Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Magische Bande
Magische Bande
Magische Bande
eBook421 Seiten5 Stunden

Magische Bande

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Die Familie Gindera hat seit Generationen ein wohl gehütetes Geheimnis: Magie.

Die vierzehnjährige Nadja beschließt, die Ausbildung ihrer Fähigkeiten in die eigene Hand zu nehmen und ahnt nicht, dass sie damit mehr als nur ihr Leben in Gefahr bringt.
Ein mächtiger und uralter Dämon sucht sie heim und ihre Geschwister müssen sie sich entscheiden - Retten sie Ihre Schwester, oder die Welt, wie sie existiert?

Als Nadja plötzlich verschwindet, überschlagen sich die Ereignisse. Und das nicht zuletzt durch die ermittelnde Beamtin.

Wird Nadja eine Chance haben - oder ist die Macht der Magie zu groß für die Familie?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum27. Mai 2015
ISBN9783738028690
Magische Bande

Mehr von Dennis Blesinger lesen

Ähnlich wie Magische Bande

Ähnliche E-Books

Fantasy für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Magische Bande

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Magische Bande - Dennis Blesinger

    Danksagung

    Mein Dank geht an:

    Jabbo, der sich wieder einmal die Mühe gemacht hat, den Schinken in seiner Urform zu bewerten.

    Florian, der schönerweise nie mit seiner Meinung hinter dem Berg hält, auch wenn sie mal nicht das ist, was man so als Autor hören will, dafür aber ehrlich ist.

    Sylvia, die es trotz Schwangerschaft im achten Monat geschafft hat, das gute Stück einmal durchzulesen und als erste sehr brauchbare Anmerkungen zu produzieren.

    Marie-Katharina Wölk für die sehr entspannte und produktive Zusammenarbeit.

    Vielen lieben Dank!

    1

    Die Tür im ersten Stock des Hauses 17 in der Fliederstraße, bewohnt von der Familie Gindera, fiel mit einem Krachen ins Schloss, gefolgt von dem Poltern hastiger Schritte, als Nadja die Treppe hinunter rannte.

    »Verdammt, ich komm zu spät«, fluchte sie, während sie auf der Suche nach einem Frühstücksersatz durch die Küche fegte. Ihre Geschwister Marc und Vanessa waren große Befürworter eines ordentlichen Frühstücks, ebenso wie sie selbst auch, aber es hätte einer Zeitreise bedurft, um dies jetzt noch zu bewerkstelligen.

    »Guten Morgen«, meinte Marc, während er Nadjas hektischer Suche ruhig zusah.

    »Hier.« Vanessa hielt Nadja einen Apfel hin, gefolgt von einer Plastikdose mit ein paar belegten Broten und geschnittenem Gemüse. Ohne ein Wort steckte Nadja die Sachen in ihre Tasche.

    »Warum habt ihr mich nicht geweckt?«, beklagte sie sich bei ihren Geschwistern, während sie sich notdürftig die Frisur richtete. Die dunkelblonde Mähne war schon unter normalen Umständen schwer zu bändigen. Im Moment sah es so aus, als ob ein Vogelnest auf Nadjas Kopf geplatzt war.

    »Weil du es uns verboten hast.«

    Nadja funkelte ihren großen Bruder an, der nach wie vor ruhig dasaß und seinen Kaffee trank. Schließlich erwiderte Marc den Blick und fügte hinzu:

    »Du hast, gestern wohlgemerkt, gesagt, dass wir ohne deine ausdrückliche Erlaubnis dein Zimmer nicht betreten dürfen. Und das wird schwierig, wenn du schläfst. Wenn du deinen Wecker nicht stellst, können wir nichts dafür.«

    »Du weißt genau, was ich gemeint habe!«

    Nadja blickte sich auf der Suche nach Unterstützung zu Vanessa um, die jedoch ruhig dastand und keine Anstalten machte, in die Diskussion einzugreifen. Typisch. Wieder einmal hatten sich beide offensichtlich vorgenommen, Nadja das Leben schwer zu machen. Sie wandte sich wieder Marc zu. Die Uhr im Wohnzimmer begann zu läuten und beendete die Unterhaltung. Verdammt! Jetzt musste sie rennen, wenn sie den Bus noch erwischen wollte.

    »Ich muss los«, sagte sie knapp und wandte sich zum Gehen. Sie war noch keine zwei Meter weit gekommen, als sie hinter sich einen Hustenanfall hörte.

    »Stopp!« Marc brachte das Wort zwischen zwei Hustern hervor. Nadja schloss die Augen, zählte bis drei und drehte sich betont langsam um.

    »Was denn jetzt noch?«, fragte sie. »Ich komm zu spät.«

    Sie blickte auf Marc, der immer noch mit dem verschluckten Kaffee kämpfte und mit der Hand in der Luft hin und her wedelte. Vanessa starrte sie mit großen Augen an und versuchte allem Anschein nach ein Lachen zu unterdrücken. Schließlich hatte Marc seine Sprache wieder unter Kontrolle.

