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Fürst Natas: 1. Band der Quelltal-Trilogie
Fürst Natas: 1. Band der Quelltal-Trilogie
Fürst Natas: 1. Band der Quelltal-Trilogie
eBook299 Seiten4 Stunden

Fürst Natas: 1. Band der Quelltal-Trilogie

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Über dieses E-Book

Thema des 1. Bands: Warum ist das Böse für die Menschen attraktiver als das Gute? Ist es darum auch stärker? Gut und Böse erhalten ihre Stärke durch die Menschen, die ihm dienen. Die Berufsmörderin Erika läuft vom Bösen zu den Guten über, versteht deren Logik jedoch nicht und tut sich darum schwer damit, ihren neuen Verbündeten zu vertrauen. Denn das Gute und das Böse haben jeweils ihre eigene Denkweise. Hinzu kommt, dass der alternde König selbst zermürbt ist und nicht mehr vollständig an das Gute glaubt. Um sicher zu gehen, will er sich auch der Mittel des Bösen bedienen.

Handlung: In Quell-Tal herrscht König Josua. Es hat sich jedoch ein mafiöses Schattenreich gebildet, dessen Herrscher sich "Fürst Natas" nennt. Dieser lässt gegen den König hetzen, so dass die Bürger Quell-Tals glauben, ihr König sei ein schlechter König. Dabei ist Fürst Natas der Ursprung der meisten Verbrechen und Probleme. Der Fürst unterstützt nun einen drohenden Aufstand gegen König Josua. Der König versucht, des Fürsten beste Leute abzuwerben, um sein Leben zu beschützen: Erika und Gabriel. Erika wird gefangen und gefoltert, Gabriel kann entkommen.

Aus der stolzen, schönen Frau, die eine der besten Meuchelmörderinnen war, wird ein humpelnder Krüppel. Erika wird von König Josua und dessen Ratgebern gerettet und gesund gepflegt. Während ihrer Heilung löst sie sich von ihrer hoffnungslosen und unerwiderten Liebe zu Gabriel und erinnert sich an einen Mann, der vor Jahren in sie verliebt war, Glao Bej. Er ging als Gladiator in die Arena, um dort entweder den Tod oder Ruhm zu erringen. Aus dem schmalen, schüchternen Mann wurde ein muskelbepackter Koloss, der durch Kraft, Taktik und feine Instinkte (man glaubt, er habe am Rücken Augen) jeden Gegner besiegt.

Erika ist noch nicht ganz geheilt, als sie sich aufmacht, um sich bei dem Gladiator für ihre damalige Unfreundlichkeit zu entschuldigen. Wider Erwarten erkennt er sie selbst mit ihrem geschwollenen Gesicht wieder.
SpracheDeutsch
Herausgeberneobooks
Erscheinungsdatum30. Apr. 2014
ISBN9783847689249
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    Buchvorschau

    Fürst Natas - Muna Germann

    Prolog

    „Diff-Urcht, murmelte der Fürst im Fieberwahn und warf stöhnend den schwarzen Lockenkopf zur Seite. „Diff-Urcht! Mächte der Hölle, schützt mich!

    Der Junge, der zufällig in dieser Nacht bei ihm lag, erwachte und tupfte hilflos mit einem Zipfel des schwarzen Seidenlakens den Schweiß von der Stirn seines Herrn. Eine Fliege sirrte im Dunkel des fensterlosen Raums, der stickig war wie ein Grab. Was sollte er tun? Besser, niemand sah den mächtigen Herrn in diesem Zustand. Außer Maagi, der Fürstin, der treuen Verbündeten ihres Gemahls. Gabriel schlüpfte aus dem Bett und tappte auf nackten Füßen zu der Geheimtür hinter dem Wandteppich, durch die er so oft verschwand. Nicht weil des Fürsten sexuelle Vorlieben geheim wären. Doch die tödlichen Aufträge waren es, mit denen er den blonden Todesengel zwischen Spiel und Spiel davon schickte.

    Gabriel fand Fürstin Maagi wach vor, an ihrem Fenster stehend. Im Licht des Vollmonds sah sie bleicher aus als sonst und ihr braunes gelocktes Haar schimmerte kalt und metallisch. Sie war allein, ohne ihre Zofe Erika. „Herrin, flüsterte Gabriel. Sie wandte sich nicht nach ihm um, doch sie antwortete auf seine unausgesprochene Frage: „Ihn hat es also auch erwischt? Die Fliegen Diff-Urchts sind an ihren Brutort zurückgekehrt. Die Krankheit, die wir in die Welt gesetzt haben, hat uns selbst befallen. Erika schläft. Ich gab ihr Tee gegen das Fieber. Sie schüttelte den Kopf und lachte leise. „Selbst ich, die Mutter der Fliegen, wurde gestochen. Manchmal ist die Welt gerecht!"

