Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Die Reise des Bruder Johannes
Die Reise des Bruder Johannes
Die Reise des Bruder Johannes
eBook340 Seiten3 Stunden

Die Reise des Bruder Johannes

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Ein Buch für Christen und Atheisten. Diese Erzählung beschreibt humorvoll und kritisch, wie sehr sich der Gläubige in seine Glaubenswelt verliert, die offensichtlich nicht existiert. Sie beschreibt auch, wie sich die katholische Kirche immer mehr in Widersprüche verrennt, je mehr sie versucht, sich daraus zu befreien. Abt Gregor, als belesener Theologe, kennt die Hintergründe des christlichen Glaubens. Er kennt die Ungereimtheiten und Widersprüche. Er will sie seinen Klosterbrüdern vorenthalten, doch die Umstände der Seligsprechung decken alles auf.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum29. Dez. 2016
ISBN9783738097924
Die Reise des Bruder Johannes

Mehr von Martin Becker lesen

Ähnlich wie Die Reise des Bruder Johannes

Ähnliche E-Books

Satire für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Verwandte Kategorien

Rezensionen für Die Reise des Bruder Johannes

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Die Reise des Bruder Johannes - Martin Becker

    Vorwort

    chapter1Image1.gif

    Die Reise des Bruder Johannes

    Pater Gregor, Abt eines kleinen, bayerischen Klosters verliert die Kontrolle über seine beschauliche Welt. Ausgerechnet am Tage der Eröffnung seines nicht ganz legal finanzierten Brauhauses steht ihm eine Finanzprüfung ins Haus. Und ausgerechnet an diesem Tage werden die Gäste Zeuge eines Wunders, das dazu führt, dass Klosterbruder Johannes seliggesprochen werden soll.

    Dass Abt Gregor seinen Ziehsohn Johannes auf eine ferne Reise schickt, macht die ganze Sache nur noch schlimmer.

    Humorvolle, kritische und tiefgründige Erzählung über den katholischen Glauben, über Zweifel und Atheismus. Gleichermaßen interessant zu lesen für Christen und Atheisten.

    Erzählung 409 Seiten Taschenbuchformat

    Anhang Wissenswerte Tabellen 50 Seiten

    Buch: Martin Becker

    Grafik: Martin Becker

    Publikation:

    ISBN-13 Nr:

    Alle Rechte vorbehalten

    (c) 2016

    Liebe Leserin,

    lieber Leser,

    eines der größten Rätsel der Welt, wenn man einmal von der Dunklen Materie absieht, ist der menschliche Geist.

    Immer wieder steht man staunend vor dem Phänomen der unterschiedlichen Wahrnehmung und der verschiedenen Interpretation ein- und derselben Geschehnisse, derer man gemeinsamer Zeuge zu sein das Glück hatte.

    Nehmen wir als Beispiel eine Zirkusparade in einer Stadt. Lustige Clowns, anmutige Tänzerinnen, kraftvolle Akrobaten, mutige Dompteure und geschickte Jongleure flanieren die Hauptstraße hinab, begleitet von kräftiger Blasmusik, Trommeln und Tamburin. Indische Elefanten, afrikanische Löwen und weiße Lipizzaner- Pferde untermalen die exotische Stimmung, und der Zirkusdirektor, allen voran, in rotem Frack und gezwirbeltem Schnurrbart, lacht dem Publikum entgegen und winkt mit dem buntverzierten Paradestab.

    Dies ist eine Szene, die man gewöhnlich nur in einer einzigen Weise erleben kann, nämlich in kindlicher Begeisterung und uneingeschränktem Jubel.

    Falsch.

    Der menschliche Geist ist nicht so. Er ist anders. Er erlebt eine solche Szene nicht zwangsläufig in Begeisterung.

    Er erlebt diese Szene in Freude, in Argwohn, in Spaß, in Neid, in Glück, in Leid, in Zweifel, in Missgunst, in Kritik und in Gleichmut.

    Man flaniert staunend vor dem Publikum einher, winkt mit dem glitzernden Paradestab und rätselt darüber nach, warum nicht alle restlos begeistert sind. Manche halten sich sogar wütend die Ohren zu.