    »Unter gar keinen Umständen wirst du da heute Abend hingehen«, sagte er mit einem vehementen Kopfschütteln.

    Fassungslos blickte Nadja ihre beiden Geschwister an. Wie um alles in der Welt hatten die beiden davon erfahren? Aber das war nebensächlich. Sie wussten von der Party und sie durfte nicht hin.

    »Was … das … «, setzte sie an, um dann einen frustrierten Schrei abzufeuern. »Ihr seid so … so scheiße!«

    »Damit müssen wir wohl oder übel leben«, lautete Vanessas trockener Kommentar. »Das ändert aber nichts daran, dass du nicht auf Partys gehen wirst, bevor du fünfzehn bist. Offiziell darfst du nach acht nicht einmal alleine auf die Straße ohne Begleitperson, geschweige denn, an irgendwelchen Orgien teilnehmen.« Wieder sah es so aus, als ob Vanessa damit kämpfen musste, ein Lachen zu unterdrücken.

    Es dauerte eine Weile, bis Nadja begriffen hatte, dass dieses Verbot endgültig war. Sie erkannte die Gesichtsausdrücke ihrer beiden älteren Geschwister. In Vanessas dunkelblauen Augen war deutlich zu erkennen, dass die Diskussion vorbei war, noch bevor sie überhaupt angefangen hatte. Und sie war, was Dinge wie den Zapfenstreich anging, die Flexiblere von beiden. Nadja stieß ein frustriertes Lachen aus und schüttelte den Kopf.

    »Super«, meinte sie. »Toll. Verpasse ich ja auch nur die beste Party des Jahres, während meine Freunde alle hingehen dürfen.« Sie nickte. In der Geste lag nicht der leiseste Hauch einer Einsicht. Marc freute sich bereits auf den Nachmittag, wenn Nadja von der Schule nach Hause kommen, und die Diskussion mit viel Geschrei, Tränen und letztendlichem Türengeknalle fortgeführt werden würde.

    »Noch was?«, erkundigte sie sich übertrieben höflich, während sie mit ihren Blicken den beiden Giftpfeile entgegen schleuderte.

    »Ja.« Marc nickte. Er sah an seiner kleinen Schwester hinunter, wie sie da stand, in ihren üblichen Kleidern. Er betrachtete den aus mehreren Lagen bestehenden weiten schwarzen Tüllrock, die schwarzen Spitzenhandschuhe, die bis an die Ellbogen reichten, und Stiefel, die Absätze aufwiesen, in denen es nicht einmal professionelle Models wagen würden, mehr als zehn Meter weit zu gehen. Das Bild wurde vervollständigt von einer schwarzen Fransenlederjacke und der in aller Eile gebändigten dunkelblonden Haarmähne. Er nickte erneut.

    »Weiß Stevie Nicks eigentlich, dass du ihre Klamotten geklaut hast?«

    Die Blicke der beiden trafen sich über den Küchentisch hinweg. Hätte sich etwas anderes als Luft zwischen ihnen befunden, wäre es vermutlich einen schnellen Tod durch Verbrennung gestorben. Vanessa hatte sich abgewandt, um das Grinsen zu verbergen, das, hätte Nadja es gesehen, nur noch mehr Öl ins Feuer gegossen hätte. Schließlich wandte sich Nadja um und verließ, nach einem letzten giftigen Blick in Richtung Marc, kommentarlos das Haus.

    »Au!«

    Marc blickte sich um und rieb sich die Schulter, auf der Vanessa einen satten Treffer gelandet hatte.

    »Das war unnötig und gemein«, meinte sie, während sie erfolglos versuchte, das Grinsen unter Kontrolle zu bringen.

    »Ist doch wahr«, entgegnete Marc.

    »Ich denke, du stehst auf Stevie Nicks?«

    »Ja. Tue ich. Aber die trägt so etwas nur auf der Bühne. Die Klamotten kannst du doch nicht im Alltag tragen. Das sieht ja schlimmer aus als Madonna in den Achtzigern.«

    Vanessa blickte Nadja hinterher.

    »Wir müssen was unternehmen mit der Kleinen«, meinte sie schließlich ernsthaft.

    »Ich weiß.« Marc nickte zur Tür, durch die Nadja soeben verschwunden war. »Das wird immer schlimmer. Demnächst fragt sie wahrscheinlich noch, ob sie die Pille nehmen darf.«

    »Ich rede nicht von ihrem Liebesleben. Das ist ganz normal für eine Vierzehnjährige. Hast du eigentlich eben mitbekommen, was passiert ist? Marc, Nadja sendet!«

    Zum ersten Mal, seit die Diskussion begonnen hatte, blickte Marc seine Schwester ernst und besorgt an.

