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Replay: Das letzte Kapitel
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eBook309 Seiten3 Stunden

Replay: Das letzte Kapitel

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Über dieses E-Book

Nino Pauly, ein kleiner Angestellter in einem Fitness-Klub, findet eines Tages ein Paket in einem Abfallkorb und nimmt es mit nach Hause. Er glaubt, es befände sich möglichweise Geld darin, doch es kommt nur ein Stapel beschriebener Blätter zum Vorschein. Achtlos lässt er die auseinandergerissenen Papiere im Wohnzimmer liegen. Paulys clevere Freundin Kim interessiert sich für die Papiere. Es scheint sich um ein Romanmanuskript zu handeln, einen Thriller. Sie liest die Story, ist davon fasziniert und hat eine Idee.
Durch einen befreundeten Journalisten schafft sie es, das Manuskript veröffentlichen zu lassen – allerdings unter den Namen ihres Freundes, den sie allerdings von allem fernhält, da er mit einer solchen Situation völlig überfordert wäre. Die Wahrheit kennt niemand. Das Buch wird verfilmt und verkauft sich als Bestseller.
Doch da wird Paulys Leben massiv bedroht. Er glaubt, seine Freundin stecke dahinter, um allein an das nun verdiente, große Geld heranzukommen. Oder gibt es in dem Buch Informationen, die einen unsichtbaren Feind auf dem Plan gerufen haben? Pauly wird zum Verfolgten und verirrt sich mehr und mehr in undurchschaubare Situationen, die ihn unaufhaltsam in den Abgrund treiben. Plötzlich wird sein eigenes Leben zum alptraumhaften Thriller, bis sich alles – als letztes Kapitel – in einem überraschenden und tödlichen Showdown auflöst …
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum9. Nov. 2013
ISBN9783847660620
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    Buchvorschau

    Replay - Jon Pan

    Kapitel 1 (Das Manuskript)

    Nino Pauly joggte durch den Park. Hauchfahnenschießend pumpte seine Lunge den Rhythmus des Spurts, zu dem er immer auf der Geraden zwischen der kleinen Fichtengruppe und dem hohen, sechsarmigen Lampenmast ansetzte. Der muskulöse Körper federte, die Beine traten maschinenmäßig, die angewinkelten Arme bewegten sich synchron dazu. Ab und zu überholte Pauly Menschen, die auf dem Weg zur Arbeit waren.

    Mit den Spitzen seiner Turnschuhe bremste er den rasanten Schwung ab und ruderte mit den Armen, bevor er sich mit beiden Händen am Lampenmast abstützte, den Kopf vornübergebeugt, breitbeinig.

    Am Lampenmast hing ein Abfallkorb. Mit einem flüchtigen Blick entdeckte Pauly die Umrisse eines Pakets, das mit Zeitungspapier umwickelt war. Er schaute genauer hin. Merkwürdig, dachte er, es sieht völlig sauber aus. Vielleicht ist da ja Geld drin.

    Pauly griff instinktiv zu und nahm das Bündel heraus. Eine verfaulte Bananenschale klebte an der Unterseite. Er zögerte kurz, aber dann sagte er sich: Es gibt Zufälle, die keine sind. Schnell schob er das Paket unter den Arm und rannte weiter.

    Nino Pauly wohnte mit seiner Freundin Kim im dritten Stock eines modernen Miethauses. Vom Park bis dorthin brauchte er etwa zehn Minuten. Er holte den Schlüssel aus der Tasche seines rot leuchtenden Trainingsanzugs, schob die gläserne Eingangstür auf und eilte die Treppe hoch. In der Wohnung angekommen, warf er das Paket in einen Sessel, schlüpfte aus der Trainingsjacke und massierte mit beiden Händen seinen Oberkörper.

    Kim war noch nicht aufgestanden. Rücksichtslos stieß Pauly die Tür zum Schlafzimmer auf und sagte laut: »He – es ist Zeit!«

    »Was ist?«, fragte Kim verschlafen aus dem Bett.

    »Es ist Zeit«, wiederholte Pauly, ging zum Fenster und kurbelte übertrieben schnell die Jalousie hoch.

