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Ragdim - Das Geheimnis der Wächter
Ragdim - Das Geheimnis der Wächter
Ragdim - Das Geheimnis der Wächter
eBook629 Seiten6 Stunden

Ragdim - Das Geheimnis der Wächter

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Über dieses E-Book

Der Namenlose ist zurückgekehrt. Nach einem Jahrzehnt der Ruhe zieht er erneut mordend und brandschatzend durch das Königreich Kilây.
Garven Abalain, der ihm in jungen Jahren den Tod geschworen hat, wird durch seine militärischen Pflichten und ein Verbot der Tempelgemeinschaft gebunden - seine Jagd nach dem Namenlosen scheint aussichtslos.
Der einzige Mann, der die öffentliche Verfolgung veranlassen könnte, stellt Garven vor eine harte Loyalitätsprüfung: Eine junge Frau aus dem Randbezirk als Mätresse gefügig zu machen oder ihre Eltern zu ermorden.
SpracheDeutsch
HerausgeberXinXii
Erscheinungsdatum29. März 2022
ISBN9783969370858
Ragdim - Das Geheimnis der Wächter

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    Buchvorschau

    Ragdim - Das Geheimnis der Wächter - M.L. von Burgberg

    M. L. von Burgberg

    Ragdim

    Das Geheimnis der Wächter

    E-Book, Originalausgabe, erschienen 2022

    1. Auflage

    ISBN: 978-3-96937-085-8

    Copyright © 2022 LEGIONARION Verlag, Steina

    www.legionarion.de

    Text © M. L. von Burgberg

    Coverdesign: © Marta Jakubowska, LEGIONARION Verlag

    Umschlagmotiv: © shutterstock 2010831161 / 1531651286 / 1891136098 / 2049698753

    Kapitelbild: © shutterstock 1937036266

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt.

    Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig.

    Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigungen, Übersetzungen, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

    Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

    Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;

    detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über

    http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Die Handlung, die handelnden Personen, Orte und Begebenheiten dieses Buchs sind frei erfunden.

    Jede Ähnlichkeit mit toten oder lebenden Personen oder Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, ebenso wie ihre Handlungen sind rein fiktiv, nicht beabsichtigt und wären rein zufällig.

    ©LEGIONARION Verlag, Steina

    Alle Rechte vorbehalten

    http://www.legionarion.de

    Der LEGIONARION Verlag ist ein Imprint der Invicticon GmbH

    E-Book Distribution: XinXii

     www.xinxii.com

    logo_xinxii
    Das Buch

    Der Namenlose ist zurückgekehrt. Nach einem Jahrzehnt der Ruhe zieht er erneut mordend und brandschatzend durch das Königreich Kilây.

    Garven Abalain, der ihm in jungen Jahren den Tod geschworen hat, wird durch seine militärischen Pflichten und ein Verbot der Tempelgemeinschaft gebunden – seine Jagd nach dem Namenlosen scheint aussichtslos.

    Der einzige Mann, der die öffentliche Verfolgung veranlassen könnte, stellt Garven vor eine harte Loyalitätsprüfung: Eine junge Frau aus dem Randbezirk als Mätresse gefügig zu machen oder ihre Eltern zu ermorden.

    Inhalt

    Prolog

    Teil 1

    Das Rad dreht sich

    Kapitel 1

    Kapitel 2

    Kapitel 3

    Kapitel 4

    Kapitel 5

    Kapitel 6

    Kapitel 7

    Kapitel 8

    Kapitel 9

    Kapitel 10

    Kapitel 11

    Kapitel 12

    Kapitel 13

    Kapitel 14

    Kapitel 15

    Kapitel 16

    Kapitel 17

    Kapitel 18

    Teil 2

    Entfesselung

    Kapitel 19

    Kapitel 20

    Kapitel 21

    Kapitel 22

    Kapitel 23

    Kapitel 24

    Kapitel 25

    Kapitel 26

    Kapitel 27

    Kapitel 28

    Kapitel 29

    Kapitel 30

    Kapitel 31

    Kapitel 32

    Kapitel 33

    Kapitel 34

    Kapitel 35

    Teil 3

    Der Auftragsmord

    Kapitel 36

    Kapitel 37

    Kapitel 38

    Kapitel 39

    Kapitel 40

    Kapitel 41

    Kapitel 42

    Kapitel 43

    Kapitel 44

    Kapitel 45

    Kapitel 46

    Kapitel 47

    Kapitel 48

    Kapitel 49

    Teil 4

    Ragdim

    Kapitel 50

    Kapitel 51

    Kapitel 52

    Kapitel 53

    Kapitel 54

    Kapitel 55

    Kapitel 56

    Kapitel 57

    Kapitel 58

    Kapitel 59

    Kapitel 60

    Kapitel 61

    Kapitel 62

    Kapitel 63

    Kapitel 64

    Kapitel 65

    Kapitel 66

    Kapitel 67

    Kapitel 68

    Kapitel 69

    Kapitel 70

    Epilog

    Danksagung

    Für Kev & Marie

    Prolog

    »Erstrahlt die Festung des Totengottes im Licht des Regenbogens, wird Finsternis die Welt richten.«

    Niederschrift im Andalpâr – Fall der Götter

    Meine Füße fanden keinen Halt. Ich konnte nicht greifen, nicht atmen.

