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Prinzessin und Mehr: Reiseerzählung über die östlichen Schären Schwedens und die Ålandinseln
Prinzessin und Mehr: Reiseerzählung über die östlichen Schären Schwedens und die Ålandinseln
Prinzessin und Mehr: Reiseerzählung über die östlichen Schären Schwedens und die Ålandinseln
eBook369 Seiten4 Stunden

Prinzessin und Mehr: Reiseerzählung über die östlichen Schären Schwedens und die Ålandinseln

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Über dieses E-Book

Ich liebe Wind und Wasser, da ich bis zu meinem 6. Lebensjahr im Sommer auf einem Boot groß geworden bin. Meine Eltern hatten ein Segelboot und dieses war bei schönem Wetter mein Kinderzimmer. Nun sind viele Jahre vergangen und ich beschreibe in meinem Buch eine Segeltour von Rostock über Stockholm, eine Runde um die Ålandinseln und dann durch den östlichen Schärengarten Schwedens zurück nach Mecklenburg-Vorpommern. Dabei nenne ich die genauen Logbuchdaten über die angelaufenen Häfen mit Koordinaten und die vorgefundenen Bedingungen, deren Lage und Zustand und ich informiere über regionale Besonderheiten. Wen es interessiert, der kann sich ausführlich über viele historische Hintergründe der besuchten Region informieren. Um nicht mit zu vielen sportlichen und historischen Fakten zu dominieren, habe ich den "etwas anderen" Reiseführer, in der persönlichen Geschichte von Kai und seiner Prinzessin sowie dem Skipper Herkules und seiner Madam verpackt. Somit ist das Erzählte auch für Nichtsegler interessant und lesenswert.
Die Protagonisten müssen sich zusammenraufen und an ihre persönlichen Grenzen gehen. Geschehnisse, die in den 60ziger Jahren ihr Leben bestimmten, sind plötzlich aktuell und drohen die geplante Reise ins Wasser fallen zu lassen. Informationen, wie das Leben in der DDR sein konnte und wie die Stasi funktionierte, sind sicherlich besonders für junge Leser interessant.
Das Besondere im Buch sind die mit viel Liebe gestalteten Illustrationen und die konkreten Logbuchdaten einer 5-wöchigen Reise entlang der Küste einiger Ostseeanrainerstaaten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum10. Apr. 2016
ISBN9783738066777
Prinzessin und Mehr: Reiseerzählung über die östlichen Schären Schwedens und die Ålandinseln

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    Buchvorschau

    Prinzessin und Mehr - Ariane Hemme

    »Prinzessin und Mehr«

    Mit »Landratten« auf dem Wasser unterwegs im

    wunderschönen Schärengebiete Ostschwedens

    bis zu den Ålandinseln und zurück -

    spannende Erlebnisse und viel, viel mehr

    Eine Reiseerzählung

    von Ariane K.

    Diese Reiseerzählung nimmt Sie auf ein fesselndes Abenteuer mit und

    berichtet sehr lebendig, amüsant und zugleich informativ

    über eine Segeltour durch das

    östliche Schärengebiet Schwedens und die Ålandinseln.

    Begleiten Sie die Chaoscrew auf ihrem Segler bei

    spannenden Erlebnissen und lernen Sie die Prinzessin

    und den verzweifelten Käpt‘n kennen

    1. »Die Idee«

    Wer in meiner Geschichte einen fachmännischen Segelführer erwartet, der sollte für Überraschungen bereit und offen sein. Ich erzähle über interessante Menschen und ihre Erlebnisse, über Anna und Kay, über Herkules und Madam, über die ostschwedischen Schären und die Ålandinseln. Nebenbei werfen meine Betrachtungen einen kurzen Blick auf die Kultur, Geschichte und sehenswerte Landstriche Schwedens Ostküste, die meiner Ansicht nach einen Besuch verdient haben.

