine Lehrzeit bei Werenfels absolviert und war der Firma seitdem treu geblieben. Mangold war als sehr korrekt bekannt.

    Mit einem Blick durchs Fenster am Ende des Gangs vergewisserte sich Violette, ob der Lieferwagen schon an der Rampe stand. Doch nur die Regentropfen tanzten auf der Plattform aus Beton herum, die etwas Unverbrauchtes an sich hatte und vermutlich vor noch nicht so langer Zeit neu angebaut worden sein musste.

    Ein leichtes Frösteln durchfuhr Violette, sie rieb sich beidseitig mit den Handinnenflächen die Oberarme, was etwas Wärme erzeugte. Dann drehte sie sich um und ging mit schnellen Schritten in ihr Büro zurück, das sich vorne neben dem Haupteingang des Hauses befand.

    Das Telefon klingelte, und sie nahm noch eine Bestellung entgegen, die sie zu den anderen des Nachmittags legte. Ihre Aufgabe war es dann, die Lieferscheine zu tippen und diese zweimal täglich ins Lager zu geben, wo Herr Brenner, der dort arbeitete, die entsprechende Ware bereit stellte.

    Die Tür ging ruckartig auf, und Hardmeier, der Fahrer, kam herein. Er steuerte auf die Ablage zu, wo sich die Briefpost befand, und nahm den Stapel Umschläge in seine große Hand.

    »Sie sollen sich noch beim Chef melden«, sagte Violette Girold.

    »Scheißregen!«, fluchte Hardmeier, ohne auf Violettes Worte einzugehen. »Ist das alles«?, fragte er stattdessen und hielt die Umschläge hoch

    »Ja«, kam die Antwort.

    Hardmeier hatte die Gewohnheit, die Tür hinter sich offen zu lassen. Violette ärgerte sich jedes Mal darüber. Gerade bei diesem Wetter musste die Wärme in den Räumen bleiben, denn Werenfels heizte nur, wenn es unbedingt nötig war – also an besonders kalten Wintertagen

    »Schließen Sie doch bitte die Tür, Herr Hardmeier!«, verlangte Violette. »Sie wissen doch, wie schnell die Räume hier kalt werden!«

    Hardmeier war etwa dreißig, ein breitschultriger, großer Mann. Sein Blick musterte Violette manchmal von oben bis unten, was sie jedes Mal peinlich berührte. Auch nun schaute er wieder so, was er noch mit den Worten »Dabei sind Sie doch immer bis obenhin zugeknöpft!« unterstrich. Er benahm sich ihr gegenüber seltsam. Schon wenige Tage, nachdem Violette in der Weinhandlung neu angefangen hatte, startete er seinen ersten, plumpen Annäherungsversuch. Ob sie nicht mal Zeit hätte, am Abend, er wolle ihr mal die Stadt zeigen. Natürlich ließ sie ihn abblitzen. Er war absolut nicht ihr Typ, dazu kam, dass sie sich schon seit Jahren nicht mehr mit einem Mann eingelassen hatte. Und sie konnte sich auch nicht vorstellen, dass eine Frau wie sie in Hardmeiers Beuteschema passte! Wie sie nur wenig später erfuhr, lebte er mit einer Frau zusammen. Aber Hardmeier gab nicht auf, nutze jede Gelegenheit, um einen anzüglichen Spruch zu platzieren.

    »Gehen Sie jetzt auf die Post«, sagte Violette mit abgewandtem Gesicht.

    Hardmeier zog demonstrativ die Tür zu.

    Nein, sie mochte ihn nicht. Da war ihr Herr Mangold, der Buchhalter, schon angenehmer. Sie begriff manchmal nicht, warum sie in dieser Firma arbeitete. Hatte es mit ihrem schwachen Selbstbewusstsein zu tun? Sie ertappte sich manchmal dabei, wie ihr die Atmosphäre hier gefiel, wie sie ihr so etwas wie Schutz verlieh. Es gab nicht diesen Neid und dieses Geschwätz wie in anderen Firmen.

    Draußen kündete sich nächtliche Dunkelheit an. Und noch immer Regen, also wieder ein unangenehmer Nachhauseweg. Einen Wagen besaß sie nicht. Werenfels und Hardmeier waren die einzigen in der Weinhandlung, die ein solches Fahrzeug hatten.