    »Ich bin letzte Woche drei Mal aufgewacht, weil sich Nadjas Traumbilder in meine gemischt haben«, fuhr Vanessa fort. »Und glaub mir, das, was wir eben mitbekommen haben, war ein Kindergeburtstag dagegen.«

    »Wieso hab ich das bisher nicht bemerkt ?«, fragte Marc ehrlich verwirrt.

    »Keine Ahnung. Aber glaub mir, das war nur eine Frage der Zeit. Und früher oder später werden das auch normale Menschen hören und fühlen. Und dann haben wir wirklich ein Problem.«

    Marc dachte darüber nach, was er eben gehört hatte. Telepathie war selten, aber nicht unüblich unter magiebegabten Personen. Und es war eine der schwierigsten Begabungen, die man haben konnte. Es brauchte Wochen, wenn nicht Monate, bis man willentlich verhindern konnte, dass andere die eigenen Gedanken hören konnten. Und auch, wenn dieser Umstand oberflächlich betrachtet kein anderes Risiko barg als die eine oder andere peinliche Situation, so war Telepathie in der Vergangenheit einer der häufigsten Gründe gewesen, weshalb magisch begabte Personen ausgegrenzt worden waren. Diese Ausgrenzungen hatten nicht selten zu tätlichen Übergriffen oder, in der Neuzeit, zu Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken geführt. Die Menschheit war, wie ihre Familie bereits vor mehr als dreihundert Jahren hatte lernen müssen, nicht bereit für Dinge wie Magie.

    »Wovon – «

    »Glaub mir, du willst es nicht wissen. Ich musste kalt duschen.«

    Marc nickte. »Gut. Du hast recht. Ich will es nicht wissen.« Betont nüchtern wandte er sich wieder seinem Frühstück zu. Vanessa setzte sich neben ihn. Ein Blick auf die Uhr ließ sie verärgert den Kopf schütteln.

    »Ich muss los, ansonsten komme ich zu spät in den Laden. Versprich mir, dass wir heute Abend darüber reden, okay?«

    »Ja. Versprochen.« Marcs Antwort hätte nicht weniger enthusiastisch klingen können. Vanessa warf ihm einen kritischen Blick zu und nippte an ihrem Kaffee.

    »Uäh!«

    Sie blickte in den Becher und zog eine Grimasse. Nach einem kurzen Blick auf die Uhr blickte sie ihren Bruder an, der nach wie vor ein Loch in die Luft zu starren schien, und schob ihm langsam den Becher hinüber, einen bittenden Ausdruck im Gesicht.

    »Was?« Marc schaute auf den Becher. »Oh Mann«, meinte er schließlich. »Wir haben eine Mikrowelle.«

    »Da wird der Kaffee immer so bitter. Wenn du das machst, bleibt er lecker. Und ich muss gleich los. Bitte. Bittebitte. Superbitte?«

    Marc grinste und nahm den Becher entgegen. Er selbst war ein entschiedener Gegner von Magie im Alltag. Früher oder später führte das dazu, dass man die Grenze zwischen notwendig und leichtsinnig überschritt und Magie vor den Augen von anderen vollführte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Allerdings waren sie hier in den eigenen vier Wänden und er hatte seiner Schwester noch nie eine Bitte abschlagen können. Nicht, wenn sie ihren besten Bambiblick aufsetzte. Er nahm ein Feuerzeug aus einer der Schubladen und zündete die Kerze an, die auf dem Tisch stand. Dann nahm er den Becher in eine Hand und legte die andere dicht über die Flamme.

    Einige Sekunden lang geschah nichts und nur ein aufmerksamer Beobachter hätte erkennen können, dass Marc sich auf etwas konzentrierte, das außerhalb der normalen Wahrnehmung passierte. Mit halb geschlossenen Augen saß er auf seinem Stuhl, bis langsam Dampf von dem Kaffee aufstieg. Dann, so als ob er gerade nichts anderes getan hätte als nachzudenken, zwinkerte er kurz und nahm die Hand aus der Flamme. Vanessa nahm den Becher mit einem dankbaren Lächeln entgegen und nahm vorsichtig einen Schluck von dem heißen Kaffee.

    »Hmmm. Super. Danke. Ich muss das irgendwann auch mal richtig lernen.« Marc hatte ihr bereits mehrere Male versucht, beizubringen, wie man das machte. Alles, was sie erreicht hatte, war ein Anstieg um maximal drei Grad Celsius beim Kaffee und Brandblasen an der Hand.

    »Das ist alles eine Frage des Gleichgewichts.« Marc lächelte und wischte sich den Ruß von der Hand, die keinerlei Zeichen zeigte, dass sie die letzten zehn Sekunden offenem Feuer ausgesetzt gewesen war. Er blickte auf die Uhr. Auch er musste los.

