Entdecken Sie Millionen von E-Books, Hörbüchern und vieles mehr mit einer kostenlosen Testversion

Nur $11.99/Monat nach der Testphase. Jederzeit kündbar.

Baker Island: Die andere Wahrheit
Baker Island: Die andere Wahrheit
Baker Island: Die andere Wahrheit
eBook348 Seiten4 Stunden

Baker Island: Die andere Wahrheit

Bewertung: 0 von 5 Sternen

()

Vorschau lesen

Über dieses E-Book

Wer glaubt, dass Tote nicht singen können, der irrt sich. Auch John, der orientierungslos und ohne jegliche Erinnerung an einem Strandabschnitt zu sich kommt, muss auf seiner Odyssee durch eine mehr oder weniger verrückte Inselwelt schließlich erkennen, dass er selbst Teil eines mysteriösen Geheimnisses ist, das all die kurisosen Persönlichkeiten miteinander verbindet, die ihm begegnen.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum2. Okt. 2019
ISBN9783748561033
Baker Island: Die andere Wahrheit

Mehr von Hugo Berger lesen

Ähnlich wie Baker Island

Ähnliche E-Books

Allgemeine Belletristik für Sie

Mehr anzeigen

Ähnliche Artikel

Rezensionen für Baker Island

Bewertung: 0 von 5 Sternen
0 Bewertungen

0 Bewertungen0 Rezensionen

Wie hat es Ihnen gefallen?

Zum Bewerten, tippen

Die Rezension muss mindestens 10 Wörter umfassen

    Buchvorschau

    Baker Island - Hugo Berger

    Die andere Wahrheit

    Hugo Berger

    chapter3Image1.jpeg

    Impressum

    Texte: © Copyright by Horst Gebetsberger

    Umschlag: © Copyright by Horst Gebetsberger

    & Gabriel Schmitz

    Verlag: Horst Gebetsberger

    Bgm.Jungwirth-Str. 4 b

    94161 Ruderting

    horst-gebetsberger@t-online.de

    Druck: epubli, ein Service der

    neopubli GmbH, Berlin

    Printed in Germany

    Baker Island

    chapter4Image1.jpeg

    Nur eine Insel, in der Weite des Ozeans....

    Sie stemmt sich mit aller Gewalt den wild tosenden Wellen im Westen entgegen und ist doch mächtig genug um nicht einfach von den Gezeiten hinweggespült zu werden. Aufragend wie ein Wolkenschiff mitten in der Weite des Ozeans. Geheimnisvoll, unbekannt für den Rest der Welt und doch Heimat für eine eingeschworene Gemeinschaft von Auserwählten.

    1 – Strandgut

    Der Lippenstift ist verwischt, zu viel Rot, zu viel grelles Scheinwerferlicht … unwirklich, fuck. No … kein Scheinwerfer, damned. Sonnenlicht, gleißend, unbarmherzig und gnadenlos brennt sie auf mein Gesicht. Wo ist meine Sonnenbrille? Mein Kopf, unglaublich dieses Summen von 1000 Hummeln in meinem Schädelinnern. Woher kommt dieses bedrohliche anrollende Rauschen? Was ist los? Ich fühl mich nass, mein schöner weißer Anzug, er ist ruiniert. Ich kann nicht aufstehen, mein Körper versagt, und wo sind meine Schuhe? Bin ich verletzt, verunglückt? Nein, kein Blut. Da ist nur Wasser. Es sind die Wellen, die dieses Geräusch verursachen. Sie kommen immer näher auf mich zu und sie spritzen mich ab, jedesmal wenn die Gischt schäumend auf den Widerstand der schroffen Felsen unmittelbar vor meinen Füßen trifft. Schrecklich surreales Szenario, mieser Traum, ganz mieser Traum. Ich muss wieder einschlafen um diesem ultimativen Grauen zu entkommen, bin schwach, kraftlos und unheimlich müd.

