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Flüchtlingsdrama eines Drillings
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eBook172 Seiten2 Stunden

Flüchtlingsdrama eines Drillings

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Über dieses E-Book

Der lange Schatten des 2. Weltkrieges wird hier aus der Vergangenheit angesehen. Isa Louise Reichenbach erzählt von der Heimat der Familien, den Kriegswirren und der Vertreibung aus den Heimatgebieten. Sie empfand die familiäre Entwurzelung als unstillbare Sehnsucht nach Heimat.
70 Jahre danach stellt sie die Geschichte in eine Gegenwart des modernen 21. Jahrhunderts.
SpracheDeutsch
Herausgeberepubli
Erscheinungsdatum19. Jan. 2016
ISBN9783737586252
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    Buchvorschau

    Flüchtlingsdrama eines Drillings - Isa Louise Reichenbach

    Wie meine Eltern sich kennenlernten

    Meine Mutter Claire stammte aus einer pommerschen Großstadt. Sie war klein und zierlich mit dunklen Haaren und schwarzen, lebendigen Augen. Die von den durchlebten Ereignissen verängstigte und unsichere junge Frau erwartete mich, das Kind, das in ihr heranwuchs, voller Freude und Erschrecken. Lähmende Gefühle waren durch die Verluste entstanden, aber auch Zwiespalt, denn nichts war mehr wie vorher.

    Ihr Vater war bei der Deutschen Bundesbahn als Wagenmeister tätig und konnte die Familie gut versorgen. Er hatte mit seiner Frau schon ein kleines Haus am Rande der Großstadt Stettin. Im Kreise einer frohen Familie wuchs meine Mutter mit ihren beiden Schwestern – einer älteren und einer jüngeren und alle bildhübsch mit schwarzen Augen und Haaren – heran. Der Opa und die Mutter waren Schneidermeister. Sie hatten viele gute Kunden in Stettin und erfreuten sich großer Beliebtheit. Auch die Familie wurde stets mit stilvoller und moderner Kleidung versorgt. Es mangelte an nichts.

    So konnten alle drei Mädchen unbesorgt zu jungen Frauen herangewachsen. Gern gingen sie in das bekannte Stadtcafé Ufa, in dem Tanzveranstaltungen stattfanden. Mutter und die älteste Schwester machten eine Ausbildung in Büros und die jüngste wurde Friseurin.

    In Stettin lernte Claire ihren späteren Mann kennen: Edwin, der dort als Soldat stationiert war. Die Soldaten amüsierten sich in der Freizeit und besuchten die Lokale, in denen sie junge Frauen trafen. Der junge Edwin war schon in seiner schlesischen Heimat in Vereinen, bei denen Schauspielstücke vorgetragen wurden, tätig. Es wurde viel musiziert und gesungen und er spielte manchmal Schifferklavier. Außerdem imitierte er als Conférencier alte, bekannte Schauspieler. Die Leute mochten ihn und vergnügten sich gern dort.

    Claire und Edwin verliebten sich und erlebten zueinander eine große Faszination und Lebendigkeit. Sie beschlossen zu heiraten.

    Inmitten einer unruhigen Kriegszeit, in der die Menschlichkeit in einem Chaos versank, richteten die Brauteltern der Braut für Claire 1942 ein wundervolles Hochzeitsfest in der Heimatstadt Stettin aus.

    Das hübsche Brautkleid und der Schleier mit einer langen Schleppe wurde vom Opa selbst geschneidert. Die Trauung fand in einer evangelischen Kirche statt und alle Familienangehörigen nahmen teil. Man war fröhlich und guter Dinge und hoffte, das Glück begleite die beiden Vermählten in allen Zeiten. Der Krieg war in den Momenten vergessen. Geschossen wurde woanders!

    An diesem Tag begegneten sich beide Familien zum ersten Mal: die Familie der Braut aus der Stadt und die Familie des Bräutigams vom Lande. An Gegensätzen kaum zu überbieten.