    Das Besondere: Ich beschreibe diese Segeltour aus der Perspektive einer Frau, die keine Ahnung vom Segeln hat! Aber sie hat Träume, Ideale, Fantasien und sucht für sich den richtigen Weg. Sie freut sich begeistert aufs Segeln, ohne zu wissen, was sie erwartet. Dieses bedeutet erstens, dass detaillierte, fachliche Wind- und Segelbeschreibungen zu kurz kommen und zweitens, dass Annas Betrachtungsweisen jedem passionierten Segelsportler sicherlich die Nackenhaare hochstehen lassen werden. Gleichzeitig möchte ich mit genauen Positionsangaben, Beschreibungen der angelaufenen Häfen und Ankerbuchten, den echten Seglern unter den Lesern lobenswerte Anlegeplätze beschreiben.

    So hoffe ich, Seglern und allen »Landratten« eine Reise zu schildern, auf der Humor, Spannung und interessante Unterhaltung im Vordergrund stehen. Begleiten sie einen erfahrenen Seebären mit seiner chaotischen Touristencrew auf ihren Entdeckungen und haben sie dabei viel Spaß!

    Viel Freude und einige Tränen beim Lachen und Mitfühlen

    wünscht Ihnen

    Anmerkung:       Diese Reiseerzählung ist auch in gedruckter Form erhältlich, siehe unter meiner Internetseite www.hemme-web.de

    2. »Die Schiffskonstruktion«

    Sommer, vor vielen Jahren

    Es war einmal ein kleines Mädchen, das hieß Anna.

    Annas Vater baute den »Kiek ut« und diese Segelyacht war der Stolz der ganzen Familie. Gemeinsam nahmen sie an großen Regatten teil und verbrachten ihre Freizeit auf diesem Boot. Annas Vater arbeitete als freischaffender Architekt und er nutze jede freie Minute, den Segelsport als Ausgleich für durchgearbeitete Nächte zu genießen.

    Der »Kiek ut« war Mitte der fünfziger Jahre einer der erfolgreichsten Regattasegler in Warnemünde und Rostock. Als Krönung der vielen Regattaerfolge gewann der Vater 1958 die Gesamtdeutschen Segelmeisterschaften in seiner Schiffsklasse. Stolz feierten sie diesen Sieg, wie den Gewinn einer Olympiamedaille.

    Die kleine Anna wurde bereits als Baby auf den Segeltouren mitgenommen und der

    »Kiek ut« war ihr schaukelndes Kinderzimmer. Eine akribisch sicher konstruierte Hängematte hing am Mastbaum des Seglers. In dieser abenteuerlichen Konstruktion hielt Anna bereits im Alter von wenigen Wochen ihren Mittagsschlaf und blinzelte vorsichtig in die Sonne. Damals nahm sie das Gefühl für Wind und Sonne mit in ihr weiteres Leben, wobei ihr großer Bruder singend auf dem Großbaum saß und sein Schwesterchen in den Schlaf schaukelte.

    Gute Freunde segelten mit der Familie über die Ostsee und begleiteten sie während dieser schönen und fröhlichen Zeit. Lustige Begebenheiten und Anekdoten sorgen noch sechzig Jahre nach ihrem Geschehen für amüsante Erzählungen und freudige Stunden. Dieses unbeschwerte, heitere Miteinander prägte das tägliche Leben, auch wenn kein Fruchtischwein in der Kombüse vernichtet wurde. 

    Eines Tages, sie segelten von Stralsund zur Insel Hiddensee, bewölkte sich der blaue Himmel und es kam starker Wind auf. Die zweijährige Anna saß in der Plicht vom

    »Kiek ut«, zwischen den Beinen von Herkules und spielte verträumt mit Eimer und Schaufel vor sich hin. Die blonden Locken fielen ihr ins Gesicht und der Sand rann kribbelnd durch ihre Fingerchen.

    Herkules war ein Schiffbaustudent und Segelfreund, der Annas Vater regelmäßig auf den Törns und Regatten begleitete. Übrigens wunderten sich alle Freunde und Bekannten, dass seine Eltern schon bei der Namensgebung »Herkules« die Ausmaße seiner zukünftigen Statur berücksichtigt hatten. Ebenso passten die dichten schwarzen, zurückgekämmten Haare, die ihm bei starkem Wind immer wieder ins Gesicht fielen, zu seinem eindrucksvollen Erscheinungsbild.