    Hab ich gerade im Traum geschlafen, um im selben Traum wieder aufzuwachen? Fuck, wann ist das endlich vorbei. Ich hab Angst, diese Wellen kommen immer näher und sie werden immer höher, ich muss hier weg. Warum hab ich Angst? Come on, ist doch nur ein ziemlich mieser Albtraum. Mistwellen, fuck. Komm schon du widerspenstiger schwacher Körper. Nur ein paar Meter nach oben. Die Wellen werden dich nicht kriegen, auch im Traum nicht, Bullshit. Der Boden schwankt, aber ich bewege mich kriechend, Stück für Stück, come on. In welches verdammte Nirgendwo hat mich mein Traum verschleppt?

    Was ist das hinter mir? Büsche, Gestrüpp, Dickicht und … nein, das ist nicht okay Leute. Welcher Wahnsinnige hat das Drehbuch für diesen beschissenen Traum ohne Ende geschrieben. Was soll diese Monster-Mauer? Das ist nicht gut, wirklich nicht. Dieses Ding ist zu hoch, ich bin kein Kletterer, und ich werde auch nie einer sein. Und wo bitte ist das Ende dieser ungeheuren Anhäufung von meterhohen Steinen, dass ich wenigstens außenherum vorbei komme? Das ist nicht das, von was ich sonst träum, oh no. Ich will jetzt wach werden, ich steig aus diesem Traum aus, yes, game over. Irgendjemand soll mich aufwecken, sofort. Das ist alles nur ein Hirngespinst meiner schizophrenen Gedanken, die mir dieser Traum vorspielt, oder mein Unterbewusstsein will mich auf eine alternativlose Probe stellen mit einem unter mir tosenden Monster aus Wasser und einer vor mir unüberwindbaren Mauer. Im Moment bin ich nicht mehr als ein erbärmliches willenloses Stück Treibholz, angespült auf einem Streifen Festland, das weder zurück ins Wasser kann noch über die Mauer fliegen gelernt hat.

    Ich muss mich erst ausrasten, auch wenn es nur im Traum ist. Wo soll ich hin? Ich bin orientierungslos, aber da ist ein Trampelpfad an der Mauer entlang. Ich muss zum Ende dieser Mauer kommen, egal in welcher Richtung. Dann muss es zwangsläufig ein Ende oder einen Durchlass geben. Ich werde rechts gehen, rechts ist gut, alright, wenn ich Kraft habe und diese kotzige Übelkeit nachlässt. Vielleicht habe ich auch sagenhaftes Glück und bin am Ende des Albtraumes angekommen, bevor ich mich weiter träumend auf diesem miserabel anmutenden und völlig überwuchertem Pfad vorwärtsquäle.

    Der Schlaf kann dein Freund sein, wenn er dich erholsam dahin-schlummern lässt und den täglichen Gedankenmüll unter einem unsichtbaren Berg von anregenden Phantasien vergräbt. In diesem Moment ist er nicht mein Freund. Im Gegenteil, er versucht mich zu unterwerfen, er füttert mich mit morbiden Gedanken, die sich im Labyrinth meiner Wahrnehmung ausbreiten wie ein hochansteckendes Virus. Ich hab im Traum schon gelacht und geweint, dass mein Kopfkissen nass war. Ich hab geschrien und ich hatte einen Orgasmus, der sich so absolut live anfühlte. Doch nie hatte ich im Traum so derartig intensive Schmerzen, die der Realität so nahe waren wie das jetzt. Es sind nicht nur die Magenkrämpfe und die penetrante Übelkeit. Mir ist heiß, und gleichzeitig sind meine Hände eiskalt, sie zittern. Meine Beine, sie schmerzen und doch sehen sie unversehrt aus. Was ist das? Ich fühl mich, als ob ich in eine Art Zwischenwelt geraten wäre. Ich träume und schlafe doch nicht, oder ich wache einfach nicht auf. Ist es ein Schockzustand? Was ist, wenn das alles kein Traum ist, wenn das alles was ich gerade wahrnehmen kann Realität ist? Wer bin ich dann, warum bin ich hier und wie bin ich überhaupt hierher gekommen? Ich hab keine Antwort darauf, no.

