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Rentadep: die Substies
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Rentadep: die Substies
eBook513 Seiten6 Stunden

Rentadep: die Substies

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Über dieses E-Book

Eine Firma, von fünf Freunden gegründet, will Drogenabhängigen aus ihrer sozialen Ecke helfen. Ein extra entwickeltes Opiat, macht den üblichen Beikonsum von Alkohol und Drogen überflüssig. Als Gegenleistung verpflichten sich die damit substituierten zu lohnfreier, nicht gewerblicher Arbeit. Ein riesen Erfolg, gut für alle Beteiligten? Ein Vorstandsmitglied bekommt mit, dass hinter der sozialen Fassade kriminelle Machenschaften laufen und beginnt zu ermitteln. Es gehschieht ein Mord und er gerät in Lebensgefahr. Gibt es erneut einen Genozid auf deutschem Boden?
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum4. Apr. 2018
ISBN9783742743282
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    Buchvorschau

    Rentadep - Jens Otto Holländer

    Vorwort

    Er erwacht.

    Etwas hat ihn geweckt.

    Wie in der Nacht der Entführung.

    Jo sieht sich erschöpft und müde in seiner Zelle um. Was soll schon sein. Das gedämpfte, Licht zeigt nicht viel. Licht? Nachts Licht? Er spürt einen leichten Luftzug.

    Mit einem Schlag ist er wach. Schaut sich um. Die Türe, in der sich wochenlang, nur der Schieber geöffnet hat ist auf. Wie lang? Er springt von der Pritsche auf schaut ungläubig. Sie ist ein Spalt weit offen. Am Boden liegt ein kleiner Zettel. Mühsam, mit zitternden Fingern entziffert er: „du hast 15 Minuten. Nimm den Aufzug, gehe in dein Büro. Bestelle ein Taxi. Büro Wohnung sind verwanzt. Viel Erfolg. Die Zeit läuft ab: JETZT."

    Er zieht seine Asics an. Ungläubig und mit Angst öffnet er die Türe. Ein kleiner Gang, wie seine Zelle aus grauem Beton. Außer seiner noch zwei weitere Türen und am Ende des Ganges eine steile Treppe nach oben. Eine kleine Türe, davor ein riesiger Kasten, ah ein Teil der Heizanlage, ein Stück weit vorgeschoben. Er durchquert den Raum, vorne sieht er Licht. Nun steht er im Treppenhaus. Noch ein Stock höher mündet es in einen Flur. Teppichboden und ein wartender Aufzug. Nun weiß er endgültig, wo er ist. Der Aufzug steht seltsamerweise bereit. Unschlüssig steigt er ein, drückt 2. OG. Viel Zeit bleibt ihm nicht, dass ist ihm klar. Der scharfe Geruch von altem Schweiß und Urin sticht ihm in die Nase, sein Magen fühlt sich an, als hätte er sich auf Walnussgröße zusammengezogen. Ihm ist speiübel. Warum fährt der Lift so lahm?

    Endlich hält der Aufzug. Er sieht sich rasch um, tritt in den Gang und ist in wenigen Sekunden vor seinem Büro.

    Er atmet tief ein und presst sein Auge an das Okular, gibt unten den code ein. Nichts geschieht. Sein Blut pocht erschreckend laut in seinen Ohren. Was ist los?

    mit einem trockenen Klicken entriegelt sich die Türe.

    Schräg gegenüber öffnet sich einen Spaltbreit eine Bürotür und jemand beobachtet, wie Jo sein Büro betritt.

    Na wenigstens das funktioniert noch, in seiner plötzlich zerbrochenen Welt. Er sieht sich um, atmet tief ein.

    Jo Volland, stellvertretender Geschäftsführer eines Milliarden umsetzenden Imperiums, steht stinkend, mit fettigen Haaren, bereit sein Reich zurück zu erobern…

    März 2043

    Das Haus, am Rand von Köln, 10 Minuten mit dem Bus von Köln-Mühlheim entfernt, stand etwas abseits. Es war von einer Mauer umgeben, die Außenfenster im Erdgeschoss waren vergittert.

    Auf der Klingel, einem kleinen Messingschild stand Rentadep. Ein Bus hält in der Nähe. Das ist praktisch für die Bewohner des Hauses, denn die meisten haben kein eigenes Auto.

    Eine junge Frau, Mitte 20, gepflegtes Aussehen, mit modischer Kurzhaarfrisur, Makeup und in sauberen Jeans und grüner Bluse betrat mit einem Schlüssel das Haus. Musik lief im Hintergrund.

    „Ich bin es, Karin"

    „Jooh-„ rief jemand von hinten. Rechts ging es in die Küche. Links durch einen Flur in ein riesiges Wohnzimmer welches sich nach rechts ausdehnte, in dem eine Sitzecke und gemütliche Sofas Platz fanden, ein riesiger Flachbildschirm, ein Esstisch mit 12 Stühlen, Kamin, Couchtisch und diverse Regale mit Büchern an den Wänden. Die Wände zum Garten hinaus waren verglast, so dass es taghell war in dem Raum. An einer der Längsseiten ging eine Treppe hinauf auf eine kleine Empore. Von dort erreichte man die 10 Zimmer und drei Badezimmer, die sich die Bewohner teilten.

    In der Sitzecke saßen zwei jünger Männer, und betrachteten voll Bewunderung, wie Karin hüftschwingend die Treppe nach oben ging.

    „darf ich mit?"

    „von was träumst du nachts" lachte Karin

    „von dir." Boris verdrehte die Augen und schaute wieder auf den Bildschirm. Er war 26, seit vier Jahren dabei und hatte heute einen freien Tag

    „Wo ist eigentlich Daniel?" fragte Boris

    „er ist zum Checkup. Er wird wohl bald vermittelt werden.