    Dieser Riese, mit den markanten Gesichtszügen, warf ab und zu einen wachsamen Blick auf das spielende Mädchen, um sicher zu stellen, dass ihr bei dem aufbrausenden Seegang nichts geschah. Das Boot schaukelte zusehends kräftiger von einer Seite zur anderen. Der Wind nahm mit jeder Minute zu und die Wellen schlugen mächtig gegen die Bordwand. Zur Sicherung wickelte Herkules der Kleinen einen langen Strick um den Oberkörper, wie ein Leibchen und so wurde das Mädchen vor der brausenden Gefahr geschützt. Aus ihrer schaukelnden Sandkiste blinzelte Anna Herkules an und feixte keck.

    Gern spielte sie mit seinem großen Zeh und freute sich, ihn ein wenig zu kitzeln.

    Herkules zuckte bei ihren Berührungen kurz zusammen, grinste und sah zu dem kleinen Frechdachs hinunter. Anna wollte schon damals Aufmerksamkeit und sie bekam, was sie wollte. Herkules beobachtete sie in Gedanken versunken und musste über ihre Unbeschwertheit lächeln. Plötzlich lief etwas Warmes über seinen Fuß. Erschrocken zog er sein Bein zur Seite und sah nach unten. Anna blickte ihn etwas verlegen an und schluckte, beugte den Kopf weit nach vorn und übergab sich abermals in einem hohen Bogen. Damals wurde Anna seekrank und spielte unbeeindruckt weiter mit den, jetzt glitschigen Zehen von Herkules.

    1961 schob die Stasi diesem Sport für Annas Familie und den Segelfreunden einen endgültigen Riegel vor. Die Segler durften nur noch mit Sondergenehmigungen auf der Ostsee ihren Sport ausüben.

    Noch vor dem Bau der Berliner Mauer wurde Annas Vater als Staatsfeind verhaftet. Das Boot, sowie das gesamte Eigentum der Familie wurde beschlagnahmt. Die Yacht ging in sozialistisches Volkseigentum über und ist heute im Besitz der Universität Greifswald.

    Die Staatsanwaltschaft Rostock machte sich mit der Verhaftung von Annas Vater viel Arbeit. Es wurde ein großer Schauprozess mit viel Medienrummel »gegen die Feinde des Sozialismus« inszeniert. Die Zeit während der Untersuchungshaft war die schlimmste Demütigung und Menschenverachtung, die sich der Architekt je hatte vorstellen können. Im Prozess wurde der Vater als Kopf einer antisozialistischen Bande dargestellt, die es sich zum Ziel gesetzt hatte, den Sozialismus im Bezirk Rostock gezielt zu untergraben und zu vernichten. Selbst bei Beginn des Prozesses konnten sich die später Verurteilten nicht vorstellen, dass die Anklage mit solchen haltlosen Beschuldigungen ans Ziel kommen würde. Sie irrten sich. Im Urteil wurde deutlich gezeigt, was Feinden des Sozialismus droht ...

    Das Leben von Annas Familie änderte sich schlagartig. Die Mutter wurde zu Bewährung verurteilt und ihr wurde von höchster Stelle, der Bezirksleitung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, der SED, eine Arbeit zugewiesen und somit wurde sie unter die Obhut eines »Kollektivs der sozialistischen Arbeit« gestellt. In dem volkseigenen Frauenbetrieb sollte sie zu einem würdigen Mitglied der sozialistischen Gesellschaft erzogen werden.

    Resigniert arrangierte sie sich mit diesen Gegebenheiten, denn sie wusste nun, zu welchen Konsequenzen das Regime fähig war. Sie musste ihre Kinder allein großziehen und ihr fehlte Geld und Geborgenheit. Jeder Tag war ein Kampf um ihre Existenz. Diese Jahre waren für alle eine schwere Zeit, in der ihnen gegenseitige Liebe und das Warten auf den Vater die nötige Zuversicht gaben, Probleme zu bewältigen, und nur heimlich zu weinen. Die Mutter wünschte sich manches Mal abends einzuschlafen, ohne sich über den nächsten Tag Gedanken machen zu müssen.