    Das Tageslicht drängte sich ins Zimmer, wurde von den weißen Wänden reflektiert, an denen modische Graphiken hinter rahmenlosen Gläsern hingen.

    »Hör auf«, stöhnte Kim und zog sich das Kissen über den Kopf.

    »Aufstehen, mein Schatz«, sagte Pauly mit leicht veränderter Stimme, die aber keineswegs liebevoll klang, und trat zu seiner Freundin ans Bett. Mit der Hand fuhr er unter die Decke und lachte dann laut, weil Kim seinen Berührungen auszuweichen versuchte.

    »So, ich muss unter die Dusche.« Pauly wandte sich ab. Im Wohnzimmer holte er das Paket vom Sessel und riss es auf. Die Zeitungen, mit denen es eingewickelt war, warf er auf den Tisch. Eine Pappschachtel kam zum Vorschein, die er ebenfalls auffetzte. Dann hielt er einen Bund Papier in den Händen, drehte ihn nach allen Seiten, bevor er ihn auf den Sessel fallen ließ.

    »So ein Mist!«, fluchte Pauly, ging ins Bad und duschte. Er drehte nur das kalte Wasser auf. Die Seife glitsche über seine Haut. Er genoss es, im kühlen Schauer zu stehen, ohne darauf empfindlich zu reagieren. Auch seine kurzen Kopfhaare schäumte er ein, presste die Augen zusammen und hielt das kantige Gesicht direkt unter die Brause. Anschließend drehte er den Hahn zu und fegte den Plastikvorhang zur Seite.

    Kim stand unter der Badzimmertür und schaute ihn mit verschlafenen Augen an.

    »Noch ganz schön weggetreten, was?« Pauly grinste und verspritzte kaltes Wasser. »Wenn du dich nicht beeilst, kommst du zu spät zur Arbeit.«

    »Was ist eigentlich im Wohnzimmer los?«, fragte Kim, und es klang schlecht gelaunt.

    »Hab' ich heute Morgen gefunden«, antwortete Pauly, der sich kräftig abfrottierte.

    »Gefunden?«, fragte Kim erstaunt.

    »Hätte ja Geld drin sein können, oder?«, sagte er. »Geld aus dem Abfallkorb.«

    Im Wohnzimmer stellte sich Pauly vor den Sessel und schaute auf das auseinandergefallene Papierbündel.

    »Das ist ein Manuskript oder so was Ähnliches«, sagte Kim, die völlig verschlafen herumtrödelte. »Ich glaube, ich melde mich heute krank«, meinte sie dann.

    »Schon wieder?« Pauly schlüpfte in einen engen Slip und zog ihn kräftig hoch.

    »Seit wann kramst du eigentlich im Abfall herum?«, fragte Kim. »Damit schleppst du uns noch eine Krankheit ins Haus.«

    Pauly zog sich an, griff nach seiner Lederjacke und verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuss von seiner Freundin. Draußen auf der Treppe prüfte er, ob sein Haar bereits trocken war. Dann fuhr er mit dem Aufzug in die Tiefgarage hinunter. Er setzte sich in seinen alten Triumph und machte sich auf den Weg.

    Heute wollte Pauly einmal pünktlich sein. Seit zwei Jahren arbeitete er in einem Fitness-Center. Doch wie jeden Morgen hielt ihn der Verkehr auf. Als er im Center ankam, waren Leo und Frau Kuval schon da. Pauly klopfte gegen das Glas, hinter dem sich die Anmeldung befand. Frau Kuval hob kurz den Kopf. Die Tür zu Leos Büro war zugeschlossen.

    Durch einen breiten, gut beleuchteten Flur, in dem viele Bilder mit muskelzeigenden Männern hingen, gelangte Pauly zu einem kleinen Raum mit Neonbeleuchtung. Dort zog er sich um, denn zum Arbeiten trug er eine dünne Stoffhose, ein T-Shirt und Turnschuhe – alles in Weiß.

    Auf dem Weg zum großen Geräteraum rief ihn Leo.