    Ich seh mich selbst so dasitzen, fragend und philosophierend aber antriebslos und von gemeinen Schmerzen geplagt. Die Sonne steht jetzt ziemlich senkrecht over me. Sie scheint mich anzugrinsen, auszulachen, bloody Bastard. Ich werd versuchen mich aufzurappeln, muss mich zusammenreißen, fuck. Irgendwie schein ich auf die Füße zu kommen, okay. Dann also rechts entlang, soweit die Füße mich tragen. Langsam, aber es geht. Schritt für Schritt, muss ja keinen Wettlauf machen. Ich denke einfach nicht mehr nach, ich lass es geschehen. Es sieht alles so gleichartig eintönig aus. Nach einer Biegung kommt die nächste. Dazwischen Gestrüpp, davon flüchtende Krabben, Steinbrocken, die vermutlich im Lauf der Jahre aus dem Mauerwerk herausgefallen sind, dann wieder ein Stück Pfad und seitlich ein teuflisch herrlicher smaragdgrüner Ozean, der seinen Strand mit messerscharfen Korallensteinen vermint hat. Wenngleich sich ein anmutender Blick auf diese tosende Gewässer auftut, so ist es doch alles andere als ein Spaziergang. Diese Mauer scheint kein Ende nehmen zu wollen. Sie grenzt mich aus wie einen Aussät-zigen, sie zwingt mich diesen Weg weiterzulaufen ohne dass ich weiß wohin er überhaupt führen soll.

    Ein Spiel, es ist ein verdammtes Spiel, und ich bin der Hamster der in irgendein Türchen laufen soll am Ende dieser widrigen Show. Es dämmert in meinem Oberstübchen. Okay meine Konstitution ist really bescheiden, I know. Das ist eine dieser Nummern, wo sie dir einen strammen Cocktail mit einem k.o.-Hammer verpassen und dich anschließend in eine Reality-Show schicken, bei der sich vermutlich ein Millionen-Publikum vor dem Fernsehschirm für jedes Missgeschick die Hände reibt und auf die Schenkel klopft. Und meine Wenigkeit hechelt wie ein streunender Hund ohne Nahrung einer vermeintlichen Spur nach, um endlich an den Knochen zu kommen, der „Ziel erreicht heißt. Wie bin ich da nur hineingeraten, ich hab nicht die geringste Vorstellung. Dieser Cocktail ist es, der mich fertig gemacht hat. Klar, die Übelkeit, der Kater, der Schwindel. Das sind alles die Nachwirkungen eines special heavy Drinks. „Haaaaallo, haaaaallo, es ist gelaufen, ich gebe mich geschlagen, ich geb auf, damned. Holt mich hier raus. Haaaallo. Wo seid ihr, wie heißt das Stichwort Leute? Seht ihr, ich gebe auf, yes. Ich erkläre mich hier und jetzt geschlagen, es ist over. Warum tut sich nichts? „Hallo, hallo, game over! Habt ihr gehört, habt ihr mich verstanden, game over and out, es ist gelaufen Leute! Sie scheinen mich nicht zu hören, oder sie wollen mich nicht hören? Sie wollen es spannend machen, sie wollen Action, noch mehr Action. Okay, das können sie gerne haben. Ich werfe Steine über diese Kulissenmauer, sind ja genügend da. Mal sehen, ob ich jemanden auf sein versnobtes feines eingebildetes Näschen treffe. Yes, das macht mal Spaß. Es ist der kleine unartige Junge in mir, der diese eingebildete hinter-den-Kulissen-Gesellschaft auf der anderen Seite dieser gruseligen Mauer mit von Vogelex-krementen vollgekackten Muschelkalksteinen beballert. „Hey noch einer, und der ist für den Showmaster, und der für die Jury, und dieser für den Herrn Programmdirektor….und noch ein paar für die Einschaltquoten-Heinis. Was ist, niemand getroffen? Alle verpasst, oder hockt ihr alle zu Hause vor der Fernsehkiste in sicherem Abstand? Keine Fanfare, keine Lautsprecheransage, kein Applaus, nicht einmal Buhrufe…Verflucht, was muss ich denn noch tun, damit mich endlich jemand hier rausholt? Es ist meine bedingungslose Kapitulation, sure.

