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Kampf um den Stuhl Petri: Die Geschichte der Gegenpäpste
Kampf um den Stuhl Petri: Die Geschichte der Gegenpäpste
Kampf um den Stuhl Petri: Die Geschichte der Gegenpäpste
eBook381 Seiten4 Stunden

Kampf um den Stuhl Petri: Die Geschichte der Gegenpäpste

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Über dieses E-Book

Wenige historische Ereignissen erregen bis heute so sehr das Interesse wie die Papstwahlen. Über die Gegenpäpste - den spannendsten und farbigsten Abschnitt dieser Geschichte - ist erstaunlicherweise bisher kaum geschrieben worden. Christiane Laudage liefert die erste populäre Darstellung einer an spannenden Begebenheiten und interessanten Persönlichkeiten reichen Geschichte
SpracheDeutsch
HerausgeberVerlag Herder
Erscheinungsdatum19. Sept. 2012
ISBN9783451346361
Kampf um den Stuhl Petri: Die Geschichte der Gegenpäpste

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    Buchvorschau

    Kampf um den Stuhl Petri - Christiane Laudage

    Christiane Laudage

    Kampf um den

    Stuhl Petri

    Die Geschichte der Gegenpäpste

    Impressum

    © Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2012

    Alle Rechte vorbehalten

    www.herder.de

    Umschlaggestaltung: Finken & Bumiller, Stuttgart

    Umschlagmotiv: © Chronik des Konstanzer Konzils, Detail

    ISBN (E-Book): 978-3-451-34636-1

    ISBN (Buch): 978-3-451-30402-6

    Inhalt

    Vorwort

    Einführung

    Angelo Mercati und die Papstliste

    Amato Pietro Frutaz und die Definition „Gegenpapst"

    Der Begriff „Gegenpapst"

    1. DER WEG AUF DEN APOSTOLISCHEN STUHL

    Die Geschichte der Papstwahlordnung

    Die Eroberer des Heiligen Stuhls

    2. DIE GEGENPÄPSTE IN DER ANTIKE UND IM FRÜHMITTELALTER

    Hippolyt oder Novatian – Wer war der erste Gegenpapst?

    Felix II.: Ein Gott, ein Messias, ein Bischof!

    Ursinus: Mit Gewalt zum Ziel

    Eulalius: Eile mit Weile

    Laurentius: Ein Trostpreis ist nicht genug

    Dioskur: Der Tod und das Schisma

    Theodor und Paschalis: Wenn zwei sich streiten …

    Konstantin: Ein Usurpator?

    Johannes: Ein kurzes gewalttätiges Intermezzo

    Anastasius Bibliothecarius: Ein Möchte-Gern-Papst mit einem erstaunlichen Schicksal

    3. GEGENPÄPSTE IM HOHEN UND SPÄTEN MITTELALTER

    A. Das „dunkle Jahrhundert"

    Christophorus und Sergius: Mord, Totschlag und andere niedrige Verhaltensweisen

    Johannes XII., Leo VIII. und Benedikt V.: Papst oder Gegenpapst – ein Rätsel ohne Lösung

    Bonifatius VII.: Ein Monster ohne jede Tugend?

    Johannes XVI.: Manche Fehler werden schrecklich bestraft

    Gregor VI.: Enttäuschte Erwartungen

    Benedikt IX., Gregor VI. und Silvester III.: Drei Päpste und die Neuordnung des Papsttums

    B. Gregorianische Reform und Investiturstreit

    Benedikt X. und Honorius II.: Falsch gedacht

    Clemens III.: Ein erfolgreicher, kaiserlicher Gegenpapst

    Theoderich und Albert: Nur nicht aufgeben

    Silvester IV.: Ein Gegenpapst für alle Fälle

    Gregor VIII.: Zur falschen Zeit am falschen Ort

    C. Krach im Kardinalskollegium: Die Papstwahlen von 1124, 1130 und 1159

    Die Papstwahl 1124: Cölestin II., ein verhinderter Papst

    Papstwahl 1130: Anaklet II., ein (Gegen-)Papst jüdischer Abstammung

    Viktor IV.: Ein anakletianischer Epigone

    Die Papstwahl 1159: Das alexandrinische Schisma

    Viktor IV.: Ein besonderer Freund der Deutschen

    Paschalis III.: Der und kein anderer

    Calixt III.: Das Ende des Schismas

    Innozenz III.: Der ganz harte Kern der Opposition

    Ausklang: Nikolaus V.: Der letzte kaiserliche Gegenpapst

    4. DAS GROSSE ABENDLÄNDISCHE SCHISMA (1378–1417) UND DIE REFORMKONZILIEN

    A. Der Ausbruch des Schismas

    Die Päpste in Rom

    Die Päpste in Avignon

    Die Suche nach Wegen aus dem Schisma

    Das Ende des Schismas: Von Pisa (1409) nach Konstanz (1414–1418)

