Das Attentat auf Papst Leo III. 799: Hat Karl der Große die Täter bestraft?
Von Roland Pauler
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Über dieses E-Book
Leo habe blutüberströmt so getan, als sei er seiner Augen und der Zunge schon beraubt, damit die Verschwörer glauben, sie hätten ihr Vorhaben bereits erfolgreich durchgeführt.
Leo sei vor dem Altar einer Klosterkirche abgesetzt worden.
Karl der Große habe das Attentat inszenieren lassen, damit der Papst ihn zum Kaiser kröne.
Darstellungen des Geschehens aus dem 19. Jahrhundert, unverkennbar von Nationalstolz geprägt, beeinflussen auch heute noch die Sichtweise der Veröffentlichungen.
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Rezensionen für Das Attentat auf Papst Leo III. 799
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Buchvorschau
Das Attentat auf Papst Leo III. 799 - Roland Pauler
Vorwort
Dieses eBook ist geschrieben für geschichtsinteressierte Leser und Fachleute. Da ich Forschungsergebnisse aus drei Jahrhunderten in Frage stelle und widerlege, muss ich meine Argumentation belegen. In einer auf Papier veröffentlichten geschichtswissenschaftlichen Publikation würde ich Fußnoten setzen, doch solche können bei der Formatierung dieses eBooks nicht erstellt werden. Ich habe deshalb kurze Verweise auf Quellen und Literatur in Klammern in den Text aufgenommen. Detaillierte bibliografische Angaben finden sich im Verzeichnis der zitierten Quellen und Literatur. Zur schnelleren Nachvollziehbarkeit meiner Thesen für Fachleute habe ich die zentralen Quellen in einem Quellenanhang in der Originalsprache (Latein) beigefügt. Im Text selbst habe ich auf Lateinzitate weitgehend verzichtet. Es soll ja ein Krimi für alle werden.
Wundersames in Quellen und Forschung
Am 25. April 799 wird Papst Leo III. während einer Prozession überfallen und …? Ich wage es nicht, den Satz zu vollenden, zu verwirrend sind die Berichte der zeitgenössischen Geschichtsschreiber. Ihre Aussagen stehen nicht nur im Widerspruch zueinander, sondern auch zum menschlichen Erfahrungshorizont - zumindest dem heutigen. Eindeutig sind sie nicht einmal für wundergläubige Menschen, denn zwei einander ausschließende Wunderberichte stehen zur Auswahl. In dem einen wird der Papst geblendet, seiner Zunge beraubt und von Gott geheilt, im anderen wollen die Täter nur verstümmeln.
Dieser spektakuläre Kriminalfall schien längst geklärt. Karl der Große hat die mutmaßlichen Täter höchstpersönlich verurteilt. Die angesehensten Historiker haben das Geschehen rekonstruiert und die Motive der Verbrecher aufgedeckt. Anlässlich der zwölfhundertsten Wiederkehr des Ereignisses, das die Kaiserkrönung Karls des Großen an Weihnachten 800 durch Leo III. eingeleitet hatte, wurde das Thema erneut aufgegriffen, denn Kernfragen waren offen geblieben. Neue Antworten wurden vorgestellt. Diese haben mit den Berichten der Zeitgenossen eines gemeinsam: Sie sind untereinander unvereinbar und sonderbar - vor allem in ihrem Verhältnis zu den Aussagen der Zeitgenossen.
Ich möchte den Fall neu aufrollen und eine alternative Deutung des Geschehens begründen, die ich 2009 in die Diskussion geworfen habe. (Karl der Große, S. 113ff.) Rudolf Schieffer hat sie in seiner Rezension des Buches als exzentrisch abgetan. (Deutsches Archiv, Bd. 66, 2010, S. 283) Das ist sie auch, widerspricht sie doch dem, was Generationen von Mittelalterhistorikern als glaubwürdige Rekonstruktion des Geschehens tradiert haben. Da sich das Attentat tatsächlich anders abgespielt haben könnte, als mir damals in den Sinn kam, biete ich eine Alternative an, die mir ebenfalls wesentlich plausibler erscheint als all das, was bis zum meinem Buch von 2009, aber auch noch in zwei Biografien Karls des Großen von 2013 an Thesen vorgestellt worden ist. (Fried, Karl der Große; Weinfurter, Karl der Große)
Die erzählenden Quellen
Die Quellen fließen spärlich, auch wenn kaum ein zweites Ereignis des 8. Jahrhunderts so häufig sogar zeitnah zum Geschehen beschrieben wurde. (Schieffer, Attentat, S. 76) Die Kernaussage über den Hergang des Attentats liegt uns klar vor Augen, allerdings allein aus der Sicht des Papstes oder seiner Anhängerschaft. Zeitlich und räumlich am nächsten und zudem am ausführlichsten ist die Lebensbeschreibung des Papstes im Rahmen des Papstbuches (Liber pontificalis). Die zentrale Aussage, die in allen erzählenden Quellen wiederkehrt, lautet: Überfall und vollendete oder erfolglos versuchte Verstümmelung durch Papstgegner. Das klingt logisch. Sollten ihn denn seine Getreuen überfallen und misshandelt haben?
