Veyron Swift und der Schattenkönig: Serial Teil 3
Von Tobias Fischer
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Über dieses E-Book
Zusammen mit Tom Packard, reist Veyron ein weiteres Mal in die magische Elderwelt. Hilfe finden sie auf dem Inselreich Talassair, wo ihnen der verrückte König Floyd sein bestes Schiff und eine Schar furchtloser Zwerge zur Seite stellt. Die Reise geht quer über den Ozean Elderwelts, doch wohin sie auch kommen, erwarten sie Mord und Verrat.
Die Agenten des Schattenkönigs sind überall, auf dem Meer lauern blutrünstige Piraten. Es beginnt ein schier hoffnungsloser Kampf gegen die Mächte der Finsternis. Noch nie stand so viel auf dem Spiel. Für Veyron ist es zudem ein persönliches Duell, denn in seiner Vergangenheit hat der Schattenkönig tiefe Wunden hinterlassen…
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Buchvorschau
Veyron Swift und der Schattenkönig - Tobias Fischer
Schattenzauber
Ohne dass es die Erwachsenen bemerkten, stahlen sich Amunet, Ra-messu, Tom und Toink davon. Vom Tempelausgang bogen sie gleich in die nächste Straße ein, die hinunter in die Hafenstadt führte. Als täten sie was Verbotenes, huschten sie von Häuserschatten zu Häuserschatten, bis sie vor einer kleinen Taverne anhielten. Das einfache, rechteckige Haus mit seiner schmucklosen Lehmfassade, machte auf Tom nicht gerade einen besonders einladenden Eindruck. Es schien ihm eine ziemliche billige Absteige zu sein, doch zumindest klang lebhaftes Gelächter und auch Gesang aus dem Inneren. Ohne weiter zu zögern, öffnete Ra-messu die Holztür. Ein breitschultriger Türsteher kam zum Vorschein, musterte den jugendlichen Prinzen missmutig. Als er schließlich erkannte, wen er da vor sich hatte, weitete er die Augen und wich so rasch zurück, dass er beinahe stolperte. Ra-messu sagte kein Wort, würdigte den verdutzten Türsteher keines Blickes, sondern drang bis in die Gaststube vor. Amunet nahm Tom an der Hand und folgte ihrem Bruder mit einem vergnügten Lachen. Toink schüttelte den Kopf.
»Diesen Prinzen sollte man mal übers Knie legen. Ich weiß noch, dass unser König in diesem Alter auch ein ziemlich hochnäsiger Bengel war, aber das haben wir Zwerge ihm rasch ausgetrieben«, brummte er, dann ging auch er hinein.
Die Gaststube war eng und mit Menschen geradezu überfüllt. Männer aller Altersklassen drängten sich um die wenigen, einfachen Holztische. Ihr schwarzes Haar trugen die meisten in Form kurzer Locken, einige gönnten sich den Luxus eines Schnur- oder Vollbartes, die meisten bevorzugten jedoch eine Glattrasur. Alle trugen sie einfache Tuniken aus Hanf, die im krassen Gegensatz zu den schneeweißen Roben der Priester und Adeligen standen. Tom fühlte sich mit Jeans und T-Shirt vollkommen deplatziert, viele neugierige und erstaunte Blicke gingen in seine Richtung.
Ra-messu, mit seinem ganzen Schmuck um den Hals, den Ringen an den Fingern und dem kostbaren Goldgürtel, samt den darin steckenden Bronzemessern, fiel auf wie ein Pfau. Gesang und Gelächter verebbten schlagartig. Unsicherheit breitete sich unter den Gästen aus. In Ta-Meri wurde der Pharao zwar wie ein Gott verehrt, ebenso huldigte man seinen Kindern. Doch für gewöhnlich blieben die hohen Herren hinter ihren Palastmauern. Hier, in der Taverne einfacher Hafenarbeiter, wollte man lieber keinen von ihnen sehen.
So schnell wie möglich, räumten der Wirt und zwei seiner Bediensteten einen Tisch frei und komplimentierten die betroffenen Gäste an einen Nachbartisch. Ra-messu setzte sich demonstrativ langsam, Amunet neben ihn, Toink und Tom gegenüber.
»Bier für alle«, rief Ra-messu laut. Unter den Gästen brandete plötzlicher Jubel auf, sie klatschten und begannen von neuem zu singen. Ra-messu und Amunet lachten und fielen klatschend in den Rhythmus ein. Tom wurde klar, dass die beiden öfter hier waren. Der Wirt stellte vor jedem einen Tonbecher mit Bier auf den Tisch. Beherzt griff Ra-messu zu und nahm einen tiefen Schluck.
»Ich hätte gedacht, ihr würdet mehr auf Wein stehen«, sagte Tom überrascht, als auch Amunet an ihrem Becher nippte.