    Ausklang: Das Schisma in den Köpfen

    B. Das Konzil von Basel (1431–1448)

    Felix V.: Eine Geschichte der enttäuschten Erwartungen

    5. DAS SCHISMA UND DIE FOLGEN

    Der Tod und das Schisma

    Vom Papst zum Gegenpapst: Der Weg in die Zeit danach

    Schandstrafen: Ein Ende mit Schrecken

    Das Schisma und die Erinnerung

    Papstgräber und heilige Gegenpäpste

    Schlusswort

    Liste der Gegenpäpste

    Anmerkungen

    Bildteil

    Bildnachweis

    VORWORT

    Immer mal wieder kursieren Antiwitze. Einer von ihnen lautet: Was sagt ein Papst zum anderen? Die Antwort muss mit einem triumphierenden Lachen lauten: Es gibt nur einen Papst! Dass es nur einen Papst gibt, der als Oberhaupt der katholischen Kirche in Rom residiert, gehört mit zu den unerschütterlichen Tatsachen des Lebens, so ähnlich wie das Phänomen, dass die Sonne im Osten auf- und im Westen untergeht. Die Zeiten waren auch mal anders, zwar ging damals die Sonne nicht im Westen auf, aber es gab miteinander konkurrierende Päpste. Derjenige, der seinen Anspruch durchsetzen konnte, wird als Papst in den offiziellen Listen geführt, der Unterlegene wird als Gegenpapst gekennzeichnet.

    Die Gegenpäpste sind die Verlierer, schlimmer noch, sie haben das makellose Angesicht der Kirche beschmutzt und müssen daher dem Vergessen anheimfallen. Schon früh finden sich Versuche, den hässlichen Zwischenfall auszuradieren und alles, was daran erinnern könnte, möglichst zu vernichten. Der Fachbegriff für diesen Vorgang heißt damnatio memoriae, die Erinnerung wird verdammt. Im Prinzip zieht sich dieses Phänomen bis heute durch, denn in den Darstellungen zur Geschichte des Papsttums werden die Gegenpäpste gerne schnell abgetan – Geschichte wird von Siegern geschrieben und dazu zählen die Gegenpäpste definitiv nicht.

    Daher kann man auch die Darstellungen zur Geschichte der Gegenpäpste an einer Hand abzählen, es gibt nur drei. Ludovico Agnello Anastasio verfasste eine „Istoria degli Antipapi, die in zwei Bänden 1754 in Neapel erschien. Agnello (1692–1758) war Erzbischof von Sorrent. Ebenfalls in Neapel wurde die Darstellung von Daniello Maria Zigarelli mit dem langen Titel „Storia degli Antipapi e di taluni memorabili Avvenimenti delle Epoche rispettive dello Scisma verlegt, die rund ein Jahrhundert später (1859) erschien, und jetzt als Nachdruck wieder erhältlich ist. Die letzte Darstellung stammt von Lodovico Silvani mit dem Titel „Storia degli Antipapi", im Buchhandel nur noch gebraucht zu erhalten. Ausgangspunkt seiner Überlegungen ist die unruhige Zeit nach dem Ende des 2. Vatikanischen Konzils, als man, wie Silvani sagte, immer mal wieder von Gegenpäpsten sprach. Daher wandte er seinen Blick der Vergangenheit zu, um den historischen Kontext der Gegenpäpste in Bezug zur Gegenwart zu stellen. Zum Abschluss seiner Darstellung geht er auch – mit sehr viel Spott – auf einen modernen Gegenpapst ein: Clemens XV., den französischen Ex-Priester Michel Collin (1905–1974).

