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Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten: Eine Anthologie
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Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten: Eine Anthologie
eBook294 Seiten3 Stunden

Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten: Eine Anthologie

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Über dieses E-Book

12 Geschichten aus der Welt des Unheimlichen, Fremden und Schaurigen - verbunden durch einen alltäglichen Gegenstand: Ziegeln.

Treffen Sie auf einen Mann, der im Wilden Westen einem Monstrum begegnet. Das wahre Monstrum erkennt er aber fast zu spät.
Auf dem Mars passieren seltsame Dinge, als man mit dem Bau der ersten Kolonien angefangen hat.
Eine Frau fühlt sich von Ziegelsteinen in ihrem Haus verfolgt.
Ein Mann, aufgrund einer Quarantäne, dem Wahnsinn nahe, befolgt den Rat einer Schönheit im Spiegel und erforscht seine Wut.
Der Kaiser eines stellaren Imperiums geht bei der Bestrafung eines Rebellen zu weit.
In der Antarktis wird eine uralte, seltsame Höhle mit einem Geheimnis entdeckt. Die Forscher stehen vor einem Rätsel. Der Tod greift jedoch bald um sich und jeder ist in Gefahr.
Ein Ziegelstein verschwindet auf seltsame Art und Weise aus einer Gartenmauer. Der ermittelnde Polizist macht schließlich eine grausige Entdeckung.
etc.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum11. Dez. 2021
ISBN9783754178713
Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten: Eine Anthologie

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    Buchvorschau

    Ziegel - Phantastische Kurzgeschichten - B. Hank Hoefellner

    Vorwort

    Diverse persönliche Rückschläge haben diesen, eigentlich für Sommer 2020 vorgesehenen, Band deutlich verzögert erscheinen lassen. Zeitgleich an einem Roman und seiner Gesundheit zu arbeiten nimmt Zeit und Raum in Anspruch.

    Der Titel „Ziegel" entstand aus einer Laune, als ich in einem Gespräch darauf bestand, dass man praktisch zu jedem Begriff eine Anthologie von Geschichten schreiben könnte. So zum Beispiel auch über Ziegel.

    Ich nahm die mir gestellte Herausforderung an und begann Ideen zu sammeln. Zwischendurch dachte ich, es würde nun doch ein Band mit Kreatur- und Tierhorrorgeschichten werden. Da ich dafür aber erst sehr viel später einen Titel gefunden hatte, kehrte ich wieder zu meinen Ziegeln zurück. Auch dies war, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat, eine ergiebige Quelle.

    Das überwiegend persönliche Feedback habe ich mir für den zweiten Band zu Herzen genommen.

    Das Buch „Jenseits der Tür" wurde überarbeitet und ist ab sofort in einer lektorierten Fassung erhältlich.

    Ich freue mich über die vielen Leser, die sich bei mir gemeldet haben. Mit einigen stehe ich nach wie vor in Kontakt.

    Um uns allen Zeit bis zum nächsten Buch zu sparen, veröffentliche ich unregelmäßig Geschichten, Gedichte und Texte auf meinem Blog www.B-Hank-Hoefellner.de unter Stories & More. Gelegentlich bin ich auch mit einem Text auf Wattpad vertreten und freue mich auch dort über Feedback.

    Nun aber genug der Vorrede, ich wünsche Ihnen gute Unterhaltung bei der Lektüre der folgenden Seiten. 

    Für kreatives Feedback bin ich nach wie vor jederzeit dankbar, hoffe auf gut gemeinte Ratschläge und wohlwollendes Entgegenkommen.

    Schreiben Sie mir unter hank.hoefellner@mail.de - ich freue mich auf Sie.

    Ihr B. Hank Hoefellner

    Die Maschine

    Lukas Hashimoto war nervös. Der Vorstand war extra von der Erde eingeflogen, um sich über die Fortschritte vor Ort zu informieren.

    Seitens der Projektleitung, der Lukas direkt unterstellt war, waren Präsentationen sowie eine aussagekräftige Demonstration der Automatisierungseinheiten vor Ort geplant. Das betraf ihn. Er war das ‚vor Ort‘. Er würde demonstrieren. Darin war er gut. Waren das nicht alle, die hier arbeiteten? Gut in dem, was sie taten? Zeichnete ihn das als etwas Besonderes aus? Lukas wollte das glauben. Hatte er doch Ziele, die weit über den Mars hinausgingen.

