Jakob Wolff - Die Teufelshand
Von Verena Jung
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Buchvorschau
Jakob Wolff - Die Teufelshand - Verena Jung
hatte.
Wie alles begann …
Jakob Wolff (*1466), Sohn von Hexenmeister Markus Wolff, wächst in Speyer auf und hofft, die Apotheke seines Vaters eines Tages zu übernehmen. Genau wie bei seinem Vater ist es sein magisches Erbe als Hexer, den Zustand eines Menschen (körperlich & geistig) durch Berührung zu fühlen. Als sein Vater 1486 von den Mitgliedern seines Hexenzirkels ermordet wird, betrügen sie Jakob auch um sein Erbe. Mit nur wenig Hab und Gut verlässt er Speyer. Darunter ein handschriftliches Exemplar des Hexenhammers von Heinrich Kramer, welcher die Hexenverfolgung legitimiert. Man soll seine Feinde so gut kennen, wie sich selbst, um sich bestmöglich gegen sie verteidigen zu können, so der Leitspruch von Jakobs Vater. Darum versteckte Markus all sein Wissen auf den leeren Rückseiten des präparierten Papiers, sodass dieses nur von Hexen und Hexern gelesen werden konnten.
Während seiner Wanderschaft kommt Jakob nach Harzenberg. Dort hält der Dorfverwalter ein Mädchen im Keller gefangen, das eine Hexe sein soll: Lieselotte Wagner. Tatsächlich entpuppt sich die junge Frau als eine seiner Art und Jakob schmiedet einen Plan, um sie von dem Vorwurf zu entlasten. Nachdem ihm das gelungen ist, ziehen beide weiter und lassen sich in Greiz nieder. Dort leben sie als angebliche Geschwister und sie steigen in der Gesellschaft auf. Um seine aufkommenden Gefühle für Lilo zu unterdrücken, stürzt Jakob sich in eine Ehe mit einer gönnerhaften Witwe. Ihrem Sohn Karl missfällt das, vermutet er in Jakob doch einen Erbschleicher. Darum beginnt er, Lilos Ruf zu schädigen. Jakob versucht, die Situation zu retten, und es kommt ungeplant zu einer Liebesnacht zwischen Jakob und Lilo. Dabei werden sie entdeckt und Jakob verhaftet. Nach Verhör und Folter wird Jakob wegen Ehebruch und Hexerei angeklagt und zum Tode verurteilt.
Lilo sucht in ihrer Verzweiflung nach einem Zauberspruch, mit dem sie Jakob retten kann. Sie mischt einen Trank und verflucht damit Karl, damit dieser an Jakobs statt bei der Hinrichtung stirbt. Danach fliehen Lilo und Jakob in den Norden und beginnen ein neues Leben.
Knapp ein Jahr später tauchen plötzlich Jakobs Wunden von der Folterung wieder auf. Jakob erfährt nun von Lilo, dass ihr bei der Ausführung des Zaubers einige Fehler unterlaufen sind. Diese zwingen Jakob dazu, dem Teufel jedes Jahr ein neues Opfer zu bringen, um weiterleben zu können. Seitdem suchen er und Lilo eine Möglichkeit den Fluch zu brechen … oder aber nach einem Opfer.
Kapitel 1
Jakob atmete tief ein. Der Geruch nach Verbranntem stach ihm in die Nase, ehe er den Atem anhielt und die scharfe Klinge über den Daumen seiner linken Hand zog. Der Schnitt brannte augenblicklich und er stieß die angehaltene Luft aus, um den Aufschrei zu unterdrücken. Trotzdem entwich ihm ein Stöhnen.
Ich hätte etwas Mohnsaft nehmen sollen, um das Schlimmste zu lindern.
Nun war es zu spät. Stattdessen beobachtete er, wie sein Blut in die Schale mit der Gänsedaune tropfte. Das Weiß sog das Rot auf, bis nichts mehr von der ursprünglichen Farbe zu sehen war.