    In der Schule mussten die Kinder um Anerkennung kämpfen, da ihr Vater im Knast saß. Anna hatte zum Glück ihren großen Bruder, der nicht zuließ, dass die anderen Kinder sie hänselten.

    Das kleine Mädchen wurde in dieser Zeit stark und sie lernte sich zu wehren. Kinder sind bekanntlich in ihren Urteilen und Handlungen gnadenlos. Die gesamte Familie hielt tapfer sechs Jahre diese Momente der Anfeindungen aus. Sie schafften es, zusammenzuhalten und zu überleben.

    Erst im Jahr 1966 wurde Annas Vater aus der Haft entlassen und konnte zu seiner Familie zurückkehren. Sie begannen, ihr Leben neu zu ordnen. Sie kannten nun die Konsequenzen, die Nichtsympathisanten des Regimes zu erwarten hatten.

    Nach den körperlichen und physischen Quälereien der Machthaber  versuchten sie, sich den vorhandenen sozialistischen Gegebenheiten anzupassen und ein normales Leben zu führen.

    Der Familie war es erst im Jahr 1990, nach der Änderung der Machtverhältnisse im sozialistischen Deutschland möglich, auf der Ostsee zu segeln. Annas Eltern wurden rehabilitiert, doch diese Geste konnte die Entbehrungen der vergangenen Jahre nicht wieder gut machen.

    3. »Der Stapellauf«

    Jahrhundertsommer

    Die vorhergegangenen Schilderungen sind lange her und mit den großen Zehen von erwachsenen Männern spielt Anna zwar immer noch gern, allerdings nur selten und unter ganz besonderen Umständen.

    Herkules segelt seit Jahrzehnten mit seiner eigenen Familie auf selbstgebauten Segelyachten über die Ostsee und besucht die skandinavischen Länder und Inseln im ganzen Ost- und Nordseebereich. Zu seiner Familie gehört besonders Madam, die er auf dem »Kiek ut« kennen und lieben lernte. Sie haben geheiratet und ihre gemeinsamen Söhne sind schon lange erwachsen. Die Jungs haben die Segelleidenschaft ihrer Eltern bereits als kleine Buben übernommen und Sven begleitet seine Eltern, wann immer er Zeit hat auf ihren interessanten Reisen.

    Herkules hat sich gleich nach der ersten Begegnung für seine damalige Freundin den respektablen Kosenamen »Madam« ausgesucht. Auch heute charakterisiert »Madam« ihre konsequente Entschlossenheit Problemsituationen zu bewältigen, ihr besonderes Organisationstalent, ihren Beschützerinstinkt und bestimmt somit ihre souveräne Stellung an Bord und im Leben. Madam ist außerdem in der Lage, auch körperlich ihre autarke Position beim Ineinandergreifen der Zahnräder zu unterstreichen. Die Laufgeschwindigkeit des Motors für den Lebensrhythmus und die Festlegung des einzulegenden Ganges unterliegen ihren Anweisungen. Madam ist für die Software eines funktionierenden Getriebes zuständig. Sie übernimmt die Überwachungsfunktion für allgemeine und weitläufige Netzwerke ihrer gesamten Umgebung.

    Wer anders, als Madam übernimmt folglich die Organisation der jährlichen Sommertouren und Segeltörns? Sie managt diese Reisen für die Gesamtcrew, Chartergäste und Eigner: Sie bunkert Proviant, beläuft Zollformalien, chartert die Besatzungsmitglieder und ist verantwortlich für die umfangreiche Organisation des Crewwechsels. Jahrelange Erfahrungen helfen ihr dabei, nichts zu vergessen.