    Dann ist Schluss mit dem süßen Nichtstun" feixte Boris.

    „Und was macht Peter, unser Opa.?"

    „Unser Opa ist 38 und in fünf Jahren schon durch mit dem Programm. Er hat einen super Job. Opa war einer der ersten Programmabsolventen von Rentadep. 2025, im Gründungsjahr fing er an. Ich glaube er hat was laufen mit seiner Chefin Charlotte oder so heißt die."

    „ Die Sexbombe? Ja klar. Die ist doch steinreich. Weißt Du, was er dort macht?"

    „Alles was anfällt. Gartenarbeit, Wagen waschen, Einkäufe und ab und an muss er dann bei ihr ran. Sie lässt ihn sogar den neuen G8 fahren."

    „Das ist doch Geschwätz."

    „Von wegen.."

    Abends, wenn die meisten zu Hause waren, ging es oft lebhaft zu im Haus. Musik lief, die Leute unterhielten sich laut, der Fernseher war laut gestellt, es wurde gekocht, gegessen, gelacht und gestritten. Kurz vor 23 Uhr wurde es dann auf einmal merkwürdig still. Jeder verschwand in seinem Zimmer. Punkt elf hörte man dann aus dem einen oder anderen Zimmer ein leises Stöhnen oder erleichtertes Aufatmen. Die Bewohner hatten ihre Abenddosis gesprayt. Sie waren alle hochgradig Opiatabhängig. Ihre Droge hieß Euphorin und sie bekamen sie dreimal am Tag. Sie wollten sie dreimal am Tag. Sie brauchten sie dreimal am Tag. Ohne Euphorin war jeder, nach spätestens 20 Stunden, so auf Entzug, dass sie ins Krankenhaus müssten. Doch so weit kam es ja nicht. Sie alle waren Teilnehmer des Rentadep Programms, für maximal 20 Jahre.

    Sylvia

    Sylvia stand in der Küche, nippte an ihrem Weißwein, sah nach draußen und rauchte. Ihr Mann Dieter, 38, Abteilungs- und Lagerleiter einer Firma für medizinische Geräte, kam rein und holte eine Dose Bier aus dem Kühlschrank.

    „was ist los Schatz?"

    „ich weiß nicht. Ich kann nicht mehr. Mit den drei Kindern, dem Haus, dem Garten und den Vormittagen im Salon, all das wächst mir über den Kopf".

    „das weiß ich, Darling. Drum lass uns doch einen Substie nehmen."

    „spinnst du? Ich hole doch keinen Junkie ins Haus."

    „die von Rentadep vermittelten Substies sind zuverlässig. Du brauchst keine Angst zu haben. Substies sind von Haus aus eher konfliktscheu, harmoniebedürftig und etwas antriebsarm. Ihr Sexual Trieb ist durch ihre Droge stark gedämpft und kriminell sind die schon gar nicht. Allerdings gibt es fast nur Männer."

    „wie war das mit dem Sex Trieb?"

    „Sylvia bleib doch ernst. Fast jeder zweite meiner Kollegen hat einen Substie, der ihm zuhause hilft.. Je nach Bildungsgrad und des Erwartungsprofils des Kunden bekommt man eine preiswerte Hilfe für 75€ die Woche.Für unsere Anforderungen schätze ich 200 die Woche, aber dann hast du einen Vollzeit HiWi."

    „Und was verdienen die Substies daran?"

    „Nichts. Sie kriegen immerhin ihren Stoff."

    „Ist das legal?"

    „Natürlich. Ist ein staatlich kontrolliertes Programm. Die Süchtigen machen einen Vertrag mit Rentadep, dann sind sie 10-20 Jahre versorgt, erhalten am Ende sogar eine Prämie und auf Wunsch für den Rest des Lebens ihren Stoff. Ich verstehe auch nicht, wie man für so etwas seine Seele verkaufen kann.

    Ist noch genug Bier im Haus? Du weißt, ich fahre ungern, nach den ersten zwei Sixpacks. Scheiß Drogies. Noch Wein? Oder soll ich was Stärkeres mixen? Die Kinder sind über Nacht in der Kita und Evelyn schläft bei einer Freundin."

    „Mach mir einen Highball- und spare nicht am Bourbon. Weißt du Schatz, je länger ich drüber nachdenke, desto besser finde ich die Idee. Bring doch mal ne Broschüre mit."

    Charlotte

    Charlotte hatte richtig Power. Neben einer hinreißend erotischen Ausstrahlung, besaß sie Durchsetzungsvermögen und einen starken Willen. Durch harte Arbeit, Fleiß, den entsprechenden Weiterbildungen und vielen guten Beziehungen, hatte sie es zur Vermögensberaterin der Reichen Bürger Stuttgarts gebracht. Sie arbeitete weiter, wenn andere Feierabend machten. Selbst ihre Freizeit ordnete sie dem Plan, weit zu kommen, unter.

    Sie war 165cm groß, brünette Haare, grüne Augen, schmale Schultern eine makellose Haut, schöne Hände, schön geformte, sehr üppige Brüste, eine geschwungene Taille und Hüfte und muskellöse Waden, die erst kurz vor den hochgeschwungenen schönen Füßen endeten, wenn überhaupt, der einzige Abzug eines makellosen Körpers, sofern einem die Nase gefiel, die gut ins Gesicht eines Raubvogels gepasst hätte. Und angewachsene Ohrläppchen. Andere Frauen boten ihren Sex tröpfchenweise an. Charlotte knallte einem ein Östrogen XXL Paket vor den Latz, dass Männer reihenweise scharf und einige Frauen feucht werden ließ. Idioten wurden ihr gegenüber anzüglich und ab dann wie Luft behandelt. Mit 17 Jahren hätte sie mit ihrem Körper 5000EU$ pro Date verlangen können. In schwarzer Spitzenunterwäsche, so sah es ihr Liebhaber Jo, sah sie aus, als hätte sich ein lüsterner Sexgott eine Gespielin geschaffen.