    Der menschliche Geist ist ein Rätsel. Das Erleben ist unterschiedlich. Die Betrachtungsweise unvergleichlich. Und die Erinnerungen sind so unverwechselbar, wie Fingerabdrücke auf dem Polizeiprotokoll.

    Die Lösung des Rätsels lautet: Der menschliche Geist erlebt nicht das Geschehnis in neutraler Form, sondern er erlebt sich selber. Er betrachtet das Geschehnis durch seine eigene Brille, und diese Brille gibt ihm die Vorstellung seiner eigenen Welt wider.

    Diese Brille ist seine eigene Weltanschauung. Es sind seine Erfahrungen, seine Erinnerungen und Verhaltensmuster. Ein Fleckenteppich dessen, was der Mensch im Laufe seines Lebens an Urteilen über sein Leben gesammelt hat.

    Wenn der Mensch etwas erlebt, dann blickt er sich selbst an. Er urteilt das Erlebnis anhand dessen, wie er die Welt sieht, danach rückt er das Erlebnis in das eigene Weltbild ein, bis es ihm passt, und erst dann lässt er die genau passenden Emotionen zu, die für eine solche Situation vorgefertigt wurden.

    Das Ergebnis ist dann eine breitgefächerte Palette von Emotionen, die unterschiedlicher nicht sein können.

    Sie glauben mir nicht. Das ist gut so. Bleiben Sie kritisch, denn das, was uns in dieser folgenden Erzählung aufgetischt wird, ist so haarsträubend, so unglaublich und unfassbar -und faszinierend. Am Ende zweifelt man darüber, ob das, was man wirklich glaubt zu erleben, sich auch tatsächlich so ereignet hat.

    Diese Erzählung handelt davon, dass der menschliche Geist imstande ist, Erlebnisse wahrzunehmen, bei denen man einschreiten möchte, bei denen man Einhalt gebieten möchte.

    „Nein, wollen Sie ausrufen. „Das kann doch nicht wahr sein! Und doch ist es so.

    Fassungslos erleben wir die Geschichte eines jungen Mannes, wie er sie wahrnimmt. Und während wir sie miterleben, fragen wir uns: „Und wie ist es denn eigentlich mit mir? Wie erlebe ich meine Welt? Bin ich am Ende genauso wie er, wie Bruder Johannes?"

    Doch weiter kann ich nicht vorgreifen. Sehen Sie selbst, prüfen Sie selbst und stellen Sie sich ruhig die Frage nach der eigenen Vorstellung.

    Diese Geschichte jedoch stand bis zum heutigen Tage unter Verschluss. Sie war streng geheim und sollte nicht das Licht des Tages erblicken.

    Doch nun, da sie es tat, nahmen die Dinge ihren Lauf….

    P.S. In dieser Geschichte hat sich der Autor die Freiheit herausgenommen, als Statist persönlich mitzuwirken. Achten Sie auf den Schweizer Gardist.

    Akte – unter Verschluss

    Dokumentensammlung

    chapter2Image1.gif

    Abt Pater Gregor

    Mammendorf,

    Anno Domini 30. März 1971

    An seine Heiligkeit

    Papst Claudius III.

    Bischof von Rom

    Pontifex Maximus

    00190 Citta del Vaticano

    Italien

    - Persönlich -

    Betreff: Seligsprechung war ein Irrtum

    Eure Heiligkeit,

    kennt Ihr mich noch? Ich bin der Abt, Pater Gregor, des Klosters St. Nepomuk, in Bayern.

    Vor vier Monaten habt Ihr uns, wegen der Seligsprechung unseres Bruders Johannes besucht. Ich muss Euch leider mitteilen, dass diese Seligsprechung ein ganz großer Irrtum war.

    Diesen Brief schreibe ich an Euch in äußerster Demut, und ich bitte um Eure Erlaubnis, das Amt als Abt niederlegen zu dürfen. Ich bin nicht länger würdig, der erste Diener dieses Klosters zu sein.

    Sicher seid Ihr erstaunt über meine Vermessenheit, eine von Euch vorgenommene Seligsprechung anzuzweifeln, und Ihr wundert Euch, dass ich mich so spät an Euch wende. Aber die Ereignisse waren so verwickelt, dass es eine solch lange Zeit brauchte, sie zu entwirren. Und nun, die gesamte Chronik vor Augen, muss ich erkennen, dass die ganze Seligsprechung auf einem Irrtum beruht.