    Die eine stammte aus der ländlichen niederschlesischen Idylle mit kleinen Gebirgsketten sowie Bächen und Flüssen, in denen es Fische zum Angeln gab, die danach zu leckeren Gerichten verarbeitet wurden. Viel Obst hing an den Bäumen und genug Vieh stand in den Ställen. Das Leben spielte sich in der Natur ab. Die Kinder tollten am Bach neben dem Familienbesitz herum und in den stets schneereichen Wintern schnallten sie sich sogar selbst gebaute Skier unter die Füße und fuhren die Hänge hinab.

    Demgegenüber war Claire, die Braut, ein Kind der Großstadt in damaliger Zeit. Claire mit ihren beiden Schwestern bewegten sich als Stadtkinder in ihrer Umgebung und kannten weniger natürliche Freiheit. Sonntags spazierten die Eltern mit ihren Töchtern auf der wundervoll angelegten, sogenannten Hakenterrasse. Ihr Name stammte vom Bauherrn Hermann Haken. Die gesamte Anlage ist aus Sandsteinblöcken gemauert. Rechts und links der Treppenaufgänge befinden sich die als Lampenträger stilisierten Leuchttürme und oben zwei große Pavillons als Flankenbegrenzung. Unten steht eine Plattform mit der Springbrunnengrotte darunter. Der Spaziergang wurde immer von gemütlichem Kaffeetrinken unterbrochen. Von den Lokalitäten konnten die im Hafen liegenden oder auslaufenden Schiffe betrachtet werden, was den Kindern Spaß machte.

    Kriegszeit, familiäre Belastungen und Schwangerschaft

    Die Kriegsereignisse nahmen die parteilos gebliebenen Jungvermählten in ihre Dienste. Er wurde Soldat und sie Stabshelferin. Die jeweiligen Tätigkeiten sorgten für häufige räumliche Trennungen. Edwin war zunächst in Niederschlesien stationiert und Claire als Stabshelferin in verschiedenen Orten nahe Stettin tätig. Es war 1942 und für die Bevölkerung sah es aus, als wäre alles gut. Die Familie in Stettin war noch im Ort und Edwins Mutter konnte ihr Gasthaus in Schlesien weiterhin betreiben.

    Durch die Kriegsdienste konnte sich das junge Ehepaar jedoch immer nur kurzfristig treffen. 1943 wurde Claire schwanger. Sie war inzwischen nach Peenemünde versetzt worden – einem gemütlichen Städtchen an einer Ostseemündung im Oderhaff. Der Fluss Peene prägte diese traumhafte Naturlandschaft. So ahnte niemand der jungen Leute, was in der sogenannten Heeresversuchsanstalt Peenemünde eigentlich stattfand.

    Sie waren einberufen worden und verrichteten irgendwelche Tätigkeiten: die Frauen Schreibarbeiten und – eingeteilt in Gruppen – vielfältige Zugehdienste für die Soldaten. Es gab große Küchen für alle, in denen auch einige arbeiteten. Die jungen Frauen wohnten in verschiedenen Häusern, getrennt von den Wohnblöcken der Soldaten. Die Stabshelferinnen waren zum Teil in Holzbaracken im Wald untergebracht. Ein anderer Teil wohnte in einem Hochhaus an der Ostseemündung. Die Freizeit wurde mit Sport oder fröhlichen Veranstaltungen ausgefüllt. Niemand bekam mit, was wirklich dort vor sich ging, denn nur Eingeweihten war bekannt, wo das Kriegsmaterial hergestellt und gelagert wurde. Auch die Einheimischen bekamen nicht mit, dass dort Versuche stattfanden oder Waffen eingelagert wurden. So dachte niemand daran, dass Bomben ausgerechnet in Peenemünde abgeworfen werden, obwohl Küstenorte als beliebte Kriegsziele galten. Das hier oft hergestellte Kriegsmaterial konnte schnell und einfach auf Frachtschiffe verladen und über den Seeweg zu den Orten gebracht werden, an denen man sie benötigte.