    2

    Das Auto hielt am Straßenrand, die Scheinwerfer erloschen. Nichts an der Gegend wies auf etwas Ungewöhnliches hin. Einfamilienhäuser mit den dazugehörigen Zäunen, Hecken und mehr oder weniger gepflegten Gärten säumten die Straße und vermittelten den Eindruck einer ruhigen und soliden Wohngegend der gehobenen Mittelklasse.

    Die Türen des Wagens öffneten sich und zwei Frauen und ein Mann stiegen aus. Die kleinste und jüngste der drei Personen blickte sich nervös um, als ob sie damit rechnete, dass ihnen jemand gefolgt war.

    »Entspann dich«, sagte die ältere Frau und legte ihr beruhigend eine Hand auf die Schulter. »Keiner weiß, dass wir hier sind. Wir sind zurück, bevor jemand merkt, dass du weg warst.«

    »Hmmm.« Es klang nicht wirklich überzeugt. Jedoch beließ sie es dabei und folgte den beiden anderen, die bereits zielstrebig auf ein etwas abseits stehendes Haus zugingen. Äußerlich unterschied es sich kaum von den anderen, wenn es vielleicht auch weniger aufgehübscht und der allgemeine Zustand etwas mehr heruntergekommen war als der Rest der Häuser in der Gegend. Durch die Fenster waren Lichter zu sehen, die darauf hindeuteten, dass jemand zuhause war. Sie beeilte sich, zu den beiden aufzuschließen. Der schwarze Samtumhang flatterte ihr um die Beine. Insgeheim kam sie sich ein wenig albern vor in ihrer Aufmachung. Allerdings war der Umhang ein Geschenk und eines, wie sie fand, dem Anlass würdig.

    »Das wird super«, meinte die ältere Frau. »Du wirst sehen.«

    »Hmmm.« Trotz des skeptischen Tons war die junge Frau nervös. Dies würde es sein! Kein Kinderkram mehr hiernach. Nach heute Abend würden ihre beiden dämlichen Geschwister einsehen müssen, dass sie eine vollwertige Magierin war. Sie freute sich schon darauf, Marcs Gesichtsausdruck zu sehen.

    »Was passiert heute eigentlich genau?«, fragte sie.

    »Eine Séance«, lautete die Antwort. »Wir treten in Kontakt mit der Zwischenwelt.«

    Nadja erinnerte sich daran, wie Marc und Vanessa über den Kontakt mit Geistern dachten. Als sie das Ouija-Board der Familie vor einem Jahr zufällig in einer Kiste entdeckt hatte, hatte Marc es sofort an sich genommen und auf dem Dachboden eingeschlossen. Vanessa hatte versucht, ihr zu erklären, wie gefährlich der Kontakt mit anderen Ebenen, wie zum Beispiel der Geisterwelt war, doch Nadjas Meinung nach waren die beiden einfach der Meinung, dass sie zu jung war für solche Übungen. Wenn doch nur ihre Eltern noch da wären. Die hätten mit Sicherheit nicht so reagiert. Ihre Eltern hätten ihr erklärt, was es mit Beschwörungen und Geistern auf sich hatte.

    »Ist das sicher?«, fragte sie dennoch. Ein kleiner Teil von ihr war immer noch nicht völlig davon überzeugt, dass sie das Richtige tat. Wenn Marc oder Vanessa hiervon erführen, würden sie ihr beide den Kopf abreißen. Die ältere Frau lachte gutmütig.

    »Nadja.« Sie drehte sich um und blickte die junge Frau mit einem beruhigenden Lächeln im Gesicht an. »Habe ich dich in den letzten sechs Monaten einmal in eine Situation gebracht, in der du in Gefahr warst?«

    Nadja schüttelte den Kopf und blickte beschämt zu Boden. Erneutes Lachen erklang und Nadjas Kopf wurde sanft angehoben, so dass sie sich wieder anblickten.

    »Alles ist gut. Samael ist eine Koryphäe auf dem Gebiet und wir haben alles an Sicherheitsmaßnahmen getroffen, was möglich ist.« Sie lächelte. »Wir wollen doch nicht, dass unserer kleinen Hexe bei ihrer Initiierung etwas zustößt, oder?«

    Nadja blickte erst sie, dann den jungen Mann an, der neben ihr stand und ihr ebenfalls lächelnd zunickte. Sie schüttelte energisch den Kopf und nickte dann ebenfalls. Dies war das, weshalb sie hier waren, oder? Heute Nacht würde sie zu einer richtigen Hexe werden. Nach heute Nacht würde sie keine großen Geschwister mehr brauchen, die nicht erkannten, dass sie längst über den Punkt der magisch begabten kleinen Schwester hinausgewachsen war. Sie nickte ein letztes Mal entschlossen und schritt dann zielstrebig zwischen ihren Begleitern einher in Richtung Haus.

    »Sie ist vierzehn verdammt, deshalb!«

    Marc wandte sich ab und rollte frustriert mit den Augen. Er wusste, dass er diese Diskussion verlieren würde, schlicht und ergreifend, weil Vanessa recht hatte.