    Ich weiß, Ihr habt so viel zu tun, und ich entschuldige mich in tiefster Ergebenheit und in untertänigster Demut, Eure kostbare Zeit mit meinem Anliegen in Anspruch zu nehmen. Es ist mir jedoch unmöglich, das Schreiben zuständigkeitshalber an unseren Prior, den Bischof Rabenberg von Neufeld, oder an den Erzbischof Ratzefinger von München zu schicken, denn Eure Heiligkeit ward persönlich in die Ereignisse, die den Anlass zu meinem Schreiben geben, - ja man kann sogar sagen: verwickelt, und ich glaube nicht, dass es Euer Wunsch sein kann, dass diese Geschehnisse weiter bekannt werden, bevor Ihr persönlich entschieden habt, welche Konsequenzen daraus gezogen werden sollen.

    Bitte urteilt über mich und meine Unfähigkeit, der ich geblendet war, von der großen Ehre Eures Besuches, und der ich doch zuerst auf das Wohl des Klosters geschaut habe, anstatt der Wahrheit zu dienen. Ich hatte Euch Informationen über unseren Bruder Johannes vorenthalten, die ausreichten, um Einspruch gegen die Seligsprechung erheben zu müssen, und ich habe zugelassen, dass die Seligsprechung stattfand. Das ist, strenggenommen, eine Lüge. Nun habe ich die Unwahrheit über mich und über Euch gebracht.

    Wie lässt sich das Rad der Zeit zurückdrehen, um das ungeschehen zu machen, was geschehen war? Wie schwer lastet die Frage in meinem Herzen, was ich alles hätte tun können, um das Unausweichliche zu verhindern?

    Da ich nicht weiß, wie ich mich nun weiter in dieser Situation zu verhalten habe, bitte ich Euch um Anweisungen des weiteren Vorgehens.

    In demütiger Hochachtung und freundlichem Gruß in Christo

    Ihr ergebener

    Abt Gregor

    PS: Gerne bin ich auch bereit, Euch den ganzen Hergang dieser peinlichen Geschehnisse zu berichten, die so viel Kummer über mein Haupt brachten, und wovon ich heute mehr denn je glaube, dass der Geißfuß des Teufels dabei im Spiel war.

    chapter2Image2.gif

    Sekretarius Vaticani

    Cardinal Octavianus

    Citta del Vaticano, 06. April.1971

    Kloster St. Nepomuk

    Kloster Straße 1

    8083 Mammendorf

    Bayern, Deutschland

    Zu Händen Abt Pater Gregor

    Euer Schreiben vom 30.3.1971

    Lieber Bruder Gregor,

    mit großem Interesse lasen wir Euren Brief vom 30.03.1971 und teilen Euch mit, dass eine Kündigung als Abt eines Klosters nicht möglich ist, sofern Ihr nicht direkt in Skandale verwickelt seid, die unter dem Druck der Öffentlichkeit alsbald zu einer Trennung führen könnten.

    Wir teilen Ihre Sorgen um die Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Seligsprechung. Eine päpstliche Zuwendung jedoch, ist unwiderruflich.

    Es erübrigt sich daher eine Prüfung der näheren Umstände, und so ordnen wir an, dass Ihr absolutes Stillschweigen in dieser Angelegenheit bewahrt.

    Damit Ihr jedoch Gelegenheit findet, Euch von Euren seelischen Belastungen zu befreien, sei es Euch im Rahmen einer Beichte und unter Berücksichtigung des Beichtgeheimnisses gestattet, Euer Anliegen dem zuständigen Prior Ihres Kirchenbezirks darzulegen.

    Hochachtungsvoll

    Kardinal Octavian

    Vatikanisches Sekretariat

    PS: Ihr habt doch keine Affären sexueller Natur? Dies würden wir eventuell als Kündigungsgrund akzeptieren.

    chapter2Image3.gif

    Abt Pater Gregor

    Mammendorf,

    Anno Domini 09. April 1971

    An das Kloster Neufeld

    Bischof Rabenberg

    Prior des Ordens der Cappuccino

    8521 Kloster Neufeld

    - Persönlich -

    Betreff: Seligsprechung war ein Irrtum

    Eure Eminenz,

    Von tiefsten Seelenqualen getrieben, wende ich mich in einer Angelegenheit an Euch, die eine fälschlicherweise vorgenommene Seligsprechung betrifft, welche ich nicht rechtzeitig verhindert habe.