    „Dieser Tee…", fragte Gabriel, sie vorsichtig unterbrechend. Nur wenig wusste er von Diff-Urchts Fliegen, nicht mehr als Gerüchte.

    Sie winkte ab. „Simple Kräuter, die jede Art von Fieber so weit mildern, dass man es überlebt. Gegen die Schwäche und Furcht, die uns für den Rest unseres Lebens befallen hat, bin ich machtlos. Nimm von dem Grünzeug so viel du willst. Sie deutete auf einige Stoffsäckchen, die auf dem Schachtisch lagen. Müde fügte sie hinzu: „Diff-Urchts Krankheit verlässt keinen mehr, den sie befiel. Sie nistet sich in dein Blut, dein Herz, dein Gehirn. Und niemand ist dagegen gefeit. Sie wandte sich nach ihm um und betrachtete ihn. „Du siehst gesund aus, Kleiner. Kehre nicht ins Krankenzimmer zurück, sondern verbirg dich irgendwo."

    Seine Kinderhand griff ohne zu zögern eines der Säckchen und er wich ihrem Blick nicht aus. „Herrin, ich bin ein Dieb, ein Mörder und ein Hurenbock. Aber niemand könnte mich feige oder untreu nennen. Niemals."

    Sie lächelte sacht. Dann wandte sie sich wieder dem Fenster zu.

    „Herrin", fragte er vorsichtig, wohl wissend, dass man die Fürstin nicht ungefragt ansprechen darf.

    „Was kann ich für dich tun, kleiner Held?"

    „Darf ich fragen, wer Diff-Urcht ist?"

    „Ein Geheimnis, das nun auch wir kennen. Des Fürsten Bosheit und meine Magie erschufen eine neue Göttin, Diff-Urcht, uns zu dienen. Eine schwarze Statuette aus Stein gehauen, bewohnt von einer Dämonin. Der Fürst opfert ihr von seinem Blut und das unschuldiger Kinder. Diese Flüssigkeit gerinnt in ihrer Schürze und gebiert schwarze Fliegen und diese übertragen das Fieber und die Krankheit Diff-Urchts. Sie töten nicht den Körper, aber einen Teil der Seele. Furcht nistet sich ein in das Herz. Und davon wird man nie mehr geheilt. Nur Neugeborene sind rein bis zu ihrem ersten Stich."

    Als Maagi zu weinen begann, schlich Gabriel eilig zurück, um seinem Herrn einen nutzlosen Tee aufzubrühen und seine eigene Gesundheit der Treue zu opfern.

    Kapitel 1: Im Auftrag des Bösen

    … Wenige Jahre später…

    „Und du wirst sie töten", beschloss Fürst Natas und deutete mit dem Finger auf Gabriel. Dieser nickte nur, ohne eine Miene zu verziehen. Gabriel befolgte jeden seiner Befehle – wirklich jeden! - und doch spürte Fürst Natas einen Widerstand bei diesem jungen Mann, der ihn irritierte. Der Fürst bedeutete ihm mit einer Handbewegung, dass er sich entfernen solle, um seinen Auftrag auszuführen. Gabriel verneigte sich genau so tief wie es sich gehörte und ging rückwärts durch den protzig dimensionierten Thronsaal zur hohen Flügeltür, die ihm die beiden Wachen öffneten. Der Fürst starrte ihm hinterher. Beinahe schmerzte die Sehnsucht nach diesen schmalen Hüften, den schwieligen, zernarbten Händen und den festen Lippen. Auch wenn der Junge ihm diese Nacht wieder gehören würde, so fiel es ihm schwer, ihn jetzt gehen zu lassen.