    Er ging noch einmal alle Routinen und Subroutinen der Programmierung durch. Alles schien in bester Ordnung zu sein. Die Maschine tat, wozu sie von ihm programmiert worden war. Die Abweichungen der Endfertigung lagen innerhalb der erlaubten, eng begrenzten Parameter. Es würde keine noch so kleine Überraschung geben. Es durfte keine Überraschungen geben.

    Zufrieden lehnte er sich in seinem Sessel zurück. Sein Blick fiel auf die ferne Sonne Sols, die hier auf dem Mars nur sehr klein aussah. Phobos und Deimos, die beiden kleinen Monde des Mars, standen am Horizont. Ein heftiger Sturm tobte jenseits der gewaltigen, transparenten Kuppel aus Transplexan und wirbelte roten, feinkristallinen Staub auf, der sich später auf der selbstreinigenden Oberfläche der Kuppel nur kurzzeitig absetzen würde.

    Sie hatten noch diverse Stunden Tageslicht. Mit Beginn der Dunkelphase würden die vollständig automatisierten Beleuchtungsmodule der Anlage selbständig aufsteigen und für sanftes diffuses Licht sorgen. Es wäre ähnlich einer klaren Vollmondnacht auf der Erde. Zumindest sagte man das.

    Eine Kontrolllampe begann zu blinken. Sofort war Lukas hellwach. Seine Finger flogen über die Tastatur und ein virtuelles 3D-Bild erschien vor ihm auf dem Display seines Helms. Seine Hände schoben virtuelle Ventile auf, verriegelten digitale Schleusen und regelten den Anpressdruck und das Mischverhältnis der Grundkomponenten - je nachdem, in welcher Phase des Projekts sich die Maschine gerade befand.

    Er kontrollierte die Pläne und den Fortschritt. Es gab einen deutlichen Überschuss an Mauerziegeln, während die Maschine aber in der aktuellen Phase Elemente für die tragenden Zwischendecken produzieren sollte.

    Das hatte den Alarm ausgelöst. Er musste nur die Mauerziegel bevorraten und das Problem wäre behoben.

    Er fragte rasch die Kapazitäten der benachbarten Baustellen ab. Von diesen bekam er auch die sofortige Rückmeldung, dass im Augenblick an keinem der zu fertigenden Gebäude ein Bedarf an Ziegeln herrschte.

    Mist. Dorthin konnte er die überschüssigen Mauersteine also nicht transferieren.

    Die Lager!

    Flink tippte er die Befehle und der Grundriss der Kuppel erschien in seinem Display.

    Auch dort: Keine freien Lagerkapazitäten. Alle Bereiche hatten sich vorsorglich für den Besuch des Vorstands mit ausreichend Baumaterialien eingedeckt.

    Gerade als er das Display deaktivierte, hörte er, wie sich die Türen zu seinem Büro öffneten. Der Duft nach Akten und einem schweren Parfüm begleitete die Abordnung.

    „Lukas? Dürfen wir stören?"

    Lukas Sessel fuhr herum. Vor ihm standen Lydia Schelling und hinter ihr der gesamte Vorstand von MarsINC.

    Er sprang aus seinem bequemen Sessel, zupfte den orangen Overall, den alle, die hier arbeiteten, trugen, zurecht und ging auf seine Gäste zu. Schweiß trat auf seine Stirn. Roch er? Sicher nicht! Er hatte heute Morgen sogar länger geduscht, als ihm eigentlich zustand.

    „Aber natürlich, Lydia! Herzlich willkommen in Anlage 4, Bereich F, Sektion 2 B. Mein Name ist Lukas Hashimoto."

    Er verbeugte sich, ganz so, wie es ihm seine japanischen Großeltern beigebracht hatten.

    „Kommen Sie ruhig wieder hoch.", sagte Mr. Juanito Brown, der Arbeitsdirektor des Vorstands und klopfte ihm auf die Schulter.

    „Ich bin Juanito Brown. Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen. Dies sind meine Kollegen aus dem Vorstand: Doktor Samantha Daria und Vasquez Ngo."

    „Willkommen auf dem Mars!"

    „Das ist also Ihr Reich?", frage Dr. Daria.

    „Wenn Sie es so nennen wollen. Ich bin hier zuständig für die Programmierung und Überwachung der Baumaschinen. Wie Sie wissen, sollen in weniger als 6 Monaten weitere 1000 Siedler vom Mond aus zum Mars gebracht werden. Wir befinden uns hier in der vierten von 6 geplanten miteinander verbundenen Kuppeln. Hier unter uns, er wies auf die riesigen Baugruben, die sich weit unter ihnen erstreckten und sich bereits tief in die Oberfläche des Mars gefressen hatten, „sehen Sie den Baufortschritt in Echtzeit.