    Doch sie war keine Prostituierte und wollte keine sein, bei allem Verständnis für den ältesten aller Berufe. Sie hatte durchaus verinnerlicht, dass bei vielen Männern der Penis die Leine ist, an der man den Mann führt.

    Nun, mit 38, hatte sie es weit gebracht. Ihre Firma High Society lief bestens, sie verdiente weit mehr als sie ausgeben konnte, ihre Beraterhonorare konnten sich sehen lassen, ihre Kontakte waren unbezahlbar und einem kleinen Kreis von Mächtigen war stillschweigend bekannt, dass sie bereit war, sehr viel in die Waagschale zu werfen, solange sie ein Ziel verfolgte.

    Sie zahlte einen Haufen Steuern, behandelte ihre Angestellten und Partner fair und sie war in den maßgeblichen Wirtschaftsmagazinen als eine der erfolgreichsten Unternehmerinnen der EU erwähnt worden.

    Als sie mit 17 Jahren bemerkte, welche Wirkung Sie und ihr Körper auf Männer hatte, ging sie eines Abends ins Bad und schnitt ihre langen lockigen Haare auf einen kurzen Pagenkopf ab. Am nächsten Tag trug sie in der Schule weite Sweater, Levis und Sneakers. Mal sehen, wie weit ich es bringe, ohne Titten und Arsch, dachte sie. Ehrgeiz und Stolz waren ihr Treibstoff. Dem Abitur folgte die Buisness shool und ein Universitätsstudium in Steuerrecht und BWL.

    Mit 23 fing sie an Männerbekanntschaften zu knüpfen. Die Männer waren glücklich, von solch einer Frau bemerkt zu werden. Und Charlotte wurde hier und da an der Seite eines mächtigen Mannes gesehen.

    Statt Geld, erbat sie sich die Teilnahme an gesellschaftlichen Ereignissen, zum Golfwochenende in den guten Clubs, zum Austernessen mit dem Heli nach Sylt, Münchner Schickeria, VIP Lounge beim VfB Stuttgart, Soiree beim Ministerpräsidenten, Ehrenvorsitzende des mittelständischen Industrie und Handelsverband, gute regelmäßige Besuche in der VIP Lounge des FC Bayern München. Die Männer schmeichelten ihr, teils beteten sie Sie an. Mit vier Männern, in drei Jahren, ging sie ins Bett. Dreimal aus Lust, einmal als Investition für die Zukunft. Das Ergebnis des letzten Kontaktes intimerer Art, war der Ratschlag und dann Ankauf eines vierjährigen Hengstes vom Landesgestüt Marbach und zwei weiterer Hengstfohlen und einer zweijährigen Stute, während der jährlichen Hengstparade in Riedlingen, BW, wo sich das Who is Who Süddeutschlands traf. Den Hengst verkaufte sie 15 Monate später mit einem Gewinn von 100%. Die ersten selbst verdienten 650.000 EU$. Nach sieben Jahren Vorarbeit, mit 26 Jahren, gründete sie die Beraterfirma High Society. Ab dann rollte der Rubel. Sechs Jahre später, Rentadep war auf dem steil aufwärts führenden Weg, hatte sie die geniale Idee, gutaussehende, weibliche Abhängige, von Rentadep freizukaufen und mit Ihnen eine Escort Firma aufzuziehen. Durch sorgfältige Auswahl bundesweit und ihre guten Kontakte andererseits lief High Heels vom ersten Tag an. Sie nahm nur Frauen mit deutscher Staatsbürgerschaft, egal welcher Nationalität sie herstammten. Die Mädchen bekamen bis zu 10.000 EU$ pro Nacht, Ausnahmen wurden auch für 100.000 EU$ für ein Wochenende gemietet, und gaben die Hälfte an Charlotte ab, die wiederum dafür sorgte, dass ihre Modells ihr Geld so anlegten, so dass sie, mit Ende 30 beruhigt in den wohlverdienten Ruhestand treten konnten. Trinkgelder, oft ein oder zwei Tausender und mehr, durften die Frauen behalten. Den Frauen von High Heels war es freigestellt, ob sie mit den Kunden auch sexuell verkehrten. Dies und der hohe Lebensstandard, den die Models hatten, sorgten für viel mehr Bewerbungen, als Charlotte einstellen konnte. Sich zu prostituieren war die eine Sache. Sich für die richtigen Leute zu prostituieren eine andere. Nach vier Jahren High Heels, nahm Charlotte die ersten männlichen Modelle, als Call Boys auf. Ein Fass ohne Boden schien sich öffnen.

    Alles Private hielt Charlotte erfolgreich, dem stets hungrigen Blick der Presse fern. Man wusste, sie hatte zwei Kinder und einen Mann.

    Durch ihren Mann, einen liebevollen langweiligen Typ, bekam sie mit, wie Euphorin in den Markt einschlug. Sie erkundigte sich, befasste sich mit dem Rentadep Programm und fand die Lücke. Solvente Abhängige Euphorin süchtige, also Rentadep Kunden, konnten sich für 2000 €/Monat vom Programm freikaufen und erhielten ihre Wochenration Euphorin ohne weitere Gegenleistung. Sie selbst war was Drogen und Rausch anging, kein Kind von Traurigkeit.