»Schon«, gab sie zu. »aber das einfache Volk trinkt Bier, Wein ist nur für die Edelleute. Zu oft vergessen wir Mächtigen das einfache Volk. Ra-messu und ich wollen das ändern, wenn uns die Götter zu Pharao und Großer Königlicher Gemahlin berufen.«
Tom hob erstaunt die Augenbrauen. Dieses Selbstverständnis, Herrscher zu werden, kam etwas überraschend. Toink schien es nicht aufzufallen. Mit einem Zug hatte er seinen Becher geleert.
»Noch einen«, rief er in Richtung des Wirts, um den Lärm der singenden Gäste zu übertönen. Ihm wurde zugenickt und Tom bemerkte, wie der Wirt mit den Fingern schnippte. Eine recht ansehnliche junge Frau trat aus der angrenzenden Küche und der Wirt flüsterte ihr etwas zu. Die hübsche Bedienstete blickte in Toinks Richtung und nickte dann gehorsam. Gleich darauf brachte sie dem Zwerg einen zweiten Becher. Toink trank ihn ohne abzustellen in einem Zug leer.
Tom schüttelte den Kopf und wandte sich wieder an die beiden königlichen Geschwister.
»Also, hab ich das richtig verstanden? Ihr zwei wollt König und Königin werden? Geht das überhaupt, ist das nicht verboten?«
Ra-messu lachte höhnisch auf. Demonstrativ griff er zur Seite und nahm seine Schwester in den linken Arm. Zärtlich begann er ihre glatte Wange zu streicheln.
»Du machst Witze, Tom von Talassair. In uns fließt das Blut eines Gottes. Für mich kommt nur eine Gemahlin von ebenso göttlicher Abkunft in Frage. So war es schon seit jeher«, tönte er.
Amunet lachte hell auf und erwiderte die Umarmung ihres Bruders. Ihrer beiden Gesichter näherten sich langsam. Tom fühlte sich auf einmal ein wenig seltsam. Er war nicht sicher, ob er das wirklich sehen wollte. Irgendwie machte es ihn auch rasend eifersüchtig. Doch bevor sich die beiden Geschwister in aller Öffentlichkeit küssten, legte Amunet ihrem Bruder den Zeigefinger auf die Lippen.
»Lass uns unsere Gäste nicht noch mehr schockieren, geliebter Bruder. Sie wissen nichts von den Gepflogenheiten unserer Kultur«, sagte sie. Ra-messu knurrte widerstrebend, fügte sich aber. Er gab Amunet frei und griff wieder zu seinem Becher.
»Mundschenk, noch eine Runde für alle!«, rief er. Erneut brandete Applaus und Gesang auf. Toink leerte inzwischen sein drittes Bier auf Ex.
Endlich wandte sich auch Tom seinem Gebräu zu. Doch schon nach einem einzigen Blick in den Tonbecher, erschauderte er. Das konnte unmöglich Bier sein. In dem schaumigen Zeug schwammen überall schleimige Klumpen herum.
Mit einem Anflug purer Verzweiflung wandte sich Tom an Toink. »Kann man das wirklich trinken?«
»Ja, kann man, Kleiner.«
»Wie schmeckt es?«
»Grauenvoll. Wirt, noch eins für mich!«
Während sich Toink auch den vierten Becher ohne mit der Wimper zu zucken in den Rachen kippte, nippte Tom ganz vorsichtig. Das Gebräu schmeckte wie Apfelessig.
Ra-messu lachte ihn aus. »Du solltest dein Gesicht mal sehen, Tom aus Talassair. Ihr von der magischen Insel seid so weich, wie der Schlamm des Großen Stroms! Mundschenk, bringt uns noch eine Runde!«
Während der Wirt und seine hübsche Bedienung den Vieren neue Becher brachten, zeigte Amunet Tom ein Amulett, das um ihren Hals hing. Es war ein farbenprächtiges Udjat-Auge, das Symbol für Vollkommenheit, Gesundheit und Macht, gemacht aus Gold, Elfenbein und Lapislazuli.
»Ra-messu trägt das gleiche Amulett, wir bekamen es als Zeichen der Götter geschenkt. Wir sind dazu bestimmt, das nächste Königspaar zu werden«, erklärte sie, während sie mit ihren schlanken, vollkommenen Fingern das Auge streichelte. Tom spürte, wie sich sein Puls beschleunigte, als er ihr dabei zusah. Ihm war, als spürte er das Pochen eines Herzens – jedoch nicht das seine. Er glaubte ein leises Flüstern zu hören, in einer Sprache, die er nicht kannte. Es schien jedoch nicht das Alt-Ägyptisch zu sein, das man in Ta-Meri sprach. Mehr und mehr nahm ihn das Amulett gefangen. Oder waren es Amunets wunderschöne Finger? Er blickte in ihre dunklen Augen, die im Halbdunkel der Taverne regelrecht zu leuchten schienen. Ihre verheißungsvollen, roten Lippen formten Worte, die er nicht hören konnte. Von was sprach sie da gerade? Egal; es war ihm egal. Ihm war nur wichtig, dass er in ihrer Nähe war.