    „Beeindruckend!", sagte Mr. Ngo.

    „Hier entstehen zunächst die Wohneinheiten für die Kolonisten von der Erde. Danach werden diese mit dem Infrastrukturnetz verbunden."

    „Und Sie denken, unser Zeitplan ist einzuhalten? Er ist eng bemessen."

    „Dr. Daria, dessen bin ich mir völlig sicher. Obwohl ..."

    „Obwohl?"

    Lydia sprang ihm bei.

    „Mr. Brown, was Lukas sagen will, ist, dass wir mit Platzproblemen zu kämpfen haben. Die Maschinen, die unter anderem auch von Lukas mit entworfen wurden, verarbeiten zwar in einer beispiellosen Effizienz Aushub, Erz und Gestein, dennoch ist es oft extrem schwierig, die jeweils gefertigten Baumaterialien zwischenzulagern. Es gibt zu wenige und zu weit auseinanderliegende Lagerhallen. Aber ..., damit legte sie ihren Arm um Lukas und fuhr fort: „Lukas hat eine geniale Lösung für dieses Problem gefunden.

    „Tatsächlich?"

    Browns Augenbrauen zuckten interessiert nach oben.

    Lukas fühlte, wie er rot wurde.

    „Nun, es ist leider noch nicht völlig ausgereift ..."

    „Nur Mut, junger Mann! Sprechen Sie frei heraus!", ermutigte ihn Ngo.

    Lydia ergriff das Wort.

    „Er hat eine Möglichkeit gefunden, wie die Maschinen eine Tasche in den Raum falten können, um dort die Materialien für eine unbegrenzte Zeit einzulagern. Bei Bedarf kann von jedem beliebigen anderen Ort darauf zugegriffen werden."

    Dr. Daria war verblüfft.

    „So etwas ist möglich?"

    „Nun, ganz einfach war es nicht. Wir haben eine Maschine zu Testzwecken umgebaut und erste Versuche verliefen zufriedenstellend. Von den Anfängen ..."

    Lydia klopfte ihm rasch auf die Schulter.

    „Nicht so bescheiden, Lukas. Es läuft so gut, dass wir bereits eine zweite Maschine auf das Verfahren umgestellt haben."

    „Verbraucht so ein Verfahren nicht eine ungeheure Menge an Energie?", warf Ngo ein.

    Lydia:

    „Weniger als Sie vermuten würden. Und das Beste daran ist, wir sparen das an anderer Stelle wieder ein. Weniger Transport von A nach B über C. Lagerhallen werden über kurz oder lang obsolet und man kann pro Kuppel bis zu 200 Wohneinheiten mehr unterbringen."

    „Das wäre in der Tat bemerkenswert!", lobte Ngo Lukas und klopfte ihm ebenfalls auf die Schulter. Das bescherte ihm einen weiteren Schwall Schweiß, der in Strömen seinen Rücken hinab lief.

    „Könnten wir so etwas einmal in Aktion erleben?"

    „Ich weiß nicht, ob ..."

    „Aber natürlich."

    Lukas mochte Lydia, aber ihr forsches Auftreten und ihre überschwängliche, oft vorschnelle Art machten ihn rasend. Vor allem jetzt.

    „Wie Sie sehen, meldet die Maschine bereits, dass es einen Baustopp aufgrund falsch disponierter Materialien gibt. Noch muss man manuell eingreifen, aber unsere IT arbeitet an einem automatisierten Prozess, der die Vorgänge in der Grube erheblich beschleunigen wird."

    „Faszinierend!", sagte Brown anerkennend.

    „Lukas: Würdest du?"

    „Gerne, Lydia. Ich werde die Maschine also anweisen, eine Falte im Raum zu bilden. Sehen Sie? Dazu drücke ich hier und vorne, direkt neben dem Bergbaulaser, der für Analysen durch plasmainduzierte Emissionsspektroskopie ebenso geeignet ist, wie dafür, große Löcher in Stein und Fels zu fräsen, schaltet sich ein Linearpartikelbeschleuniger zu."