    »Ja, genau«, stimmte Vanessa ihm zu. »Sie ist vierzehn. Nicht vier. Wann soll sie denn damit anfangen? Wenn sie zwanzig ist?«

    »Nein. Natürlich nicht. Ich hatte an fünfundzwanzig gedacht.« Er stand auf und ging in Richtung Küche.

    »Marc!«

    Vanessa folgte ihrem Bruder. Sie hatte diese Diskussion in der Vergangenheit bereits mehrfach angestoßen, dieses Mal würde sie jedoch hartnäckig bleiben. Sie wusste, dass Marc keine Lust hatte, dieses Thema weiterzuverfolgen, speziell nach der Unterhaltung, die sie beide mit Nadja geführt hatten, als sie aus der Schule gekommen war. Das Krachen der Tür, mit dem ihre kleine Schwester die Diskussion beendet hatte, ließ darauf schließen, dass sie wenigstens 12 Stunden lang in ihrem Zimmer bleiben und schmollen würde.

    Sicher, streng genommen hatte Marc das letzte Wort, was die Ausbildung von Nadja betraf, und sei es nur, weil er damals offiziell zu Nadjas Vormund ernannt worden war und nicht Vanessa. Allerdings hatten sie sich vor langer Zeit stillschweigend darauf geeinigt, dass beide gleichberechtigt an der Erziehung ihrer kleinen Schwester teilhaben würden, sowohl, was den weltlichen Aspekt anging, als auch den magischen.

    Wären ihre Eltern am Leben gewesen, hätte sich die ganze Sache natürlich erheblich einfacher gestaltet. Nadja wäre mit vier magisch begabten Personen aufgewachsen und ihre Eltern hätten das Nesthäkchen der Familie ebenso behutsam an das Thema herangeführt, wie sie es bei Marc und Vanessa getan hatten, sobald sich die Begabung bemerkbar gemacht hätte. Aber diesen Luxus hatten sie nicht. Ihre Eltern waren vor knapp vier Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. In den vergangenen vier Jahren hatten Marc und Vanessa sich um Nadjas Erziehung gekümmert, wohl wissend, dass dieser Tag irgendwann kommen würde.

    »Marc!«

    Vanessa nahm sich einen Stuhl und ließ sich ihrem Bruder gegenüber nieder, der missmutig sein Glas anstarrte.

    »Marc, wir müssen etwas unternehmen. Wie lange willst du denn warten?«

    »Bis sie sich ein bisschen stabilisiert hat«, knurrte er Vanessa an. Er begann an den Fingern abzuzählen. »Sie ist sprunghaft, sie ist unzuverlässig, sie macht sich nicht die leisesten Gedanken darüber, was ihre Handlungen für Folgen haben werden … «

    »Ich weiß. Sie ist vierzehn. Sie ist voll in der Pubertät. Was erwartest du denn? Das ist ein ganz normales Verhalten für jemanden in ihrem Alter.«

    »Toll«, meinte Marc sarkastisch. »Und so jemanden willst du darin ausbilden, mit dem Universum zu interagieren? Mit anderen Ebenen und mit Kräften, die ihre und unsere Umgebung in Schutt und Asche legen können?«

    Vanessa spürte instinktiv, dass sie gewonnen hatte. Der Anblick von Marc, der sorgenvoll Löcher in die Luft starrte, ließ diesen Erfolg jedoch nichtig erscheinen.

    »Wovor hast du eigentlich so eine Angst?«, fragte sie sanft. Marc blickte auf und all die Zweifel, die in ihm schlummerten, waren in seinem Blick zu sehen, zumindest für Vanessa. Er schüttelte mit dem Kopf.

    »Ich wünschte nur, Nimi und Paps wären hier.«

    »Das soll ein Witz sein, ja?«, fragte Vanessa ehrlich erstaunt. Es war selten, dass Marc sich auf ihre Eltern bezog. Ihr Tod war nun beinahe fünf Jahre her und auch wenn Vanessa wusste, dass Marc die beiden ebenso vermisste wie sie selbst und auch Nadja, so hätte sie nicht vermutet, dass ihr großer Bruder sich immer noch nach einer Stütze sehnte, wenn es um die Erziehung der Kleinsten in der Familie ging.

    »Marc, du bist ein guter Lehrer«, meinte sie vehement. »Du bringst alles mit, was es dazu braucht. Wir kriegen das schon hin.«

    »Das sagst du so einfach.« Marc warf einen Blick in Richtung Decke. »Die hört ja nicht einmal darauf, wenn wir ihr sagen, dass sie ins Bett gehen soll. Von Partys möchte ich gar nicht erst anfangen.«

    »Ich darf dich daran erinnern, dass die letzte Ausbildung, die du geleitet hast, ziemlich gut gelaufen ist?«

    Marc blickte seine Schwester zweifelnd an. Sicher, als ihre Eltern gestorben waren, war Vanessa siebzehn gewesen und im Grunde bereits vollständig ausgebildet. Er hatte nichts anderes zu tun gehabt, als die bereits vorhandenen Ansätze zu verfeinern. Darüber hinaus hatte sich Vanessa bereits mit zwölf dafür entschieden, eine Kräuterhexe zu werden, etwas, das Marc völlig abging. Alles, was sie auf diesem Gebiet wusste, hatte sie von ihren Eltern gelernt oder sich selbst beigebracht.

