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Flo... Momente des Lebens: Schwedenroman Band 1
Flo... Momente des Lebens: Schwedenroman Band 1
Flo... Momente des Lebens: Schwedenroman Band 1
eBook284 Seiten4 Stunden

Flo... Momente des Lebens: Schwedenroman Band 1

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Über dieses E-Book

Eine einzige fehlgeleitete SMS – schon steht Britts Leben auf dem Kopf. Der sympathische Fremde, der sich bei ihr meldet, lässt ihr Herz vor Freude hüpfen.

Hingerissen taucht Britt in die SMS- und Email-Beziehung mit Karsten ein, den sie liebevoll Flo nennt. In kürzester Zeit erlebt sie mit ihm alle Höhen und Tiefen der großen Liebe, die jedoch nur im Verborgenen gelebt werden darf. Ihr bleiben mit ihm nur Momente, um die sie mühsam kämpfen muss. Der Mann ihres Lebens ist nicht frei.

Hanna verfolgt die Entwicklung mit Argwohn. Stürzt sich ihre beste Freundin mit ihrer leidenschaftlichen Beziehung zu dem verheirateten Karsten ins Verderben? Und wie wird Flo reagieren, wenn Britt in Schweden auf ihre Jugendliebe Sven trifft?

Hanna hat alle Hände voll zu tun, auf die beiden aufzupassen. Dass sie über Britts und Flos Liebe schreibt, macht die Sache nicht einfacher. Um das Schlimmste zu verhindern, reist sie ihnen schließlich nach Schweden nach und ahnt nicht, welche Überraschungen dort auf sie warten.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum26. Okt. 2020
ISBN9783752920239
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    Buchvorschau

    Flo... Momente des Lebens - Angela Hünnemeyer

    1. Kapitel

    Angela Hünnemeyer

    Flo …

    Momente des Lebens

    Dieses Buch widme ich Britt und Karsten

    Liebe fragt nicht nach einem Zeitpunkt

    Liebe fragt nicht nach einem Ort

    Liebe fragt nicht nach einem Warum

    Die Motoren dröhnten, als die Maschine Fahrt aufnahm. Der Druck presste mich in den Sitz.

    Was machte ich hier? Wieso saß ich völlig abgehetzt in einem Flugzeug nach Schweden? Wieso lief mir der Schweiß in den Mantelkragen, während meine Finger die hastig gepackte kleine Reisetasche umklammerten?

    Wenn ich darüber nachdachte, wie viel das Ticket gekostet hatte, dann wurde mir schlecht. Aber Britt brauchte mich, und zwar dringend, und ich hatte keine Zeit zu verlieren, nicht eine Sekunde.

    Das hatte ich davon, dass ich so gutmütig war. Dass ich nicht Nein gesagt hatte, als mich meine alte und beste Freundin vor ein paar Wochen angefleht hatte, ihr einen Gefallen zu tun, einen klitzekleinen Gefallen. Ich sollte Zeugin sein, sollte Protokoll führen, sollte hautnah die Geschichte ihres Lebens begleiten und in allen Einzelheiten festhalten.

    „Du bist doch Autorin, oder?", hatte sie gefragt. Fröhlich war sie durch meine Küche geschwebt und hatte gesungen. Ja, gesungen. Britt, die unmusikalischste Frau, die ich kannte. Britt, bei der die Katzen vor Schmerzen jaulten, wenn wir als Kinder in unserer kleinen Schwedensiedlung fröhliche Kinderlieder angestimmt hatten, vorzugsweise auf Schwedisch, damit uns die deutschen Kinder nicht verstehen konnten.

    Das machten wir oft. Nicht singen, sondern Schwedisch sprechen und Geheimnisse austauschen. Britt, ihr Bruder Lars, ihre heimliche Liebe Sven und ich. Damals, als die Welt für uns alle noch in Ordnung war. Damals, als wir noch nicht wussten, wie schnell einem das Herz vor Kummer brechen konnte. Oder wie es veröden konnte, langsam und unerbittlich, weil wir uns mit weniger zufrieden gegeben hatten, als das Leben eigentlich für uns bereithielt.