    Der Skipper Herkules hingegen, kümmert sich mit seinem Sohn Sven um die Hardware, um alle Dinge, die das Schiff und die Route betreffen. Sie besorgen Kartenmaterial, Hafenhandbücher und bereiten das Schiff im Vorfeld auf den Sommer im Norden vor. Sie übernehmen Reparaturen und sorgen dafür, dass die »Brise« in ausgezeichnetem Zustand zu den Sommerabenteuern auslaufen kann.

    Die Freundschaft zwischen Herkules und Madam mit Annas Eltern hat sich über mehr als sechs Jahrzehnte erhalten und jedes Jahr, bevor die Segler ihren Sommertörn antreten, besuchen sie tags zuvor das ältere Ehepaar. Sie besprechen mit ihnen die geplanten Segeltouren und verabschieden sich von ihnen für die nächsten Wochen.

    So sitzen die Freunde am 4.Juli zusammen beim Kaffeetrinken im Garten und tauschen sich über das kommende Segelabenteuer aus.

    Herkules und Madam wollen morgen mit Sven und Marina ihren vierwöchigen Sommerurlaub in Richtung Schwedens Ostküste beginnen. Sie berichten, dass nach vierzehn Tagen ein Crewwechsel erfolgen wird. Sven und Marina können nicht länger als zwei Wochen Urlaub nehmen und sie werden von Max und Krümel abgelöst. Die neue Crew wird sich mit Herkules und Madam auf weitere Segelabenteuer begeben und sie zurück bis in den Heimathafen begleiten.  Alles ist bis ins Kleinste vorbereitet und abgesprochen.

    Heute aber sitzen die Segler mit Annas Eltern schwatzend unter dem großen Fliederstrauch im Garten und genießen den lauen Sommerabend in der Heimat. Langsam verschwindet die Sonne hinter den angrenzenden Häusern, es ist spät geworden. Der gemütliche Snack hat sich erheblich in die Länge gezogen und Madam drängelt zum Aufbruch. Sie müssen vor dem morgigen Ablegen noch tausend Dinge erledigen, da ihnen die Zeit in den Vorbereitungswochen davongelaufen ist. Somit erhebt sich Madam etwas schwerfällig aus dem bequemen Gartenstuhl und nimmt ihre Tasche unter den Arm, als diese zu klingeln beginnt. Lachend sehen sich die Umstehenden an und Madam kramt umständlich ihr Handy hervor.

    »Was ist geschehen? Wann? Wo? Wie ist das möglich?«, Madam wird blass und setzt sich auf die Hollywoodschaukel, »Wie geht es ihm? Können wir helfen?«

    Die Umstehenden beobachten Madam ungeduldig, da etwas Schlimmes geschehen sein muss. Nach einigen weiteren Sätzen beendet sie nachdenklich das Gespräch: »Na, um uns macht euch mal keine Gedanken, wir kriegen das schon irgendwie in den Griff! Und wenn wir einen kürzeren Törn machen, dass ist nicht wichtig! Kümmere dich um Max, damit er im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine kommt!«

    Herkules fährt sich ungehalten durch die grauen Haare und flucht lauter als gewollt: »Verdammte Scheiße, was ist denn da los?«

    Madam lässt sich in die Hollywoodschaukel zurückfallen, stößt sich mit den Füßen vorsichtig ab und antwortet resigniert: »Das war Krümel. Max ist beim Joggen über einen Stein gestolpert und hat sich das Fußgelenk gebrochen. Er wird gerade operiert und für mindestens sechs Wochen nicht laufen können.«

    »Schiet!«, bemerkt Herkules und schlägt mit seiner großen, wuchtigen Hand ein wenig unkontrolliert auf den Gartentisch, »heißt das, dass die Beiden nicht mitkommen können und wir für die zweite Urlaubshälfte keine Crew haben?«

    »Ja, so ist das!«, bestätigt seine Frau.

    Jetzt setzt sich Herkules wieder, beugt sich nach vorn und fährt sich erneut grübelnd durch seine Haarpracht: »Wir bekommen nie im Leben bis morgen neue Mitsegler. Wer kann so kurzfristig Urlaub nehmen und lässt sich dermaßen überhastet auf einen Segeltörn ein?«

    In der Runde herrscht stumme Ratlosigkeit.