    »Was ist?«, fragte Pauly.

    Leo kam den Flur herunter geschlendert. Sein Gesicht wirkte nachdenklich, was bei ihm nichts zu bedeuten hatte.

    Pauly wartete ab, bis sein Chef vor ihm stand.

    »Um zehn kommt Bacher«, sagte Leo. »Leg volles Gewicht in die Hackenschmidt.« Die Hackenschmidt war eine Trainingsmaschine, bei der man – in Rückenlage gegen eine verstellbare Polsterung gelehnt – mit Schultern, Armen und Beinen ein Gewicht hochziehen konnte.

    »In Ordnung.« Pauly wollte sich umdrehen.

    »He!« Leo tippte ihm kurz gegen den Oberarm. »Unten in der Sauna sieht's nicht gerade ordentlich aus!«

    »Was abends nach meinem Weggang geschieht, geht mich nichts mehr an.«

    »Du weißt genau, dass am Dienstag die Sauna blitzblank sein muss.« Leo strich sich über sein schwarzes Haar, das er mit Gel nach hinten gekämmt hatte.

    »Überstunden sind nicht drin«, sagte Pauly.

    »Okay, wir haben ein bisschen Schwierigkeiten, Nino.« Leo lächelte kalt.

    »Ich mache meine Arbeit gut«, rechtfertigte sich Pauly.

    »Dann ist ja alles bestens«, sagte Leo und schritt in seiner selbstgefälligen Art davon.

    Das Telefon auf dem Nachttisch klingelte. Kim wurde aus einem kurzen Schlaf gerissen. Sie hatte sich, nachdem Pauly zur Arbeit gegangen war, wieder ins Bett gelegt. Ihre Hand tastete nach dem Hörer und holte ihn hinunter ins weiche Kissen. »Hallo?«, murmelte sie in die Sprechmuschel.

    »Frisch und munter klingt das ja nicht gerade«, sagte eine aufgeweckte, leicht schrille Stimme.

    »Ach, du bist es, Astrid«, begriff Kim.

    »Sag bloß, du liegst noch im Bett!«

    Kims Blick blieb am Wecker hängen. Es war schon nach neun.

    »Ich bin krank«, sagte sie. »Daher kann ich heute nicht ins Büro kommen.«

    »Lehner sucht dich überall.« Astrid lachte.

    »Lehner kann mich mal«, erwiderte Kim.

    »Ruf ihn besser an«, sagte Astrid. »Du weißt ja, wie er ist.«

    »Schon gut«, seufzte Kim und legte auf.

    Zehn Minuten später stand sie auf. In der Küche setzte sie Kaffeewasser auf, begab sich dann ins Bad, wo sie mit ihrer ausgiebigen Körperpflege begann, die sie nur kurz unterbrach, um sich eine Tasse Kaffee zu holen.

    Als sie nach etwa einer halben Stunde das Wohnzimmer betrat, fiel ihr der auseinandergefallene Papierbund auf dem Sessel wieder auf. Der zerfetzte, flache Pappkarton lag daneben. Kim hatte Mühe damit, dieses gefundene Zeugs anzufassen. Besonders ekelte ihr vor dem Zeitungspapier auf dem Esstisch. Zögernd griff sie nach einigen Blättern. Sie waren einseitig mit Schreibmaschine vollgetippt.

    Eine gewisse Neugier befiel Kim. Als halte sie einen giftigen Gegenstand in den Händen, schaute sie sich einige Seiten an. Ein leeres Blatt kam zum Vorschein, auf dem nur oben stand:

    ABSTIEG INS DUNKEL

    Roman

    Was hatte Nino da gefunden? Es musste ein Manuskript sein. Das Romanmanuskript eines Schriftstellers? Nur, wer warf so etwas weg? Möglicherweise war es wertlos, eine Kopie, die nicht gebraucht wurde. Allerdings konnte Kim sehen, dass mit Kugelschreiber in dem Manuskript herum korrigiert worden war.

    Sie stand da, überlegte. Warum sollte sie das Manuskript wegwerfen? Vielleicht handelte es sich um eine spannende Geschichte? Sie las gerne spannende Geschichten.