    „Natürlich bin ich Autorin", dachte ich und folgte Britt, die inzwischen summend in meinen Wintergarten getanzt war. 

    Wir schrieben den 1. Dezember 2011. Das Wetter war kalt, fast eisig, aber bei mir war es mummelig warm an meinem vor sattem Grün überquellendem Arbeitsplatz, der Wiege meiner Kreativität.

    Ich bin seit unserer frühesten Kindheit die Vernünftigere von uns beiden, zumindest hatten unsere Eltern das schon früh bestimmt. „Pass auf Britt auf", mahnten sie mit monotoner Gleichmäßigkeit, wenn wir aus dem Haus stürmten. Gut, dass sie nie erfahren mussten, wie oft Britt mich aus dem Schlammassel zog, in das ich zielsicher immer wieder stolperte. Dennoch, ich hatte stets ein wachsam-liebevolles Auge auf die nur ein Jahr Jüngere gehabt.

    Sie wirkte wie ausgewechselt. Was war geschehen? Ich sah uns wieder Zettelchen schreibend in der Schulbank sitzen, sah sie heimlich knutschend unter dem Apfelbaum mit dem ersten Mann ihres Lebens. Nun ja, Mann war vielleicht etwas übertrieben, er würde irgendwann einmal einer werden, der schwedische Blondschopf aus der Nachbarschaft mit den lustigen strahlenden Augen, Sven Bergman, der in seiner Hand einen Strauß Gänseblümchen für meine kleine Britt hielt.

    Britt tänzelte verzückt aus dem Wintergarten und zurück in die Küche. Sie hörte auf zu singen, strahlte mich an und sagte nur ein Wort: „Flo!"

    Erstaunt sah ich mich um. „Wie Floh? Wo sind Flöhe? Habt ihr Flöhe irgendwo? Ich schüttelte mich ein wenig und auf meinem Rücken spürte ich einen Juckreiz. „Moment, kannst du dich vielleicht einmal ein wenig präziser ausdrücken?

    Doch das tat sie nicht, stattdessen hielt sie endlich an, stellte sich ans Küchenfenster, schaute verträumt hinaus und murmelte abwesend: „Flo ist da!"

    Jetzt spinnt sie völlig, dachte ich, stellte mich neben sie, stupste sie an und fragte: „Also, was ist mit den Flöhen?"

    Sie schaute mich an, als ob ich Chinesisch sprechen würde. Sie begann, sich wieder im Kreis zu drehen, breitete die Arme aus und sang: „Flo, Flo, Flo!"

    „Oh Mann, was ist denn heute mit dir passiert? Gab es eine Detonation im Büro? Ist der PC explodiert oder was hat dein süßes Köpfchen so auf Verwirrmodus gestellt?"

    Aber auch das verstand sie nicht, schaute weiter abwesend an mir vorbei und in eine Ferne, in die ich ihr noch nicht folgen konnte. Also versuchte ich es auf die alte Tour.

    Vad händer Britt?", sagte ich.

    "Flo är där, utan h, inga loppor eller loppor!", sagte sie.

    Ich hatte sie soweit. Sie sprach wieder in fast ganzen Sätzen. Ihre Muttersprache hatte sie zurückgeholt in die flohlose Realität und daran erinnert, dass wir einen deutschen Wortschatz von ungefähr fünfhunderttausend Wörtern besaßen, so genau waren sich die Gelehrten darüber noch nicht einig. Und dieser verfügte über mehr, als nur das Wort Floh.

    Lächelnd ging ich hinüber zum Küchentisch, setzte mich auf einen Stuhl und schaute sie an.

     "Was hast du gerade gesagt? Flo ist da, also Floh ohne (utan) h, nicht (eller) - der Floh (lopper) oder die Flöhe? Du meinst gar nicht die Flöhe, also diese komischen Tierchen, die schon bei der Aussprache des Wortes Juckreiz verusachen, du meinst Flo, einfach nur Flo ohne h?"

     Jaaaaaaaaaaaaa, meine Hanna, ich meine den Flo ohne h!, lachte sie laut.

