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Die Liebe des Schankwirts
Die Liebe des Schankwirts
Die Liebe des Schankwirts
eBook238 Seiten3 Stunden

Die Liebe des Schankwirts

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Über dieses E-Book

Der Wirt Horst betreibt mit seiner Frau Friedel einen Gasthof. Im Laufe der Jahre haben sie sich emotional voneinander entfernt. Erst die Geschichten dreier Wanderer, führt ihnen ihr Elend vor Augen und lässt sie wieder zueinanderfinden.
Die drei Wanderer Hannibal, Siegfried und Oliver versuchen, in einem Gasthaus die Zeche zu prellen, und bieten dem Wirt an, mit Geschichten zu bezahlen. Als der Wirt darauf eingeht, kommt es bei dem Wirt zu einer Wandlung und er erkennt, dass die abgekühlte Liebe zu seiner Frau noch eine Chance hat.
Die mystischen Geschichten der Wanderer erzählen von Liebe, Glaube und Hoffnung. Sie weisen den Wirtsleuten den Weg zurück in eine liebevolle Beziehung.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum1. Dez. 2020
ISBN9783752924206
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    Buchvorschau

    Die Liebe des Schankwirts - Helmut Tack

    Widmung

    Ich widme dieses Buch meiner Frau Janet, die mir die

    notwendige Zeit gegeben, geduldig gewartet und meine Nachtarbeit verstanden hat.

    Ganz besonders danke ich ihr, dass sie beim Gegenlesen die sehr emotionalen Momente mit mir teilte.

    Meinem Hund Tiffy, die als meine Muse mich beim Schreiben geduldig begleitete und mir die Tränen leckte.

    Einen besonderen Gedanken widme ich meinen Töchtern Adina und Ilka, sowie meinem Sohn Leonhard.

    Irgendwo

    In allen Ländern der Erde gibt Orte die wenige Einwohner, jedoch eine Kirche, Friedhof und Gasthaus haben.

    Die Orte tragen Namen wie Nomansend, País Tranquilo, Tikhaya Strana oder Kruddentorf.

    Oft liegen sie in Distanz zu Nachbargemeinden.

    Man kann gut unter sich bleiben. Vermisst nichts. Man versteht sich.

    Sollte jemand aus einem anderen Ort hinzuziehen wollen, geht das nur mittels Heirat. In seltenen Fällen können Einwohner Empfehlungen aussprechen. Stammt der Zuzögling aus einer Großstadt, hat er wenig Chancen.

    Den Menschen in solchen Orten geht es gut. Gut in ihren Grenzen und Möglichkeiten. Meist mit der Welt durch Radio und Fernsehen verbunden. Manchmal sogar durch Internet.

    Sie leben vom Arbeiten und arbeiten am Leben. Gründen, wie überall auf dem Planeten, Familien und sorgen sich.

    Die Wände der eigenen Wohnstatt sind die Grenze, an der alles daran gehindert wird, nach außen zu dringen.

    Sind sie daheim, tragen sie Hausanzüge aus farbigem Gewebe. Bequem und nur für Haus und Briefkasten geeignet.

    Man achtet auf weltliche oder durch den Glauben auferlegte Werte. Achtet die Einheimischen und die Honoratioren.

    Sieht man den Bürgermeister, belästigt man ihn nicht mit Geringfügigem. Trifft man den Geistlichen, zieht man den Hut oder senkt das Haupt. Kommt der Arzt in den Ort, dann nur mit Sondersignal und Sirene. So ist er mit seinen Ideen fort, ehe er sie verbreiten kann, und kommt nicht sobald wieder.

    Um nicht dem Verfall ausgesetzt zu sein, gehen die Menschen zum Hausarzt der Nachbargemeinde.

    In den Warteräumen beteiligen sie sich nicht an Gesprächen. Worüber Interessantes sollten die Leute auch reden? Sie sind Fremde!

    Am Sonntag treffen sie sich in der Kirche, beten gemeinsam für ihr Seelenheil und freuen sich über den Gottessegen.

    Unter der Woche gehen sie ihrem Tagwerk nach. Die Kinder werden zu guten Menschen erzogen und genießen die unbeschwerte Kindheit.

    Abends gehen die Männer ins Gasthaus. Meist für sich, selten mit anderen.

    Da es kein Postamt oder Frisör gibt, unterhält man sich mit dem Gastwirt.