    Die Sonne am Himmel ist bereits ein Stück weiter gewandert, mein Zeitgefühl ist out of order. Welcher Tag ist heute? Phantasiere ich, ist das alles eine Halluzination? Ich kann das nicht differenzieren. Mein Kopf ist leer, nur das krasse Summen der Hummeln begleitet mich auf Schritt und Tritt. Der Schweinehund in mir möchte einfach auf der Stelle verharren, aber sein Feind setzt sich wieder in Bewegung und stapft gedankenlos dem Weg der Sonne folgend dahin. Längst habe ich die folternden Schmerzen als unabwendbaren Bestandteil meiner menschlichen Hülle hingenommen. Einzig überraschen mich meine schuhlosen nackten Fußsohlen, die dem teilweise steinigen Weg nahezu schmerzfrei trotzen. War mein Blick zuerst auf den majestätisch weiten Ozean gefallen, suchen meine Augen nun diese Mauer vergeblich nach Möglichkeiten ab sie zu überwinden oder eine Schwachstelle ausfindig zu machen. Mein Hoffnung dagegen, Teil einer Live-Show zu sein, ist kümmerlich klein geworden, ebenso wie noch daran glauben zu wollen, plötzlich aus einem vermeintlichen Traum zu erwachen. 

    Die Sonne wandert weiter vor mir her, immer tiefer fallend dem Meeresspiegel entgegen. Auch diese strutzige Mauer scheint mich feindlich begleiten zu wollen. Was wird sich hinter diesem mächtigen Bollwerk wohl verbergen? Möglicherweise macht es sogar Sinn, dass mir der Zutritt verwehrt bleibt. Und doch fühl ich mich hier am Fuße des Bauwerks dem unvermeidbaren Verderben ausgesetzt. Aber wie weit soll ich diesem Mammut-Bauwerk noch folgen? Zumindest fällt mir auf, dass die Sträucher allmählich zu Bäumchen werden und die Steine, die den Zutritt zum offenen Meer verwehren, an Größe und Mächtigkeit zunehmen. Auch beginnt der Pfad nun etwas anzusteigen, leider auch diese alles überragende Steinwand. Wer mag sie wohl erbaut haben, und zu welchem Zweck? Ich mag es nicht erahnen. Da vorne, was ist das? Noch zu weit entfernt, aber ich kann keine Mauer mehr erkennen. Ist dort endlich das ersehnte Ende? Ich will es hoffen, nur so kann ich Energie aufbringen um nicht einfach stehenzubleiben. Let`s go, ich will es wissen, come on. Die Hoffnung ist ein unheimlich stark wirkendes Dopingmittel, es verleiht Kräfte, die einem unmöglich erscheinen. Aus den Bäumchen sind jetzt kräftige Bäume geworden, die sich geschmeidig im Westwind biegen, der vom Meer her zunimmt. Es geht weiter immer leicht bergan, die Felsen unterhalb des Pfades haben sich in steil abfallende Klippen verwandelt. Mein Blick ist stur nach vorne gerichtet auf diesen Punkt, an dem die Mauer mit dem Fels verschmilzt, der sich steil vom Meer heraufzieht, senkrecht abfallend. Ich ahne es fast schon, was mich augenscheinlich da vorne erwarten wird. Halleluja, alles klar. Das war es. Die Mauer der Unendlichkeit hat mich endgültig bezwungen. Sie hat mich in die Irre geführt bis zum Ende dieser dekadenten Welt, um das Schicksal eines gestrandeten Wales zu erleiden. Ich hasse diese Art von Abgang und es bleibt mir einzig, mich dieser demoralisierenden Gegenwart zu ergeben. Wand des Schicksals, du hast mich besiegt, ohne dass ich eine Chance hatte. Warum mach ich mir eigentlich noch Gedanken, ob diese Welt hinter der Mauer eventuell verseucht, konterminiert oder auf andere Art und Weise dämonisch verflucht ist? Ist es blanker Zynismus, dass ich mir einrede, es ist besser keinen Weg auf die andere Seite gefunden zu haben?