    Charlotte hatte Heroin probiert, davon wurde ihr übel, Oxycodon, lange beliebt bei Süchtigen mit Geld, war schon besser. Aber der ultimative Hochbringer, absolut zuverlässig und gut dosierbar, war Euphorin. Willensstark wie sie war, begnügte sie sich mit einer kleinen Dosis, alle zwei, drei Wochen, doch wenn sie dann ihre Dosis sprayte, dann fiel sie in ein tiefes warmes Bad voller befriedigenden Emotionen. Wenn Koks ein Gefühl von Stärke, Schnelligkeit, Lust und der Gier auf Mehr, ein flüchtiger Betrug war, dann glich Euphorin dem Om… Oder kurz: Kokain war der schnelle Schwindel, Euphorin gelassene Wahrheit. Alles was der Tag aus dem Gleichgewicht gebracht hatte, alles was innerlich zwickte oder gar schmerzte, jetzt war es vorbei. Alle Puzzlestücke wurden magisch an ihren bestimmten Ort verschoben. Sie war stets erstaunte Zeugin einer scheinbaren inneren Gesundung. Einer Art seelischer Regeneration. Und das einzige was Konsumenten dabei tun mussten, war es zuzulassen.

    Und das tat sie, seit über 7 Jahren. Genaugenommen seit 2685 Tagen. Da Charlotte ihre gelegentliche Schwäche mit Unternehmerischen Geist verband, bestand nun der zweite Teil ihrer Firma High Society, aus High Heels, einem hochpreisigen Escort Service. Dieser bot Begleitservice und mehr an, im hochpreisigen Niveau. Die angestellten Modelle waren gebildet, kultiviert, sexy und fast alle voll auf Euphorin. Sie bekamen einen Anstellungsvertrag, High Heels zahlte die Freistellungsbeträge und nun scheffelten sie Geld für Charlotte und sich selbst. Die Frauen warfen sich in die Waagschale, Charlotte ihre guten Verbindungen und noch nie, kam eine der High Heels Angestellten auf den abwegigen Gedanken zu kündigen. Die Mädchen liebten Charlotte und sie hatten großen Respekt vor ihr, denn sie konnte sehr energisch auftreten, wenn sie etwas durchsetzen wollte. Es war eine win win Situation aus dem Lehrbuch. Es gab nur einen, der mit diesem Arrangement nicht zufrieden war.

    Rentadep.

    Und es gab nur einen Menschen, der sie hasste,

    Gregor Kowalski.

    Manny

    Manny war 34, schlank, hageres Gesicht, aber stark. Er schien nur aus Sehnen, Flechsen und Muskeln zu bestehen. Und er war seit 18 Jahren Heroinabhängig. Grüne Augen blitzten aus einem hageren Gesicht, Seit einigen Jahren war er im Methadon Programm. Seine eigentliche Leidenschaft galt den Benzos. Benzodiazepine, Beruhigungs- oder auch Schlafmittel, berühmtester Vertreter Valium mit seinem Wirkstoff Diazepam. Er hatte vier verschiedene Ärzte, die ihm das Zeug verschrieben.

    Aber er war trotzdem unzufrieden mit seinem Leben und überlegte was er ändern könnte. Mittlerweile gab es seiner Meinung nach an jeder Ecke einen Laden von Rentadep. Auf der Szene in Rheydt und Mönchengladbach wurde viel über Rentadep und Euphorin geredet. Wie so oft fachsimpelten Menschen über etwas, dass sie selbst gar nicht kannten, geschweige denn nahmen. Es gab eine deutliche Trennung zwischen den gewöhnlichen Methadon/Polamidon Patienten und den Euphorin Empfängern, „Substies" genannt. Die Euphorin Substies waren verpönt und galten als noch abhängiger. Streng genommen war das Quatsch, denn abhängig war abhängig, aber das sah man nicht so eng.

    Die Substies hielten sich kaum noch auf der öffentlichen Szene auf, denn sie hatten tatsächlich viel weniger Beikonsum, als Substituierte mit den herkömmlichen Substanzen und sie waren, das musste man einfach anerkennen, in der Regel besser in die Gesellschaft integriert, dadurch dass sie gezwungen wurden tätig zu sein und sich von Rentadep für irgendetwas nicht gewerbliches vermitteln zu lassen. Den Rentadep Substituierten haftete daher das unverdiente Prädikat der Hochnäsigkeit an. Edelsubsties, wurde sarkastisch gesagt oder noch härter gehirngewaschene Fremdgesteuerte. Eigentlich sollte es so sein, dass Menschen, die ein Suchtproblem haben, mehr Verständnis für andere in gleicher Lage, haben sollten, doch dem war nicht so. Oft sind solcher Art belastete, unbarmherzig in der Beurteilung ihrer Leidensgenossen. Aber nicht immer. Es gibt immer Ausnahmen. Und eine solche Ausnahme war Sabine, die Leiterin der Beratungsstelle von Rentadep in Rheydt.

    Manny hatte sich nie für das Rentadep Programm erwärmen können, das es nun schon 17 Jahre gab. Die ersten waren schon „in Rente". Doch mit 35 Jahren hatte man die Altersgrenze erreicht, die für Neuaufnahmen galt und so war Manny nach etlichem Hin und Her Überlegen vor drei Wochen in eine Beratungsstelle in der Rheydter Straße gegangen.

    Innen sah es aus, wie in jeder Beratungsstelle. Ein Wartezimmer, Toilette, drei oder vier Büros mit Beratern. Er wurde in ein Büro gebeten und nahm neben dem Schreibtisch, hinter dem Sabine, eine Rentadep Beraterin saß.

    Sie lächelte ihn freundlich an.

    „Hallo, ich bin Sabine, bin seit 14 Jahren dabei, nehme selbst Euphorin, was kann ich für Dich tun?"

    „Hallo. Ich heiße Manny. Bin seit vielen Jahren drupp. Pillen und Schore(Heroin), das heißt ich bekomme seit paar Jahren Methadon. Ich überlege, ob ich nicht doch noch wechseln soll, bevor es zu spät ist.