    Passagierschiffe im Krieg hatten verschiedene Einsätze. So war beispielsweise die Wilhelm Gustloff ein großartiges Schiff mit vielen Annehmlichkeiten der damaligen Zeit. Das junge Ehepaar Claire und Edwin unternahm auf der Wilhelm Gustloff nach ihrer Hochzeit eine kleine Fahrt. Es gehörte zu ihren schönen Erinnerungen. Als die Gustloff durch einen Beschuss mit Tausenden Menschen an Bord versenkt wurde, trauerten die Eltern der Wilhelm Gustloff nach. Der Untergang war eine große Katastrophe.

    Es war der 17. August 1943 und gegen Mittag, als plötzlich die Sirenen heulten. Gellend, kreischend, lauter und immer unerträglicher werdend, erfüllte ein unbeschreiblicher Lärm die sonst so stille Luft in dieser herrlichen Landschaft. Die Tiefflieger kamen wie Pfeile angeschnellt, um ihre an Bord geladenen Bomben abzuwerfen. Quälende Gedanken, dass es hoffentlich bald vorbei ist. Minuten wurden zu Stunden. Erbarmungslos heulte und knallte es. Alle rannten umher, um Unterschlupf zu finden.

    Als das Hochhaus getroffen wurde, in dem viele junge Frauen wohnten, kamen zu dem Lärm des Fliegerangriffs noch die Schreie der Frauen dazu. Die mit Phosphor gefüllten Brandbomben ließen sich nicht löschen und daher warfen sich die schreienden Frauen ins Meer, um ihre feurigen Körper zu löschen. Sie kreischten und schrien, aber das Wasser half nichts. Sie fackelten wie lebendige Kerzen unter grausamen Schmerzen ab und verkohlten bei lebendigem Leibe.

    Auch die junge, schwangere Claire rannte – so schnell sie konnte – mit den anderen Frauen ins Wirtschaftsgebäude, welches bisher verschont geblieben war. Sie kauerte sich mit den anderen Frauen aneinander, schlotternd versuchten sie, einander Halt zu geben. Claire war am meisten mitgenommen. Ihre Freundinnen mussten sie eine ganze Weile festhalten, bis sich ihr Körper beruhigt hatte. Das Geschehen lief ab wie in einem Zeitraffer der Unendlichkeit, so beschrieb sie es später. Wie alle feststellten, hatte der Angriff nur kurz gedauert, denn es war immer noch um die Mittagszeit.

    Zurück ließ er den Himmel – neblig, grau und verhangen – einen Geruch – penetrant, scheußlich – und traumatisierte, angsterfüllte junge Menschen. Auch Claire konnte das niemals vergessen. Die durchlebten Gefühle begleiteten fortan ihr weiteres Dasein.

    Die werdende Mutter war von dem Geschehen so erschüttert, dass sie nicht mehr in Peenemünde bleiben wollte. Aufgrund der Schwangerschaft konnte sie einen Versetzungsantrag in die Nähe ihres in Schlesien stationierten Ehemannes stellen, der umgehend genehmigt wurde. Kinder waren zu dieser Zeit sehr erwünscht.

    Sie reiste sofort zu ihrer Schwiegermutter nach Bernstadt in Schlesien, die dort als gelernte Köchin die Gaststätte Schützenhaus betrieb. Das Schützenhaus war ein großes altes Gebäude mit dicken Mauern, hinter denen es mächtig kalt war. Die Septembertage waren schon ziemlich kühl geworden und die junge, schwangere Frau fror in dem Haus sehr. Mit ihrem Ehemann stand sie dank der gut funktionierende Feldpost in Verbindung. So wusste Claire auch, dass ihr Mann nicht sehr weit entfernt, im Ort Rogau-Rosenau, bei der Fliegereinheit stationiert war. Edwin bildete dort andere Soldaten aus.