    Da meldet sich Annas Vater zu Wort: »Ich wüsste da jemanden. Die neue Crew hätte ja zwei Wochen Zeit ihre Angelegenheiten zu ordnen, und als Selbstständige können sie eine Reise vielleicht einordnen und möglich machen.«

    Vor Enttäuschung und Überraschung reagieren Herkules und Madam nicht. Sie überhören die Worte ihres Freundes und nehmen in Gedanken von ihren vier Wochen Urlaub Abschied. Die Segler versuchen, sich mit vierzehn Tagen Sonne und Meer zufriedenzugeben.

    Annas Mutter hingegen überlegt nicht lange und ist auf dem Weg zum Telefon. Als sie mit dem Mobiltelefon zurückkommt, fragt sie aufgeregt in die Runde: »Würdet ihr Anna und Kay auf eure Reise mitnehmen wollen? Sie haben zwar keine große Ahnung vom Segeln, doch es würde ihnen sicher Spaß machen. Auf ihrem kleinen See bewegen sie sich mit ihrer Jolle geschickt und sicher!«

    Herkules starrt auf einen kleinen bunten Schmetterling, der sich auf seinen Fuß setzt, und hebt ganz gemächlich seinen gesenkten Kopf: »Klar, warum nicht! Frag, ob sie mitmöchten!« Madam nickt zustimmend.

    Schon hat die Mutter gewählt und nach Sekunden ist Anna am Telefon: »Ja, Lehmann!«

    Die Mutter überlegt einen kurzen Augenblick und beschließt, mit der Tür ins Haus zu fallen: »Hallo Kindchen, hast du was für deinen Urlaub geplant?«

    »Guten Tag, Mutti, was ist das für eine Frage? Ja, wir wollen auf der Müritz segeln, haben aber keine Zeit oder sonst was festgemacht. Das wird sich nach der Auftragslage richten.«

    »Was hältst du von einer längeren Segeltour in den schwedischen Ostschären?«

    »Mütterchen, hast du irgendwas genommen? Ist alles in Ordnung? Ist was mit Vati?«

    Ungeduldig übernimmt der Vater den Telefonhörer und erklärt seiner Tochter kurz und sachlich die Zusammenhänge.

    »He, Anna bist du noch da?«, fragt er verwundert, als er seine Schilderungen beendet hat und keine Antworten von der anderen Seite bekommt.

    »Ja, ja ich hab dich verstanden, nur kann ich das nicht glauben. ... Ich weiß nicht, was ich denken soll und wann soll es losgehen und wohin? ... Mit Herkules und Madam? ... Und mit der »Brise« ? ... Und wie lange? ...?«

    »Ganz ruhig Prinzessin!«, unterbricht der Vater, »Hol erstmal tief Luft und sprich mit Kay darüber, dann ruft ihr in einer Stunde zurück und wir sehen weiter. Ist das O.K.?« 

    Anna erscheint das Gespräch wie im Nebel, die Schilderungen ihres Vaters verwandeln sich in ein flimmerndes Fabelwesen, welches plötzlich vor ihr steht und sie mit süßen Worten und Versprechungen zu sich in die Ferne lockt. Anna erkennt nicht, ob sie

    dieses Traumbild anfassen kann oder ob es bei einer Berührung im Nichts verschwindet. Verdattert legt sie den Hörer auf, ohne ihrem Vater zu antworten.