    Aber erstens bin ich gegenüber dem neuen Zeug misstrauisch und dann stößt mich die Zwangsarbeit ab."

    „OK. Vielleicht erzähle ich dir erst einmal etwas über Rentadep und dann kannst du in Ruhe weiter überlegen. Vielleicht hast du dann mehr Informationen, die dir eine Entscheidung leichter machen. Egal für was.-

    Vor zwanzig Jahren kam eine Gruppe von fünf Freunden auf die Idee, die in ihren Augen mangelhafte Substitutionsmethode zu revolutionieren. Sie waren der Ansicht, dass erstens Methadon/Polamidon nur einen schlechten Ersatz für Heroin darstellen, was sich an dem massiven Beikonsum von allen möglichen Drogen, Substanzen und Alkohol, zeigt, den fast alle Substituierten haben und den starken Nebenwirkungen, die diese Mittel haben und zweitens wollten sie den Substituierten einen besseren sozialen Status in der Gesellschaft verschaffen. Raus aus der Ecke der nur ungern geduldeten. Dazu wurde dann Euphorin entwickelt, damit die Abhängigen wirklich einen echten Ersatz für Heroin haben, ohne große Nebenwirkungen und mit dem Kick, den viele von uns brauchen und zweitens durch die Vermittlung in Familien, oder auch zu Einzelpersonen, wollten sie den Substituierten eine Lebensgelegenheit bieten, in der sie bestätigt werden, sich auf Wunsch fortbilden können und nach Ablauf der vereinbarten Zeit zwei Prämien erhalten, um Altersarmut vorzubeugen. Diese Prämien werden nicht auf den Bezug von Sozialleistungen angerechnet.

    Hast Du das verstanden? Gibt es Fragen?"

    „Bist du mit Euphorin zufrieden?"

    „In jedem Fall Manny, ich weiß, dass es blöde klingt, aber ich war vom ersten Moment an von Euphorin begeistert. Ich habe übelst gesoffen und kam da nicht von los und dann nahm ich Euphorin und es gelang mir. Ich bin seit 16 Jahren so gut wie trocken und ich bin vom krankhaften Trinken vollständig weg."

    „Was sind die Nachteile von Euphorin?"

    „Hmmm. Wenn man aufhören will geht das nur im Krankenhaus. Ein ambulanter Entzug, mal so eben, ist nicht drin. Vielleicht die Tatsache, dass man kein anderes Opiat mehr will. Aber ist das ein Nachteil?"

    „Wenn ich jetzt umsteigen wollte, wie würde das gehen?"

    „Du müsstest hier zu einem unserer Ärzte zum Checkup. Dann wird ein Tag festgelegt. 24 Stunden nach der letzten Methadon Dosis bekommst du deine erste Dosis."

    „ Wie geht das? zeig mal."

    „Jeder Substie bekommt so ein Teil. Sieht aus wie eine E-Zigarette. Darauf ist der Kolben mit dem Euphorin Gas, zu Flüssigkeit komprimiert. Dreimal am Tag leuchtet ein grüner Punkt auf. Dann hast du 15 Minuten Zeit dir das Röhrchen in die Nase zu stecken, wie einen Nasenspray und tief zu inhalieren. Drei, viermal dann kommt nichts mehr. Dann dauert es acht Stunden bis zum nächsten."

    „ Schade dass man es nicht testen kann, denn ich bin unsicher."

    „Kein Problem. Du machst den Checkup, dein Arzt wird informiert und dann kannst du fünf Tage lang Euphorin probieren. Darf ich fragen, wieviel Methadon du bekommst?"

    „180 mg."

    „Hast du sporadisch oder regelmäßig Beikonsum von irgendetwas?"

    „Ab und an Schore. Und immer Pillen. Benzos. 2-10 Stück am Tag."

    Sabine nahm das zur Kenntnis, ohne irgendeine Wertung.

    Das war vor drei Wochen gewesen. Er bekam den Arzttermin, wurde für tauglich befunden und hatte seit fünf Tagen Euphorin bekommen. Nun sollte er sich entscheiden. Wieder saß er bei Sabine.

    „Wie ist es dir ergangen?"

    „Ja, ganz gut. Ich verstehe jetzt, was die Leute an dem Zeug so toll finden. Es ist wirklich kein Vergleich zu Methadon. Aber der ganze Rattenschwanz, der mit dranhängt, schreckt mich ab. Mich auf Jahre hinaus zu entgeltloser Arbeit zu verpflichten… ich weiß nicht."

    „ Weißt du Manny, in deinem Alter ist die kürzeste Laufzeit zehn bis zwölf Jahre. Die sind so schnell vorbei. Viele von uns arbeiten nur halbtags. Wenn du keinen Außeneinsatz willst, kannst du dich für Jobs innerhalb von Rentadep bewerben. In einer Beratungsstelle, als Begleiter eines Teamleiters, im Fahrdienst der größeren Niederlassungen, es gibt etliche Möglichkeiten. Solltest du zu uns kommen, dann wird das alles einzeln mit dir besprochen, du füllst einen Fragebogen aus, auf welchem du genau festlegst, was du möchtest und was nicht."

    Manny war wirklich in der Zwickmühle. Die Vorstellung auf das tolle Feeling verzichten zu müssen und wieder Metha zu nehmen, war nicht erbaulich. Aber so war er wenigstens ein halbwegs freier Mensch. Wenn man bei Rentadep unterschrieb, dann verkaufte man sich mit Haut und Haar. Genau das sagte er Sabine.

    „ Es tut mir leid, dass dir unser Programm offensichtlich nicht behagt. Vielleicht brauchst du auch einfach noch etwas Zeit. Vier Monate hast du noch. Und falls du danach meinst, du wolltest doch umsatteln, dann kommst du zu mir und ich sehe was ich machen kann. Solange du noch solche Zweifel hast, würde ich dir raten, nach deinem Gefühl zu handeln. Du bist ein gestandener Mann und keine 18."