    "Noch einmal fürs Protokoll, wir sprechen aber nicht gerade von deinem Ehegatten Steffen, der nun einen neuen Spitznamen bekommen hat, oder? Löst er in dir plötzlich Singen und Tanzen und begrenzten Wortschatz aus? Nein, das glaube ich nicht. Also ist Flo jemand anderes. Es ist doch ein er, oder? Vielleicht ein neues Haustier, eventuell ein Hund?"

    Natürlich hätte es mich gefreut, wenn ein Hund es geschafft hätte, ihr wieder ein Lächeln zu entlocken. Ich dachte an alte Zeiten und tausend Gründe, die uns zum Strahlen gebracht hatten, nicht nur Händchenhalten mit Sven Bergman unterm Apfelbaum.

    So langsam kam Britt wieder etwas runter auf den Teppich, natürlich war es ein schwedischer Sisalküchenteppich. Sie landete und kam zu mir hinüber, küsste mich auf die Wange und flüsterte mir ins Ohr: Da! Da ist er! Flo...!

    Mit diesen Worten legte sie mir ihr Handy in den Schoss. Ich räusperte mich, denn ihr Knutschanfall hatte mich etwas verwirrt. Neigierig nahm ich das Handy und dachte doch wirklich im ersten Moment, ein Flo sei in der Leitung und hätte dieses Theater gerade via Handy mitverfolg, doch ich sah schnell, dass sich das Gerät im Ruhemodus befand.

    Britt wurde ernst und setzte sich mir gegenüber. War das wirklich die Britt, die ich von früher kannte, die wieder lachte, deren Augen funkelten? Und das alles nur wegen dieses Handys und Flo?

    Im Laufe der Jahre hatten sie ihr Strahlen verloren. Seit sie Steffen geheiratet hatte, fehlte ihr etwas. Ich dachte immer, sie gäbe sich damit zufrieden, im Leben eben nicht das Glück geschenkt bekommen zu haben, das uns die Liebesfilme und Romane unserer Jugend versprachen. Nie zuvor hatte ich erlebt, wie ein bei der Trauung gehauchtes, kaum wahrnehmbares „Ja!" so klang, als würde jemand gerade bewusst auf alle Emotionen verzichten, die das Leben schenken konnte. Eigentlich verkörperte sie seit ihrer Heirat nur noch das Traurige, schien mit allem abgeschlossen zu haben. Daran änderte auch die Geburten ihrer inzwischen erwachsenen Töchter nichts. Wo waren die Jahre nur geblieben, wo war Sven nur geblieben, ja, wo war er eigentlich? Wie kam ich nur gerade jetzt auf ihn? Na gut, ich hatte mir immer für Britt gewünscht, dass Sven sie eines Tages zur Frau nehmen würde, aber dann war er sang- und klanglos verschwunden und am Ende hatte sie eben Steffen Hansen geehelicht. Vermutlich kam ich gerade auf Sven, weil ich seit gut dreißig Jahren, seit er fort war, Britt nicht mehr in einem solchen Zustand erlebt hatte.

    Ich bat sie, uns einen Kakao zuzubereiten. Derweil holte ich mein Notebook aus dem Wintergarten und setzte mich zu ihr an den Küchentisch. Wir zündeten eine Kerze an, dimmten das Licht, ich öffnete ein neues Dokument, legte einen Ordner an und schrieb eine Überschrift, die mir in den Sinn kam:

                 Flo ... Momente des Lebens

    Mit diesen Worten war ich endgültig hineingezogen worden in Britts Geschichte. Unwiderruflich. Jetzt saß ich in diesem Flieger und fürchtete um mein Leben? Die „kleinen Turbulenzen", über die der Kapitän mit sanfter Stimme auf Deutsch und dann auf Schwedisch plauderte, schüttelten den Flieger durch und ich war nicht die Einzige an Bord, die sich völlig verkrampft hatte. Ich sah aus dem Fenster und versuchte mich abzulenken.

    Nachdem ich Britt mit der Aufgabe, Kakao für uns zuzubereiten, wieder ins reale Leben gezerrt hatte, rückte sie mit ihrem Plan heraus.

