NOTH GOTTES: Seligenstädter Krimi
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Über dieses E-Book
Für Helene und Herbert erneut eine Chance ihr kriminalistisches Gespür auf die Probe zu stellen.
Bei ihren Recherchen enthüllen sie einen längst vergessenen Fall von Fahrerflucht mit tödlichem Ausgang.
Kriminalhauptkommissarin Nicole Wegener ist nicht begeistert, dass ihr die Hobbykriminalisten wiederum dazwischenfunken. Allerdings helfen ihr und ihrem Team die Insiderinformationen bei ihren eigenen Ermittlungen weiter. Wieder einmal!
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Buchvorschau
NOTH GOTTES - Rita Renate Schönig
Freitag 28. August 2015 – 08:20 Uhr
Etwas kitzelte Helene an der Nase. Bei dem Versuch, dieses Etwas zu verscheuchen, verfing sich ihre Hand in einem Büschel Haare und wurde mit sanfter Gewalt festgehalten.
„Helenchen! Aufwachen! Kaffee ist fertig."
„Wie spät ist es?", fragte sie mit langem Gähnen.
„Fast halb neun", kam die Antwort, gefolgt von einem Kuss auf ihre Wange. Herbert zeigte zu den geschlossenen Fensterrollos, durch dessen Ritzen sich die Helligkeit drängte.
„Verdammischt. Helene schnellte von der Couch hoch. „Ich muss wohl eingenickt sein.
„Nein. Du hast tief und fest geschlafen, mein Schatz."
„Was ist mit den Fotos?"
„Danke der Nachfrage. Ich hab‘ auch gut geschlafe, allerdings allein in meinem Schlafzimmer. „Entschuldigung.
„Die Bilder hatte ich ziemlich schnell hochgelade."
„Ach? Und weshalb hast du mir die nicht sofort gezeigt?"
„Du hast so wunderschön gemummelt, mein Schatz. Frühstück?"
Helene nickte. „Ich geh‘ ins Bad."
Das Badezimmer lag im ersten Stock und war bis vor einem Jahr nur eine nutzbare Nasszelle, die sich zwischenzeitlich in eine kleine Wohlfühloase verwandelt hatte. Wo bis vor Kurzem noch spinatgrüne Kacheln die Wände bedeckten, verzierten nun mattweiße Fliesen von der Decke bis zum aus schwarzen Marmorplatten bestehenden Fußboden den Raum. Ein rotes Zahnputzglas für Helene stand neben einem grauen Rauchglasbecher auf der Ablagefläche; darüber ein breiter Spiegel über zwei Waschbecken.
Beim Umbau seines Badezimmers hatte Herbert darauf bestanden, dass Helene ihren Senf dazugab, wie er sich ausdrückte. Dem friedlich blickenden Buddha, zwischen bodentiefer Dusche und Eckbadewanne, schien die Neugestaltung offenbar zu gefallen.
Er spielt noch immer mit dem Gedanken, dass ich früher oder später hier einziehe.
Ein paarmal hatten sie über dieses Thema geredet. Eine Entscheidung ihrerseits war aber bisher ausgeblieben. Nicht, dass sie generell ein Problem damit hätte mit ihm zusammenzuziehen. Das Haus war größer, der Garten harmonisch, von Herbert im fernöstlichen, asiatischen Stil hergerichtet und die Sonne schien von morgens bis in die Abendstunden auf die gemütliche Terrasse. Helene hatte sich vom ersten Moment an wohlgefühlt. Nur konnte sie sich einfach nicht überwinden das Häuschen, in dem sie viele Jahrzehnte ihres Lebens mit ihrem Friedel verbracht hatte, an wildfremde Leute zu verkaufen oder auch nur zu vermieten.
Nachdem sie ihre Zähne geputzt und eine Katzenwäsche hinter sich gebracht hatte, folgte sie dem Duft von Eiern und Schicken und vor allem Kaffee.
„Ah, da bist du ja. Herbert füllte die Porzellantassen mit dem Blümchenmuster. „Wir brauchen dringend neues Kaffeegeschirr. Ich kann den alten Plunder einfach net mehr sehe.
Helene ging nicht auf seine Bemerkung ein. Stattdessen griff sie nach den Ausdrucken der Aufnahmen, die auf dem Küchenschrank lagen.
„Die arme Frau. Wie ist sie wohl zu Tode gekommen? Man kann keine äußeren Verletzungen erkennen."
„Vielleicht war’s einfach nur en Herzinfarkt. Soll auch bei junge Leut‘ vorkomme."
„Schon, stimmte Helene zu. „Ich frage mich aber, was die Frau nachts in der Kapelle auf dem Friedhof zu tun hatte, oder wie sie dahingekommen ist?
Nachdenklich sah sie einen Fotoausdruck nach dem anderen durch. „Wer ist das?" Sie hielt Herbert ein verschwommenes Foto unter die Nase.
„Das, mein Schatz, ist deine Aufnahme, bei der ich beinah blind geworde wär."
„Schade, dass man kaum etwas erkennen kann."
„Dein Mitgefühl hält sich in Grenze, stell‘ ich fest", erwiderte er mit einem Seufzer.
„Ich werde die Fotos später noch bearbeite. Vielleicht krieg ich des noch schärfer."
„Das würde bestimmt helfen, entgegnete Helene sinnierend. „Das Kleid der jungen Frau. Ich meine das irgendwo schon mal gesehen zu haben. Ich komme aber nicht drauf, wo.