    Herr Brenner, der Lagerist, musste um die fünfzig Jahre alt sein. Auch er arbeitete schon lange für Werenfels, und Violette hatte das Gefühl, als würde ihn das schlechte Klima des Lagerraums – insbesondere während des Winters – eines Tages zum Invaliden machen. Oft hustete er laut und bronchial, oder er ging gebückt, als trüge er unter Schmerzen eine Last. Er sprach selten, nur bei Unklarheiten wegen den Bestellungen. Mit Hardmeier schien er sich nicht gut zu verstehen, da dieser ihn dauernd herum kommandierte.

    Noch zehn Minuten bis Feierabend. Es konnte gut möglich sein, dass Werenfels Violette wegen irgendeiner Arbeit noch zu sich rief. Er selbst saß jeden Abend länger in der Firma und achtet deshalb oft nicht darauf, wie spät es überhaupt war. Einmal hatte sich Violette deswegen eine Bemerkung erlaubt, aber keinerlei Reaktion oder gar Entschuldigung darauf erhalten

    Die letzten Minuten wartete sie geradezu ab. Sie saß untätig am Schreibtisch und hoffte, dass das Telefon nun nicht mehr klingeln würde. Hardmeiers polternde Schritte waren zu hören. Er kam von der Post zurück.

    Noch drei Minuten!

    Die Tür schnellte auf. »Was ist mit dem Chef?«, fragte die tiefe Stimme des Fahrens. »Was will er noch von mir? Es ist Feierabend!«

    Hatte sie es ihm nicht ausdrücklich gesagt! Da strömte wieder kühle Luft durch die offenstehende Tür! Violette Girold drehte sich auf dem Stuhl um. Schon traf sie Hardmeiers Blick. Was wollte er?

    »Zum Chef soll ich gehen, was?«

    »Ja! Und nun verschwinden Sie schon!«, reagierte Violette leicht verärgert.

    Er lachte mit breitem Mund und zog sich die Tür vor dem Gesicht langsam zu, wobei er bis zum Schluss durch den immer schmäler werdenden Spalt schaute.

    Violette erhob sich, holte die Handtasche aus der untersten Schublade, den Mantel vom Wandhaken. Dann überprüfte sie die Ordnung im ganzen Raum, befand sie als gut, ging zur Tür, drehte sich dort nochmals um, bevor sie das Licht löschte und auf den Gang hinaus trat. Sofort fixierte sie die Tür des Chefs, Das tat sie jeden Abend, als befürchte sie, er könnte sie doch noch plötzlich zu sich rufen.

    Gleich neben den Ausgang gab es einen blechernen Kübel, der als Schirmständer diente. Violette Girold griff nach ihrem dunkelroten Damenschirm, der zwischen zwei schwarzen, alten Dingern stand, die hellbraune, groß geschwungene Holzgriffe hatten. Dann trat sie hinaus unter das Vordach.

    Links plätscherte ein dicker Wasserstrahl hinunter, der für Violettes Ohren ein fast unanständiges Geräusch machte. Sie schaute in die vom Himmel stürzenden Wasserdrähte, die das Bild der schon bald nächtlichen Straße schraffierten. Ein Windstoß fuhr dazwischen und brachte die Gleichmäßigkeit des Regens durcheinander. Violette machte wieder einen Schritt näher an die Tür heran, die hinter ihrem Rücken schon ins Schloss geschnappt war. Kein Mensch war sonst zu sehen. Weiter vorne gab es noch eine Firma, eine kleine Fabrik, die Lampen herstellte.

    Sie hatte gerade den Entschluss gefasst, nun den Schirm aufzuspannen und loszugehen, als sie das Geräusch der sich öffnenden Tür hinter sich vernahm. Sie trat ein wenig zur Seite.

    »Was ist, sind Sie wasserscheu!« Es war unverkennbar Hardmeier, der, ohne eine Sekunde zu zögern, in seiner braunen Manchesterjacke hinaus in den strömenden Regen sprang und zu seinem Wagen rannte, der auf der gegenüberliegenden Straßenseite parkiert war. Dort angekommen, rief er ihr zu: »Ich nehm Sie mit. Im Wagen ist es trocken und warm!«

    Nein, sie würde nie zu ihm in den Wagen steigen! Er hatte es ihr ja schon einige Male angeboten, doch sie wollte nicht.

    »Kommen Sie schon«, ließ Hardmeier nicht locker.

    »Nein«, rief sie zurück.

    Er lachte, wobei sein gekraustes, dunkles Haar schon ganz verregnet war. »Dann eben nicht.« Er winkte mit einer schwungvollen Armbewegung ab und zeigte dabei seine weißen Zähne.