    Genauso wie die Höflinge fand auch Fürstin Maagi, dass Fürst Natas seinen Blick etwas zu lange auf Gabriels kantigem Gesicht, blondem Haar und seinen Hüften hatte ruhen lassen, ein wenig zu sehr geschmachtet hatte und dass er ihn den anderen vorzog. Auch wenn niemand Gabriel um diesen Auftrag beneidete. Eine unschuldige Schäferin zu töten! Keiner am Hof glaubte wirklich an die Prophezeiung, und doch riskierte Natas niemals, dass sie sich erfüllen könnte. Dabei war keines der Halbblute gefährlich. Viel zu sehr waren diese Mischlinge damit beschäftigt zu überleben. Maagi fürchtete viel mehr all diejenigen, die Fürst Natas‘ Macht durchschauten, ihre Gedanken laut aussprachen und auführerische Flugblätter verteilten. Diejenigen, die sich lieber verbrennen, erschlagen oder zu Boden nageln ließen als ihr Knie vor dem Schattenfürsten zu beugen, der dabei war, die gesamte bekannte Welt zu unterwerfen. Nicht nur, dass die Befehle seiner Boten im ganzen Land ausgeführt wurden, sondern alle Menschen dachten wie er, selbst diejenigen, die ihn nicht kannten. Wie Gift im Trinkwasser hatten sich die Glaubenssätze des Bösen verbreitet, wie eine ansteckende Krankheit.

    Maagi neigte ihren Kopf zu Natas´ Ohr und fragte: „Liebling, können wir nun speisen?" Nur Erika hatte den Wink mit dem linken Zeigefinger bemerkt, der bedeutete, dass sie demjenigen zu folgen hatte, der eben den Raum verließ. Nichts weiter: nur folgen, beobachten und berichten. Wenn sie eingreifen durfte, zuckte Maagi mit zwei Fingern. Erika verschwand durch eine der Bedienstetentüren in der Wand, hinter einem Vorhang verborgen. Ihre nackten Füße tappten auf kaltem Stein, glatt getreten im Lauf der Jahrtausende, durch unzählige Diener, die alle dem schwarzen Fürsten und seiner Gemahlin gedient hatten. Was die beiden unsterblich jung bleiben ließ wusste niemand, doch man munkelte, ihre Bösartigkeit hielte das Alter fern.

    Erikas Herrin wusste, dass sie ebenso geschickt war wie Gabriel. Erika und Gabriel waren wie Geschwister aufgewachsen in einer Welt aus Schmutz, Fußtritten und Verbitterung. In die schmalen Gassen zwischen den unendlich hohen Mietshäusern schien niemals Sonnenlicht. Selbst die Vögel schwiegen und das Unkraut war mit einer hellen Staubschicht überzogen. Sie gehörten zu einer Gruppe von Kindern, die sich tagsüber aus den Abfallhaufen ernährten, aber ansonsten nichts gemeinsam hatten mit denen, die Metall und Holz sammelten oder stahlen, um sie an die Lumpensammler zu verkaufen. Sie übten lukrativere Geschäfte aus. Im Alter von sechs Jahren brannten sie zum ersten Mal einen Laden nieder, und mit acht waren sie bereits Mörder. Niemand beachtete kleine Kinder. Man lächelte ihnen zu, vertraute auf ihre Unschuld, bückte sich, um ihnen die Köpfe zu tätscheln, und unerwartet stieß ein Messer vor und bohrte sich zwischen die Rippen. So einfach war das. Und Erika war froh, dass sie sich ihr Geld wie ein Junge verdienen konnte, statt sich mit Prostitution zu beschmutzen. Ja, ihrer war ein stolzerer Beruf. Gabriel und sie waren die besten gewesen. Darum lebten sie als einzige noch von der einst siebenköpfigen Gruppe.

    Fehler konnten sich Leute wie sie nicht erlauben. Darum hörte sie den Atem des Mannes, der in der Nische des unterirdischen Ganges lauerte. Trotzdem stockte ihr Schritt nicht. Geschmeidig wie eine Tänzerin zog sie ihren Dolch aus dem Gewand, setzte einen Fuß vor und stieß zu. Der andere sprang ihr entgegen und rammte sich so selbst die Schneide in den Bauch. Im flackernden Licht der Fackeln sah Erika eine erstaunte Fratze, die sich verzerrte. Sein Schwert fiel klirrend zu Boden, dann griff er mit beiden Händen nach dem Messergriff in seinem Unterleib. Dabei packte er auch Erikas Hände. Sie zog die Augenbrauen hoch und stellte fest: „Sobald ich die Klinge herausziehe, stirbst du. Also sag, was du zu sagen hast."