    Jüngst haben die Gegenpäpste die Aufmerksamkeit der Historiker gefunden, hier an dieser Stelle ist Harald Müller zu nennen, Professor für mittelalterliche Geschichte an der Technischen Hochschule Aachen. Er hat im September 2011 in Aachen eine Tagung mit dem Titel: „Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter veranstaltet, die sich sowohl chronologisch des Themas annahm wie auch Einzelfragen systematisch untersuchte. Ein Tagungsband „Die Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen hält die Ergebnisse fest und wird zukünftig den Referenzpunkt aller weiteren wissenschaftlichen Beschäftigung mit den Gegenpäpsten darstellen. In den Diskussionen auf dieser Tagung wurde sehr deutlich, dass für Historiker der Begriff „Gegenpapst wenig akzeptabel ist, da er eine Vorabwertung beinhaltet, das spätere Scheitern also schon vorweggenommen wird. Trotz aller Bemühungen der anwesenden Historiker, einen anderen, möglichst ebenso griffigen Terminus zu finden, war erkennbar, dass der Begriff „Gegenpapst eigentlich nicht zu ersetzen ist, da er als Ausgangspunkt für weitere Diskussionen durchaus Sinn und einen hohen Wiedererkennungswert hat. Ebenso kritisch wurde von einigen auf der Aachener Tagung anwesenden Historikern die Papstliste im päpstlichen Jahrbuch, dem „Annuario Pontificio", beurteilt. Diese Liste nennt die rechtmäßigen Päpste und führt auch die Gegenpäpste auf. Auch das sahen einige Historiker sehr kritisch – eben wegen der Wertung. Vielleicht sollte man das ein wenig großzügiger sehen. Die Papstliste dokumentiert die ununterbrochene Reihe der Päpste, die sogenannte Apostolische Sukzession, die sich als Wesensmerkmal des Papsttums versteht. Immerhin sind die Gegenpäpste genannt, somit sind sie dem Vergessen entrissen. Trotz allem bleibt Diskussionsbedarf, was diese Liste betrifft, das wird auch in der folgenden Darstellung immer wieder angesprochen.

    Wer mehr über die Gegenpäpste wissen will als Wikipedia hergibt, aber kein italienisches Buch lesen mag, findet bislang nichts. Dieser traurige Zustand hat nun ein Ende, denn zeitgleich mit diesem Werk erscheint der Tagungsband „Die Gegenpäpste. Ein unerwünschtes, mittelalterliches Phänomen", herausgegeben von Harald Müller und Brigitte Hotz, wo auf dem neuesten Stand der historischen Forschung das Thema Gegenpapst diskutiert wird. Die vorliegende Darstellung verfolgt eine andere Zielsetzung: Dem Leser, sei er oder sie nun Historiker, Theologe oder einfach nur an dem Thema interessiert, sollen die Gegenpäpste in ihrem Kontext vorgestellt werden. Dazu wurden Quellen und die wissenschaftliche Literatur herangezogen, Einzelforschungen in ein größeres Bild eingefügt und das Ganze in eine allgemein verständliche Sprache übersetzt. Der Leser wird feststellen, dass es manchmal gar nicht so einfach ist, zwischen einem legitimen oder illegitimen Papst zu unterscheiden. Schon die Zeitgenossen haben sich schwer getan und daran hat sich bis heute nichts geändert. Denn die Papstliste ist immer wieder überarbeitet worden, damit änderte sich für einige Kandidaten auch die Zuschreibung als Papst oder Gegenpapst. Im Internet, heute das Medium der Wahl für die schnelle Information, finden sich verschiedene Listen, die Zahl der Gegenpäpste liegt in der Regel zwischen 25 und 40. Damit ist der Leser vielleicht nicht schlauer, wird aber einsehen müssen, dass es in Sachen Gegenpapst keine definitiven Wahrheiten gibt. Jede Darstellung kann nur eine Momentaufnahme sein, die mit dem Fortlauf der historischen und in diesem Fall auch theologischen Forschung immer wieder anders ausgeleuchtet wird und Diskussionsbedarf bietet.