Wann die Niederschrift erfolgte, ist umstritten. Rudolf Schieffer (Attentat, S. 78) vermutet, der Bericht sei in etwa zeitgleich verfasst worden. Im Gegensatz dazu glaubt Matthias Becher, es handle sich um eine nachträgliche Interpolation und die gesamte Vita sei nach Leos Tod 816 einer Schlussredaktion unterzogen worden. (Die Reise, S. 91 f. mit Überblick über die Forschungsdiskussion) Möglich wäre, dass beide recht haben. Vielleicht wurde ja ein zeitgleich verfasster Bericht später eingefügt. Wir wissen das nicht. (Quelle 1. Zum Liber Pontificalis ausführlich Zimmermann, Das Papsttum. Zu Leo III. S. 66-73.)
Laut Vita (Quelle 1) zieht Papst Leo am 25. April 799, begleitet von vielen Gläubigen, in Prozession zur Kirche des hl. Laurentius. Als er den Lateran verlässt, kommt ihm der Primicerius (Leiter der päpstlichen Verwaltung) Paschalis entgegen und entschuldigt sich dafür, dass er kein Messgewand trage, weil er sich krank fühle. Auch Campulus, der Schatzmeister, gesellt sich dazu und sagt mit falschem Herzen Schmeichelhaftes. Beim Kloster der Heiligen Stefan und Silvester überfallen Bewaffnete die Prozession völlig unerwartet. In Panik flieht das unbewaffnete und für den Gottesdienst bereite Volk, das den Papst begleitet. Dann erst werfen die Angreifer Leo zu Boden, reißen ihm die Kleider herunter und versuchen, ihn zu blenden und ihm die Zunge herauszuschneiden. Im Glauben, sie hätten ihr Werk vollbracht, lassen sie ihn bei den Urhebern des Anschlags, Paschalis und Campulus, auf der Straße liegen.
Die bringen Leo in das Kloster, reißen ihm vor dem Altar die Augen heraus, schneiden die Zunge ab und verletzen ihn mit Hieben und Prügeln. In seinem Blut lassen sie ihn halb tot liegen und stellen ihn unter Bewachung. Später bringen sie und andere Übeltäter ihn aus Angst, er könne von Christenmenschen entführt werden, ins Kloster des hl. Erasmus und halten ihn dort unter strenger Bewachung.
Der allmächtige Gott gibt Leo auf Fürbitten des Apostelfürsten Petrus das Augenlicht und die Zunge zum Sprechen wieder. Dann wirkt er ein weiteres Wunder: Er ermöglicht es dem Kammerherrn Albinus, zusammen mit anderen Gottesfürchtigen Leo heimlich aus dem Gefängnis zu entführen und in die Basilika des hl. Petrus zu bringen.
Alle, die über diese Wunder Gottes hören oder sie mit eigenen Augen sehen, jubeln und preisen Gott, der den unschuldigen und gerechten Pontifex den Händen seiner Feinde entrissen hat. Und wirklich hat Gott ihm das Augenlicht und die Zunge wiedergegeben und alle Glieder geheilt. (Quelle 1: Et vere a tenebre eum Dominus eripiens lumen reddidit et linguam ad loquendum restituit, et totis eius solidavit membris …)
Und in die Kirche des hl. Petrus kommt eiligst Winigis, der Herzog von Spoleto, mit seinem Heer. Als der den höchsten Pontifex sehend und sprechend erblickt, nimmt er ihn ehrwürdig auf. Er bringt ihn nach Spoleto und preist Gott, der ein solches Wunder vollbracht hat. Von dort bricht Leo zu König Karl auf. Dieser schickt ihm seinen Kapellan, Erzbischof Hildebald von Köln, den Grafen Aschericus und schließlich seinen eigenen Sohn, König Pippin, mit einigen Grafen entgegen, die ihn zum Treffen nach Paderborn geleiteten. Karl empfängt dort den Stellvertreter des hl. Petrus höchst ehrenvoll mit Hymnen und geistlichen Gesängen. Sie umarmen und küssen sich unter Tränen. Karl ist aufs Höchste bewegt wegen der Wunder, die Gott auf Bitten des hl. Petrus am Papst bewirkt hat. Die vorgenannten ungerechten Männer gelten nichts mehr bei ihm. Die Angriffe dieser nichtswürdigen Prälaten und Söhnen des Teufels, die einst in großem Ansehen beim König gestanden hatten, hat Gott selbst gegen sie gerichtet und die falschen Beschuldigungen gegen den Papst können sie ganz und gar nicht beweisen. Von Bränden, die die Papstgegner in den Besitzungen des hl. Petrus gelegt haben, ist die Rede.
Als der Papst beim König weilt, kommen von allen Seiten Erzbischöfe, Bischöfe und andere Kleriker herbei. Sie beraten zusammen mit dem König und allen