    Sie fing zu lesen an und wurde schon nach wenigen Seiten von der Geschichte, die erzählt wurde, gefesselt. Die Spannung trieb sie dazu, das Manuskript nicht aus den Händen zu legen. Es schien sich um einen Thriller zu handeln.

    Sie las über hundert Seiten, lehnte sich dann im Sessel zurück, rieb ihre ermüdeten Augen. Schon nach wenigen Minuten nahm sie das Manuskript wieder zur Hand und ließ sich vom Strudel der Handlung weiter mitreißen.

    Am Nachmittag fuhr Kim in die Innenstadt. Nachdem sie einige Einkäufe erledigt hatte, entschloss sie sich, bei Robert, einem Fotografen, für den sie ab und zu als Model arbeitete, vorbeizuschauen. Robert hatte sein Atelier in einem Hinterhaus, dessen unterstes Stockwerk er für seine Arbeit benützte.

    Kim passierte den Durchgang, schritt die drei Stufen hoch, die zur Eingangstür des Ateliers führten, und trat ein. Robert stand in der Mitte des Raums, eine Hand nachdenklich am Kinn. Durch die Geräusche, die Kim beim Eintreten machte, aufmerksam geworden, drehte er sich langsam um. Als er sah, wer kam, breitete sich ein Lächeln über sein gebräuntes Gesicht aus.

    »Störe ich?«, fragte Kim.

    »Hallo«, sagte Robert. Entschlossen schritt er auf sie zu. Da er großgewachsen war, musste er sich vornüberbeugen, um Kim auf beide Wangen zu küssen. Sie erwiderte diese Geste mit spitzem Mund, ohne Berührung.

    »Gut siehst du aus«, sagte Robert.

    Kim stand da, die Hände in den Taschen ihrer modischen Jacke vergraben. »Hast du viel Arbeit?«, fragte sie und warf ihr langes, blondes Haar zurück.

    »Setz dich doch«, bot ihr Robert an. Und: »Willst du etwas trinken?«

    »Hast du eine Cola?«

    »Aber klar.«

    Kim schlenderte zu der Sitzgruppe, die sich in der einen Ecke des nicht besonders großen Ateliers befand. Robert servierte das gewünschte Getränk mit Flasche und Plastikhalm.

    »Vielleicht habe ich nächsten Monat einen Job für dich«, sagte Robert, holte eine Packung Zigaretten hervor, bot Kim eine an, die dankend ablehnte. »Ich rauche lieber meine eigene Marke«, erklärte sie.

    Robert setzte sich auf die Lehne eines anderen Sessels, eine brennende Zigarette im Mundwinkel. »Was treibst du so?«, wollte er wissen.

    »Ich bin momentan krank.«

    »Krank?« Robert schaute sie ungläubig an.

    »Nun ja, nicht direkt krank«, verbesserte Kim. »Ich brauch einfach mal einen Tag zum Ausruhen.«

    »Ach so.« Er lächelte. »Warum machst du diesen mühsamen Bürotrott überhaupt mit?«, fragte er dann wesentlich ernsthafter.

    »Ja, warum?« Kim zündete sich eine ihrer eigenen Zigaretten an.

    »Das hat eine Frau wie du doch nicht nötig«, meinte Robert. »Oder lässt du dich noch immer von diesem Nino beeinflussen?«

    »Fang nicht wieder damit an!«, bat sie ihn. »Du weißt doch selber, wie schwierig es ist, als Fotomodel Karriere zu machen.«

    »Du musst es nur wollen, Kim. Und sei doch mal ganz ehrlich: Davon hält dich dieser Typ ab.«

    Sie warf ihm einen vorwurfsvollen Blick zu. »Du schätzt Nino falsch ein.«

    »Arbeitet er noch immer in diesem Fitness-Center?«

    »Ja, aber nicht mehr lange«, antwortete Kim spontan, obwohl sie nicht recht wusste, warum sie das sagte. Nino hatte ja keineswegs vor, die Arbeit im Fitness-Center aufzugeben. Was hätte er sonst auch tun sollen? Also schämte sie sich für ihn – oder zumindest für seine Beschäftigung als Hilfskraft.