    An der Spitze eines robusten Greifarms öffnete sich eine bläulich schimmernde Lanzette. Die Luft flimmerte und schwaches Pulsieren erfüllte den Raum. Man konnte den Eingriff auf die Struktur der Raumzeit tatsächlich fühlen.

    „Hier werden einzelne massereiche Partikel derart mit Energie angereichert und schließlich nach Erreichen einer kritischen Geschwindigkeit auf einen winzigen Punkt im Raum gefeuert. Das bei der Kollision mit statischer Materie auf Ebene der Planckeinheiten entstehende Higgsfeld beugt den Raum so stark, dass sich der Raum lokal in sich selbst hinein faltet – es bildet sich eine temporär stabile Tasche im Raum, eingebettet in der Struktur der Raumzeit selbst."

    „Wie regeln Sie das?"

    „Dr. Daria, dieses Problem hat uns in der Tat lange beschäftigt, bis wir Mittel und Wege gefunden haben."

    „Sagen Sie es uns in einfachen Worten. Sie wissen, wir sind wenig mit der Welt exotischer Materie vertraut."

    Er dachte kurz nach, sagte:

    „Also, einfach ausgedrückt wird dies über die Geschwindigkeit und natürlich die Frequenz der beschleunigten, hochfrequent schwingenden Partikel bewerkstelligt."

    „Danke, Mr. Hashimoto. Fahren Sie fort!"

    „Nach dem Erreichen der gewünschten Größe der Tasche im Raum, werden die zu lagernden Bauelemente Stück für Stück transferiert."

    Unten sah man diverse Greifarme, die sich daran machten, die unzähligen Rot schimmernden, gepressten und gesinterten Ziegel auf Förderbänder zu legen. Diese setzten sich automatisch in Bewegung und wurden so oft umgelenkt, bis schließlich die ersten Steine über die Förderkante fielen und in einem unsichtbaren Punkt des Raums verschwanden.

    „Und auf dieses Lager kann man von überall zugreifen?"

    „Theoretisch könnten Sie von der Erde aus auf die eingelagerten Bauteile zugreifen. Ja, sofern Energieinhalt und Frequenz der Blase präzise bekannt sind."

    „Das ist originell. Und absolut genial!"

    Brown, Daria und Ngo klatschten gefällig und lächelten.

    Lydia ergriff das Wort.

    „Es tut mir leid, aber wir müssen leider weiter. Ihr Aufenthalt ist kurz und ihr Terminplan eng getaktet."

    „Mr. Hashimoto, es hat uns sehr gefreut. Vielen Dank für die erhellende Demonstration!"

    „Wir behalten Sie im Auge, junger Mann!"

    „Es war mir ein Vergnügen, Doktor, die Herren."

    Wieder verbeugte er sich.

    Als sich die Tür hinter den hohen Gästen verschlossen hatte, ließ er sich erschöpft in seinen Sessel fallen. Ihm war nicht wohl dabei. Die Blicke, die die Vorstände am Ende der Demonstration untereinander ausgetauscht hatten, kannte Lukas nur zu gut. Es ging um Profit.

    Jeder der drei witterte in Lukas‘ Entdeckung ein Riesengeschäft. Das hatte auch er selbst getan.

    Anfangs.

    Bis er seine erste Maschine außerhalb des Labors getestet hatte.

    Im Labor gab es Probleme mit dem Prototypen, die aber erst auffielen, als bereits eine doppelt so große Einheit in Betrieb gegangen war.

    Ihm schauderte, als er an die kleine Maschine dachte, die weit unter ihm, in einem geheimen Labor unablässig vor sich hinarbeitete und Ziegel verschwinden ließ. Einmal hatten sie versucht, der Maschine Ziegel vorzuenthalten - daraufhin hatte sich die Falte im Raum vergrößert und drohte die ganze Einrichtung zu verschlingen. Jetzt wurde die Anlage täglich mit Ziegeln gefüllt, die die gefräßige Apparatur unablässig ins Nichts beförderte. Ein Ziegel pro Minute. Niemand hatte auch nur den Hauch einer Ahnung an welchen Ort. Es war die erste Falte. Keiner hatte eine Vorstellung, wohin sie sich geöffnet hatte. Verschließen klappte nicht mehr. Jede nur denkbare Art wurde versucht. Und an jeder dieser Arten scheiterte man. Die unheimliche Maschinerie bezog aus der Öffnung Energie und solange die Öffnung bestand, würde die Maschine laufen. Und Ziegel in ein unbekanntes Universum schicken. Hoffentlich konnte man dort etwas damit anfangen!