    „Das hier ist die Geschichte, nach der du dein Leben lang gesucht hast, Hanna!", strahlte sie mich an.

    Hatte ich nach einer Geschichte gesucht? Ich konnte mich nicht erinnern. Wenn ich eines im Überfluss hatte, dann waren es gute Stoffe, und meine Leser und die Verlage wussten das. Nein, ich konnte mich nicht erinnern, jemals etwas Derartiges geäußert zu haben. „Hä?", fragte ich also folgerichtig.

    „Doch, doch! Die wahre Liebe, die alles verändernde, alles beantwortende Liebe! Erinnerst du dich nicht? Du hast gesagt, du würdest erst an sie glauben, wenn sie dir begegnet und du würdest daraus sofort einen Bestseller schreiben, sollte dir mal die richtige Story über den Weg laufen. 

    Und, voilá!, hier kommt sie jetzt!"

     „Moment mal, Kleines!", versuchte ich sie wieder zu erden, aber an der Art, wie sie verzückt in ihrem heißen Schokoladengetränk rührte, erkannte ich, dass sie bereits wieder bei den Flöhen war, Verzeihung, bei Flo.

    „Wir haben uns doch erst vor ein paar Tagen das letzte Mal gesehen, da hing der Himmel für dich noch nicht voller Geigen. Willst du mir erzählen, dir sei die wahre Liebe begegnet?" Ich konnte nicht glauben, was sie da sagte.

    „Naja, noch nicht so richtig, aber ich bin auf dem Weg zu ihr, sie hat mich gefunden. Er hat mich gefunden. Flo ist da!"

     Nicht schon wieder, dachte ich. „Und was kann ich für dich tun?"

     Ungläubig riss sie die Augen auf. „Na, was wohl? Darüber schreiben!"

     „Worüber?"

     „Über Flo und mich, natürlich!"

     „Aber da gibt es doch noch gar nichts zu erzählen!"

    „Das ist doch gerade das Tolle!", schwärmte sie und mich beschlich die Ahnung, dass sie von der Arbeit einer Autorin nicht allzu viel verstand. Entweder wir denken uns unseren Stoff aus, planen ihn in Gedanken durch und schreiben ihn auf, oder wir blicken auf etwas, was andere schon erlebt haben und schreiben darüber. Nur wenige von uns schreiben über etwas, was noch niemand erlebt hat.

     „Ich soll einen Science Fiction schreiben?", fragte ich also irritiert.

    „Nein, Dummkopf!" Liebevoll streichelte sie über meine Hand, die auf dem Tisch lag, so, als würde sie einer dementen alten Dame erklären wollen, dass sie heute ganz gewiss nicht vor den Altar treten müsste.

     „Was denn dann?"

     „Ich nehme dich mit auf meine Reise ins Glück. Du schreibst sozusagen am Puls der Zeit, verstehst du?"

     „Nein."

    „Hanna, nun tue mir doch den Gefallen!, flehte sie und ich begann zu begreifen, dass ich die Option auf ein herzhaftes „Nein nicht mehr hatte. Im Gegenteil. Meine liebe kleine Britt war so aufgewühlt, so von den Socken, dass sie nicht mehr klar denken konnte. Sie war davon überzeugt, dass sie dabei war, ein Wunder zu erleben, ein regelrechtes, einmaliges, heiliges Wunder, und dass ich mich mehr als glücklich schätzen durfte, Augenzeugin desselben zu werden. Meine Güte, wie sollte das gehen?

    „Ich werde dich mit allen Informationen versorgen, ja? Tagesaktuell. Du sammelst sie, ja? Dann schreibst du was darüber. Sie nickte mir aufmunternd zu. „Du kannst so schön formulieren, mir fällt niemand ein, den ich lieber darum bitten würde, als dich, meine liebste und älteste Freundin, meine Hanna!   