    …warum registriere ich erst in diesem Moment die hohen Bäume, an denen ich vorhin gerade vorbeigelaufen bin? Sie sind höher als dieses unüberwindbare Ungetüm aus Stein, ich denke auch kräftig genug einen Mann wie mich auszuhalten, und der Abstand… hm ein oder zwei Meter. Aber der Wind biegt sie ganz nah an die obere Kante heran. Also doch noch eine Chance meinem offensichtlichen Schicksal zu entgehen? Mittlerweile ist die Sonne dem Punkt an dem sie verschwinden wird schon deutlich nahe gekommen, ich sollte mich beeilen. Ich stehe nun vor dem Baum, der meine Rettung sein soll. Aus der Nähe betrachtet schon ziemlich hoch, shit. Es ist ein verwegener Plan, aber die Äste sind durchaus erreichbar, ich brauche nur etwas Kraft. Ganz langsam, ich muss mich konzentrieren. Mein schmerzender Körper fühlt sich alles andere als athletisch an, und doch muss er mir diesen Dienst erweisen, es ist seine Pflicht. Ich ziehe mich hoch, es ist deutlich schwieriger als ich es vermutet habe. Ich komme an den ersten Ast, okay, great. Der zweite Ast, es ist noch schwieriger und der Stamm ist nass vom Wind, der die Feuchtigkeit des Meeres bis hier herauf versprüht. Ich rutsche ab, kann mich nicht halten. Fuck, wenigstens hab ich mich nicht verletzt. Was ist mit dem Baum daneben, ist er ein good Friend? „Hey Baum, bis du fair zu mir? Lass mich noch ein bisschen durchatmen." Die Äste sind perfekt, das könnte fast wie eine Treppe sein. Allerdings ist dieser erste Ast den ich erreichen muss ein Stück zu hoch. Da komm ich nicht ran. Okay, ich brauch einen Stein, ich muss mir eine Art Podest bauen. Fuck, wenn das alles nicht so immens viel Kraft kosten würd. Mit einem Hebel geht es, den nächstliegenden größeren Stein unter den Baumstamm in die richtige Pole-Position zu bugsieren. Es reicht, ich komme an den ersten Ast heran. Ich zieh mich nach oben. Ich bewundere mich selbst dabei, wie mir das nach all den Strapazen dieses Tages noch möglich ist. Meine Muskeln zittern, ich glaub dass ich einen Krampf im linken Fuß bekomme. Meine Arme müssen das kompensieren. Come on, ich mach das gut, langsam, aber meine Hände greifen zu wie zwei Bärenpranken und lassen nicht mehr los, bis ich mich hinaufgehievt habe und zufrieden nach unten blicke. Das ist fast schon wie ein kleiner Sieg, obwohl mir der schwierige Teil noch bevorsteht. Mein Herz hämmert, dafür ist das Summen im Kopf verschwunden. Ich hab es nicht einmal bemerkt wie es sich von selbst verflüchtigt hat. Obwohl das heute alles Andere als mein Glückstag ist, sind die nächsten Äste gut erreichbar, das ist fair. Jetzt bin ich auf dem letzten Ast, der Entscheidende, das ist der point of no return. Die Sonne steht zwei Handbreit über dem Meeresspiegel, in dem sie alsbald blutrot eintauchen wird. Dann geht das Licht aus und ich bin im Baum dem Wind, der Nacht und der Gefahr des Abstürzens ausgesetzt. Es muss jetzt sein, hopp oder topp. Der nächste Windstoß, den ich mit meinem Eigengewicht verstärken muss, um im richtigen Augenblick loszulassen und dabei fest daran glauben muss, dass mir eine Punktlandung gelingt, ist mein Ticket. Bin ich complete crazy, dass ich gerade in diesem entscheidenden Moment an die blutroten Lippen einer Frau denke?