    Aber es gab noch andere, deutlich seltsamere Nebenwirkungen:

    In einem der ursprünglich verwendeten Container, der als Zwischenlager für Ziegel dienen sollte, tauchten in unregelmäßigen Abständen Kinder auf. Als wäre das nicht beängstigend genug, stellte sich heraus, dass es britische Kinder waren. Britische Kinder aus den späten 1960ger Jahren. Fein säuberlich mit Uniform und Buchpaket mit Lederriemen.

    Die Verantwortlichen versteckten alle 65 bisher erschienen Kinder in einer rasch gebauten Mustersiedlung. Man flog Erzieher und Lehrer von der Erde ein und bemühte sich, sie zu nützlichen Mitgliedern ihrer Marsgemeinschaft zu formen.

    Er dachte an das Labor von Kurisawa und Armstrong. Beide wollten aus der ersten stabilen Raumtasche, die erfolgreich geöffnet und wieder geschlossen wurde, Ziegel entnehmen. Leider kam kein Ziegel aus der Öffnung, sondern mehrere gewaltige Tentakel, welche die beiden Techniker in der Luft zerfetzen.

    Das kam nicht nur für die zwei Wissenschaftler überraschend, sondern für das ganze Team der Marsbasis.

    Man beeilte, sich alle Spuren zu verwischen. Anschließend erfand man einen grausigen Unfall mit dem Entsafter der Frühstückstheke und beerdigte die Überreste feierlich und mit der verfügbaren Würde im roten Staub des Mars am Fuße des Mount Olymp.

    Daraufhin wurde das Labor versiegelt und die Türen verschweißt. Durch das Laborfenster konnte man bis vor kurzem noch sehen, dass aus der Öffnung im Raumzeitgefüge Kreaturen gekrochen kamen und das Labor besiedelten. Eine Art von Pilz oder Flechte hatte binnen weniger Tage das gesamte Labor überwuchert. Das war vor dem Nebel, der mittlerweile aus dem Loch in das Labor entweicht und eine eigene Biosphäre zu bilden scheint.

    Lukas schüttelte sich. Eine grausige Vorstellung, dass sich 250 Meter unter seinen Füßen eine extradimensionale Flora und Fauna anschickte sich heimisch zu fühlen. Er hoffte nur, die Unmengen Geröll und Sand und Ziegel, die man in jede verfügbare Öffnung rund um das Labor gestopft hatte, würden all diese seltsamen Kreaturen dauerhaft einsperren.

    Lydia war darüber weniger besorgt. Klar. Ihren Job hatte sie wegen eines unerschütterlichen Glaubens an die Kraft der Wirtschaft erhalten.

    Im Übrigen würde sie nach Abschluss von Phase 4 zur Erde zurückkehren und ihr Leben in einer extrem wohlhabenden Gegend, ausgestattet mit einer ungeheuren Menge an nicht übertragbaren Bürgerschaftspunkten und den damit einhergehenden Privilegien, genießen.

    Aber was war mit den Siedlern?

    Nun, das wäre schließlich ein Problem des von den Bürgerkolonisten nach ihrer Ankunft auf dem Mars zu wählenden Gouverneurs.

    Und was wäre, wenn diese oder deren Nachkommen irgendwann auf Labor Nummer 3 stoßen würden?

    Er schauderte beim bloßen Gedanken daran.

    Hier hatte das erfolgreiche Schaffen einer Raumfalte zu massiven Störungen der Naturgesetze geführt. 27 Mitarbeiter, Freunde und Kollegen verwandelten sich vor seinen Augen in Flüssigkeiten, deren Pfützen sich, entgegen der Schwerkraft, an der Decke des Labors zu einem kleinen Teich versammelt haben. Lichtlose schwarze Sphären schweben noch immer in diesem ebenfalls versiegelten Raum in einem chaotischen Muster, halten aber stets den gleichen Abstand zueinander – und niemand war bis jetzt in der Lage, dafür eine Erklärung finden!

    Oder all die Räume, die man verschloss, aber nie mehr fand.

    Oder jene, die man erfolgreich mit Ziegeln gefüllt hatte, verschloss und als man sie öffnete, fand man fremdartige Blüten.

    Und es gab noch viel mehr, das man tief unter ihm begraben hatte.