    Er schüttelte nur stumm den Kopf, packte Erikas Hände und wollte das Messer ziehen, doch sie stemmte sich mit aller Kraft gegen ihn, stieß ihn mit dem Rücken an die Wand unter einer Fackel und hielt fest. Er war mager und seine Hände knochig. Sie blickte ihm in die Augen. Er ertrug den Schmerz tapfer, doch sie spürte keinen körperlichen Widerstand.

    „Wer hat dich geschickt?" fragte sie.

    „Wer wohl? ächzte der Mann und schlug seinen Hinterkopf mit geschlossenen Augen gegen die feuchte unebene Wand, dass es hohl hallte. Er stöhnte und begann zu beten: „Gott im Himmel, sieh meinen Tod und erwarte meine Seele. Amen.

    „Hurensohn, zischte Erika. „Du wirst verlöschen wie eine Kerzenflamme, und deine Seele geht nirgendwo hin. Niemand belohnt deinen sinnlosen Tod.

    „Mag sein, erwiderte er heiser. „Aber ich habe getan, was ich konnte.

    „Und das war nicht viel, Gottesanbeter!"

    „Gott segne dich und erweiche dein Herz. Kehre um und…"

    Körperlich war er ihr unterlegen, doch dass er den Tod nicht fürchtete, ärgerte Erika. Sagte man nicht, die Gottesanbeter seien feige und schwach? Sie zog das Messer heraus, und er sackte nach vorne, gegen ihre Hand, die seine Schulter packte. „Scheiße, zischte sie dann und ließ ihn in die Hocke sinken, wo sie ihn fest hielt. Sie hatte die Beherrschung verloren. Erbärmliche Folterknechtin, der Kerl starb ihr unter der Hand, ohne viel verraten zu haben. „Scheiße, Scheiße, Scheiße! schimpfte sie vor sich hin und ärgerte sich, dass ihre Stimme hoch wurde dabei. Dann packte sie sein Kinn, drückte seinen Hinterkopf wieder gegen die Mauer. Seine geschlossenen Augenlider zuckten. Seine Lippen bewegten sich sacht. Sie glaubte zu verstehen: „Gott liebt dich."

    Wut kochte in ihr hoch, und sie fauchte ihn an: „Das ist nicht, was ich hören will. Wer schickt dich und wie bist du hereingekommen? Gibt es noch mehr von deiner Sorte?"

    „Genug, flüsterte er und lächelte dabei. „Ihr werdet niemals siegen.

    „Du irrst dich, knurrte sie. „Wir haben bereits gesiegt. Fürst Natas beherrscht die ganze Welt.

    Der Sterbende röchelte und würgte als ersticke er.

    „Ich würde ja gerne länger mit dir plaudern, sagte Erika ungeduldig. „Aber ich habe noch anderes zu tun. Sie ließ ihn los und er sank zu Boden wie ein schlaffer Sack aus Haut und Knochen. Er war kein würdiger Gegner gewesen. Wenn Gott nur solche Trottel dienten, brauchte man sich nicht zu wundern, dass Fürst Natas herrschte.

    Sie wischte ihr Messer an seiner Hose ab, erhob sich und gab ihm noch einen Tritt gegen die Knie, den er nicht zu spüren schien. „Hundesohn, zischte sie und eilte davon. Durch den Zwischenfall war ein Umweg nötig, um die oben zu alarmieren. Sie kam im ersten Untergeschoss wieder in den Palast und sprach zwei Wachen an, die vor der Kammer der Wachleute herumlungerten. „Sagt Eurem Hauptmann, in Abschnitt 9-14 liegt ein feindlicher Meuchelmörder. Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr ihn noch verhören, aber wahrscheinlich ist er schon tot. Sie wandte sich ab und ging. Die Müllbeseitigung überließ sie gerne anderen.

    Sie eilte durch die vordere Eingangshalle des Schlosses und dann zum schmalen Bedienstetenausgang hinaus in den dritten Vorhof, wo inmitten von Hühnern und Hunden Tag und Nacht ein gesatteltes Pferd für sie bereit stand. So wie für Gabriel. Seines war schon weg, doch sie wusste, wo sie ihn finden würde. Erika band die Zügel von dem rostigen Ring in der Mauer los, schwang sich in den Sattel und galoppierte durch den Hof und das Tor. Die Wärter hatten Anweisung, sie nie anzuhalten. Die Zugbrücke dröhnte und bebte unter den Hufen, dann schlugen die Eisen auf steinigen Boden, der leicht bergab führte, hinunter auf die Hänge, wo dürres Gras und Disteln wuchsen. Weiter hinten auf den Bergen, auf denen auch Natas’ Burg stand, würde sie die beiden finden, hinter dem Königspalast, unter der Heiligen Quelle.