    »Es ist echt schade um dich«, sagte Robert.

    »Hör doch auf!« Kim klang ein wenig erregt.

    »Schon gut.« Robert winkte ab und zerdrückte dann die Zigarette im Aschenbecher. »Ich kenne übrigens Leo«, sagte er und setzte sich auf Kims Sessellehne.

    Sie löschte aufgeregt die Zigarette aus.

    »Komm schon!« Robert fiel in einen weichen Ton und versuchte, Kims Wange zu berühren. Sie ließ sich von ihm mit unbeteiligtem Gesicht streicheln. »Ich will doch nur das Beste für dich«, flüsterte er.

    »Lass mich!«, sagte sie.

    »Warum hast du damals überhaupt mit mir geschlafen?«, fragte Robert. Er stand auf und schritt, die Hände in den Hosentaschen, hin und her.

    »Es ist eben passiert«, antwortete sie gereizt.

    »Und – weiß Nino davon?«

    »Nein, verdammt noch mal!«, brauste Kim auf, erhob sich und ging auf die Tür zu.

    »Nun sei nicht beleidigt!« Robert versuchte sie zurück zu halten. »Es hat mir eben schon lange unter den Nägeln gebrannt, mit dir über deine Zukunft zu reden. Da musste es raus. Und einen guten Rat wird man wohl noch geben dürfen!«

    Kim blieb stehen, drehte sich um und schaute Robert durchdringend an. »Ich komm' auch ohne deine Ratschläge zurecht, ich meine, die von dieser Sorte. Und wegen Nino – da mach dir mal keine Sorgen!«

    Robert trat dicht vor sie hin, legte ihr die Hände auf die Schultern. »Bist du jetzt sauer?«, fragte er.

    »Bis bald«, erwiderte sie und streckte ihm teilnahmslos die Wange zum Abküssen hin. »Wenn du mich für Fotos brauchst, weißt du ja, wo du mich erreichen kannst.«

    »In Ordnung.« Robert lächelte, doch diesmal wirkte er sehr gezwungen. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit begleitete er Kim noch bis vor die Tür hinaus.

    Kapitel 2 (Das Manuskript)

    »Jetzt liegt dieser Mist noch immer im Wohnzimmer«, sagte Pauly und betrat die Küche.

    Kim war gerade dabei, zwei Eier zu kochen. Pauly stellte sich dicht hinter sie, umfasste ihre Hüften.

    »Ach ja, das wollte ich dir noch sagen.« Kim drehte sich um, wobei Pauly seine Hände nicht von ihren Hüften nahm. »Dieser Mist, wie du das nennst, ist äußerst interessant.«

    »Komm schon!« Er grinste etwas verunsichert.

    »Du hast ein Romanmanuskript gefunden«, erklärte sie ihm.

    »So.« Mehr hatte er dazu nicht zu sagen.

    »Hat das einfach so in einem Abfallkorb gelegen?«, wollte Kim wissen.

    »Ja.«

    »Nicht schlecht.« Sie unterdrückte ein Schmunzeln.

    »Komm, küss mich lieber!«, forderte Pauly sie auf.

    Kim ging nicht darauf ein, sondern sagte: »Mal angenommen, derjenige, der dieses von dir gefundenen Manuskript geschrieben – «

    »Nicht jetzt«, fiel ihr Pauly ins Wort und küsste sie dann auf den Mund, zog dabei ihren Unterkörper mit beiden Händen kräftig gegen den seinen.

    »Lass mich ausreden!« Kim befreite sich von seiner plötzlichen Attacke. »Zudem sind die Eier fertig gekocht.«

    »Was essen wir heute eigentlich?«, fragte Pauly. »Es ist schon bald acht Uhr.«

    »Wie du siehst: gekochte Eier.«

    »Sehr lustig.« Er imitierte ein knappes Lachen. »Wir könnten aber eine Pizza essen gehen.«

    »Darauf habe ich jetzt keine Lust«, sagte Kim. »Ich will in diesem Manuskript weiterlesen.«

    »Das muss ja eine ungeheure Sache sein, die ich da angeschleppt habe!« Und grinsend fügte er an: »Vielleicht sollte ich öfter meinen Kopf in Abfallkörbe stecken!«

    Kim nahm den Topf von der Herdplatte.