    Aber vielleicht hatte Lydia Recht und der Nutzen überwog die Risiken. Er hatte noch 3 Jahre auf dem Mars. Dann würde er auf Europa weiterziehen, um dort an neuen Siedlungen für verzweifelte Bürger ohne ausreichender Anzahl an Bürgerschaftspunkten zu bauen.

    Er hoffte nur seine Maschinen, die Großen auf denen er saß und die programmiert wurden, Städte und Siedlungen zu bauen, stießen nicht irgendwann eine Tür auf, die zu gewaltig war, um sie vor der Menschheit geheimzuhalten. Im Moment wurde der Preis in Form von Ziegeln und verschlossenen Räumen bezahlt. Und britischen Kindern aus der Vergangenheit der Erde. Wie lange würde man das noch geheimhalten können?

    Ein Alarm an seinem Handgelenk summte. Zeit fürs Mittagessen. Er startete die Automatik und überließ die Maschinen sich selbst. In 45 Minuten würde die Welt schon nicht untergehen.

    Hoffte er zumindest!

    Beim Hinausgehen blickte er kurz auf einen Zähler, der gerade auf 66 umschaltete. Noch ein Kind. Er zuckte mit den Achseln und vertiefte seinen Blick auf den heutigen Speiseplan.

    ENDE

    Rache

    Die Sonne war gerade dabei aufzugehen, als man den Widerhall ihrer schweren Schritte hörte.

    Sie waren zu fünft. Fünf kräftige Arbeiter aus der großen Ziegelei am Ende der Straße. Auf einem Karren lag ein Bündel aus Fleisch.

    Sie hatten an seine schäbige Tür geklopft. Er hatte geöffnet, nach bangem Warten und schlafloser Nacht, hoffnungsvoll und wurde doch so bitter enttäuscht.

    Sie warfen ihm die Leiche einfach vor die Haustür. Blutend, in zerfetzten Kleidern.

    Als er den geschundenen Leib seiner Tochter sah, brach er zusammen. Auf Knien rief er, die Augen tränennass, Gott um Beistand an. Sein Kopf senkte sich und sein Flehen verwandelte sich in leises Wimmern. Er hatte keine Kraft mehr. Sein Lebenswille war in dem Moment verflogen, als er den leblosen Körper seiner Tochter von der Straße aufgehoben hatte, um sie hier, in ihrem Bett, zur Ruhe zu betten. Nun hatte er auch keine Tränen mehr.

    Er griff nach der leblosen Hand des Mädchens. Dann nahm er einen Lappen, tauchte ihn in eine Schüssel mit Wasser und begann, die blutigen Krusten von ihrem Körper zu waschen. Mit einer Bürste, ihrer Lieblingsbürste, kämmte er das strähnige, krustige Haar, rieb es mit Öl ein, bis es wieder glänzte.

    Nach diesem letzten Akt der Liebe und Zuneigung kniete er sich hin und betete. Es war das erste Gebet seit Jahren, seit ihm sein Sohn von der Fabrik genommen wurde. Jetzt war auch seine Tochter tot. Und wieder war ihm ein Kind genommen worden. Wieder war es die Ziegelei.

    Als er fertig war, bekreuzigte er sich, bedeckte den malträtierten Leichnam so gut es eben ging mit einem weißen Tuch und nahm zum letzten Mal Abschied. Von unten hörte man ein Hämmern an der Tür. Er küsste die Stirn seiner Tochter durch das Tuch, wischte sich die letzten Tränen aus den Augen und verließ das Zimmer, um die Tür zu öffnen. Nach wenigen Stufen stand er vor der schmalen Haustür, die er langsam einen Spalt breit öffnete. Frank, der Vorarbeiter aus der Ziegelei.

    „Angus, es tut mir leid, aber Mister McGrath will dich auf der Stelle sehen."

    „Sag ihm, dass er mich am Arsch lecken kann."

    Er wollte die Tür wieder schließen, als:

    „Angus, ich sage das wirklich nicht gern, aber…"

    „Aber?"

    „Es geht um Maddie."

    Angus riss die Tür mit solcher Kraft auf, dass diese gegen die Wand prallte und große Stücke des Kalkputzes daraus schlug und schrie:

    „Wag es nicht, den Namen meiner Tochter in den Mund zu nehmen."

    Auf der kurzen Straße der Arbeitersiedlung blieben die Leute erschrocken stehen. Einige waren an die offenen Fenster getreten und starrten herüber.

    „Was glotzt ihr so?", rief Angus ihnen zu.

    „Es gibt nichts zu sehen! Ja, meine

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