„Jetzt leg mal die Fotos weg." Herbert nahm ihr die Blätter aus den Händen.
„Jetzt wird erst mal gefrühstückt und danach fahren wir zwei Hübschen zum Supermarkt. Ich dacht mir, wir könnte heut nochmal Grillen. Wahrscheinlich wird’s sowieso net mehr allzu viele Gelegenheite dazu gebe. Es wird schon ordentlich kühl abends. Was hältst du davon, wenn wir Nicole dazu einzulade?"
„Gute Idee."
Freitag, 28. August 2015 – 08:45 Uhr
Nicole streckte sich, wodurch der Teller mit den Resten ihrer kulinarischen Abendmahlzeit zu Boden fiel. Schlaftrunken schaute sie auf die Krümel, die nun den Teppich dekorierten. Zusätzlich schmiegte sich das Stückchen Camembert wohlig in die Fasern. Verdammt!
Ihr Blick wanderte zur offenen Balkontür - kein Wunder, weshalb ihr kalt war – dann auf ihre Armbanduhr. Was? Schon kurz vor neun! Immerhin fühlte sie sich ausgeschlafen und freute sich auf das Wochenende.
Sie schälte sich aus der Wolldecke und setzte ihre Füße in sicherem Abstand zu der frisch entstandenen Verbindung zwischen französischem Weichkäse und taiwanesischen Kunstfaserfäden, auf den Boden. Auf dem Weg zum Badezimmer verfügte sie den sofortigen Dienstbeginn ihrer Kaffeemaschine. Zwecks allgemeinen Vakuums im Kühlschrank musste ein ausgiebiges Frühstück ausfallen.
Dreißig Minuten später spurtete sie die Treppe hinab, horchte kurz an Helenes Tür - alles noch ruhig - und eilte leise zur Haustür hinaus. Zurzeit war der Himmel bedeckt, doch hatte der Wetterbericht einen sonnigen und warmen Tag vorhergesagt. Schnurstracks ging sie auf ihren roten Mazda MX5 zu, der wie ein Osterei im Nest, zwischen den meist dunklen Fahrzeugen und den grün belaubten Bäumen und Büschen herausleuchtete.
Vielleicht sollte ich mir doch ein seriöseres und vor allen Dingen geräumigeres Auto zulegen.
Lars‘ Sympathie wäre ihr auf jeden Fall sicher – das wusste sie. Seit er sich vor circa zwei Jahren genau auf diesem Parkplatz aus ihrem Kleinwagen hatte quälen müssen, lag er ihr in den Ohren, sich doch nun endlich mal von ihrem quietschroten Spielzeugauto zu trennen und einen angemessenen fahrbaren Untersatz zuzulegen.
Freilich hatte der Begriff angemessen für Lars eine andere Bedeutung als für Nicole.
Sie stieg in ihren kleinen Roten und lenkte ihn flott vom Parkplatz durch die enge Mauergasse zur Bahnhofstraße und kam auch zügig durch den Kreisverkehr – und dann, wie immer – Stau bis zum Bahnübergang. Nach endlosen Minuten ratterte die Odenwaldbahn aus dem Seligenstädter Bahnhof in Richtung Hanau. Abermals fragte sich Nicole, weshalb die Schranke eine Ewigkeit vor Abfahrt des Schienenfahrzeugs geschlossen wurde. Längst hätte sie schon auf der Autobahn sein können.
Die gleiche Frage beschäftigte vermutlich auch die beiden jungen Männer in einem schwarzen Sportwagen hinter ihr. Mehrfach schlug der Fahrer verärgert aufs Lenkrad.
Eine Corvette, stellte sie bei näherem Hinsehen fest. Lars wäre begeistert. Genau sein Ding. Nur, mit dem Gehalt eines Kriminaloberkommissars, nicht zu verwirklichen.
Die Luxuskarosse hupte, weil sich die Autoschlange in Bewegung gesetzt hatte und Nicoles direkter Vordermann sich galaktische ein Meter zehn entfernt war.
„Ja, ist ja gut", knurrte sie.
Zügig bog sie in die Dudenhöfer Straße ab. Der schwarze Flitzer klebte unbeeindruckt dicht an ihrem Kofferraum, bis zur Ampelkreuzung am Ortsausgang. Dort setzte sich die Corvette mit aufheulendem Motor links neben den MX5. Das provokante Lächeln des etwa 25 Jahre alten Beifahrers, mit strohblonden Haaren und braun gebranntem Gesicht, Typ – Mir-kann-keine-Widerstehen – erfasste Nicole. Zumindest kein Stinkefinger.
Dennoch, oder gerade deshalb wollte sie die offensichtliche Herausforderung nicht annehmen und gab bereitwillig ihre Poleposition ab. Das Kennzeichen F-HS-2017 merkte sie sich trotzdem.
Man trifft sich immer zweimal im Leben.
Freitag, 28. August 2015 – 09:35 Uhr
„Jesses noa, Schorsch, was is en gestern Nacht jetzt do eischentlich passiert? Im Radio hawe se gesaacht, es wär e Leiche in de Noth Gottes gefunne warn. Habt ihr die gefunne?"
Josef Richter, genannt Sepp, drängte seinen Nachbarn und Freund Georg Lenz, ihm haarklein über die nächtliche Aktion zu berichten. Dem Ersuchen kam der nur allzu gerne nach. Auch wenn er bei seiner Schilderung einige Ereignisse