    Sie hatte bei dem Bericht des Spähers gut zugehört. Das kleine Mädchen Ho Nung stammte aus demselben Viertel wie sie und Gabriel. Die Tochter einer Hure und eines unbekannten Wüstenräubers. Sie war also eines der Halbblute. Das Mädchen hütete die Schafe am Fuß der Heiligen Quelle. Wüstennomaden hatten ihre Schafherde überfallen und geraubt, Ho Nung war vergewaltigt worden und die Besitzer der Schafe verlangten Ersatz. Seitdem waren Ho Nung und ihre Mutter Li B schwer verschuldet. Und trotzdem… trotzdem widerstand das Mädchen und verzweifelte nicht. Erika verstand nicht, wieso dieser kindlich-naive Trotz des Fürsten Pläne gefährdete, auch wenn Maagi ihr oft genug erklärte, wie eng Denken, Reden und Handeln zusammen hingen. Erika hörte das nicht gerne, denn in ihren seltenen sentimentalen Momenten wollte sie sich einreden, sie habe sich trotz all ihrer Verbrechen ein reines Herz bewahrt. Und auch Maagi sei tief drinnen gut und milde und treu. Und eigentlich dienten sie alle dem schwarzen Fürsten nur, weil sie auf der Gewinnerseite stehen wollten und überleben. Nur überleben, sonst nichts. Sie waren nicht böse, sie beugten sich nur den Machtverhältnissen.

    „Es gibt keine Tatsachen, war einer von Maagis albernen Sprüchen. In ihren weinerlichen Krisen stellte Maagi fest: „Meine Seele ist verflucht, deine Seele ist verflucht, und während die Erinnerung an unsere Verbrechen wie Asche verweht wird, ist die Dankbarkeit für alles Gute wie eine Pflanze, die lebt und sich fortpflanzt und immer wieder neue Ableger auswirft. Dann wieder lachte Maagi und gab zu: „Manchmal bin ich seltsam. Dabei weiß ich, dass dieses Unkraut sich stets langsamer vermehrt als wir es zertreten. Und darum wird es aussterben."

    „Genau, erwiderte Erika. „Und darum stehen wir auf der richtigen Seite.

    Maagi nickte und fügte hinzu: „Und die Erinnerung an unsere Schandtaten wird niemals vergehen."

    Das Pferd zögerte unter Erika, denn es glitt auf den glatten Steinen ab. Sie erlaubte ihm, seine Schritte zu verlangsamen. Flüchtig fragte sie sich, wann sie zuletzt über das Land geritten war. Sie kannte die unterirdischen Gänge, die von der Burg aus das ganze Quell-Tal durchzogen, genauso gut wie die Geheimfächer ihrer Kleidertruhe. Doch nun verunsicherte es sie, dass das helle Sonnenlicht sie blendete und sie vergessen hatte, dass man hier oben langsamer reiten musste als unter der Erde. Schon so mancher Reiter war samt Pferd abgeglitten, und obwohl die Hänge des Quell-Tals nur sacht anstiegen, fiel man hier hart auf die Steine und konnte ungehindert hinunterpoltern, ohne sich irgendwo festhalten zu können. Zwischen glatten Steinplatten, die vermutlich die abgeschliffene Oberfläche großer Brocken darstellten, sammelten sich loser Kies und Sand, so dass hier eher Hundepfoten, nackte Menschenfüße und gespaltene Bockshufe Halt fanden als die Eisen der Pferde. Erika ließ ihrem Reittier Zeit und blickte zu Boden. Obwohl es hier derart karg und trocken war und jeder Regen sofort und eilig ins Tal plätscherte, um sich dabei in launisch gewundenen, fast ständig ausgetrockneten Bachläufen zu sammeln, die unten im Tal hellgrüne Niederungen bildeten, wuchsen doch verschiedene Pflanzen, deren Namen Erika vergessen hatte. Sie war in der Stadt aufgewachsen. Sie unterschied die trockenen Disteln und fleischige Pflanzen, die in ihren Blättern offensichtlich Wasservorräte speicherten. Sie erinnerte sich, dass diese glatten Blätter oft aussahen als würden sie bald platzen. Doch heute hingen sie schlaff herunter und waren an den Rändern braun. Sie wuchsen zwischen dem Kies, und gerade dort ließ sie das Pferd gehen, weil es leichter Halt fand. Dabei zerquetschte es achtlos das eine oder andere der tapferen Gewächse. So war der Lauf der Welt.