    Ein Wort der Warnung sei an dieser Stelle erlaubt: Die Begriffe „Papst und „Gegenpapst sind nicht mit den Kategorien gut und böse zu belegen. Dass dies vielleicht in der allgemeinen Vorstellung so sein könnte, wurde mir durch die Frage einer Bekannten schlagartig bewusst. Sie fragte mich ganz vorsichtig, ob denn die Gegenpäpste immer die Bösen gewesen wären. Nein, konnte ich sie beruhigen. So einfach ist das Leben und die Geschichte nicht. Ein weiterer Hinweis ist vielleicht ebenfalls nötig: Die Gegenpäpste stehen nicht für einen völlig anderen Entwurf des Papsttums, ganz im Gegenteil. Die Legitimation der eigenen Position erfolgte durch die genaue Übernahme all dessen, was das Papsttum ausmachte. Bei den kaiserlichen Gegenpäpsten wird vielleicht noch am ehesten ein Gegenentwurf zur päpstlichen Politik ihrer Zeit sichtbar, mit ihrem Versuch, die kaiserliche Position in päpstliche Politik umzusetzen. Aber keiner der Gegenpäpste war ein Revolutionär und wollte die Kirche komplett verändern. Wer hier die Seiten durchblättert auf der Suche nach einem verheirateten Gegenpapst, der zufrieden im Kreise seiner Lieben (Frau und Kinder) mild und gütig das christliche Volk regiert und dabei von einem legitimen Papst brutal ausgebremst wird, den muss ich jetzt schon enttäuschen. Zwar waren zwei Gegenpäpste verheiratet, aber vor Übernahme des hohen Amtes. Am Zölibat zu rütteln, wäre ihnen nicht in den Sinn gekommen. Ebenso finden sich hier keine Päpste, die Frauen zum Priesteramt zulassen wollten. Die Päpstin Johanna taucht zwar hier auf, aber ich begreife sie als rein literarische Figur, nicht als reale Person.

    Auch wenn sich die Gegenpäpste nicht als Projektionsfläche für einen völlig anderen Entwurf des Papsttums eignen, sind sie ein höchst interessantes Thema. Auf den folgenden Seiten wird Blut fließen, Hoffnungen werden enttäuscht und so manches tragische Schicksal offenbar. Die Geschichte wird von Siegern geschrieben, aber die Verlierer sind in ihren Abgründen genauso interessant. Es ist auffällig, wie schnell das Amt des Bischofs von Rom attraktiv wurde, die Bewerber um dieses Amt waren bereit, dafür über Leichen zu gehen, notfalls auch ziemlich viele Leichen, und sich merkwürdige Bundesgenossen für dieses Streben anzuheuern. Ein Beispiel vorab: Damasus I. (366–384) scheute sich nicht in der Auseinandersetzung um den päpstlichen Thron mit gedungenen Schlägern auf die Anhänger des konkurrierenden Ursinus loszugehen. Sowohl Damasus wie auch Ursinus verübten Massaker mit einer großen Zahl von Opfern. Schierer nackter Ehrgeiz, gepaart mit Machtstreben und der gelegentlichen Verkennung der Realität gehörten mit zu der sozial-emotionalen Grundausstattung, wie zum Beispiel bei Anastasius Bibliothecarius (vor 817 – um 879). Er positionierte sich schon zu Lebzeiten des Amtsinhabers Leo IV. (847–855) als zukünftiger Kandidat bei einer Papstwahl und trieb Leo soweit vor sich her, dass Letzterem nichts anderes übrig blieb, als massiv gegen Anastasius vorzugehen. Als dann seine Stunde schlug, versuchte sich Anastasius mit rücksichtsloser Zielstrebigkeit als Papst durchzusetzen und – scheiterte, um dann doch noch Jahre später aus der zweiten Reihe die päpstliche Politik mitzugestalten. Gelegentlich wurde der übermäßige Ehrgeiz böse bestraft, Johannes XVI. (997–998) wäre hier als Beispiel zu nennen. Nach einer blendenden kirchlichen Karriere ließ er sich von einem römischen Granden zum Papst machen und fiel in seinem Scheitern tief. Er wurde mit Schandstrafen belegt und verstümmelt, um sein Leben in Klosterhaft zu beenden. Demütigungen aller Art gehörten mit zum Schicksal eines Gegenpapstes. Ganz sicherlich war es im Leben eines (Gegen-)Papstes kein schöner Moment, zu Füßen des nun allgemein als legitim anerkannten Papstes zu liegen und sich zu unterwerfen. Das Scheitern war dann vollkommen und für alle offensichtlich, aber das Unterwerfungsritual lief nach klaren Regeln ab. Einige weigerten sich, der Tatsache ins Auge zu sehen, dass sie verloren hatten. Ein besonders imposantes Beispiel gibt Benedikt XIII. (1394–1417, † 1422) ab. Zwar beschäftigte sich der avignonesische Papst im Großen Schisma intensiv mit der Frage, wie kirchenrechtlich einwandfrei das Dilemma gelöst werden konnte und setzte die Hürde nachher so hoch, dass er mit pragmatischen Lösungsmöglichkeiten nicht umgehen konnte und sich völlig verweigerte. Es gelang ihm, noch über das offizielle Ende des Großen Schismas in seinen verbliebenen Anhängern eine so tiefe Loyalität zu inspirieren, dass in einigen südfranzösischen Gegenden noch bis in die 30er Jahre des 15. Jahrhunderts die ehemalige avignonesische Obödienz lebendig blieb.