    Es handelt sich um die Seligsprechung unseres Bruders Johannes, bei dessen Zeremonie Ihr selbst anwesend ward. Diese Seligsprechung beruht auf einem Irrtum und hätte niemals stattfinden dürfen.

    Ich habe versucht, diesen Irrtum durch ein diskretes Schreiben an den Vatikan zu bereinigen, jedoch wurde mir signalisiert, dass sich diese Problematik auf höherer Ebene nicht lösen lässt.

    So bitte ich Euch um ein persönliches Gespräch, in dem ich Euch die Angelegenheit näher erläutern kann, denn ich trage mich mit dem Gedanken, aufgrund dieser Vorfälle, das Amt als Abt niederzulegen, und Euch deshalb um meine Entlassung zu bitten.

    Mit demütiger Hochachtung und freundlichem Gruß in Christo

    Ihr ergebener

    Abt Gregor

    PS: Der Grund meiner Kündigung ist keinesfalls wegen sexueller Skandale.

    chapter2Image4.gif

    Anruf von Bischof Rabenberg am13. April 1971

    Wortgetreue Telefonnotiz Abt Gregor

    Abt Gregor:

    „Kloster, St. Nepomuk, Pater Gregor".

    Bischof Rabenberg:

    „Hallo, Bruder Gregor, hier ist Bischof Rabenberg, nicht wahr, nicht?"

    Abt Gregor:

    „Grüß Gott, Eure Eminenz."

    Bischof Rabenberg:

    „Gregor, ich habe deinen Brief erhalten, nicht wahr, und ich muss gestehen, er machte mir ein wenig Sorgen. Ja? Du willst dein Amt niederlegen?"

    Abt Gregor:

    „Eure Eminenz, es haben sich unglaubliche Dinge zugetragen, an denen ich die Schuld trage."

    Bischof Rabenberg:

    „Du meinst, wegen der Seligsprechung, nicht wahr? Was ist damit?"

    Abt Gregor:

    „Die Seligsprechung ist unrechtmäßig, Eure Eminenz. Sie hätte nicht stattfinden dürfen."

    Bischof Rabenberg:

    „Warum unrechtmäßig, ja, was ist mit Bruder Johannes los? Lebt er in Sünde?"

    Abt Gregor:

    „Nein, nein, das ist es nicht. Nur ist er nicht der, für den man ihn hält."

    Bischof Rabenberg:

    „Ist es ein Ungläubiger? Ja? Hat er kleine Kinder verführt? Ist er nicht katholisch, nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Nein, Eure Eminenz. Er ist der frommste Mönch im Kloster. Er ist ein ganz besonderer Mensch. Nur ausgerechnet ihn hätte man nicht seligsprechen dürfen."

    Bischof Rabenberg:

    „Und wie konnte es geschehen? Ja? Bevor der Papst jemanden seligspricht, nicht wahr, nicht, wird der betreffende Kandidat von der Vatikanischen Kongregation für Heiligsprechungs- Prozesse auf Herz und Nieren geprüft?"

    Abt Gregor:

    „Es waren so viele Dinge, die sich zusammen ereigneten, Eure Eminenz. Und aus der Summe dieser Ereignisse entstand dieser Irrtum."

    Bischof Rabenberg:

    „Ich hoffe nicht, Gregor, dass du den Vatikan des Irrtums bezichtigst."

    Abt Gregor:

    „Eure Eminenz. Eine Lawine von Ereignissen wurde losgetreten, die ich nicht mehr aufhalten kann. Ich habe sie nicht mehr im Griff, versteht Ihr?"

    Bischof Rabenberg:

    „Kannst du nicht die ganze Sache auf sich beruhen lassen? Nicht? Du weißt, der Vatikan wird sich niemals korrigieren, nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Nein, Eure Eminenz, ich kann es mit meinem Gewissen nicht länger vereinbaren. Ich muss mir Klarheit verschaffen. Es kann nicht mehr so weitergehen."

    Bischof Rabenberg:

    „Da muss ja eine ereignisreiche Geschichte passiert sein."