    Dieser ist das Sprachrohr, der Multiplikator der Gemeinde.

    Eine Welt, voller Menschlichkeit und distanzierter Nähe.

    Im Gasthaus

    Die Luft schmeckte nach einer Mischung aus Tabakrauch und Bierdunst.

    Dirnen hatten ein Quartier für die Nacht erlangt.

    An der Tür atmete ein Ofen seine letzte Wärme in den Raum. Von Minute zu Minute nahm die Stimmenvielfalt ab.

    Der Gastraum glich einer Schwangeren, die ein Kind nach dem anderen aus ihrer Obhut, in die Rauheit der Welt verabschiedete. Sie wusste, wenn der Durst aufkäme, die Trinker überfiele und verschlänge, wären alle Vorsätze vergessen. Der tägliche Ruf ließ sie einen Weg zu ihr finden.

    Der Wirt putzte seit einer Stunde dasselbe Glas. Es gelang ihm, jedwede Anstrengung zu vermeiden. Eine Brauerschürze fesselte seine Körperlichkeit. Sein von Eisbein und Wein geformtes Gesicht vermittelte Bedeutung.

    ›Irgendwann geht der letzte Gast‹, dachte er.

    Er suchte den Raum mit den Augen ab, prüfte, ob sich etwas zwischen ihm und der ersehnten Nachtruhe drängen würde.

    Er sah Männer in abgerissener und verschmutzter Kleidung, die wankend und mit trunkenem Arm winkend, in die Nacht traten.

    Während er den Gastraum prüfte, blieb sein Blick an einem Tisch hängen. Keiner der drei Herren unternahm Anstalten, den Trinkern zu folgen.

    In dem Moment als dem Wirt der Gedanke kam, dass es sich um Ubernachtungsgäste handele, winkte einer von ihnen und rief den Wirt an den Tisch. Mit ausladenden Hüftbewegungen seinen Gang stabilisierend, ging er hin.

    »Zahlen, meine Herren?«

    Die Gäste sahen ihn ungläubig an.

    »Nein, wir wollen noch nicht zahlen«, erwiderte einer der drei. »Sie wirken wie jemand, der sich kein Geschäft entgehen lässt.«

    Der Wirt presste die Luft in seinem Mund, dass sich die Wangen wölbten. »Ähm!«, brachte er hervor und dachte, ›Kommen die mit Anschreiben oder Abwasch, hole ich die Polizei!‹

    Die sahen nicht nach Geld aus. Fleckige Kleidung, an der einen oder anderen Stelle mit groben Stichen reparieret, bedeckte ihre Körper. Schuhe, deren Sohlen längst einen Schuster nötig hatten, schützten die Füße.

    Einer trug eine Nickelbrille. Die Beschichtung abgegriffen und mit Klebeband repariert, flehte sie nach ihrer Pensionierung. Ein anderer hatte fettiges Haar und einen zerrupften Bart. Die würden von ihm den Knüppel, aber nicht Kredit bekommen.

    »Wenn Ihr nicht zahlen wollt, kann ich es gleich sagen. Da verstehe ich keinen Spaß.« Mit einer Bewegung machte er deutlich, was er meinte. »Erst bekommt Ihr eine Tracht Prügel und dann die Polizei.« Er grinste süffisant.

    Die Ankündigung ließ den Gästen Schweiß auf die Stirn treten. Es war deutlich, dass der nicht mit sich reden ließ.

    »Herr Wirt, sehen wir aus, als würden wir einen schwer arbeitenden Menschen um seinen wohlverdienten Lohn prellen?«

    Der Wirt wurde unsicher. Einerseits sagt keiner einem anderen gerne ins Gesicht, dass er ihn für einen Schwindler und Betrüger hält, andererseits konnte es sein, dass sie zahlungsfähig waren. Außerdem bestand die Möglichkeit, dass sie sich zu Stammgästen entwickeln. Stammgäste bedeuten regelmäßigen Umsatz.

    »Worum geht es denn?«, fragte er so desinteressiert, wie nur möglich.

    »Wir streiten darüber, wer von uns die schönste Geschichte erzählen, wer die Herzen der anderen am besten rühren kann.«

    Der das sagte, machte den Eindruck, als habe er schon viele Geschichten erzählt und erlebt. Das Leben hatte Spuren in seinem Gesicht hinterlassen. Tiefe Furchen zogen von einer Augenbraue zur anderen. Die Augen waren schmal von der Sonne und wurden von der Stirn, mittels wuchtiger Brauen und gegen die Wangenknochen durch faltige Tränensäcke abgegrenzt.