    „Sabine ich bin dir sehr dankbar für deine offenen Worte. Ich werde nun zu meinem Doc gehen und ihm sagen, dass ich ab morgen früh wieder komme. Den Verdampfer gebe ich wie besprochen in meiner Apotheke ab. Einen Shot habe ich ja noch drin für heute Abend."

    „ Hier ist noch unser Kärtchen, machs gut."

    Als Manny sich später die Karte ansah las er in weiblicher Schrift, „Ich finde Dich süß" und eine Telefonnummer. Er lächelte.

    Zentrale

    Knapp 20 Autominuten von Reutlingen/Pfullingen entfernt, oben auf der Schwäbischen Alb, im sogenannten Sonnenbühl, einer Gemarkung von drei Ortschaften, befand sich die europäische Zentrale von Rentadep.

    Abseits von Erpfingen, auf dem Gelände eines früheren Aussiedlerhofes stand, umsäumt von einer unscheinbaren, doch ungesehen kaum zu überwindenden Umzäunung, ein flach erscheinendes 8 Stockwerke umfassendes Gebäude.

    Der Grund, warum sich alle anliegenden Landwirte und Bewohner schnell wieder beruhigt hatten, war dem Umstand geschuldet, dass sechs der acht Stockwerke in den Untergrund gegraben worden waren und man gar nicht sehen konnte, welch riesiger ,umgedreht pyramidenförmiger Komplex hier stand, bzw in der Erde versenkt worden war. Maßgeblich beteiligt, am Entwurf des neuen Gebäudes, war Architekt, Mitgründer und Vorstandsmitglied von Rentadep Markus „Sammy" Sehmann. Während der Ausschachtung waren Sichtschutz Bauzäune aufgestellt, das Gelände nachts beleuchtet und streng bewacht worden. Als nach einigen Monaten die Zäune entfernt wurden, sah man lediglich einen, relativ kleinen, zweistöckigen, entfernt an eine stumpfe Pyramide erinnernden Rohbau, der sich harmonisch in die Landschaft einfügte und der so gar nichts mehr mit der über 100m langen und breiten Baugrube, die insgesamt rund 40 m tief gegraben worden war. Aufmerksame Beobachter hätten sich gefragt, wohin die endlose Reihe von Betontransportern, ihre Fracht entladen hatte. In die unterirdischen sechs Stockwerke, die unter anderem, ein topaktuelles Gentechnik und Chemielabor und gut belüftete Räumlichkeiten nebst Computern, u.a.für Gensequentierung enthielten. Rentadep hatte sich, unterhalb des üblichen Fokus, zu einer ernstzunehmenden Biotech Firma entwickelt.

    Seit ihrer Entwicklung waren die sogenannten DNS Scheren stets weiter entwickelt worden. Wer Geld genug hatte, konnte sich schon einen Nachwuchs kreieren, der Erbkrankheiten, oder die Disposition dazu, ausschloss. Im Grunde, so dachte Jo Volland, lief es darauf raus, dass irgendwann nur noch zu wählen war, ob weiblicher Urin nach Channel Nr 5 roch und der Schweiß der Männer nach Agua Brava oder Boss.

    Das Gelände, weitläufig mit einem drei Meter hohen Zaun umgeben, war gesichert wie ein Hochsicherheitstrakt. Kameras, Bewegungsmelder, Temperaturfühler, Infrarot-Nachtsichtgeräte, akustische Überwachung, es fehlte nichts, was dem neusten Stand der Sicherheitstechnik entsprach. In bestimmte Bereiche des Gebäudes, wie z.B. Teile des Labortraktes, kam man nur nach einem Augenscan. Außen bemerkte man nur den Zaun, der sich dem Gelände anpasste und durch seinen Camouflage Anstrich relativ unauffällig wirkte.

    Jo Volland, 42, stellvertretender Geschäftsführer von Rentadep, fuhr rechts ran, sah in den Rückspiegel.

    Weit und breit kein anderes Fahrzeug.

    Er holte ein 3 cm langes, fingerdickes Glasröhrchen aus der Innentasche seines Jacketts, schüttete vorsichtig etwas Kokain auf seine dunkelgrüne Rolex, bugsierte das Platinröhrchen in die Nase und schnupfte die Portion ins linke Nasenloch. Wie immer, wenn er länger nicht geschnupft hatte, musste er plötzlich kacken. Er unterdrückte das Bedürfnis und wiederholte das Zeremoniell. Dann, um dem Ganzen etwas mehr Substanz zu verleihen, entnahm er einem zweiten Glaskolben mit rotem Korkverschluss, etwas Heroin und schickte es auf den Weg.

    „Wer braucht Euphorin?" sagte er mit leicht betäubtem Rachen. Er startete Pink Floyds Shine on your crazy diamond. Das Wageninnere mit seinen 32 Surroundboxen, sowie sein Hirn, wurden geflutet mit angenehmen Inputs.

    Sehr angenehm.

    „Remember when you were young", sang er laut mit und fuhr, immer noch der einzige bewegliche Punkt weit und breit, auf die Straße zurück und in Richtung des Firmengeländes von Rentadep. Über ihm, aber ungehört kreiste ein Mäusebussard und rief in die klare Luft.