    „Wie sich wohl das Unkraut fühlt, wenn es zertreten wird?" fragte Maagi eines Tages in einem ihrer weinerlichen Anfälle, und Erika reichte ihr kommentarlos das Mundstück ihrer Wasserpfeife.

    „Hast ja recht, lachte Maagi traurig und sog die Droge ein. „Manchmal bin ich zu dumm. Ich habe mich längst unwiderruflich entschieden, nie zertreten zu werden, sondern selbst zu treten.

    Und Erika fragte sich dann doch, ob Maagi nicht zu jung geheiratet hatte. Und ob auch sie selbst nicht zu früh schon im Dienst des schwarzen Fürsten gestanden hatte, als dass man davon sprechen könnte, sie habe sich frei entschieden. Doch Zweifel sind der erste Schritt zum Verrat, wie der Fürst oft sagte, wenn er jemanden wegen unbedachter Worte enthaupten ließ. Und darum sorgte sich Erika manchmal um ihre eigene Gewissheit. Um Maagis Kopf machte sie sich weniger Sorgen, denn Maagi genoss die Nachsicht, die man einem hübschen Mädchen schenkt, obwohl sie wie 30 aussah und mindestens dreitausend Jahre alt sein musste. Doch selbst wenn sie etwas tat, was des Fürsten Pläne durchkreuzte, dann lächelte er nur ironisch und meinte: „Man weiß nie, was sich daraus ergibt, und am Ende entwickelt sich stets alles zu meiner Zufriedenheit." Und so ließ er Maagi gewähren wie ein Kind, das beim Spiel eine teure Vase fallen lässt. Maagis Gewissen beruhigte es ein wenig, wenn sie das, was ihr Gatte Wüstes tat, ein wenig lindern konnte. Er ließ den Vater einer Familie hinrichten, Maagi sandte den Hinterbliebenen Lebensmittel, Medizin und kleine Briefchen mit angeblich letzten Worten des Toten. Sie dachte sich dafür immer etwas Nettes aus und bewies damit eine Feinfühligkeit aus dem Grunde ihres Herzens.

    Manchmal war Erika neidisch und wütend auf die dumme Maagi, die sich so viel herausnehmen konnte. Denn wenn Gedanken wirklich so viel bedeuteten, dann schwebte Erika in ständiger Gefahr, dass die ihren durch die Fürstin verdorben würden.

    Erika knirschte mit den Zähnen, doch endlich näherte sie sich ihrem Ziel. Die so genannte Heilige Quelle war ein Ort für die Abergläubischen, denn hier war nichts Heiliges. Man sagte, dass das Heilige Wasser nie versiegte, doch Erika glaubte das nicht. Wenn es wochenlang nicht geregnet hatte, woher sollte dann das Wasser stammen? Alle anderen Felsenquellen tröpfelten noch einen halben Tag lang nach während der trockenen Tage, doch niemals länger. Der Berg konnte das Wasser nicht halten. Alles kam dem grünen Tal zugute.

    Erika ritt an der aus Lehm erbauten Höhle vorbei, die die Quelle überdachte. Weiter unten entsprang das Wasser ein zweites Mal dem Felsen. Die Schafe weideten im Tal. Eine krumme, gebleichte Eiche klammerte sich unterhalb der Quelle an den Fels, geduckt, zerzaust und grau. Selbst die Blätter waren silbrig und keines sah gesund aus, alle zerrissen und eingerollt. Hier hatte Gabriel sein Pferd angebunden. Erika sprang ab und schlang ihre Zügel um denselben Baumstamm. Lautlos eilte sie den Hang hinab. Deckung gab es hier keine, gnadenlos schien die Sonne auf sie herab. Hier waren sie noch nie gewesen. Sie hörte die Quelle, sah ein winziges silbernes Rinnsal, das wie ein übermütiger Fisch über die Steine sprang, und weiter unten folgte auf die Felswüste fast übergangslos ein grüner Teppich aus kurzem, fettem Gras. Es fühlte sich unter ihren Füßen wie ein teurer, feiner Teppich an, jedoch frisch und kühl. Zwischen Schafweide und Waldrand wuchs eine Baumgruppe.