    »Und was soll ich da machen?«, wollte der Wirt wissen.

    Der Gast ließ ein kaum merkliches Lächeln über sein Gesicht huschen.

    »Sie brauchen sich nur zu uns zu setzen und zu urteilen.« Er machte eine umfassende Armbewegung. »Wir erzählen die Geschichten, Sie hören zu.«

    Der Wirt überlegte. Eigentlich konnte nichts passieren. Die würden sich anstrengen und er hätte seinen Spaß.

    »Und was soll dabei am Ende herauskommen?« Der Wanderer machte eine vielsagende Mine.

    »Derjenige, der die ihrer Meinung nach beste Geschichte erzählte, bekommt die Zeche erlassen.«

    ›Aha!‹, dachte der Wirt. Und: ›Was solls?‹ Wanderer hatten schon zu Urzeiten das Recht, als Berichterstatter und Unterhalter zu fungieren. Dafür erhielten sie freie Kost und Unterkunft. Diesem ehernen Recht wollte er sich nicht widersetzen. Außerdem reicherten die Geschichten seinen Vorrat an und konnten in der Gemeinde kursieren.

    »Gut! Falls mir aber keine der Geschichten gefällt. Was, wenn ich sogar über der Erzählung einschlafen sollte?« Der Wirt zog die wenigen Stirnfalten glatt und die Augenbrauen hoch. Sein ohnehin rosafarbener Teint färbte sich dunkler.

    »Sollte das geschehen, können Sie gerne die Polizei rufen und wir werden ohne zu murren dem Amtmann folgen.«

    Das war deutlich! Der Wirt ging darauf ein.

    Der Wanderer mit den buschigen Augenbrauen nannte sich Hannibal. Er richtete den Oberkörper auf und rückte auf dem Stuhl herum, bis er gut saß.

    Er nahm sich die Freiheit, in die Tabakdose des Wirtes zu greifen, krümelte Schnupftabak auf seinen Handrücken und sog ihn langsam und genießerisch in die Nase.

    »Bestimmt kann sich jeder von Euch an einen Menschen erinnern, der alt, sehr alt war oder ist. Nun ist es bei solch alten Menschen oft so, dass sie mit den Jahren nicht mehr wissen, warum sie noch leben.« Er nieste vernehmlich und wischte die Nase mit dem Jackenärmel ab.

    »Sie haben alles Erleidbare erlitten, haben alles Erlebbare erlebt. Sie haben geliebt oder gehasst, haben gelebt und sich am Leben erfreut.

    Dann, am Abend ihrer Tage, wenn sich alle und alles zurückgezogen haben, sehen sie im Leben keinen Sinn mehr.«

    Hannibal hob den Brustkorb und sog den Dunst des Raumes ein. Er entzündete eine Pfeife.

    Der Rauch des schlecht glimmenden Tabaks biss in der Nase. Dicke Schwaden stiegen auf und sanken wie Nebel herab. Lange und ohne ein Wort zu sagen, entfachte er mehrmals die Glut. Das Saugen am Mundstück erzeugte Schmatzen.

    Als es ihm gelungen war, dass die Glut hielt, trank er einen Schluck Wein, warf einen Blick auf seinen Becher. Der Wirt verstand und brachte einen gefüllten Krug.

    Behäbig füllte Hannibal sein Trinkgefäß. Die Zuhörer rückten auf ihren Stühlen und starrten Hannibal an.

    Er kreiste mit den Fingern über den Becherrand und dehnte die aufkommende Spannung ins schier unerträgliche.

    »Tja, wie soll ich sagen. So einen Menschen kannte ich lange. Fast mein Leben lang.« Hannibal bewegte mit dem Zeigefinger die Zeiger seiner imaginären Uhr.

    »Er war alt und gebrechlich. Doch seine Gebrechlichkeit bezog sich weniger auf den Körper, als auf den Willen zum Leben.

    Öfter sprach er davon, dass für ihn das Leben sinnlos geworden sei, dass er sein Leben gelebt, seine Tage und Erfüllungen, seine Ängste und Freuden gehabt habe.

    Da ihn die Kinder verlassen hätten, er jeden Tag allein in seinem Haus sei, die Zeit von ihm, wie spröde gewordener Schmutz abbröckelte, wolle er nicht mehr leben.