    In diesem Moment betritt Kay das Zimmer und entdeckt seine Freundin völlig verwirrt auf dem Sofa. Sie hat ein Kissen im Arm und knüllt es nervös zusammen, als ob sie nicht weiß, wo sie ihre Arme und Hände lassen soll. Kay stutzt, ist erschrocken über ihren Anblick und erkundigt sich beunruhigt: »Anna ist alles gut? Du hast doch mit deinen Eltern telefoniert, ist bei ihnen was passiert? He, sprich bitte mit mir!«

    Die junge Frau sieht ihm starr in die blauen Augen, streicht die eine helle Locke, die ihr immer wieder in die Stirn fällt ungeschickt hinters Ohr und winkt ab: »Meinen Eltern geht es gut! Nur Herkules und Madam nicht. Sie wollen morgen ihre diesjährige Sommertour beginnen und eben gerade ist ihnen durch einen Unfall die Crew ausgefallen.«

    »Na, das ist ja wirklich blöd. Sie wollten doch nach Schweden bis hoch nach Stockholm, wenn ich mich richtig erinnere. Können sie jetzt gar nicht lossegeln?», erkundigt sich Kay mitfühlend.

    »Die zweite Urlaubshälfte fällt sicherlich ins Wasser!«

    Pause.

    »Es sei denn, ... wir springen ein!«

    Anna schaut ihren Freund herausfordernd an.

    Stille!

    Er hält ihrem Blick stand und wortlos begeben sie sich zusammen in die vor ihnen stehende, undurchsichtige Nebelwand. Keiner traut sich, das erste Wort zu sagen. Keiner möchte das Fabelwesen berühren, um für einen Augenblick die Möglichkeit der Realisierung festzuhalten. Ihre Gedanken fliegen durcheinander. So eine Tour ist schon seit Jahren ihr großer Traum: Schwedens Ostküste mit dem Segelboot erkunden! Nein, überhaupt auf der Ostsee segeln!

    Als Erster versucht Kay aus dem Nebel zu rudern und kämpft um klare Sicht. Er sitzt neben Anna auf der Couch, legt seinen Arm um sie und erklärt: »Das geht nicht. ... Dieses Angebot kommt so plötzlich, so unerwartet, so unangemeldet und du weißt nicht, ob wir den Anforderungen gerecht werden können. ... Wir kennen das Boot nicht! Die Crew soll in Schweden ausgetauscht werden, wie soll das überhaupt bewerkstelligt werden? Wann? ... Wo? ... ?«

    »Sag mal, was erzählst du da?«, Anna schiebt ihren Freund aufgebracht zur Seite, »so ein Angebot bekommt man nur e i n m a l im Leben! Einen O s t s e e t ö r n! Das ist einer meiner großen Lebenswünsche und nun wird mir die Erfüllung dieses Traumes vorgeschlagen und du kommst mir mit deinen ewigen Bedenken, tausend Mal WENN und ABER ...!« Sie ist wütend und außer sich.

    »Nun reg’ dich nicht auf! Was weißt du denn? ... Wie soll die Tour aussehen? ... Wo soll es hingehen? ... Wie lange sind wir unterwegs? ... Wann geht es los? ... Wo geht es los? ... Welche Voraussetzungen müssen wir erfüllen? ... Wie kriegen wir unsere Termine koordiniert? ... Wer übernimmt in unserer Abwesenheit den Telefondienst in der Firma? ... Was müssen wir mitnehmen? ... Haben wir die nötige Ausrüstung? ... Wir haben für diese Gewässer keinen Segelschein! … Wo hast du eigentlich deine Gummistiefel gelassen?«

    Anna steht ruckartig auf, wirft ihrem Gegenüber das Kissen an den Kopf und hält sich zornig die Ohren zu: »Scheiße, verdammte Scheiße! Du machst mir alles kaputt!«

    Sie hat Tränen in den Augen, greift zum Telefon und wählt die Nummer ihrer Eltern. Sie kann kaum sprechen und schluchzend meldet sie sich: »Hallo Vati, ich bin es. Danke, dass ihr an uns gedacht habt, aber Kay scheint keine Lust auf so eine Reise zu haben!«

    Daraufhin wird der Hals des jungen Mannes immer länger, er spitzt die Ohren und reißt seiner Freundin sehr abrupt den Telefonhörer aus der Hand. Bestürzt schüttelt er den Kopf und schreit protestierend ins Telefon: »So stimmt das nicht! Das habe ich SO nicht gesagt! Natürlich habe ich Lust auf einen Segelurlaub! So eine Segeltour wäre sogar das Allergrößte! Ein Traum!«