Jakob gönnte sich einen Moment, um seinen Finger zu verbinden und damit zu verhindern, dass Schmutz in die Wunde gelangte. Er wusste zu gut, dass schon eine leichte Verletzung unbehandelt zum Verlust ganzer Gliedmaße oder sogar zum Tod führen konnte.
Anschließend griff er nach dem Lederbeutel und schüttete die erkaltete Asche des Gänseherzens hinein. Darauf folgte die blutbesudelte Gänsedaune. Er hauchte auf dieses Gemisch und verschloss den Beutel.
»Ein Herz für ein Opfer, Blut für Verbundenheit mit ihm und eine Feder, die mich durch meinen Atem zu ihm führt – demjenigen, der den Tod verdient und für mich sterben soll, auf dass ich lebe.«
Nichts geschah, aber das hatte er auch nicht erwartet. Er hängte sich den Lederbeutel um den Hals und versteckte ihn unter seinem Hemd.
Hoffentlich funktioniert der Zauber. Wenn ich schon töten muss, dann wenigstens Mörder und Verbrecher, die den Tod verdienen.
Er verließ den Raum, der ihm hier in Lyon als Wohnung diente, stieg die schmale Treppe hinab und trat auf die Straße. Augenblicklich umfing ihn das Getümmel aus dem Knarzen vorbeifahrender Kutschen, dem Klappern der Pferdehufe, dem gepflegten Geplauder der Damen und dem Lärm, den die Gassenjungen und die arbeitende Klasse im Vorbeigehen von sich gab. Jakob wünschte sich in sein Zimmer zurück, das – von der Straße abgewandt – Ruhe versprach. Doch er bezweifelte, dass ihm dort sein Vorhaben gelang.
Aufmerksam sah er sich um. Nichts.
Er zog die Brauen zusammen und überlegte. Vielleicht benötigte er mehr Freiraum? Er lief die Straße entlang. In der Nähe lag ein Platz, den die Bauern und Händler zum Verkaufen ihrer Waren nutzten. Dort stellte er sich mitten auf die ebene Fläche und drehte sich langsam um die eigene Achse. Häuser säumten das Gelände und beschränkten seinen Blick in die Ferne. Trotzdem hoffte er auf irgendein Zeichen, damit er wusste, dass der Zauber funktionierte und wo er sein Opfer suchen musste.
Immer noch nichts.
Jakob schluckte. Ihm blieben zwölf Tage, um das Ritual zu vollziehen. Sonst würde er seine Seele an den Teufel verlieren. Er unterdrückte den Impuls, das Kreuz zu schlagen. Gott möge das verhindern!
Er zog die Brauen missmutig zusammen. Ist mir bei der Zusammenstellung des Zaubers ein Fehler unterlaufen? Ausgeschlossen. Es liegt an der Ausführung. Ich muss mich mehr konzentrieren.
Er schloss die Augen. Seine Muskulatur im Kiefer und an der Stirn spannte, während er verkrampft nach einer Lösung für sein Problem suchte. Flüchtig kam ihm in den Sinn, dass er in einer Menschenmenge stand. Mit Sicherheit wunderten sich manche über seinen grimmigen Gesichtsausdruck. Er schob den Gedanken von sich. Hier ging es um Wichtigeres. Die paar erstaunten Mitbürger brauchten ihn nicht zu kümmern.
Da fiel ihm ein merkwürdiges Gefühl in der Herzgegend auf, so als hätte jemand einen Bindfaden um sein Brustbein gebunden und würde sanft daran ziehen. Es zupfte ihn nach rechts. Er drehte sich in die Richtung und öffnete die Augen.
Süden. Der Zauber funktioniert und führt mich in den Süden!
Euphorie breitete sich in ihm aus. Jakob unterdrückte einen freudigen Ausruf, doch dem Lächeln auf seinen Lippen hatte er nichts entgegenzusetzen. Wenn der Findungszauber zuverlässig arbeitete, würde er seine Opfer schneller finden. Ihm bliebe mehr Zeit, sich um einen Gegenfluch zu kümmern, der ihn und Lilo aus ihrer misslichen Lage befreite.