    Abt Gregor:

    „Es ist eine haarsträubende Geschichte, Eure Eminenz."

    Bischof Rabenberg:

    „Du musst mir die Geschichte erzählen, Gregor. Ja? Was ist passiert?"

    Abt Gregor:

    „Das geht nicht am Telefon, Eure Eminenz. Es ist eine sehr verstrickte Geschichte."

    Bischof Rabenberg:

    „Dann komm mich besuchen. Wann kannst du kommen? Ja?"

    Abt Gregor:

    „Am Mittwoch, den 16. April?"

    Bischof Rabenberg:

    „Ja, das ist mir Recht. Nicht? Sagen wir um 10 Uhr?"

    Abt Gregor:

    „Gut. Dann komme ich am Mittwoch."

    Bischof Rabenberg:

    „Gott segne Dich, Bruder Abt Gregor, nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Vielen Dank, Eure Eminenz, auf Wiederhören."

    chapter2Image5.gif

    Kloster Neufeld, Orden der Cappuccino,8521 Kloster Neufeld, Prior Bischof Rabenberg,

    Besuch bei Bischof Rabenberg am 16. April 1971

    Protokoll des Aktuars Bruder Reinhart, Kloster Neufeld

    Es war pünktlich 10 Uhr. Bruder Gregor klopfte an die Türe der Kanzlei des Bischof Rabenbergs.

    Bischof Rabenberg:

    „Herein. Ja?"

    Bruder Gregor öffnete die Türe und trat ein. Bischof Rabenberg legte seine Brille ab, kam ihm entgegen und umarmte ihn.

    Bischof Rabenberg:

    „Gregor, lieber Bruder Gregor. Sei willkommen. Nicht wahr? Ich hoffe, du hattest eine angenehme Fahrt."

    Abt Gregor:

    „Oh, Ja, Dankeschön, Eure Eminenz. Bei diesem herrlichen Wetter war die Reise ein wahres Gottesgeschenk."

    Bischof Rabenberg:

    „Nimm Platz. Ja? Darf ich dir einen Kaffee bringen lassen?"

    Abt Gregor:

    „Ja, gerne."

    Man setzte sich auf die Besucher- Couch. Bischof Rabenberg läutete die Tischglocke und orderte eine Kanne Kaffee. Gleichzeitig wurde auf beidseitigen Wunsch der Gesprächsteilnehmer angeordnet, ein Protokoll über dieses Gespräch anzufertigen.

    Bischof Rabenberg:

    „Seid Ihr fertig, Bruder Reinhart? Ja?"

    Aktuar Bruder Reinhart: „Ja, Eure Eminenz, wir können mit dem Protokoll beginnen."

    Bischof Rabenberg:

    „Ich bin sehr gespannt auf deine Erzählung, Gregor, nicht wahr? Wie konnte das alles nur geschehen?"

    Abt Gregor:

    „Ich weiß es nicht genau, Eure Eminenz. Einerseits war ich getrieben durch die Eitelkeit, dass ein Mönch aus unserem Kloster seliggesprochen wird. Schließlich kam zu diesem Zwecke der Papst persönlich in unser Kloster."

    Bischof Rabenberg:

    „Ja, ich weiß. Ich war selbst anwesend. Nicht?"

    Abt Gregor:

    „Ja, natürlich. Es war ein großes Fest, zu dem alle namhaften Persönlichkeiten unserer Diözese und des gesamten süddeutschen Raums geladen waren."

    Bischof Rabenberg:

    „Und andererseits? Nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Andererseits konnte ich das nicht mehr rückgängig machen, was ich selbst, wie eine Lawine losgetreten habe. Ich habe die Folgen dieser Ereignisse nicht mehr im Griff."

    Bischof Rabenberg:

    „Was war das? Ja?"

    Abt Gregor:

    „Nun, es begann damit, dass ich beim Besuch des Steuerprüfers aus Rom, Informationen zurückgehalten habe, die ich zum Wohle des Klosters nicht nennen wollte, und es endete damit, dass mein Zögling Johannes seliggesprochen wurde. Das alles hätte niemals passieren dürfen."

    Bischof Rabenberg:

    „Welche Informationen waren das, die du zurückhieltest?"