    Bevor Kay sein ABER und die vielen Bedenken äußern kann, fällt ihm der Vater entschieden ins Wort: »Na, dann ist ja alles in bester Ordnung! Wir erwarten euch morgen gegen Mittag bei uns. Am frühen Nachmittag wollen Madam und Herkules aufbrechen und vorher solltet ihr euch mit ihnen unterhalten. Euer Einsatz beginnt in zwei Wochen. Bis morgen! Ich freue mich auf euch! Grüß meine Prinzessin, Tschüß!«

    Kay hört das monotone Tuten des Telefons und sieht den Hörer verdutzt an. Dann legt er ihn auf, immer noch kopfschüttelnd.

    Was war denn das? Bleich und fassungslos erklärt er: »Ich glaube es nicht! Das kann nicht sein! Wir fahren morgen Mittag nach Rostock, um mit Herkules und Madam über unser eventuelles Mitsegeln zu reden! Das ist unmöglich!«

    Anna trocknet schnell die Tränen und grinst schweigend – ihr Papa ist der Allerbeste!

    Am darauf folgenden Tag sitzt das überrumpelte Paar im Auto, fährt zu den Eltern und mit ihnen zusammen am Nachmittag zum Segelclub, um sich dort mit Herkules, Madam, Sven und Marina zu treffen. Nach kurzem Suchen finden sie die Anlegestelle der »Brise«. Madam und Herkules lassen den Seesack und die Verpflegungskiste auf dem Bootssteg stehen und freuen sich sehr, ihre neuen Mitsegler zu begrüßen.

    Die Mannschaft bereitet gehetzt das Absegeln vor und hat ihre Vorbereitungen fast abgeschlossen. Beim Eintreffen der Freunde übernimmt Madam sofort das Kommando. Bevor die Neuen richtig Luft holen können, sind alle bedeutenden Absprachen getroffen. Als Erstes und Wichtigstes werden die Handynummern ausgetauscht und sie verabreden, in zwei Wochen die Zeit und den genauen Treffpunkt der Mannschaften über die Handys zu vereinbaren.

    Dann übernimmt vorübergehend Sven die Erklärungen und erläutert in Kurzfassung das Gesamtvorhaben: »Euer erster größerer Törn auf einem Seekreuzer soll so aussehen: Ihr fahrt mit eurem Auto von Rostock nach Stockholm. Wir werden uns in den nächsten zwei Wochen mit dem  S e g e l b o o t nach Stockholm bewegen. Wir treffen uns bei Stockholm und dort wird der Crewwechsel erfolgen. Wir steigen vom Schiff ab und ihr werdet aufsteigen. Wir werden das Schiff verlassen und mit eurem Auto die Heimreise antreten. Nach dem Mannschaftswechsel segelt ihr auf der »Brise« in nicht bekannte Fernen.

    Zwei Wochen Erholung, Freiheit, neue Erfahrungen und Spaß. Zurück schippert ihr über den östlichen Schärengarten bis nach Rostock. Alle konkreten Entscheidungen über den einzuschlagenden Kurs werdet ihr zusammen mit Herkules und Madam »vor Ort« fällen und diese aufgeführten Alternativen sind wetter- als auch zeitabhängig. Außerdem wird eure Seetauglichkeit bei der Entscheidung der Eigner, welche Route sie wählen, eine wichtige, durchgreifende Rolle spielen. Madam träumt vage von einer Reise zu den Ålandinseln, die sie immer schon besuchen wollte. Dafür müsst ihr allerdings erst eure Fähigkeiten beweisen.«

    Alles klar?

    Ein Trip zu den Ålandinseln, von denen die Segelamateure noch nicht mal wissen, wo sie auf dem Atlas zu finden sind!

    »Ah, haaa – zu den Ålandinseln!?«, Kay schüttelt vor Entsetzen energischer, als am Tag zuvor den Kopf. Annas grüne Augen hingegen funkeln bei dem Gedanken an ein Abenteuer voller romantischer Erwartungen.

    Herkules und seine Mannschaft

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