    Was hätte ich sagen sollen? Scher dich zum Teufel? Nein, nein, das kam nicht in Frage. Ich merkte, wie sich mein Magen zusammenzog. Mir fehlte, das wusste ich genau, das Voyeur-Gen vollkommen. Es bereitete mir großes Unbehagen mir vorzustellen, dass ich nun die intimen Details einer sich aufbauenden Beziehung durchstöbern sollte, um daraus die Quintessenz zu ziehen, die sich für eine literarische Verdichtung eignen könnte. Und, wenn ich das mal heimlich denken durfte: Niemand wusste, ob dieser Typ, in den sich meine traurige, stets sachliche Britt scheinbar Hals über Kopf verliebt hatte, nicht vielleicht jemand war, der es auf ahnungslose Frauen abgesehen hatte.

    Das Flugzeug sackte unvermittelt ab und mein Schrei mischte sich mit denen der anderen Fluggäste. Himmel nochmal! Wenn ich eines nicht ausstehen konnte, dann Reisen, auf denen sich mein Magen drehte und mir übel wurde. 

    Um mich abzulenken, öffnete ich meine kleine Reisetasche. Darin befanden sich das bisherige Manuskript und eine Auswahl aus zahllosen, zum Teil vollkommen unlesbaren, unbeschreiblich kitschigen wortgetreuen SMS- Abschriften und endlosen Emails, die Britt mir im Laufe der letzten Monate in die Hand gedrückt hatte. Wenn ich an die Berge von Papier dachte, die ich nicht mitgenommen hatte, weil sie inzwischen zahlreiche Ordner füllten, und wenn ich sah, wie fein und überschaubar das war, was ich bisher geschrieben hatte, dann erfüllte mich dieses mit Stolz, aber auch mit großer Sorge. Verdammt, konnte der Pilot nicht ein bisschen Gas geben? Ich musste zu Britt! Dringend!

    2. Kapitel

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 8:52 h - 01.12.11, irgendwo in Deutschland:

    Alles ok Anna. Die Technik läuft, bis später – LG Britt

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:23 h - 01.12.11, in einer anderen Ecke von Deutschland:

    Guten Morgen!

    Falsche Nummer, ich bin nicht Anna!

     „Ups …!", Britt schaute auf die eingegangene SMS und starrte sie an. Sie war zunächst so überrascht, dass sie sich allen Ernstes fragte, wohin sie nun diese Antwort sortieren sollte.

    Sie hatte gerade ihren Dienst im Büro angetreten und eine technische Information per SMS weitergeleitet. Ihr Chef war plötzlich erkrankt und fiel somit für einige Tage aus und darum hatte sie ihre Kollegin Anna angeschrieben, um sie zu informieren, dass alles in Ordnung war.

    Doch nun starrte sie auf ihr Handy und grübelte. Ihre ersten Gedanken galten ihrer Kollegin, die nun nicht unterrichtet war, doch hatte sie auch nicht wirklich eine Idee, wie sie ihre richtige Handynummer erfahren konnte. Aber sie fand es sehr freundlich von dem oder der Unbekannten, sie darüber in Kenntnis zu setzen, dass ihre Nachricht beim falschen Empfänger gelandet war. Zudem war es für sie selbstverständlich, sich dafür kurz zu bedanken und somit antwortete sie.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:31 h – 01.12.11

    Sorry und vielen Dank.

    Einen schönen Tag unbekannterweise.

    LG Britt

    Sie freute sich, dass es noch Menschen gab, die so zuvorkommend waren und sie über eine fehlgeleitete Nachricht aufklärten. 

    Sie begann mit ihrer Arbeit und hatte mit dem Thema abgeschlossen, lächelte wohl, weil sie sich immer noch fragte, wohin ihre SMS wohl gegangen sein mochte. Prompt vier Minuten später, erreichte sie die Antwort auf ihre Frage.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:35 h – 01.12.11

    Den wünsche ich auch.

    LG Karsten

    „Ah, das ist aber jetzt nett!", flüsterte sie vor sich hin und legte das Handy beiseite, um nun endlich ihre Arbeit aufzunehmen. Irgendetwas bewegte sich plötzlich in ihrem Innern, zwang sie, das Handy anzustarren. Unruhig rutschte sie auf ihrem Bürostuhl hin und her.