    Er begriff nicht, weshalb er weiterleben sollte und andere, junge Menschen einen oftmals sinnlosen Tod sterben mussten. In tiefer Verzweiflung ging er eines Tages zu seinem Pfarrer.

    ’Warum Ehrwürden, warum muss ich leben?’, fragte er. ’Wozu soll ich noch da sein, wozu mich Tag um Tag über die Stunden quälen, ohne zu wissen, wofür?’

    Der Geistliche war über diese Frage bestürzt. Er sagte etwas von Bestimmung und Gottes Plan. Er sagte auch etwas über das Leben. Das doch zu schön sei, um es wegzuwerfen. Der Alte solle solche Gedanken gar nicht haben. Nicht nach einem erfüllten Leben.

    Der Alte hörte nur mit halbem Ohr hin.

    Das alles hatte er schon einmal gelesen, es damals in der Schule im Katechismus vorgebetet bekommen. Hatte es sogar seiner sterbenden Mutter als Trost ins Ohr geflüstert, als diese im Todeskampf am Glauben zu verzweifeln drohte. Sie wollte noch leben und durfte nicht.

    ‘Mutter, wir wissen nicht, wozu es gut ist, aber wir müssen uns fügen’, hatte er ihr gesagt. Es war lange her, zu weit entfernt, als dass er sich seiner Worte und ihrer heilenden Wirkung erinnern konnte. Die Mutter schlief in Frieden ein.

    Nun wollte er selbst gehen, für immer schlafen, doch dieses verdammte Herz in seiner Brust hämmerte unablässig. Jeden Morgen trieb es ihn aus dem Bett, rief mit jedem Schlag: ‘Steh auf!’

    Er antwortete: ‘Nein!’

    Er sagte es immer öfter, doch es blieb ohne Wirkung.

    Einmal wollte der Alte das Schicksal zwingen. Er blieb liegen.

    Als die Nachbarin an seine Tür klopfte, ihn im Bett liegend fand, sagte er: ‘Ich muss sterben!’ Er nahm es sich fest vor. Wenn er beim Sterben vergessen worden war, dann wolle er an sich erinnern. Denn, er hatte auch gelernt: ‘Gott sieht alles!’

    Der würde ihn sehen, hier im Bett.

    Wenn er sich anstrengen würde, hätte ER vielleicht ein Einsehen und würde sich sagen, dass er zum Leben viel zu krank und zu alt war. Dann dürfte er gehen.

    Der Alte stellte sich das schön vor, wie eine wunderbare, ewig dauernde Wanderung. Wie in seiner Kindheit, als er mit dem Vater durch die sonntäglichen Wälder zog, rechts und links des Weges den Farn mit einer Gerte peitschend.

    Am Ende des Weges würde ein Licht sein, so groß, dass es alles zu verschlingen drohte. Er würde hineingehen, würde selbst Licht werden.«

    Hannibal machte eine Pause. Seine Pfeife war erkaltet und der Wein warm geworden. Er trank den sauren Rebensaft in einem Zug und fingerte in der Hosentasche nach einem Zündholz.

    Beim Saugen am Mundstück entstand wieder das schmatzende Geräusch, das der Schwäche seiner Lippen geschuldet war.

    Auch seine Zuhörer nutzten die Pause zu derlei Dingen.

    Der eine trank und rülpste wie ein Landsknecht, der andere reinigte seine vergilbten Zähne mit einem abgebrochenen Zündholz. Nur der Wirt saß still und konnte es kaum erwarten, bis es weiterging.

    »Und was war nun mit dem Alten?«

    Hannibal sagte nichts. Einer seiner Kumpane wandte sich an den Wirt.

    »Eine gute Geschichte will überlegt sein, Herr Wirt.

    Wie ein guter Wein braucht sie Pausen, um zu reifen.« Er tippte an den Weinbecher. »Und wie bei einem guten Mahl muss man sich zwischendurch den Nachgeschmack wegspülen, um das Aroma der gesprochenen Sätze nicht mit in die weitere Erzählung hineinzunehmen.«

    Der Wirt schwieg betreten.

    »Entschuldigt bitte die Ungeduld.«

    Hannibal hatte sich ausreichend gestärkt und mischte sich ein.

    »Warum streitet Ihr? Es ist für mich Lob, wenn sich der Wirt und Schiedsrichter nicht beherrschen kann.«

    Seine Freunde wandten sich gegen ihn.