    Hoch aufsteigen und dann tief fallen, dieses tragische Schicksal erwartete mehr als einen Konkurrenten um das päpstliche Amt. Eins wird am Ende klar sein: Man sollte sich unter keinen Umständen auf das Abenteuer eines Gegenpapsttums einlassen, im besten Fall macht man sich nur lächerlich und hat seinen Ruf ein für alle Mal gründlich ruiniert, im schlimmsten Fall kommt man nur knapp mit dem Leben davon. Das war offensichtlich irgendwann deutlich genug geworden, denn nach Felix V. (1439–1449), dem letzten historischen Gegenpapst, hat sich keiner mehr auf dieses Wagnis eingelassen.

    Diese Darstellung versteht sich als erster Versuch einer Gesamtdarstellung, entstanden aus Freude am Thema und nicht aus der Notwendigkeit, sich akademisch qualifizieren zu müssen. Das Buch soll die Leser informieren und sie sollen es gerne und mit Gewinn lesen. Um dieses hehre Ziel zu erreichen, wird auf Diskurstheorien, eine unnötig komplizierte Ausdrucksweise und eine Überfülle an Anmerkungen verzichtet, aber alle Zitate und der Nachweis der benutzten Literatur sowie weitere wichtige Hinweise finden sich am Ende eines jeden Kapitels.

    Ein Buch über die Gegenpäpste zeigt die Geschichte des Papsttums aus einer völlig anderen Perspektive. Im Mittelpunkt steht eine dichte Abfolge von Verlierern, anders kann man es nicht sagen. Die frühen Gegenpäpste hatten bei der Konkurrenz um die Besetzung des päpstlichen Stuhls das Nachsehen, ging es um die Erhebung eines konkurrierenden Papstes war das Unternehmen in der Regel wenig erfolgreich. Mehr dazu findet sich im „Lexikon der Päpste und des Papsttums. Hier werden alle Päpste und fast alle Gegenpäpste (Hippolyt und Novatian fehlen) in kurzen biografischen Artikeln charakterisiert, im zweiten Teil kann der Leser wichtige Begriffe zum Papsttum nachlesen. Mithilfe dieses Lexikons, basierend auf der dritten Auflage des renommierten „Lexikons für Theologie und Kirche, ist es möglich, zur Darstellung des Gegenpapstes hier den Artikel über den als legitim anerkannten Papst dazuzunehmen, um die offizielle Perspektive zu ergänzen. Ebenso empfiehlt sich Reclams „Lexikon der Päpste, herausgegeben von dem anglikanischen Geistlichen John Norman Davidson Kelly (1909–1997), das in der zweiten Auflage lediglich um einen Johannes Paul II. würdigenden Artikel und eine erste Einführung in das Leben und Werk Benedikts XVI. erweitert wurde. Das Lexikon enthält sehr viel längere, chronologisch geordnete Einträge zu den jeweiligen Päpsten und Gegenpäpsten, es ist ebenso wie das bereits genannte „Lexikon der Päpste und des Papsttums für einen ersten Überblick absolut unverzichtbar. Da das Lexikon Mitte der 1980er Jahre verfasst wurde, ist es nicht mehr ganz auf dem aktuellen Stand der Forschung. Sehr gute biografische Artikel zu Päpsten und Gegenpäpsten bietet die „Enciclopedia dei Papi", in drei Bänden zum Jubiläumsjahr 2000 in Rom erschienen. Die Artikel sind zum Teil sehr ausführlich und in der Regel sehr quellennah gearbeitet, sie bieten im Anschluss eine komplette Übersicht über die Quellen und die bis dahin erschienene Literatur. Interessant ist der gelegentlich andere Blick der Forscher auf die Dinge, alles jedoch in italienischer Sprache. Im übrigen bietet das italienische Verlagsportal www.trecani.it die Möglichkeit, die meisten dieser Artikel schnell einzusehen.