    Obwohl abseits gelegen, konnte man in 30 Minuten zwei Autobahnen erreichen. In München war man in 2, Stuttgart Flughafen 1, Frankfurt knapp 3 Stunden. Wichtige Besucher kamen per Helikopter und landeten auf dem Dach des zweiten Stockwerks. Durch die Burg Lichtenstein, das Schloss Hohenzollern, der Bären- und Nebelhöhlen, alles touristische Ziele dieser Gegend, waren Autos mit Kennzeichen aus ganz Deutschland nichts Ungewöhnliches, vor allem in Ferienzeiten. Die Anwohner hatten sich daran gewöhnt, dass täglich Fremde in Erpfingen, Genkingen und Undingen unterwegs waren. Doch kaum einer der Gäste von Rentadep, hielt in einer der drei Ortschaften und es gab nie Ärger. Die Älbler, nach außen genauso rau wie die Landschaft, die sie hervorbrachte, dachten sich ihren Teil, und waren gegenüber Fremden sehr verschwiegen. Optimal.

    Jo Volland steuerte den neuen Mercedes E8 zur Pforte von Rentadep.

    Ein Pförtner salutierte und öffnete die Schranke. Jo gefiel das. Sollten die ruhig salutieren. Der Mann an der Pforte hatte Dreck an seinen Sicherheitsschuhen. Aufgeputscht vom Koks, in Sicherheit gehüllt vom Heroin und genervt von der Aussicht auf den Arbeitstag fragte er den Security Mann:

    „ Wie heißen sie? Gefällt Ihnen Ihr Job?"

    „ Lindner ist mein Name. Guten Morgen Herr Volland, Selbstverständlich."

    „Dann zeigen Sie das auch. Indem sie saubere Schuhe tragen. Sie sind hier der erste Repräsentant von Rentdep. Verstanden?"

    „ Ja Herr Volland. Es tut mir leid" Jo Volland sah das betretene Gesicht, wie er seinen Stolz herunterschluckte, für einen Job, der so inhaltslos und öde war, dass ihn nur Leute machen wollten, die nichts Besseres mehr finden würden.

    Und solche Leute sichern die Firma?

    Jo sprach ein kurzes Memo auf seine Smartphone.

    Der Wagen fuhr lautlos rüber zum Wachhaus, wo ihm ein Angestellter wortlos die Schranke öffnete. Der Wagen glitt fast lautlos voran, lediglich die Reifen knirschen, als er von der Zufahrt auf den immer noch nicht geteerten Parkplatz einbog. Die Elektromotoren hatten zweifellos ihre Vorteile.

    Vor allem wenn man ein Modell fuhr, das einem 560 PS Verbrennungsmotor entsprach.

    Er parkte, lief rüber zum Eingangsbereich, scannte sein rechtes Auge ein und die zwei Türen glitten auf, während eine warme weibliche Stimme feststellte.

    „Hallo Jo Volland, Rentadep begrüßt sie. Ihre Anwesenheit wurde zum heutigen Datum um 9.37 Uhr eingeloggt. Rentadep wünscht Ihnen einen profitablen gesunden Arbeitstag. Wünschen sie einen Schnellcheck?"

    „Nein".

    Jo hätte am liebsten umgedreht.

    Wie hasste er dieses blödsinnige Arbeitszeiterfassungssystem. Hätte er den Check zugelassen, so hätte die Stimme sich über seinen Hauttonus und Turgor ausgelassen und ein Glas Wasser empfohlen, sein Übergewicht angemahnt, verkrampfte Schultern erwähnt und die verengten Pupillen hinterfragt usw. Aber die Leitung bestand darauf. Dabei war er Bestandteil der Firmenleitung. Fünf gesättigte, verkommene Vorstandsmitglieder, um den Vorsitzenden Kowalski, mit dem, wenn man ihn etwas kannte, naheliegenden Spitzname Asshole.

    Von hier wurde europaweit Rentadep gesteuert. Und geplant.

    Jo Volland lief zum Lift und drückte auf das dritte UG.

    Im Wartebereich und im Lift selbst, sollte eine Farborgel, die Psyche der Gäste positiv beeinflussen. Ihn nervte es.

    Kein Wunder, dass die Schwaben so erfinderisch sind und gerne tüfteln, bei dem Klima, dachte er, während ein Kamilleduft den Lift erfüllte.

    Jo war insgeheim ein Dichter, ohne den Denker, bzw. er wäre gerne einer.

    Während er nach unten fuhr dachte er nach:

    -ist Kunst Zeit/Systemabhängig?

    Würde man Kunst von heute in 1000 Jahren als solche erkennen?

    Sollte Kunst nicht das herrschende Syst. Zu entlarven suchen?

    Nachdenklich wie er war, kam ihm Charlotte in den Sinn. Er dachte daran hinter ihr zu stehen und ihr langsam den Rock hoch zu schieben. Durch das dünne Futter seiner Anzughose begann er abwesend seinen Schwanz zu streicheln… Was mache ich mir solche Gedanken? Denken nicht nur Männer mit zu wenig Sex über so etwas nach?

    Sein Schwanz wurde langsam hart. Ihm wurde bewusst was er tat und er hörte auf, sich zu befummeln. Leicht verlegen.

    Der Lift hielt und Jo, mit einer halben Latte in der Hose, entschied sich anders, steckte den Schlüssel in die Expressvorrichtung und fuhr 5 Stockwerke hoch, in den zweiten Stock.

    Fünf Minuten später saß er an seinem Schreibtisch.

    Tageslicht gab es genug, denn sein Büro, Südseite, war nach Süden und Westen nach oben komplett verglast. Ein langer Balkon zog sich um die Ecke herum, im Sommer konnte man eine Markise ausfahren und es war herrlich dort zu sitzen. Man sah in diese Richtung kilometerweit keine menschliche Behausung. Trochtelfingen, Luftlinie 7 km lag in einem Tal und war nicht zu sehen. Ein ovaler Tisch, mit 12 bequemen Sesseln schuf eine Atmosphäre, die einen Hauch von Dominanz zuließ, je nachdem, wie man die Teilnehmer platzierte.