Jemand rempelte ihn an, riss ihn aus dieser seltsamen Trance. Es war Toink, der sein sechstes Bier bestellte. Tom blinzelte und fasste sich an die Schläfen. Kopfschmerzen, dachte er überrascht. Von was? Etwa von dem scheußlichen Gebräu? Oder war es diese magische Wirkung, die dieses Udjat-Amulett auf ihn ausstrahlte? Hatte Amunet mit ihren Bewegungen etwa versucht, ihn zu hypnotisieren? Sie lachte, als sie sein ratloses Gesicht eine Weile beobachtete.
»Zu viele Zauber für dich, Tom? Lass uns einfach noch ein wenig feiern, einverstanden?«, rief sie ihm mit einem spitzbübischem Lächeln zu. Er nickte zögernd. Wie hätte er ihr auch etwas abschlagen können? Welche Magie Amunet eben auch angewandt hatte, Tom war ihr ganz und gar verfallen.
Nun folgte Runde auf Runde, Becher auf Becher. Nach drei Runden hatten Ra-messu und Amunet genug, Tom hatte nicht einmal seinen ersten Becher geschafft. Dieses „Bier" schmeckte einfach zu grauenvoll. Ein Wunder, dass Toink es in nahezu unvorstellbaren Mengen zu sich nahm. Er soff wie ein durstiger Stier. Allmählich wurde er zur Attraktion des Abends. Auf dem Nachbartisch stapelten die Männer bereits die leergetrunkenen Becher zu Türmen auf. Bald waren es zehn, kurz darauf elf, dann zwölf und schließlich dreizehn.
»Noch einen, wenn ich bitten darf«, brüllte Toink lallend in die Gaststube. »Ich muss noch auf meinen Vater anstoßen. Der war ein elender Verräter und Mörder, wisst ihr das? Ein Mö….Mö…Mörder war er!«
Die junge Bedienung reichte ihm Becher Nummer vierzehn und setzte sich keck auf den Schoß des um mindestens drei Köpfe kleineren Zwergs. Toink gluckste frech.
»Hübsch biss‘ du ja, meine Kl…Kleine«, lallte er. »Aber viel ssu wenig haa….ah..aarig.« Er trank einen kräftigen Schluck. »Auf Meda…Medi…Medusssa. Sssie hat mei…meinen Vadder verschteinert! Was für eine Heldentat! Ha! Er war ’n Mörder, wisst ihr? Und ein Verräter! Hat unseren König er…ver…zerschossen, oder so. Und mich getroffen. Peng! Ha!«, Toink brach in Gelächter aus, der Becher fiel ihm aus den Fingern und entleerte seinen schleimigen Inhalt über den Tisch. Die Besucher lachten und klatschten.
»Medj-chemet!«, riefen sie begeistert. »Dreizehn!«, Einer nach dem anderen klopfte Toink auf die Schulter, andere schlugen sich die flache Hand auf die Stirn. Kleine Lederbeutel mit klingenden Münzen wechselten die Besitzer. Man hatte schon gewettet, wieviel der rotbärtige Zwerg am Ende schaffte.
»Das ist Landesrekord«, meinte Ra-messu. Er sprang auf und rief den Leuten etwas auf der Landessprache zu. Alle begannen laut zu lachen. Amunet wandte sich an Tom.
»Er hat Toink für eine Auszeichnung vorgeschlagen. Ich finde, wir haben jetzt genug gefeiert. Kommt, wir machen uns draußen noch einen kleinen Spaß«, sagte sie.
Tom war einverstanden. Ihm wurde die Luft allmählich zu stickig. Er stand auf und half Toink auf die Füße, der nicht mehr aus eigener Kraft aufstehen konnte. Ra-messu und Amunet verabschiedeten sich und wurden noch einmal von den Gästen und den Wirtsleuten bejubelt. Die Spendierlaune und Volksnähe des künftigen Königspaares würde sich garantiert im Reich herumsprechen, da war Tom überzeugt. Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee, wenn die beiden die künftigen Herrscher würden – ganz gleich, was für ungewöhnliche Heiratspraktiken sie pflegten.
Amunets „Spaß" gestaltete sich nun wie folgt: Die Jugendlichen huschten zum nächstbesten Haus und hämmerten wie verrückt gegen die Tür, solange, bis von drinnen lautes Schimpfen erklang und der Schein einer Öllampe sichtbar wurde.
Kichernd verschwanden sie dann um die Hausecke und ließen Toink, der sich weder vorwärts, noch rückwärts bewegen konnte, allein stehen. Es wurde geöffnet und mit wütendem Geschimpfe kam der Herr des Hauses heraus. Zunächst stutzte man über Toinks ungewöhnliche Zwergenerscheinung, anschließend bedachte ihn der Geweckte mit wüsten Beschimpfungen, die Toink – volltrunken – nur mit einem lauten Auflachen quittierte.
»Mein Vater war ein Mörder«, lallte er dann jedes