Papa, glaubst du an Gott?: Existentielle Fragen einer Elfjährigen
Von Andreas Geist
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Buchvorschau
Papa, glaubst du an Gott? - Andreas Geist
Andreas Geist
Papa, glaubst du an Gott?
Existentielle Fragen einer Elfjährigen
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VerlagslogoInhaltsverzeichnis
Titel
Papa, glaubst du an Gott?
Impressum neobooks
Existenzielle Fragen einer Elfjährigen
Es war Sonntag. Wir hatten gerade zu Mittag gegessen. Wie fast jeden Sonntag hatte ich mir zum Fisch ein, zwei Gläschen Weißwein gegönnt, die mir in den Kopf stiegen, auch wie jeden Sonntag. Es war das I-Tüpfelchen auf die Entspannung, die einen Sonntag nach dem Mittagessen perfekt machte. Ich hatte mich auf der Couch im Wohnzimmer ausgestreckt. Friederike lag neben mir, sah angestrengt an die Decke und hatte die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Kennen Sie diese Sonntage auch? Ich erinnere mich noch heute an glückliche Kindertage, als ich mit meinem Vater nach dem gemeinsamen Mittagessen auf der Couch lag, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Der einzige Unterschied war, dass sie im Stil der sechziger Jahre aus einem grünen, abgewetzten Samtbezug auf Sperrholz bestand. Lediglich zwei geschwungene Armlehnen waren poliert und massiv und mit einem Kissen die ideale Ablage für den Kopf. Heute empfand ich grünen Samtbezug auf Sperrholz hässlich und billig, doch die Entspannung war dieselbe. Daran erkennen Sie schon, dass Entspannung ein ideeller, zeitloser Schatz ist, während eine samtbezogene Sperrholzcouch ein Opfer von Raum, Zeit und Mode wird und schließlich auf dem Sperrmüll landet. Der Mensch war so ein Zwischending. Er konnte den Samtsacco mit dem riesigen Kragen, der in den Sechzigern der letzte Schrei gewesen war, heimlich aus dem Kleiderschrank verschwinden lassen, und sich in eine neue Schale werfen, eine zeitlose Jeansjacke zum Beispiel. Damit gaukelte er der jungen, nachwachsenden Generation modische Aktualität vor und schob den Zeitpunkt vor sich her, an dem zum ersten Mal hinter vorgehaltenen Teenagerhänden kichernd das Wort Grufti fiel. Spätestens dann musste er sich eingestehen, dass unter dem Samtsacco und allen späteren Saccos, auch den Jeanssaccos, seine Hülle unbarmherzig den Gesetzen von Raum, Zeit und Schwerkraft unterworfen gewesen war, und zwar von Anfang an. Weiter drin je nach Mode der Zeit einmal in der Leber, später im Herz und schließlich im Hirn, besann der Mensch sich dann in seiner vergänglichen Hülle auf seinen zeitlosen Kern, der den Rest mit einem Schuss edler Unvergänglichkeit infizierte: auf seine Seele.
In diesem Augenblick wurde er zum Philosophen oder religiös, was im Grunde dasselbe bedeutete.
„Papa, glaubst Du an Gott?"
Ich konnte nicht mehr lange den Schlafenden mimen. Die Geduld elfjähriger Töchter ist begrenzt. Da werden Sie mir recht geben. Es spielte keine Rolle, wie komplex und verzwickt die Frage war, auf die sie eine Antwort wollten. Gab es eine komplexere, verzwicktere Frage als die nach dem, was die Welt im innersten zusammenhält? Nach des Pudels Kern? Nach des Apfels Kerngehäuse? Sie sehen schon, wie der Mensch in seiner kurzen Geistesgeschichte verzweifelt mit einer metaphorischen Anschleichtaktik die eigentliche Antwort vor sich herschob. Versuchen Sie das mal bei ihrer elfjährigen Tochter. Elfjährige Töchter wollen etwas zum Anfassen. Sie wollen Klarheit und Wahrheit, und das ist ihr gutes Recht. Sie tun gut daran, wenn Sie sich mit wichtigen Fragen einer Heranwachsenden auseinandersetzen, bevor sie sie stellt, sonst werden sie wie ich in diesem Augenblick mit einem Schwall kalten Wassers aus der süßesten Sonntagsentspannung von ihrer Sonntagsentspannungscouch gespült.
Ich war auch kein Trottel, sondern Lehrer, und die wissen alles, vor allem alles besser. Ich hatte mich auf alle Fragen, die in so einem unschuldigen Lockenköpfchen heranreifen konnten, vorbereitet. Dachte ich. Warum fragte sie nicht:
Gibt es den Klapperstorch, den Weihnachtsmann, den Osterhasen, Muttis Migräne am Samstagabend?
Aber das! Gott! ...O Gott!
„Papaaaaa!" Jetzt rüttelte sie an meiner Schulter. Doch auch in meiner Schulter steckte keine vernünftige Antwort auf diese vernünftige Frage.
„Hmmmmm?", murmelte ich und schaltete damit für sie offensichtlich in Empfangs- und Kommunikationsmodus.
„Na endlich!", erwiderte Friederike genervt.
„Washasdugefragt?", nuschelte ich, um mir ein paar weitere Sekunden zu verschaffen.
Ich nutzte diese Sekunden und gab Vollgas mit den grauen Zellen unter meinen angegrauten Schläfen. War diese Frage überhaupt an meinen Verstand gerichtet? Glauben heißt nicht Wissen, hatte mir der Pfarrer gerne auf meine intelligenten Fragen geantwortet. Deshalb war ich selbst des Pudels Kern nicht näher gekommen. Das wollte ich meiner Tochter um jeden