    »Nun hör mir bitte mal zu«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob die Idee gut ist, aber eine Überlegung ist sie auf jeden Fall wert.«

    »Was für eine Idee?«

    »Dieses Manuskript – übrigens ein spannender Thriller – ist vielleicht noch unveröffentlicht.«

    »Woher willst du das wissen?«

    »Weil es viele Korrekturen in dem Text gibt.«

    »Das beweist doch gar nichts«, sagte Pauly. »Vermutlich ist es ganz einfach Scheiße – da hat einer etwas zusammen geschrieben, was dann im Abfall landete. Und du lässt dich davon auch noch begeistern. Du liest sonst nie viel, also wie willst du das überhaupt beurteilen?«

    »Auf jeden Fall verstehe ich mehr davon als du.« Kim wurde energischer. »Doch wenn es dich nicht interessiert, dann lässt du es eben bleiben.«

    »Was soll mich daran schon interessieren?«

    »Jetzt überleg doch mal, Nino! Dieses Manuskript ist jetzt in unserem Besitz.«

    »Wirf den Mist weg!«

    »Romane werden von Schriftstellern geschrieben.« Kim ließ nicht locker und schaute ihrem Freund in die Augen. »Aber das hier wurde von demjenigen, der es geschrieben hat, weggeworfen. Warum versuchen wir nicht, damit etwas anzufangen?«

    »Womit?«, fragte Pauly erstaunt. Und dann begriff er: »Du willst es irgendwie verkaufen.«

    »Das wäre zumindest eine Idee. Vor zwei Jahren haben wir doch im Urlaub diesen Angeber mit dem ewigen Sonnenbrand auf der Nase kennen gelernt. Und der hat gross erzählt, dass er Journalist ist und dazu auch noch Geschichten für Zeitschriften schreibt.«

    »Was willst du von dem?«

    »Nichts. Aber er hat mich auf eine Idee gebracht.« Sie pausierte, erzeugte damit aber keinerlei Spannung bei Pauly.

    »Die Eier werden kalt«, sagte er.

    Kim winkte ab. »Ich kenne mich da ja nicht aus. Aber warum informieren wir uns nicht darüber, was zu machen ist, wenn man ein Buch geschrieben hat?«

    »Hör mit diesem Unsinn auf!«

    »Niemand braucht zu erfahren, dass wir das Manuskript gefunden haben«, sagte Kim weiter. »Und wer könnte uns das auch beweisen?«

    »Derjenige, der es geschrieben hat.«

    »Es steht kein Name auf dem Manuskript. Bloß der Titel: Abstieg ins Dunkel

    »Vergiss es!«, sagte Pauly, näherte sich seiner Freundin und schob ihr das Haar aus dem Gesicht. »Wir verstehen von dieser Sache doch nichts.« Er versuchte sie zu küssen, doch sie wich ihm aus.

    »Kapierst du denn nicht?«, sagte sie erregt. »Was haben wir zu verlieren?«

    »Du spinnst doch!« Pauly ging zur Küchentür.

    »Wie lange willst du noch für diesen eingebildeten Leo als billiger Gehilfe herumrennen?«

    Pauly drehte sich langsam nach seiner Freundin um. »Was soll das heißen?«, fragte er.

    »Was kann es schaden, wenn ich mich mal ein wenig umhöre?«, fragte Kim.

    »Wer hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?«

    »Niemand. Ich versuche nur, logisch zu kombinieren. Es könnte ja nichts schaden, wenn es uns ein bisschen besser ginge.«

    »Mit diesem lächerlichen Papierstapel aus dem Abfallkorb?«

    »Wir könnten es ausprobieren.«

    »Dann probier mal schön!«, sagte Pauly abschätzig. »Ich gehe eine Pizza essen.« Damit verließ er die Wohnung.