    Abt Gregor:

    „Nun, es waren die Zahlungen für Renovierungsarbeiten am Glockenturm. Aber das lässt sich nicht so einfach sagen. Ich müsste Euch die ganze Geschichte erzählen."

    Bischof Rabenberg:

    „Dann erzähle, erzähle. Nicht wahr? Wir haben Zeit, nicht?"

    Abt Gregor:

    „Ja, ich weiß nicht, wie ich anfangen soll."

    Bischof Rabenberg:

    „Erzähle einfach frei von der Leber weg, mein Sohn. Ja?"

    Abt Gregor:

    „Eure Eminenz, wenn es Euch hilft, ich habe die Notizen, die ich von den Ereignissen angefertigt habe und alle Briefe mitgebracht. Wenn wir ein Protokoll anfertigen, kann ich Euch diese Schriftstücke zu Ihren Unterlagen mitgeben."

    Bischof Rabenberg:

    „Ja, vielen Dank, nicht wahr. Bruder Reinhart, bitte nehmt diese Unterlagen zu Euch."

    Anmerkung des Aktuars: Die dargereichten Unterlagen wurden in der Reihenfolge der folgenden Erzählung durch Pater Gregor zusammengestellt.

    Bischof Rabenberg:

    „Du sagtest, Johannes sei ein ganz besonderer Mensch? Nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Das ist er. In der Tat."

    Bischof Rabenberg:

    „Was ist an ihm so besonders? Ja?"

    Abt Gregor:

    „Nun, da habe ich ein gutes Beispiel. Ich muss es etwas ausführlich erzählen, Eure Eminenz."

    Bischof Rabenberg:

    „Ganz, wie du meinst, Gregor, ja?"

    Abt Gregor:

    „Macht es Euch nichts aus, wenn ich etwas aushole? Ich meine, viele Details sind wichtig, die am Anfang vielleicht unbedeutend erscheinen."

    Bischof Rabenberg:

    „Nein, nein, nicht wahr? Es macht nichts aus. Wir haben Zeit. Erzähle von Anfang an."

    Die Rückkehr des Bruder Johannes

    Bericht von Abt Gregor

    Es war am 24. Oktober 1969, in tiefster Nacht. Ich befand mich in unserer Kirche kniend vor dem heiligen Altar und betete fünf Rosenkränze vor dem Zubettgehen. Zum Zwecke der Beleuchtung hatte ich nur die Altarkerzen angezündet, so dass es in der Kirche sehr dunkel war.

    Draußen wehte ein eiskalter Schneesturm, schon recht früh für das Jahr. Große Schneemengen fielen vom Himmel und legten sich auf unsere Dächer, Wege, Stufen und auf den Kirchplatz. Die Schneeverwehungen auf unseren Fußwegen im Kloster bedeuteten eine Gefahr für die Mönche, die am Morgen stets etwas verschlafen und unaufmerksam zur Frühmesse unterwegs waren. Ich überlegte mir deshalb, wen ich vor der Frühmesse zum Schneeschaufeln beauftragen sollte und dachte dabei an Bruder Jakob. Er war bei der letzten Messe eingeschlafen.

    Da öffnete sich die Kirchentür und brachte den kalten Wind mit einem Schwall Schneeflocken hinein.

    „Hier ist noch Licht", sagte die Stimme unseres Nachtwächters, Bruder Leopold und brachte einen Mann hinein. Ich drehte mich um und betrachtete den Fremden. Er war in Lumpen gekleidet, verwahrlost, verdreckt. Die nackten Füße waren in alten Kleidern eingehüllt. Der Bart zerzaust, voller Eisklumpen und Dreck.

    „Pater", rief der Mann und lief auf mich zu.

    Jetzt erst erkannte ich ihn: Es war Bruder Johannes, der mich begrüßte und welcher mir im ersten Moment so fremd erschien. Johannes war mein treuester und gutmütigster Mönch im Kloster, den ich ein halbes Jahr zuvor auf eine Reise geschickt hatte, und der erst jetzt wieder zurückkehrte.

    „Johannes, mein Sohn!" Ich stand auf, doch bevor ich mich dem Neuankömmling widmete, beendete ich mein begonnenes Gebet und bekreuzigte mich vor dem Altar.