Eilig wandte er sich um. Er musste in sein Zimmer und packen, denn er wusste nicht, wie weit weg ihn seine Reise führte. Er zwängte sich zwischen den Passanten hindurch und wich Pferden aus. Es war zu wichtig, rasch zu handeln.
Schwer atmend polterte er die Stiege hinauf in sein Zimmer. Er ließ sich keine Zeit, zu Atem zu kommen, sondern zog den Tornister unter seinem Bett hervor. Er warf ihn auf die durchgelegene Matratze und bückte sich erneut, um die lose Diele anzuheben, die seinen wichtigsten und kostbarsten Besitz versteckte. Die Abschrift des Hexenhammers, die er von seinem Vater geerbt hatte. Vorsichtig hob er das alte Buch heraus und steckte es in den Tornister. Anschließend folgte eine Montur Kleidung zum Wechseln, Pflegeutensilien und die nötigsten, selbst hergestellten Tränke und Salben.
Jakob sah sich in dem Zimmer um. Das Meiste in diesem Raum stellte ihm die alte Dame zur Verfügung, die dieses bescheidene Zuhause vermietete.
Es ist schon traurig, wenn das eigene Leben in einen Tornister passt.
Seufzend schulterte er sein Gepäck und stieg hinunter, um seiner Vermieterin die restliche Miete zu zahlen. Er glaubte nicht daran, zurückzukehren. Es war wahrscheinlicher, dass der Findungszauber ihn zukünftig durch die gesamte Welt führte, was ihm ein abenteuerlustiges Prickeln im Nacken bescherte. Dort draußen gab es so viel zu sehen und zu lernen, zahlreiche Menschen, die sein Leben bereichern konnten. Aber zuvor musste er sich verabschieden.
Er atmete tief ein und streckte den Rücken, ehe er an Madeleines Tür klopfte. Das wird nicht leicht für mich.
Die alte Dame mit den gewitzten blauen Augen öffnete. »Ah, mein lieber Loup, was kann ich für dich tun? Ist es wieder Zeit für die Miete?«
Jakob räusperte sich. »Nun ja, ich muss dir leider mitteilen, dass mich dringende Geschäfte dazu zwingen, für eine Weile zu verreisen. Ich weiß nicht, wann ich wiederkomme, und möchte dich daher mit dem Wissen verlassen, dir nichts schuldig zu sein.«
Madeleines Miene nahm einen bekümmerten Ausdruck an. »Wie schade. Du bist ein angenehmer Mieter, immer höflich und darauf bedacht, niemanden zu stören. Ich konnte mich bei dir stets auf die pünktliche Zahlung verlassen. Solche Menschen suchen selten bei mir Quartier. Soll ich dir das Zimmer reservieren?«
Genau damit hatte Jakob gerechnet. Die alte Dame mochte und schätzte ihn und ließ ihn ungern ziehen. Trotzdem musste er standhaft bleiben, um keine falschen Hoffnungen in ihr zu wecken.
»Madeleine, das darf ich nicht von dir verlangen. Wenn ich wieder in Lyon bin, werde ich dich besuchen. Sollte dann zufällig ein Zimmer frei sein, beziehe ich es gerne. Bis dahin möchte ich nicht, dass du auf mich wartest und deshalb ein geringeres Einkommen in Kauf nimmst. Ich weiß, wie sehr du darauf angewiesen bist, seit dein geliebter Gatte verstorben ist.«
Die Erwähnung Monsieur Bernards war ein fieser Trick und Jakob hasste sich dafür, doch er wollte sich nicht länger aufhalten lassen. Es funktionierte wie erwartet. Seine Vermieterin zückte ein Taschentuch aus ihrer Rocktasche und tupfte sich die Augenwinkel.
»Mein armer Sebastian. Gott habe ihn selig. Er hätte dich gemocht und dich vermutlich begleitet. Er war oft und gerne auf Reisen.«
»Er hätte dich nicht so häufig alleinlassen sollen. Aber du weißt ja, wie es mit uns ruhelosen Geistern ist. Man muss sie ziehen lassen. Dann erinnern sie sich an