    »Ja«, räumte er ein. »Aber du warst auch nicht so eine Pest damals.«

    Vanessa lachte laut. »Oh doch, das war ich. Du hast es nur nicht mitbekommen.« Sie wurde wieder ernst. »Du weißt, dass ich recht habe«, meinte sie schließlich. »Und ohne dich schaffe ich das nicht.«

    Eine Weile saßen sie sich schweigend gegenüber, während Marc versuchte, das Lächeln auf seinem Gesicht zu unterdrücken. Er hatte in der Sekunde, in der die Diskussion begonnen hatte, gewusst, dass er sie verlieren würde.

    »Okay.«

    Ein kleines Wort hatte selten zu einer derartigen Reaktion geführt. Das Grinsen drohte, Marcs Meinung nach, Vanessas Kopf zu halbieren, als sie aufsprang und ihm um den Hals fiel.

    »Oh, das wird super!«, meinte sie freudestrahlend, als sie schließlich von ihm abließ und in der Küche um die eigene Achse wirbelte. Sie setzte sich wieder, dieses Mal neben ihren Bruder.

    »Das wird ihr gut tun, du wirst sehen. Sie wird endlich das Gefühl haben, dazuzugehören.«

    Marc blickte seine Schwester skeptisch an. Seiner Meinung nach war Nadja, auch wenn er sie wirklich lieb hatte, noch nicht reif für einen derartigen Schritt. Aber Vanessa hatte recht. Sie mussten mit der Ausbildung beginnen. Wenn sie es nicht taten, würde die kleine Göre es auf eigene Faust tun. Nadja war ein Mensch, der Beschränkungen nur eine gewisse Zeit lang befolgte. Dass sie sich früher oder später über diese Beschränkungen hinwegsetzen würde, war beiden klar. Die Frage war nicht ob, sondern wann dies passieren würde.

    »Ich wünschte nur, wir könnten so lange warten, bis sie sich ein wenig gefestigt hat.«

    »Ach!« Vanessa wischte den Einwand mit einer Handbewegung beiseite. Sie überlegte. »Was meinst du, sollten wir Sven anrufen?«

    »Unbedingt.«

    Sven war ein Freund der Familie, der ebenfalls aus einer magischen Familie stammte. Entgegen aller Wahrscheinlichkeit hatte er jedoch nie die Fähigkeit entwickelt, das Potenzial, das ihm innewohnte, aktiv zu nutzen. Als im Alter von achtzehn Jahren klar war, dass Sven der Einzige seiner Familie war, der keinerlei paranormale Fähigkeiten haben würde, hatte er dies ruhig und gefasst akzeptiert und sich stattdessen auf den theoretischen Zweig dieser Disziplin verlegt. Mittlerweile war er zu einer Autorität geworden, wenn es um Bannsprüche, Kräuterkunde und dergleichen ging. Selbst Vanessa suchte ab und zu seinen Rat, wenn sie Probleme mit ihren empfindlicheren und anspruchsvolleren Pflanzen hatte.

    Marc blickte auf die Uhr. Es war gerade mal sieben Uhr durch. Wie er Sven kannte, würde er in etwa einer Stunde seinen Laden abschließen, um dann für den Rest des Abends über irgendwelchen Büchern zu brüten. Ein Blick auf Vanessas Gesicht sagte ihm, dass sie dasselbe dachte, während sie ihn mit einem erwartungsvollen Blick anschaute.

    »Hey«, meinte er. »Das ist deine Idee. Ruf du ihn doch an.«

    Marc blickte ihr nachdenklich hinterher, als sie zum Telefon stürmte, während er sich langsam darüber klar wurde, was für eine schwierige Zeit vor ihnen lag. Jemandem diese Art von Verantwortung zu übergeben, fähig zu sein, die Kräfte der Schöpfung zu manipulieren, war nicht ungefährlich. Er wusste um die Gefahren aus eigener Erfahrung. Die Verantwortung des Ausbilders war dabei mindestens genau so hoch wie die des Lehrlings. Zugegeben, es hatte seit mehreren Jahrzehnten keine Schwarzmagier mehr gegeben, die den Namen verdient hatten, aber es hatte welche in der Vergangenheit gegeben. Und sie waren einer der Gründe, warum das Wort Magie nach wie vor mit einem äußerst ambivalenten Ruf behaftet war. Filme wie 'Carrie' taten ihr übriges.