    Schon wieder ging die Tür in Violettes Rücken auf.

    »Es regnet schon wieder«, stellte eine ruhige Stimme fest.

    Violette drehte den Kopf etwas zur Seite und schaute in das Gesicht von Mangold, dem Buchhalter.

    »Das kann man sagen«, bestätigte sie. »Und ausgerechnet immer dann, wenn wir Feierabend haben!«

    Hardmeier startete den Motor seines alten BMW's und fuhr rasant davon.

    »Nun muss ich los«, meinte Violette, »sonst stehe ich morgen früh noch da.« Sie spannte den Schirm auf.

    Hermann Mangold musste bis zur Busstation in dieselbe Richtung gehen. Es kam aber selten vor, dass sich die beiden beim Weggehen trafen, da Mangold meistens länger arbeitete.

    Violette war in den Regen hinausgetreten, schritt los, innerlich irgendwie darauf wartend, dass Mangold nach kam. Doch er blieb bei der Tür stehen. Möglicherweise wollte er nicht als aufdringlich empfunden werden. Violette wusste, dass er geschieden war, ein netter Mann, wie sie fand, vermutlich auch einsam. Das versteckte er jedoch hinter seine Korrektheit, mit der er wenig bis gar keine Gefühle zum Ausdruck brachte

    Violette wusstet, was Einsamkeit bedeutete. Dabei war sie erst achtundzwanzig Jahre alt, eigentlich im besten Alter! Aber mit den Männern hatte es nie geklappt.

    Mangolds Schritte waren nun zu hören. Er kam also doch. Es passte zu ihm, dass er gewartet hatte. Aber es wäre doch nichts dabei gewesen, hätte er sie begleitet! Violette ertappte sich dabei, wie sie ihre Schritte verlangsamte. Vielleicht wollte sie nur heraus finden, was Mangold jetzt tun würde. Wie nass ihre Beine schon waren, wie kalt und feucht sich alles anfühlte! Nein, sie wollte wieder schneller voran kommen, denn da vorne war bereits die Bushaltestelle.

    Die Tropfen prasselten auf das gespannte Schirmtuch. Ein Mann mit hochgeschlagenem Mantelkragen kam ihr entgegen, den Kopf geduckt. Strähniges Haar hing ihm ins Gesicht. Dass es Leute gab, die bei diesem Unwetter ohne Schirm gehen konnten, verstand Violette nicht.

    Mangold musste sich dicht hinter ihr befinden. Warum drehte sie nicht den Kopf und schaute nach ihm? Bei der Bushaltestelle standen noch zwei Männer, eng unter ihre Regenschirme geduckt.

    Plötzlich blieb Violette stehen, wandte sich kurz Mangold zu und sagte: »Also dann, bis morgen«, und ging mit schnellen, entschlossenen Schritten weiter. Sie nahm selten den Bus, denn sie hatte es nicht mehr weit bis nach Hause.

    Als Violette in ihrer kleinen Wohnung ankam, nahm sie sofort ein heißes Bad. Fröstelnd setzte sie sich ins schaumige Wasser, das nach und nach ihren Körper wärmte. Wie sie so in der Wanne lag, befiel sie eine bleierne Müdigkeit. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen und sich dem Schlaf übergeben. Doch das war ihr zu gefährlich, denn sie hatte schon davon gehört, dass Menschen auf diese Weise ums Leben gekommen waren. Und davor hatte sie Angst. Also riss sie sich zusammen, richtete ihren Oberkörper steif auf und begann damit, sich einzuseifen und zu waschen.

    Es war wieder ein Abend wie jeder andere! Hunger hatte sie keinen, und doch musste sie etwas essen. Sie setzte Wasser für einen Tee auf, holte die Butter und Marmelade aus dem Küchenschrank, schnitt sich eine dünne Scheibe Brot ab, legte diese auf einen Teller und wartete am Tisch sitzend, bis das Wasser kochte.

    Einen Moment lang dachte sie daran, ihre Mutter anzurufen, doch das siedende Wasser lenkte sie davon ab. Also trank sie erst einmal zwei Tassen heißen Tee und aß die Scheibe Brot, die sie dünn mit Butter und Marmelade bestrichen hatte.

    Violette musste an Mangold denken. Wie zurückhaltend er sich immer benahm! Im Gegensatz zu Hardmeier! Ja, Hardmeier – wollte der wirklich etwas von ihr? Er hatte doch eine Freundin, lebte sogar mit ihr zusammen.

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