    »Was soll das heißen? Du willst den Wirt beeinflussen. Er wird nicht unbefangen urteilen können, wenn Du ihm so um den Bart gehst.«

    Hannibal unternahm alles, zu glätten, was sich zur Flut erhob.

    »Das liegt mir fern Freunde. Ich will ein gerechtes Urteil. Deshalb werde ich weiter berichten.«

    Er sog noch einmal an der Pfeife und verbreitete ihren unangenehmen Dunst.

    Der Alte und die Bäume

    Wie gesagt, er hatte keine Lust mehr am Leben, hatte den Genuss verloren. Doch er durfte nicht sterben. Irgendetwas hinderte ihn daran, sich aus dem Leben zu stehlen. Was wollte er noch im Sein, wenn es kein Dasein war! In einer dieser Phasen besuchte ich ihn.

    Er saß in einem tiefen Sessel vor seinem Haus. Sonne strich über seinen Körper. Eine Pose, so irreal wie tanzende Moorlichter.

    Die Haare ungekämmt, die Haut von mangelnder Pflege gegilbt. Auf seinem Gesicht lag eine Anspannung, wie man sie von Schwerstarbeitern kennt, nachdem sie ihr Tagewerk beendet hatten. Alles an ihm war eine Mischung aus Spannung und Entspannung.

    Ohne ein Wort zu sagen, setzte ich mich dazu. Während ich dasaß, hatte ich den Eindruck, ich könne seine Gedanken knistern hören.

    Er hatte mein Kommen nicht bemerkt. War von seinen Gedankengängen so weit entrückt, dass er die reale Welt nicht wahrnahm.

    Nach einer Stunde des Wartens hatte ich den Mut, ihn anzusprechen. Es konnte etwas Ungewöhnliches passiert sein. Er konnte krank geworden, am Verzweifeln sein und Hilfe brauchen. Aber wie kann man einem Menschen helfen, wenn man nicht weiß, was ihn bedrückt.

    »Alter, was ist los? Du bist so still?«, fragte ich. Erst da sah er mich an. Sein Blick war voller Fragen. Alles an ihm suchte nach Antworten.

    Wenn Ihr jemals einen Menschen so gesehen habt, werdet Ihr wissen, was ich meine. Das vergisst man sein Leben lang nicht!

    Der Alte war gebrochen.

    Mit einem Zittern, das seinen ganzen Körper schüttelte, lehnte er sich an mich und weinte.

    Bittere Tränen rannen über seine Wangen und durchnässten meine Jacke. Ich hatte das Gefühl, als würden sie erst den Stoff, dann meine Haut verbrennen. Als die Nässe meine Haut benetzte, seine Tränen selbst die letzte Stofffaser meiner Jacke durchdrungen hatten, erfasste mich tiefes Mitleid.

    Dieser Alte zeugte vier Kinder. Hatte sie mit seiner Hände Arbeit versorgt, sich, wie er sagte, für sie abgeschunden. Trotz dem war er allein, als er sie brauchte.

    Seine Frau war schon seit einigen Jahren tot und die Kinder fanden ein leichteres Auskommen. Einmal im Jahr, wenn überhaupt, kamen sie mit ihren Kindern.

    Er kannte die kleinen Geister kaum. Sie nannten ihn Onkel. Als er mir das erzählte, wandte ich ein:

    »Deine Kinder müssen ihnen doch gesagt haben, wer Du bist.«

    Der Alte hatte nur mit den Schultern gezuckt.

    »Ach die!«, raunte er, »Die haben andere Sorgen. Zum Beispiel, wie sie das neue Auto bezahlen.«

    Die Bitterkeit seiner Worte war nicht zu überhören, obwohl er darüber lachte. Nun weinte er sich aus.

    Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, erlebte ich ein offenes Gefühl bei ihm. Als er seine Tränen getrocknet hatte, sah er mich mit leerem Blick an.

    »Mein Sohn, der Peter, Du weißt!«, er wies auf das Bild des Sohnes an der Wand. »Mein Sohn ist tot!« Er starrte in die Tiefe des Hofes. Schwieg!

    Die erwarteten Tränen blieben aus. Er sah mich seltsam an. Ich wollte ihm irgendetwas sagen. Wollte ihm sagen, wie leid es mir tut, ihm mein Mitgefühl ausdrücken. Es ging nicht. Die Worte blieben

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