    Sie überlegte, dass sie und dieser Karsten nun jeweils zwei SMS gesendet hatten, ganz so, als wären sie alte Bekannte oder Freunde, die sich Grüße hin- und herschickten. Und so entstand plötzlich das Bedürfnis, ihm noch einmal zu antworten. Irgendwie fühlten sich seine Worte, auch wenn es nur wenige waren, freundlich und selbstverständlich an. Zudem hatte sie das Gefühl, dass sie ihm erklären musste, wer Anna war und warum sie diese SMS an ihn geschickt hatte. Aus Versehen, sozusagen. Aus purem Zufall. Aber: Gab es überhaupt so etwas wie Zufall?

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:51 h – 01.12.11

    Anna ist meine Kollegin und jetzt muss ich lächeln, weil ich doch ein wenig neugierig geworden bin, wo meine SMS gelandet ist. Ich schicke dir Grüße aus NRW.

    Britt

    Zwei Minuten später kam eine Antwort, kurz aber immerhin.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:53 h – 01.12.11

    Meine Grüße kommen aus BW

    Karsten

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:55 h – 01.12.11

    Woher?

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:57 h – 01.12.11

    Heilbronn

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 9:59 h – 01.12.11

    Ok, also meine Grüße kommen aus Wesel.

    Britt war zufrieden. Sie rechnete nicht mehr mit einer Antwort, denn eigentlich hatte man sich schon mehr gesagt, als bei einem Irrläufer üblich war, fand sie. Sie konnte sich nicht erinnern, dass sie sich beim Verwählen am Telefon jemals mit den Menschen am anderen Ende unterhalten hatte, schon gar nicht darüber, wo sie lebten.

    Doch hier war es irgendwie von der ersten SMS an anders. Es fühlte sich so gut an, warum auch immer, richtig und vertraut. Ob Karsten am anderen Ende der Leitung das gleiche Gefühl hatte wie sie? Würde er sonst antworten? Sie starrte auf ihr Handy und wusste nicht so recht, ob es vielleicht nicht doch noch eine Antwort seinerseits geben würde. Aber was sollte er denn schreiben?

    Schade, er wird mir fehlen, dachte sie. Doch es vergingen kaum neun Minuten, da vibrierte ihr Handy erneut.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 10:08 h – 01.12.11

    Schickt man von Wesel aus gerne SMS an wildfremde Leute?- Smile!

    Britt musste grinsen. Wer war dieser Mann, dem es offenbar gefiel, mit ihr, einer völlig Fremden, zu simsen?

    Im Büro kam Arbeit auf und sie musste sich nun, was ihr schwerfiel, über eine Stunde darauf konzentrieren, ehe sie ihm auf seine Frage antworten konnte. Ein Vorwurf war es ja nicht direkt, das Lächeln dahinter brachte schon zum Ausdruck, dass er das Ganze witzig fand. Sie wusste bereits, dass er männlich war und in Heilbronn lebte, doch wie alt mochte er sein? Sie tippte auf eine gewisse Reife. Also schrieb sie wieder zurück, es war fast wie ein Zwang.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 11:12 h – 01.12.11

    Ich kann mich nur echt entschuldigen. Trotzdem schön.

    Karsten reagierte sofort:

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 11:16 h – 01.12.11

    Entschuldigung ist doch nicht nötig! Ist doch lustig!

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 11:18 h – 01.12.11

    Auf jeden Fall cool. Anna hat noch eine 2 in der Mitte. Die hatte ich gestern vergessen zu speichern. Wer bist du, Karsten?

    Ich bin Britt, 48 Jahre alt und Steinbock

    Ihr Handy schwieg. Das hatte sie jetzt davon, sie mit ihrer Neugierde. Vermutlich lachte er sich gerade schräg. Er war bestimmt so Anfang dreißig und amüsierte sich köstlich über diese achtundvierzigjährige Irrläuferin.