    Um nicht zu sehr in Einzelheiten aus der politischen Geschichte abzuschweifen, ist an manchen Stellen der Gesamtzusammenhang nur sehr kurz dargestellt. Wer mehr wissen will, dem mögen folgende Werke empfohlen sein: August Franzen „Kleine Kirchengeschichte. Franzen (1912–1974), ein katholischer Priester, hat seine Kirchengeschichte unter dem Eindruck des 2. Vatikanischen Konzils geschrieben. Sein Werk ist heute ein historisches Dokument und nach wie vor lesenswert. Er war mit einer Darstellung der Papstgeschichte beschäftigt, die nach seinem Tod fortgeführt wurde von Remigius Bäumer (1918–1998), ebenfalls katholischer Priester. Auch die Darstellung „Papstgeschichte. Das Petrusamt in seiner Idee und in seiner geschichtlichen Verwirklichung in der Kirche ist heute noch lohnenswert zu lesen. Publikationen zur Papstgeschichte gibt es zur Genüge, das Thema übt eine ungebrochene Faszination auf die Historiker aus. Zuletzt erschienen sind: Thomas Frenz „Das Papsttum im Mittelalter, es bietet neben einem Überblick über alle Aspekte rund um das Papsttum eine Auswahlbibliografie, die dem interessierten Leser sicherlich entgegenkommt. Jüngst ist Klaus Herbers „Geschichte des Papsttums im Mittelalter erschienen, in diesen Band sind bereits die Ergebnisse der Aachener Tagung zu den Gegenpäpsten eingeflossen.

    Nun zum Abschluss des Vorworts einige persönliche Bemerkungen. Wenn man als Autorin Spuren des Stockholm-Syndroms an sich feststellt, ist es an der Zeit, Schluss zu machen. Die Zeit ist da. Zum Schluss möchte ich mich ganz herzlich bei Dr. Gabriele Annas, Lothar Hönscheid, Dr. Bettina Jost, Dr. Matthias Kordes, Dr. Hubertus Neuhausen, Dr. Matthias Schrör und Dr. Kai-Michael Sprenger bedanken. Sie alle haben mir zu unterschiedlichen Zeiten mit Rat und Tat geholfen, sprich Artikel gemailt, Texte gelesen (ohne sich zu beschweren) oder wichtige Hinweise gegeben. Die Damen und Herren in der Diözesan-Bibliothek Köln waren jederzeit freundlich bereit, mir zu helfen. Ich weiß das zu würdigen. Ein Wort des Dankes geht auch an meine Kollegen bei der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA), die mit freundlichem Interesse die Arbeit an dem Manuskript begleitet haben. Und auch das Support System vor Ort sollte nicht unerwähnt bleiben, mein tief empfundener Dank gilt hier Petra Prinz und den Familien Dederich, Kirschbaum, Werner, Pospig, von Gartzen und Bornemann sowie Annette Clasen und Heike Quenzer. Mein Dank geht auch an Dr. Patrick Oelze und Ariane Hug vom Verlag Herder, die sich mit großer Freundlichkeit und Kompetenz um das Manuskript gekümmert haben.

    Gewidmet ist das Buch den Kindern meines verstorbenen Mannes, seinen und unseren: Anna mit Peter Berlin, Benedikt mit Bettina, Lelio und Josef, Dominik, Regina mit Florian Kleeberg, Gregor und Leo Laudage. In die Widmung sind auch meine Patenkinder Julia Heckmann, Andreas Witthaut und Paul Neuhausen eingeschlossen.

    EINFÜHRUNG

    Angelo Mercati und die Papstliste

    „Die Katholische Kirche hat diese Woche ganz offiziell sechs Päpste abgeschafft, verkündete das US-amerikanische Wochenmagazin „Time am 27. Januar 1947. Was war passiert? Der Präfekt des Vatikanischen Geheimarchivs, Angelo Mercati (1870–1955) hatte die bis dahin gültigen Papstlisten gründlich überarbeitet. Er schaffte aber nicht nur ab – er fügte auch hinzu und zwar drei Päpste und 37 Gegenpäpste, letztere mit der Begründung, dass einige von ihnen als rechtmäßige Päpste galten (Felix II., Bonifaz VII., Alexander V.) und daher in die Zählung aufgenommen wurden.¹

    Seit Januar 1947 führt das jährlich neu aufgelegte „Annuario Pontificio diese Liste, versehen mit dem Zusatz „gemäß der Chronologie des ‚Liber Pontificalis‘ und seinen Quellen, fortgeführt bis auf den heutigen Tag, mit den notwendigen Korrekturen gemäß den Ergebnissen der historischen Forschung. Das gibt dem Benutzer klar zu verstehen, dass diese Liste den Stand der Forschung repräsentiert, aber ohne weiteres geändert werden kann, sollten neue Erkenntnisse dies notwendig machen. Bis auf kleinere Korrekturen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten nichts geändert.