    »Was soll denn passieren?«, fragte Vanessa, nun wieder deutlich ernsthafter, als sie die Küche erneut betrat und Marc beim Nachdenken beobachtete. Sie spürte, dass ihm mehr durch den Kopf ging, als nur das Problem des Zeitmanagements, das auf sie zukommen würde, Nadja neben der Schule in die Materie der Magie einzuweihen.

    »Das wird schon«, meinte sie. »Wovor hast du denn solche Angst? Sie wird schon nicht anfangen, den Teufel anzubeten.«

    3

    Nur Kerzen erhellten den Raum und warfen ihr Licht gegen die dunkelroten Samtvorhänge, mit denen die Wände behangen waren.

    Nadja blickte sich neugierig um. Als sie am Haus angekommen waren, hatte ihr irgendein Instinkt geraten, wieder umzukehren. Während sie noch überlegt hatte, was genau dieses Gefühl wachgerufen hatte, war die Tür des leicht heruntergekommen Hauses geöffnet worden und ein in einen schwarzen Samtumhang gekleideter Mann hatte sie nach einem prüfenden Blick eingelassen.

    Die dunklen Augen waren über die drei Neuankömmlinge gewandert und, wie es Nadja schien, einen Augenblick länger auf ihr ruhen geblieben als auf den beiden anderen. Und länger, als es ihr gefallen hatte. Die blasse Hautfarbe und die schwarzen Haare, die dem Mann bis auf die Schultern fielen, gingen einher mit markanten Gesichtszügen, scharfen Linien im Gesicht und einem stechenden Blick. Nadja schätzte sein Alter auf Anfang fünfzig. Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie ob der Aufmachung ihres Gastgebers lachen oder beeindruckt sein sollte. Dann hatte sie sich jedoch an ihre eigene Garderobe erinnert.

    Ohne viele Worte waren sie zu viert die Treppe zum Keller hinunter gestiegen. Nadja war von ihren Geschwistern einiges an okkulten Symbolen, mittelalterlicher Kleidung und dergleichen gewohnt, auch wenn die meisten dieser Gegenstände gut verschlossenen in irgendwelchen Kisten und Schubladen lagen. Marc weigerte sich penetrant, auch nur ein Pentagramm von Weitem anzusehen, nur Vanessa trug einige Schmuckstücke, die mehr an sich hatten, als auf den ersten Blick erkennbar war. Allerdings hatte Nadja immer empfunden, dass es ihrer großen Schwester irgendwie an Stil fehlte. Vanessa schaffte es, die traditionelle Kleidung einer Hexe so zu tragen, als ob es das Normalste der Welt sei.

    Das hier übertraf alles, was sie bisher gesehen hatte. Überall hingen Amulette von der Decke, waren Symbole auf den Boden oder direkt auf die Vorhänge gemalt worden und ein Geruch von verbrannten Kräutern hing in der Luft, der Nadja in der Nase kitzelte. Das hier war ernst gemeint. Hier war wirklich Arbeit investiert worden. Hier wollte jemand sichergehen, dass alle Anwesenden sofort und unmissverständlich verstanden, worum es ging. Das hier war ein Ort, an dem Magie ausgeübt wurde.

    Während sie hinter ihren Begleitern auf den in der Mitte des Raumes befindlichen Tisch zuschritt, bemerkte sie, dass sie nicht die einzigen Gäste waren. Fünf weitere Personen, ebenfalls in schwarze Umhänge gekleidet, saßen bereits dort und wandten die Köpfe bei ihrem Eintreten kurz zur Seite. Nadja konnte nicht erkennen, um wen es sich handelte, nicht einmal, ob es Männer oder Frauen waren. Alle hatten die Kapuze des Umhanges weit ins Gesicht gezogen, so dass die Gesichter nicht zu erkennen waren.

    Sie spürte einen beruhigenden Druck auf ihrer Schulter und setzte sich an einen der freien Plätze. Dort, vor ihr, lag etwas Silbernes auf dem Tisch. Ein Blick in die Runde verriet ihr, dass vor allen anderen Teilnehmern der Versammlung ein ähnlicher, wenn nicht sogar identischer Gegenstand lag. Es war ein Ring, der, aufgesetzt, den kompletten unteren Knochen des Fingers bedecken würde. Jeder Zentimeter seiner Oberfläche war mit Symbolen und Schriftzeichen bedeckt. Manche davon waren Nadja vage vertraut, die Mehrzahl jedoch nicht. Die Beleuchtung machte es schwierig, weitere Details zu erkennen, doch sie spürte instinktiv, dass es sich bei diesen Gegenständen nicht um Zierrat handelte, sondern um echte magische Artefakte.

    Ein Kribbeln durchfuhr sie, als sich ihr Gastgeber an die Stirnseite des Tisches setzte und allen Anwesenden mit einer Geste bedeutete, die Ringe vor ihnen aufzusetzen.