    2 – Plantage

    Ich habe mich soeben selbst besiegt, ich bin on the top, wann war ich das zum letzten Mal? Ich weiß es nicht. Seit ich diesem Albtraum folge ist meine Erinnerung ein völlig leerer Raum. Jetzt liege ich auf allen Vieren auf der Mauer und ringe nach dieser unglaublichen Aktion, die die Unmöglichkeit Lügen straft, röchelnd nach Atem. Halleluja, wo ist der Champagner? Gerad noch habe ich der trostlosen Aussichtslosigkeit in die Augen gesehen die verfluchte Wand zu überwinden, und jetzt wage ich es nicht nach unten zu sehen, was mich auf er anderen Seite erwartet. Freude, Glück und Angst sind oft nur hauchdünne Nuancen voneinander getrennt.

    Im Rest des Tageslichtes fällt mein Blick nach unten. Es dämmert, ich wähne mich auf einer Art Aussichtspunkt und suche nach Anhaltspunkten. Wo gibt es eine Straße, ein Gebäude oder irgendetwas von Menschenhand Erbautes? Meine Augen tasten den Landstrich unter mir rasterförmig ab. Warum kann ich nichts davon sehen? Wer hat dann diese sinnlose Wahnsinnsmauer erbaut? Ich kann nicht das geringste erkennen, was auf eine Besiedlung hindeuten würde. Shit happens. Stattdessen breitet sich unter mir eine mit üppiger Vegetation vollgestopfte Landschaft aus. Pflanzen, Büsche und Bäume. Bei näherer Betrachtung fällt mir trotz eingesetzter Dämmerung auf, dass die Botanik auffällig gleichmäßig verteilt ist, beinahe wie in einer Stadt-Gärtnerei. Tatsächlich, es hat die Optik eines überdimensionalen Gartens, soweit das Auge reicht. Symmetrische Pflanzenreihen, in ordentlichen zentimetergenauen Abständen. Das kann doch keine Laune der Natur sein, never.

    Nur kurz währt dieser euphorische Moment mit der berechtigten Aussicht auf Zivilisation, schon holen mich die rationellen Gedanken wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. Ich bin auf diese Mauer gekommen, aber ich muss auch wieder hinunter, um in diese sattgrüne Welt voller üppiger Vegetation zu gelangen. An der Höhe hat sich auch auf dieser Seite nichts geändert und Bäume, die nahe genug sind um auf dieselbe Weise auf den Boden zu gelangen, sehe ich hier nicht. Zu schnell geht die fortgeschrittene Dämmerung in stockdunkle Finsternis über und ich bin ein weiteres Mal ein Gefangener meiner Umgebung. Meine Gefängniszelle aber ist der Scheitelpunkt der Mauer, der aus einem schmalen Grat besteht und beiden Seiten in die Tiefe führt. Gratulation my Friend.