    Monsignore Mercatis Liste stellt mit ihrer Chronologie den Ausgangspunkt aller Forschungen dar. Zwar gibt es immer wieder Historiker, die in Einzelfragen Einspruch erheben und das ist ganz besonders bei den Gegenpäpsten so, doch verfügt sie über eine hohe Autorität, der sich auch diese Abhandlung unterwirft. Ausgehend von der Papstliste des „Annuario Pontificio" kann man daher feststellen, dass es 37 Gegenpäpste gegeben hat, mit zusätzlichen Möglichkeiten in den Anmerkungen. Die Reihe beginnt mit Hippolyt,² einem Römer, der 217–235 die Kirche spaltete, und endet zwölf Jahrhunderte später mit dem Papst des Basler Konzils, Felix V. (1439–1449), vormals Herzog Amadeus VIII. von Savoyen.

    Zwei Gegenpäpste erscheinen nur in den Anmerkungen, nämlich Clemens VIII. (1423–1429) und Benedikt XIV. (1425–1430). Beide stehen in der Nachfolge von Benedikt XIII. (1394–1423), dem letzten avignonesischen Papst im Großen Schisma. Warum die beiden lediglich in den Anmerkungen Erwähnung finden, ist nicht nachzuvollziehen, jedenfalls führen andere Historiker diese beiden als reguläre Gegenpäpste. Wie schwierig es letztlich ist, darüber zu entscheiden, wer Papst oder Gegenpapst war, zeigt ein scharfer Blick auf die Liste. Zweimal musste selbst Mercati kapitulieren: Für die Jahre 964/965 führt er drei Päpste auf – nicht nacheinander, sondern nebeneinander: Johannes XII., Leo VIII. und Benedikt V. Im Zusammenhang mit Leo VIII. gibt eine Fußnote den entscheidenden Hinweis: Da die historischen Kategorien nicht mit den theologischen in Übereinstimmung zu bringen waren und über allem die Unantastbarkeit der apostolischen Sukzession steht, war keine andere Entscheidung möglich. Auch für die Jahre 1045/1046 gibt es laut dieser Liste drei Päpste: Benedikt IX., Silvester III. und Gregor VI. Unstrittig ist jedoch, dass es seit über 550 Jahren keinen anerkannten Gegenpapst mehr gegeben hat, die Gegenpäpste sind also ein spätantikes und mittelalterliches Phänomen.

    Amato Pietro Frutaz und die Definition „Gegenpapst"

    Wann immer man sich mit dem Thema Gegenpapst befasst, stößt man eher früher als später auf den Namen Amato Pietro Frutaz (1907–1980). Der aus dem Aostatal stammende Priester hat sein ganzes Berufsleben im Vatikan verbracht. Er arbeitete 43 Jahre lang in der Kongregation für Heiligsprechungsprozesse, zuletzt als Sekretär, und publizierte rund 150 wissenschaftliche Veröffentlichungen, darunter auch eine grundlegende Abhandlung zum Thema Gegenpapst.³

    Frutaz definiert wie folgt: „Gegenpapst ist, wer trotz eines bereits kanonisch erwählten Papstes eine Papstwahl annimmt, auch wenn er es in gutem Glauben tut." Dazu kommen für ihn noch weitere Kategorien: 1. Ob bei Durchführung der Wahl der Apostolische Stuhl durch Tod oder freiwillige Abdankung des lebenden Papstes vakant war. 2. Ob die rechtmäßigen Wähler des Papstes ihrem Wahlauftrag frei genügen konnten oder nicht. 3. Ob eine nicht kanonische oder zweifelhafte Wahl in der Folge öffentlich von der Mehrheit der Wähler bestätigt wurde. 4. Ob die Bestimmungen für die Papstwahl, die im Laufe der Jahrhunderte eine tief greifende Umwandlung erfuhren, beachtet wurden oder beachtet werden konnten. 5. Ob und in welcher Weise die politische Gewalt oder eine Partei sich bei der Wahl einmischten.