    Kaum war dies geschehen, verblasste das Licht der Kerzen zu einem Glimmen und dunkle Schatten durchzogen den Raum, sorgten dafür, dass die ohnehin schon düstere Atmosphäre noch ernster wurde. Die Schriftzeichen und Symbole, die den Raum durchzogen, begannen in einem dunklen Rot zu glühen, ohne dabei jedoch zur Beleuchtung des Raumes beizutragen.

    Während sie registrierte, wie ihre Hände links und rechts von den Händen ihrer Nachbarn ergriffen wurden und der Kreis somit geschlossen wurde, fragte Nadja sich, was von diesen Effekten, die sie sah, wirklich war und was von den Kräutern verursacht wurde, deren Dämpfe ihr zunehmend ein Gefühl der Entrücktheit verliehen.

    Die Séance hatte begonnen.

    4

    »Das ist überhaupt nicht wahr! Gib das her!«

    Marc lachte und versuchte vergeblich, Vanessa das Buch zu entreißen, in dem Sven und sie gerade lasen.

    »Und du willst mir erklären, dass wir ein Problem mit Nadja haben werden?«, fragte Sven.

    »Das war ein Unfall! Ich war sieben!«

    Vanessa grinste und strich über die Seiten des Buches. Buchsammler hätten ihren rechten Arm für dieses Exemplar gegeben. Es war ein Unikat und die Chronik der Familie Gindera. Über Generationen hinweg war alles, was wichtig war und in den Bereich der Magie fiel, dort festgehalten worden.

    Einige Seiten lasen sich wie Einträge eines klassischen Tagebuchs. Manche Autoren hatten ihre Eintragungen kurz und knapp gehalten, während andere zusätzlich Zeichnungen und Skizzen angefertigt hatten, manchmal von Familienmitgliedern, manchmal von anderen, nicht menschlichen Lebewesen. Es fanden sich Einträge, die die Verfolgung von Hexen behandelten, Grundrisse der ersten Dörfer, in denen die Vorfahren der Ginderas gelebt hatten, Rezepte für Heiltränke, Bannsprüche, und noch vieles mehr. Leider waren Marcs Eltern der Meinung gewesen, auch die ersten magischen Schritte ihrer beiden älteren Kinder festhalten zu müssen, wie sie gerade festgestellt hatten.

    »Ich wusste nicht, dass du Feuer beschwören kannst«, meinte Sven beeindruckt.

    »Das war ein Unfall«, wiederholte Marc. »Da hatte ich den Dreh mit dem Gleichgewicht noch nicht raus. Darüber hinaus sind Feuerbälle total albern. Ich meine, was will man denn damit erreichen? Ich glaube, es gibt in der ganzen Geschichte der Magie nicht eine einzige Situation, in der jemand einen Feuerball beschworen hat und das Ganze auch einen guten Sinn und Zweck hatte. Ich meine, wozu haben wir Feuerzeuge?« Er blickte Vanessa an, die ernst und langsam in dem Buch herumblätterte. Es handelte sich einerseits um so etwas wie eine Chronik der Familie, andererseits war es, wenn man genau las, intimer, als es die meisten Tagebücher waren. Alle Mitglieder der Familie hatten dort irgendwann etwas sehr persönliches niedergeschrieben. Ein aufmerksamer Leser hätte in dem Buch mehr über Marc, Vanessa und den Rest ihrer Familie herausgefunden, als durch eine mehrstündige Befragung mittels Lügendetektor.

    Ihr Blick blieb auf einer Seite hängen, die, anders als die meisten Seiten in dem Buch, eine große Zeichnung enthielt, wohingegen der Text weniger als ein Viertel der Fläche einnahm. Marcs Lächeln verlor sich auf dem Weg zu dem Buch hin und wurde ersetzt von einem Blick, dem eindeutig etwas Melancholisches anhaftete. Sven fühlte, dass dies einer der sehr persönlichen Einträge war, und blickte absichtlich nicht weiter auf die Seite, sondern wartete, bis Marc ihm mit einem Nicken die Erlaubnis gab.

    Die detaillierte Zeichnung zeigte eine junge Frau, deren Gesicht von einer lockigen Haarmähne umrahmt wurde und auf deren Gesicht ein sympathisches, wenn nicht sogar keckes Lächeln stand. Die wachen Augen und die kleine Stupsnase weckten spontan Sympathie in Sven.

    »Wer ist das?«, fragte er.

    Vanessa warf Marc ein Lächeln zu.

    »Das ist Marcs Seelenverwandte«. Sie zeigte auf den Absatz neben dem Bild. Dort standen, wie bei einem Steckbrief, mehrere Stichpunkte. Manche bezogen sich auf den Charakter, andere auf das Erscheinungsbild. Einer der Einträge dort lautete 'rote Haare', wobei das Wort 'rote' doppelt unterstrichen war. Obwohl der ganze

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1