    Auch Johannes trat vor den Altar, über dem ein lebensgroßes Kruzifix hing, und seine Augen glänzten. Ich las in seinen Augen, dass mein Bruder viel Pein und Qualen durchgemacht zu haben schien, aber er hatte noch immer dieses unschuldige und treuherzige Strahlen.

    „Mein Freund Guiseppe! rief er aus. „Du bist auch schon wieder hier?

    Er lächelte zu Jesus am Kreuz hinauf und das machte mich recht stutzig. Leopold hielt sich erschreckt die Hand vor den Mund. Johannes hatte die Eigenschaft, oftmals Schein und Wirklichkeit miteinander zu vermischen, aber er war nie ein Freund der leichten Worte. Doch ich deutete diese lockere Begrüßung als den Ausdruck der innigsten Freude darüber, hier am Herzen des Ortes seiner spirituellen Heimat, dem Altar unseres Klosters, wieder zurückgekehrt zu sein.

    „Guiseppe? fragte ich. „Wer ist das?

    „Guiseppe ist Jesus, antwortete Johannes. „Er ist mein Herr und Freund.

    Erst jetzt kniete sich Johannes vor mir nieder und küsste mir die Hand. Ich legte meine rechte Hand auf sein Haupt und segnete ihn. , dachte ich mir, . Johannes hatte das zuvor nie getan, und ich schrieb das dem Umgang zu, dem er möglicherweise auf seiner Reise ausgesetzt war. Ich machte mir Sorgen, ob ich es schaffen könnte, seinen Kopf wieder zurechtzurücken.

    Da bemerkte ich eine Keksdose unter seinem Arm. Mein Herz tat einen Freudensprung, denn ich ahnte, dass sich in dieser Dose das befand, wonach ich Johannes ausgesandt hatte zu suchen.

    „Du hast uns etwas mitgebracht, Johannes?" fragte ich, denn ich war auf den Bericht über seine Erlebnisse gespannt.

    „Oh ja, Pater, Johannes reichte mir die Dose. „Diese Büchse ist voll von heiligen Reliquien.

    chapter3Image1.gif

    Kloster Neufeld, Orden der Cappuccino,8521 Kloster Neufeld, Prior Bischof Rabenberg,

    Fortsetzung des Protokolls am 16. April 1971

    Bischof Rabenberg:

    „Reliquien sagtest du, ja?"

    Abt Gregor:

    „Ja, Reliquien. Ich hatte Johannes ausgesandt, um Reliquien für unser Kloster zu suchen."

    Bischof Rabenberg:

    „Wozu wolltest du Reliquien haben? Was?"

    Abt Gregor:

    „Eure Eminenz! Wie Ihr selbst wisst, ist unser bescheidenes Kloster noch niemals im Glanz und im Reichtum gestanden, wie das Benediktiner Kloster in Andechs oder das Augustiner Chorherrenstift in Dießen."

    Bischof Rabenberg:

    „Ja, nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Unsere Kirchenräume zeigen wenig Prunk und sind weiß gekalkt. Hier und da, schmückt eine bescheidene Schnitzerei die Wand, oder ein Gemälde aus früheren Jahrhunderten. Aber wir haben keine goldenen Stuckdecken und auch keine reichgeschmückte Kanzel. Lediglich unsere Marienstatue, die wahrlich nicht dem wunderschönen Abbild der Muttergottes auch im entferntesten nahekommt, schmückt eine goldene Krone, von der ich jedoch weiß, dass es nur eine eiserne Krone ist, mit hauchdünnem Blattgold überzogen."

    Bischof Rabenberg:

    „Ja, Bruder Gregor, dein Kloster ist wahrlich nicht sehr reich. Nicht wahr?"

    Abt Gregor:

    „Nein, als reich und prunkvoll können wir unser Kloster wirklich nicht bezeichnen. Deshalb gestehe ich auch, dass ich die Nachbarklöster immer ein wenig um ihren Reichtum und ihre Pracht beneidete. Es war nicht der blanke Neid, der geeignet ist, zur Todsünde gezählt zu werden, Eure Eminenz. Es war der stille, der schweigsame Neid, der mich davon abhielt, freundschaftliche Verbindungen mit den Nachbarklöstern zu pflegen, und der mich daran hinderte, Einladungen an die Äbte auszusprechen, um mit ihnen gemeinsam das Brot

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1