    Daher klassifiziert Frutaz die Gegenpäpste in drei Kategorien: 1. Die echten Gegenpäpste. Das sind die, die den Apostolischen Stuhl nicht während einer legitimen Vakanz bestiegen. Er zählt dazu auch die Päpste des Großen Schismas. 2. Zweifelhafte Gegenpäpste. Solche die nach dem Zeugnis der Quellen hinsichtlich ihrer kanonischen Stellung ernsthafte Schwierigkeiten hatten, ihr Amt auszuüben. 3. Die falschen Gegenpäpste. Diejenigen, die als einfache Mitanwärter betrachtet werden müssen, ihrem Gegner unterlagen und sich ihm sofort nach seiner ordnungsgemäßen Wahl unterstellten. Aufgrund seiner ausführlichen Definition erstellt er eine eigene, dreigeteilte Liste, die zum Teil deutlich von der des Vatikans abweicht. Eine knappe Definition des Begriffs Gegenpapst mag man sich anders vorstellen, doch geben die Ausführungen Frutaz’ einen ersten Eindruck von der komplexen Materie.

    Die beiden Kurienangehörigen Mercati und Frutaz haben fast zur gleichen Zeit aufgrund des gleichen Quellenmaterials zum Teil völlig verschiedene Schlüsse gezogen. Mercatis Liste ist die offizielle und bei dem Thema „Gegenpapst bleiben Frutaz’ Ideen bis heute in der Diskussion. Noch 1998 bietet Giovanni Morello im Vatikan-Lexikon im Artikel „Gegenpapst folgende Definition an: „Es handelt sich um einen nicht kanonisch und in Opposition zum legitimen Papst gewählten Papst, der sich dessen Würde und Aufgaben anmaßt. Wenn auch der Opponent zuweilen in gutem Glauben handelte, war er Usurpator"⁴ und verweist sofort weiter auf die ausführlichen Klassifikationen von Frutaz.

    In der Neuauflage des „Lexikons für Theologie und Kirche haben die Herausgeber bei dem Thema Gegenpapst dieses Mal einen anderen Historiker zu Worte kommen lassen, nämlich den früheren Kölner Ordinarius Odilo Engels, der das Stichwort „Gegenpapst knapp abhandelt: „Bezeichnung für den illegitimen, mit dem rechtmäßigen Papst konkurrierenden Papst. Ausreichende Kriterien für die Illegitimität – begründet entweder in der nur langsam rechtlich abgesicherten Papstwahlordnung oder in der stets unsicheren Rechtsgrundlage der Deposition eines Papstes – fehlen, so dass die Liste der Gegenpäpste bis in die jüngste Zeit einer Revision unterlag."

    Engels gibt das Stichwort vor, nämlich dass bis in die jüngste Zeit die Liste der Gegenpäpste geändert wurde. Der Papsthistoriker Georg Schwaiger sagt ganz klar: „Zuweilen muss offen bleiben, ob der einzelne Papst den Päpsten oder den Gegenpäpsten oder keiner der beiden Kategorien zuzurechnen ist. Diese Schwierigkeit gründet vor allem darin, dass streckenweise keine völlig eindeutige, allgemeine Übereinstimmung darüber auszumachen ist, unter welchen Umständen Wahl und Weihe des Bischofs von Rom – oder auch das Pontifikatsende – gültig waren."⁶ Generell weisen alle angeführten Definitionen einen Gegenpapst als Konkurrenten eines rechtmäßigen Papstes aus. Doch das ist nur ein Teil der Wirklichkeit, vom Ende aus gesehen. Denn verschiedene Male kam es zu nicht eindeutigen Wahlen oder sogar eindeutigen Doppelwahlen, die zwei konkurrierende Päpste hervorbrachten, die ihre Legitimität erst durchsetzen mussten. Erst nachdem sich einer der beiden Konkurrenten in den Augen der Öffentlichkeit als anerkannter Papst etabliert hatte, konnte der andere als Gegenpapst gelten.

    Der Begriff „Gegenpapst"

    Im Deutschen ist der Begriff „Gegenpapst" gebräuchlich, abgeleitet von dem Lateinischen antipapa. Es gibt heute eigentlich gar kein griffiges Synonym zu „Gegenpapst" mehr, ganz im Gegensatz zum Mittelalter, denn das, was

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