    „Oh!, murmelte sie, „was habe ich da nur gemacht? Am besten hakte sie das Ganze ab. Sie wandte sich wieder ihrer Arbeit zu, ertappte sich aber dabei, doch ständig auf das Handy zu schauen, ob nicht eine Antwort eingegangen sei.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 11:35 h – 01.12.11

    Ich bin Karsten, 45 und Wassermann

    Es war 11:35 h, als diese SMS hereinkam. Britt lächelte, als sie sich den fünfundvierzigjährigen Wassermann aus Heilbronn vorstellte. Sie war sicher, dass jemand, der so sympathisch schrieb, bestimmt auch gut aussah. Sie war sich tausendprozentig sicher, dass er ein anständiger Kerl sein musste. Nichts geschah ohne Grund, daran glaubte sie fest. Sie sollten sich begegnen, da war sie absolut sicher. Ihr war bekannt, dass sich Menschen im Internet tag-täglich kennenlernten, aber dass man per SMS-Irrläufer das Gleiche erlebte, hatte sie noch nie gehört. Das hier konnte sich nur um eine Fügung handeln. Es gab in Deutschland rund achtzig Millionen Menschen und sie traf genau auf ihn, auf Karsten, Wassermann und in Heilbronn lebend. Nein, das war alles, nur kein Zufall. Britt fand keine plausible Erklärung für ihr Verhalten, doch eines war ihr klar, zwischen ihnen floss Energie, die Chemie stimmte und das Alter war ja auch fast gleich.

    Ihr Dienst war um zwölfuhrdreißig beendet, und als sie an ihrem Fahrzeug auf dem Parkplatz ankam, holte sie ihr Handy wieder hervor und schickte ihm einfach ein Foto von sich. Wenn sich zwei Menschen nett unterhielten, egal auf welche Art und Weise, war es einfach besser, wenn man sein Gegenüber ansehen konnte. Sie fand es nur höflich, dass er ihr Gesicht sehen sollte um sich ein Bild von der Frau zu machen, die mit ihm den ganzen Vormittag lustig und munter drauflos gesimst hatte.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 12:33 h – 01.12.11

    Damit du weißt, wer dich heute so unverhofft angesimst hat. Darum das Bild hier.

    LG Britt

    Doch dann folgte absolute Funkstille. Britt dachte noch einmal kurz am Nachmittag darüber nach, warum keine Antwort von ihm gekommen war. Auf die Idee, dass er keine Zeit hatte, kam sie nicht. Gegen fünfzehn Uhr legte sie Karsten aus Heilbronn seufzend zu den Akten. Das war es dann wohl! Mit dem Foto habe ich ihn bestimmt geschockt, dachte sie. Irgendwie fand sie das traurig, ihr fehlte plötzlich etwas. Hatte sie sich etwa schon an den Unbekannten gewöhnt?

    Kurz nach siebzehn Uhr kam sie vom Einkaufen heim. Sie stand gerade in der Diele und zog ihre dicke Jacke aus, da summte das Handy. Sie dachte an eine Freundin, die eben noch mit ihr geschrieben hatte und ihr eine Information zukommen lassen wollte. Schnell öffnete sie die angekommene SMS, ohne großartig darauf zu achten, wer sie geschickt hatte und starrte auf den Text und das Foto.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 17:05 h – 01.12.11

    Damit du siehst, wem du unverhofft eine SMS geschickt hast.

    Sie las diesen Satz mehrmals, schaute sich das Foto an und setzte sich dabei langsam auf den Stuhl, der in der Diele stand. Ihre Augen klebten förmlich an dem Bild. Es vergingen Minuten, ehe sie begriff, dass Karsten wieder geschrieben hatte.

    Ihr Herz klopfte aufgeregt, das Bild machte sie nervös. Sie hatte es geahnt, er sah sehr attraktiv aus. Immer wieder schüttelte sie den Kopf. Jetzt, wo sie ihn auch per Foto kannte, ließ er sie erst recht nicht mehr los. Zu erkennen war nur das Gesicht, doch schloss sie darauf, dass er ein schlanker Mann war, zudem wirkte er sehr gepflegt. Nach ungefähr zehn Minuten wurde ihr bewusst, dass sie ihm dafür danken sollte.

    SMS-Nachricht:

    Donnerstag, 17:23 h – 01.12.11

    Hey du, das ist klasse, finde ich. Unser Kennenlernen ist irgendwie schon toll. Ich würde mich sehr freuen, wenn du Lust hättest, den Kontakt zu

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