    »Der begreift doch nichts«, sagte Kim zu sich selbst, warf einen Blick auf die Eier, die sie nun sowieso nicht mehr essen wollte. Dann setzte sie sich ins Wohnzimmer und las in dem Manuskript weiter.

    Der Entschluss war gefasst. Kim fand die Adresse und rief diesen Journalisten an, den sie aus den Ferien flüchtig kannte. Rolf Hoerning hieß er.

    »Kim? – warte mal! – Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Vor zwei Jahren, Nizza, oder genauer, Cap Ferrat, Beach-Club.«

    Sie sagte ihm natürlich nicht, was sie von ihm wollte.

    Zwei Tage später trafen sie sich in einem Café. Kim kam gleich zum Thema.

    »Ich suche jemanden, der ein Buch veröffentlichen möchte«, sagte sie.

    »Ein Buch veröffentlichen?« Hoerning schien erstaunt. »Um was für ein Buch handelt es sich denn?«

    »Um einen Thriller.«

    »Den du geschrieben hast?«, wollte er wissen.

    »Ein Bekannter von mir hat ihn geschrieben«, antwortete sie, was sie zu ihrem eigenen Erstaunen ganz locker aussprach.

    »Und du willst diesen Thriller für ihn verkaufen?«

    »Ja.«

    »Wird nicht einfach sein«, meinte Hoerning. »Ohne Beziehungen läuft eigentlich nichts. Dazu kommt, dass ein solcher Thriller auch eine gewisse Qualität haben muss.«

    »Der ist Spitzenklasse«, sagte Kim.

    »Also, ich kann dir da schlecht weiterhelfen.«

    »Schreibst du nicht selber Geschichten für Zeitschriften?«

    »Das lief nicht besonders. Wenn du willst, kann ich dir aber die Adresse eines Agenten geben.«

    »Eines Agenten?«

    »Vielleicht hat der Interesse daran, die Sache zu vertreten und sie den entsprechenden Verlagen anzubieten.«

    »Ja, warum nicht?« Kim lächelte. »Nett von dir. Ich verstehe von diesem Geschäft ja nichts.«

    »Warum versucht dein Bekannter es nicht selber?«, fragte Hoerning.

    »Es macht mir Spaß, so etwas zu versuchen«, sagte Kim.

    »Du musst es wissen.«

    »Ist der Autor ein Freund von dir?« Hoerning wollte es doch genauer wissen.

    »Ja«, antwortete Kim.

    »Aber nicht etwa dieser – wie hieß er schon wieder?«

    »Erraten – Nino hat das Buch geschrieben.« Jetzt war die Katze aus dem Sack.

    »Also, den hätte ich eher für einen Sportler gehalten«, sagte Hoerning.

    Kim fühlte sich erstaunlich sicher. Natürlich war es gewagt zu behaupten, Nino hätte ein Buch geschrieben. Aber Hoerning kannte Nino ja kaum.

    »Will dein Freund das professionell machen?«

    »Mal schauen, wie die Sache anläuft.«

    »Dieser Agent, von dem ich sprach, heißt Anton Rozeck und hat sein Büro in München«, sagte Hoerning. »Die genaue Adresse musst du dir selber beschaffen.«

    Kim notierte sich den Namen und fragte: »Kennst du den Mann persönlich?«

    »Nein.«

    Kim bedankte sich für die Auskunft und hatte es dann plötzlich eilig, das Café zu verlassen.

    Sie betrat die Wohnung. Pauly saß in seinem roten Trainingsanzug vor dem Fernseher. Sein Haar war vom Duschen noch feucht.

    »Hallo«, begrüßte sie ihn und gab ihm einen Kuss auf die Stirn.

    »Du bist spät«, sagte Pauly, ohne seinen Blick von der Mattscheibe zu nehmen.

    »Ich hatte noch eine Verabredung.« Sie ging zum Tisch, holte eine Zigarette aus der Handtasche und fing zu rauchen an.

    Pauly starrte unentwegt auf den Bildschirm, wo ein Actionfilm lief.

    »Ich sagte, dass ich noch eine Verabredung

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