    Die Aussicht auf die karge Landschaft war nicht sonderlich erbauend. Doch im Sommer, der Sommer auf der Alb konnte herrlich sein, aber er blieb nur wenige Wochen, stets unterbrochen von regnerischen kühlen Tagen und im Winter bei Eis und Schnee hatte die Landschaft durchaus ihren Reiz.

    Apropos Schnee. Das Kokain rief nach mehr. Und ein klein wenig H, wer sagt da schon nein?

    Braunes, afghanisches Heroin, unten im Labor von einem findigen Chemiker acetylisiert und chemisch verfeinert von Heroinbase zu Herionhydrochlorid, eignete sich nun, blütenweiß, hervorragend zum Schnupfen. Es schmolz geradezu in der Nase. Extra für ihn war ein minimaler Bananengeschmack beigefügt. Für den Affen, schmunzelte Jo.

    Generationen von Junkies, auf der Suche und um aus minderwertigem, mit allem Möglichen verstrecktem Heroingemisch den maximalen Effekt zu erzielen, spritzen sich Heroin. Die Folge waren unfreiwillige Überdosierungen, Abszesse, rasende Kopfschmerzen, Nierenschmerzen, Organschäden usw.

    Jo zog eine Schublade hervor, die in alten Zeiten Stifte beherbergt hatte. Er hatte das Fach durch eine dünne schwarze Marmorplatte ersetzt. Während er, mit geradezu meditierenden Bewegungen ein Häufchen Kokain, mit einem anderen Häufchen Heroin vermischte und mit einer Rasierklinge, in einer Goldhalterung, das Gemisch kleinhackte, dachte er nach.

    Er konnte es einfach nicht fassen. Das Memo, welches offensichtlich nicht für ihn bestimmt worden war, hatte ihn gehörig aufgerüttelt. Zwischen zwei Akten, in einem Stapel von ausgedruckten mails hatte er die Zeilen gefunden. Wo kam das her? War es ein Zufall oderwollte jemand, dass er es las?

    Er blickte einfach nicht durch. Er konnte es einfach nicht glauben. Dabei hatte ihr genialer Plan so vielversprechend begonnen und alle Erwartungen übertroffen. Zuerst hatten sie Euphorin entwickelt und er die dazu passende Hardware, den Verdampfer. Euphorin war besser als Heroin und zehnmal besser als Methadon/Polamidon oder Buprenorphin. Die Leute rissen sich darum, in ein Rentadep Euphorin Programm zu kommen. So war es relativ einfach, ihnen einen Vertrag aufzudrücken, durch den sie sich für die Dauer der Euphorinsubstitution, maximal 20 Jahre, zur Vermittlung zu lohnfreier, nicht gewerblicher Arbeit, verpflichteten.

    Rentadep, ursprünglich als Hilfsorganisation für Opiat abhängige Menschen gedacht, war offensichtlich aus dem Ruder gelaufen. Oder, um es anders auszudrücken: Wenn seine ersten Vermutungen stimmten, hatte sich Rentadep, zur am meisten menschenverachtenden Organisation Europas seit dem Dritten Reich vor hundert Jahren entwickelt. Ohne Selbstmordattentate, ohne Bomben, ohne Waffen, ohne Ideologie oder Religion, wurden Menschen abhängig gemacht, eine Zeit lang benutzt und dann eliminiert. Doch das konnte nicht wahr sein. Bleib mal ruhig, sagte er sich. Wir leben im freien Deutschland und der Zweite Weltkrieg ist über 100 Jahre vorbei. Jetzt galt es cool zu bleiben und in Ruhe ein paar Erkundigungen einzuholen. Jo Volland verdankte der Firma, die er mitgestaltet hatte, sehr viel. An dem Euphorin Patent und an dem Verdampfer, den er maßgeblich entwickelt hatte, wurden Millionen verdient, denn Euphorin wurde auch außerhalb von Deutschland zur Substitution verwendet. Hier in Deutschland verdiente man indirekt an Euphorin, man vergab es nur innerhalb des Programmes. Ein Teil davon floss auf sein Konto. Das warf man nicht über Bord und wurde illoyal.

    Die Idee kam ihnen, als Jo und Andreas über die mittlerweile gängige Praxis in den USA sprachen, den Strafvollzug zu privatisieren, was in Europa aus ethischen Gründen bisher abgelehnt wurde. Ein Knast der Profit abwerfen musste, kam schnell in Versuchung dies auf Kosten seiner Insassen zu tun. Aus dem Gespräch, der Diskussion entstand eine lebhafte Debatte, bis Jo irgendwann fragte: warum privatisieren wir nicht Abhängige und ihre Betreuung?Als sie, er und seine Clique, alle geboren kurz vor, am oder nach dem Millenium, vor 17 Jahren die Idee zu Rentadep entwickelten, war ursprünglich die Idee gewesen, den rund 95.000 Menschen die sich in Deutschland in einem Substitutionsprogramm befanden, damals noch mit Methadon, eine Möglichkeit zu geben, sich zu bilden, sozial einzubringen, aus dem Status des nutzlosen, kriminellen, bei der Bevölkerung oft als schmarotzend empfundenen, Status des Drogeninvaliden, raus zu kommen. Durch Vermittlung in Familien, oder für gemeinnützige Arbeiten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten, war per Gesetz jeder Substituierte, der Euphorin wollte, verpflichtet worden, sich vermitteln zu lassen. Give and take. Die zweite Neuerung, das Benzin des Rentadepmotors war, ihnen eine Ersatzdroge zu bieten, die mehr war als der miese Heroinersatz Methadon und ein paar andere Substitute. Das sogenannte craving, das Verlangen nach der Droge, galt es zu befriedigen. Bisherige Ersatzmittel hatten zwar zuverlässig jegliche Entzugssymptomatik unterdrückt, brachten aber für

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