    Eine Weile die Kälte bei der Schwiegermutter hingenommen, entschloss sie sich, ihren Mann, den künftigen Vater, aufzusuchen, der sich sehr über ihr Kommen freute. Er suchte und fand sofort ein Zimmer in einem Hotel.

    „Da bekam ich ein wunderschönes Zimmer, erzählte sie später, „und alle waren sehr freundlich.

    Das war eine gute Ankunft in Zobten am Berge, wie der Ort hieß.

    Die Zeit der Schwangerschaft ging voran und der Körper kam in Form. In dem Hotel konnte sie auf Dauer nicht bleiben und mit einem bald ankommenden Kind überhaupt nicht. Also machte sie sich auf die Suche nach einem Zimmer zur Untermiete. Schnell fand sie ein sehr schönes Quartier bei einer Frau Schmidt in der Bergstraße.

    Das Anwesen von Frau Schmidt war so gebaut, dass die Vorderfront mit zwei Fenstern versehen war. Statt einer Türe ins Haus gab es einen kleinen Torbogen, durch den man in einen Innenhof kam, in dem wunderschöne Blumen und kleine Bäume angepflanzt waren. An den Wänden rankte wilder Wein mit seiner lebendig-dunkelroten Farbe. Für eine werdende Mutter eine Oase der Ruhe – mitten im Krieg, den es hier nicht gab.

    Es kam ein sehr kalter Winter 1944. Doch in ihrem Zimmer war es warm und gemütlich. Der kleine Ofen verbrannte die Kohlen sehr gut und erzeugte eine wohlige Wärme.

    Claire hatte zwar einen schlesischen Mann geheiratet, aber sie wusste von der Heimat ihres Mannes noch gar nichts.

    Zobten am Berge war hübsch und von kleinen Hügeln umgeben. Größere Häuser wie in Stettin gab es dort nicht, auch keine Busse und Straßenbahnen. Edwin schilderte, dass die Menschen in Schlesien sich untereinander schon Glaubenskämpfe vor dem Krieg geliefert hatten. Die schlesischen Gebiete waren zumeist von katholischen Gläubigen besiedelt, den evangelischen Glauben, dem meine Mutter angehörte, kannte man kaum. Die evangelischen und die katholischen Leute durften nicht miteinander sprechen. Die beiden Pastoren beschimpften sich wegen der Glaubenszugehörigkeit. Sie forderten die Leute sogar mal auf, sich gegeneinander aufzulehnen. Das uferte aus und die Leute gingen mit Stöcken aufeinander los. Das Volk wurde vom Virus des Kleinkrieges infiziert und kämpfte einen sinnlosen Kampf. Alle waren sich irgendwie fremd und vermuteten hinter jedem anderen etwas Schlechtes. So war kein vernünftiges Miteinander möglich. Ein geheimnisumwittertes, gespanntes Verhältnis hatte sich unter den Menschen breitgemacht. Der Fleischer grüßte den Bäcker von nebenan nicht mehr, obwohl sie jahrelang befreundet waren – nun trennten sie die Parteibücher. Es tobte selbst in der Zeit des Zweiten Weltkrieges auch noch ein zwischenmenschlicher Kleinkrieg.

    In diesem Klima des Miteinanders hatte die Mutter Meta versucht, das Gasthaus, das ihr als Witwe ihres verstorbenen Mannes gehörte, zu führen. Das war ein Speiselokal mit etlichen Stammgästen, denn sie liebte ihren Beruf als Köchin sehr.

    Von diesen Geschehnissen wusste die werdende Mutter Claire gar nichts. Ihr Leben in der Großstadt war schon damals angenehmer.

    Die Geburt der Zwillinge und das Trauma des Todes

    Es war der 25. Februar 1944, als die Geburt bei der jungen Frau begann.

    In dem kleinen Ort Zobten gab es nur ein kleines Krankenhaus, das die werdenden Eltern eilig aufsuchten. Allerdings war nur eine Hebamme

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