    Ich mag die Nacht, ohne zu wissen warum. Sie ist mein, aber eben nicht heute und noch weniger hier an dieser exponierten Stelle. Wann hab ich überhaupt das letzte Mal etwas gegessen? Ist es der Hunger, der mich zu quälen beginnt, oder sind es wieder die stoßartigen Magenkrämpfe. Ich vermag es kaum zu unterscheiden, aber die Intensität ist es, die mich nachhaltig foltert. Dazu kommt neue Angst, die sich aufbaut wie ein herannahendes Gewitter. Ich liege flach auf dem Bauch und versuche mich vor dem weiter zunehmenden Westwind und dem Abrutschen in die Tiefe zu schützen. Meine Hände klammern sich in der völligen Dunkelheit wie ein Käfer krampfartig beidseitig an der Mauer fest, und die Angst einzuschlafen und abzustürzen befällt mich zunehmend. Das ist doch paranoid. Ich darf nicht einschlafen, auf keinen Fall, no.

    Ein fahler Lichtschein fällt auf die Mauer, ist das jetzt real? Das fahle Licht nimmt zu. Vorsichtig drehe ich den Kopf zur Seite und kann einen aufgehenden Halbmond erkennen, der in dieser auswegslosen Situation wie ein Schutzengel exklusiv nur für mich zu leuchten scheint. Warum aber auch nicht? Weshalb sollte ich es bis hierher geschafft haben um mir dann in der Nichtigkeit einer mondlosen Nacht das Genick zu brechen, ohne dass jemand davon Kenntnis nimmt.Eine Katze hat sieben Leben, wie viele Leben habe ich? Diese Erkenntnis sollte mir Mut machen um endlich etwas zu unternehmen einen Weg nach unten zu finden. Allmählich gewöhn ich mich an das schwache Mondlicht. Es reicht aus, um vorsichtig in gebückter Haltung weiterzugehen. Es reicht auch aus, um Umrisse von dem zu erkennen was unter mir ist, es reicht allerdings nicht aus, um Details wie Bodenunebenheiten oder etwas in der Ferne zu erkennen. Eine Leiter würd mir helfen, doch warum sollte ausgerechnet hier jemand eine Leiter aufstellen. An diese Art von Wunder glaub ich nicht. Bestenfalls steht eine Bretterhütte oder eine Scheune an der schützenden Wand, die die Tiefe nach unten verkürzen könnte. Wie tief wird es sein? Könnte ich einen Sprung riskieren, versuchen federnd aufzukommen und mich dann musterhaft abzurollen wie es im Lehrbuch steht? Okay, nur eine Theorie, ich werd es nicht überstürzen. Mein konzentrierter Blick sucht immer weiter nach einem Objekt, das mir den Abstieg erleichtern könnte. Da und dort mein ich einen Gegenstand zu erkennen, nur um dann festzustellen, dass es nichts anderes als ein Schatten war. Doch jetzt hat es tatsächlich den Anschein, als ob sich da unten in der Tiefe ein kleiner Hügel entgegenwölben würd. Yes, definitiv, da unten zeichnet sich eine kleine Erhebung ab, wow. Wär es lediglich hohes Gras, dann würd es sich in der Brise bewegen, wie der Hintergrund. Es muss also fester Untergrund sein. Ein paar Schritte weiter steigt die Erhebung noch ein Stück weiter an, wenn auch die Tiefe immer noch respektabel genug ist. So oder so wird sich ein waghalsiger Absprung nicht vermeiden lassen. Wenn es einen Stuntman in mir gibt, dann bauche ich ihn jetzt dringender denn je. Das Kommando lautet: Auf die Mauer setzten, dann umdrehen und sich mit den Händen abstützen, den Körper nach unten gleiten lassen, solange ich mich mit den Fingern festhalten kann. Dann loslassen, beim Aufkommen unbedingt darauf achten, dass ich mich mit den Knien abfedere und mit einer Rolle die Wucht des Aufkommens vermindere.