    Dort lehnte Gabriel lässig an einem riesigen Felsblock im Schatten zwischen fünf Birken, die nervös mit den silber-grünen Blättchen raschelten. Die Bäumchen standen im Gegensatz zu der gebeugten Eiche aufrecht wie weiß und grün gekleidete Dämchen, die überall eine gute Figur zu machen gewohnt waren. Nur wenige Schritte weiter unten graste die Schafherde, und Erika erkannte eine braun gekleidete Gestalt, die auf einem flachen Stein saß und ihnen den Rücken zukehrte, um ins Tal zu blicken. Sie konnte zwei straff geflochtene schwarze Zöpfe erkennen, die rechts und links über die Schultern auf den Rücken hingen.

    Gabriel grinste Erika entgegen, als sie sich zu ihm gesellte. Sie fand es nicht nötig, sich vor ihm zu verbergen. Gabriel wusste, dass sie ihn oft überwachte, und sie wusste, dass auch er ihr genauso oft folgte. Und sie wussten, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Niemals würde Gabriel einen Fehler machen, den sie dann genötigt wäre zu berichten. Und umgekehrt. Sie gehörten zu den Besten, und darum waren sie bereits über fünfzehn Jahre im Geschäft, was in ihrem Beruf selten genug vorkam. Denn der Gegner schlief nicht.

    Gabriel trug sein Hemd gerne offen und rasierte sich die Brust, so wie der Fürst es liebte. Und Erika musste zugeben, dass sie sich gerne an diesen glatten, muskulösen Oberkörper geschmiegt hätte. Gabriel war einer der wenigen Männer, die sie überhaupt interessierten. Doch den Günstling des Fürsten durfte niemand anrühren. Und Gabriel verschwendete keinen Blick an Frauen, so wie sie keinen an andere Männer. Verliebt zu sein verführte nur zu Dummheiten, und die gerieten zu leicht tödlich.

    Gabriel änderte seine Stellung, so dass er sich nun mit nur einem Ellenbogen abstützte und auf die Schafherde blicken konnte, und tat das so elegant wie ein Löwe, was Erika neidisch machte. Sie selbst kam sich oft genug wie ein Schatten vor. Das war gut für ihren Beruf, doch es machte sie nicht zufrieden. Sie war nur der Schatten von irgendetwas oder irgendwem. Erika verstellte ihm die Sicht und fragte beiläufig: „Wie viel würdest du für eine Nacht mit mir zahlen? Sie wiegte die Hüfte, so dass Gabriel den Blick hinunter wandte und anerkennend mit der Zunge schnalzte. Das war ein Spiel zwischen ihnen, und es erregte sie. Oh, dieser Mann, den sie stets geliebt hatte wie einen Bruder, und dessen Unnahbarkeit ihn nur noch attraktiver machte. Wenn sie eine Prostituierte wäre, würde sie ihn nun berühren, doch sie wagte es nicht, weil sie dann ganz und gar in Flammen stehen würde. Also fragte sie ihn lässig mit gespielt heiserer Stimme: „Ich habe dich noch nie hier gesehen.

    „Ich werde auch nicht wiederkommen", murmelte er und starrte an ihr vorbei ins Tal. Erika folgte seinem Blick. Das Mädchen war aufgestanden und blickte unverwandt zu ihnen hinauf. Sie hieß Ho Nung, war die schlitzäugige Tochter der Nutte Li B und sollte heute sterben. Weil sie gelacht hatte. Nicht nur ein Mal. Sie war ein Halbblut wie so viele, doch sobald eines von ihnen zu übermütig wurde, musste es sterben. Wegen der Prophezeiung, die besagte, dass einer von ihnen den Kampf zwischen Gut und Böse zugunsten des Guten endgültig entscheiden würde.

    „Guten Tag", rief das Mädchen und lächelte, wobei es eine Verneigung andeutete.

    Irritiert stellte Erika fest, dass Gabriel das Kind wie hypnotisiert begaffte. Sie wollte ihn mit dem Ellenbogen anstoßen. Sie hatte nicht vor, seinen Auftrag für ihn zu erledigen. Wieder blickte sie das Mädchen an, erkannte aber offensichtlich nicht, was er sah. Ho Nung war nur ein Kind, das heute sterben sollte.

    „Hallo Kleine", säuselte Erika süßlich, als

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