    Ich lieg am Boden, noch unentschlossen ob ich mir eine Verletzung zugezogen hab. Kann ich aufstehen? Der Adrenalinstoß lässt nach und eine Reihe von Körperstellen beginnen zu schmerzen als ob mich ein brutaler Boxer zusammengeschlagen hätte. Ich kann es im Augenblick nicht exakt lokalisieren. Es ist eine ganze Armee von dumpfen Schmerzen, keine stechenden. Mein Rücken, meine Schulter, meine Brust, meine Beine und meine Arme. Benommen lieg ich in einem Dickicht aus irgendwelchen Blättern, nachdem ich auf dem Hügel aufgekommen und wie ein Ball von dieser kleinen Erhebung hinuntergerollt bin. Ich realisiere plötzlich dieses intensive zitronenduftartige Aroma das mich umgibt als ob ich mitten in einem Gewächshaus sitzen würde. Leuchtende Glühwürmchen schwirren tanzend herum. Es lenkt mich ab an schwerwiegende Verletzungen zu denken und ich rapple mich ungelenkig auf, so wie ich es an diesem Tag schon einmal am Strand getan habe. Mit dem Gefühl, von einer Million blauer Flecken verunstaltet zu sein, kann ich mehr oder weniger aufrecht stehen. Wieder hab ich eines meiner Katzenleben verbraucht, sei es drum. I`m alive. Ich will gar nicht wissen, was mich als nächstes auf diesem Survival-Trip erwartet. Doch nun brechen mit einem Mal all die Erlebnisse dieses Desaster-Tages in einer Summe auf mich herein. Würd ich jetzt an dieser Stelle einfach so sterben, es wär mir egal. Ich bin einfach nur müd, so unbeschreiblich und unendlich müd.                                                „Hey Mister!"                                                                    Ist das jetzt der Pförtner an der goldenen Himmelstür oder die Stimme, die einem lebendigen Menschen gehört? Obwohl mich die Morgensonne blendet erkenn ich unmittelbar vor mir das schwarzfarbige Gesicht des Prototyps eines mindestens zwei Meter großen Muskelpakets.                                                               „Hey, Weißbrotgesicht, was machst du da?

    Ich weiß nicht, an wen mich dieser kahlgeschorene Mann mit der Figur eines Bären erinnert. „Ich, ich bin …. eingeschlafen."

    „Ist nicht zu übersehen Mister"

    Wo kommt das Strohdach über meinem Kopf her? Ich liege auf zwei Strohsäcken, um mich herum Stauden, jeden Menge Stauden, Bananenstauden, und noch intensiver dieser ätherische Duft von Zitronen und Lavendel.

    „Kein guter Platz zum Schlafen Mister."

    „Sorry Mann, das war die einzige Suite in der Gegend."

    Schmunzelt Black Man oder hat seine Mimik einen sarkastischen Unterton?

    „Dann glaubst du wohl, dass ich der Zimmerservice bin?"

    Black Man erinnert mich an diesen Sklavenroman von… Ich komm nicht drauf. „Sorry, ich weiß ja nicht mal wo ich hier bin."

    „Willst du mich auf den Arm nehmen Mister?"

    „Seh ich so aus? Sieh dir meinen zerschundenen Anzug an Mann, dann weißt du, dass ich nicht mit dem Taxi gekommen bin."

    „Bist ja ein witziges Kerlchen. Keine Ahnung, was du dir ins Hirn gepustet hast. So wie du läuft hier keiner rum, und schon gar kein Neuer."

    „Ein Neuer was?"

    Statt einer Antwort, bekomme ich nur einen noch eigenartigeren Blick, der alles Mögliche bedeuten kann. Unbeeindruckt einer möglichen Gefahrensituation beschwert sich mein Magen lautstark mit einem unüberhörbaren Knurren über seinen fehlenden Inhalt. Die Augen des Black Man sind immer noch zugekniffen und ich habe keine Vorstellung was in seinem Hinterstübchen gerade vorgeht. Ist es seine spezielle Art zu lachen, oder …ist sein undurchschaubares Gemüt zu einer barbarischen Gräueltat imstande? Was macht er jetzt, er greift in das Innere seiner umgehängten Tasche? Messer oder Pistole, was werde ich als letztes

    Gefällt Ihnen die Vorschau?
    Seite 1 von 1