    Es war, als würde meine Haut unter der sengenden Hitze verbrennen, bis mir klar wurde, dass eisige Kälte mich umgab. Meine Haut spannte sich und drohte zu reißen. Dennoch konnte ich den Blick nicht lösen.

    Es herrschte Stille, bis ein einziger, heller Schrei den Raum durchdrang.

    Vor mir schwebte Evnia, gespalten.

    Der Erdkern lag frei. Glühendes Licht umhüllte ihn, schwarze Schatten tanzten auf seiner Oberfläche.

    Die Meere hoben sich und gaben die tiefen Krater, die sie einst füllten, frei. Ganze Gebirgsketten verschwanden in den Schluchten, Jahrhunderte alte Bäume wirbeln umeinander, während sie in den Weltraum gezogen wurden.

    Um den Kern legte sich ein grüner Nebel, wie ein Netz umschloss er den Planeten. Die Göttin des Lebens versuchte mit aller Kraft, Evnia zu retten.

    Die Nebelschwaden begannen, heller zu pulsieren.

    Ihre Seele schlang sich immer weiter um den Planeten, umschloss jeden Partikel.

    Ihr Schrei markerschütternd.

    Ativas grüne Seelenfarbe verging zusammen mit ihrem Geist im Seelenfeuer.

    Ich wollte einatmen, doch es gab keine Luft, die meine Lunge füllte.

    Es kostete viel Willenskraft, mich vom Anblick Evnias zu lösen und in den Malstrom der Zeit zurückzukehren.

    Teil 1

    Das Rad dreht sich

    Kapitel 1

    Garven

    Die Sonne stand hoch im Zenit, als die Begabten ihre letzte praxisbezogene Lektion begannen. Mit verschränkten Armen beobachtete Garven die neuen Rekruten vom Podium aus und war erstaunt, wie viele Elementarmagier dieses Mal unter ihnen waren. Er zählte drei Feuermagier. In manchen Jahren hatten sie nicht einen aus diesem Spektrum.

    Feuerkugeln schwirrten über den offenen Platz, manche beschrieben einen Halbbogen, andere richteten sich gegen Zielscheiben.

    Die Haut seiner Schüler glänzte vor Schweiß, Staub klebte ihnen an den Füßen und dem Oberkörper. Manche Leinenhosen waren von Brandspuren geziert.

    Im hinteren Teil des Platzes übten sich die zukünftigen Wassermagier, einen Schutzwall aus Wasser zu erzeugen. Ein Begabter schaffte es gerade, einen hohen Wall zu erzeugen, bis er sich über ihm ergoss.

    Sein Ausbilder Fendrik legte ihm die Hand auf die Schulter und deutete auf die Wasserlache zu seinen Füßen. Garven musste sie nicht verstehen, um zu wissen, dass der Schüler seine Konzentration verloren hatte.

    Wasser war widerspenstig, gehorchte nur seinem eigenen Willen. Es gegen die Schwerkraft zu zwingen, brauchte Willenskraft und eine enorme Konzentration.

    Er lehnte sich zu Bill Fontain, seinem ersten Offizier und engsten Vertrauten. Dieser dokumentierte tagtäglich die Fortschritte der Begabten, um in Metaanalysen ihre voraussichtliche Vortexkapazität vorher zusagen.

    Bill war dabei, weiter Notizen niederzuschreiben. Seine Augen wanderten zwischen den Feuerbegabten.

    »Auf die Feuerbegabten müssen wir besonders Acht geben«, flüsterte er ihm zu.

    Bill nickte zustimmend und tippte an seine Brille. »Vigo hat sie im Blick.«

    Vigo Besnard, Unteroffizier des fünften Bataillons und hauptsächlich Ausbilder im Bereich des Nahkampfes und zugleich ein guter Freund Garvens.

    Lencer verlor soeben die Kontrolle über seine Feuerkugel, sie zischte quer durch den Raum und raste auf einen anderen Lehrling zu, bis Kurt mit seiner Windmagie eine Barriere errichtete und ihn abschirmte. Die Kugel prallte gegen den unsichtbaren Schutzschild und zerbarst in einem Funkenregen.

    Norvyn winkte Lencer zu sich, dessen Konzentration am Ende und damit die Übungsstunde beendet war.

    Er gestikulierte und deutete an, es noch einmal ausprobieren zu dürfen, doch sein Ausbilder schüttelte entschieden den Kopf. Norvyn zeigte mit dem Finger an sein Kinn, an dessen Seite deutlich die Narbe einer Verbrennung zu sehen war.

    Garven schüttelte den Kopf, als er an den Unfall zurückdachte. Tagelang hatten sie erbittert gegen die Magier der Inselketten gekämpft und waren, mehr oder weniger, glimpflich davon gekommen. Seite an Seite wüteten sie durch die gegnerischen Reihen, als gebe es kein Morgen.

    Diese schwere Verletzung wäre ein Symbol der Kampfkraft, ein Kriegsdenkmal gewesen, doch stammte sie schlicht aus einem Ausbildungsbetrieb, während ein Windmagier nicht aufgepasst hatte und die Feuerkugel eines Schülers ihn an der Breitseite traf. Manchmal hält die Ironie des Lebens Einzug.

    Norvyn unterrichtete seither nie mehr als zwei Feuerbegabte gleichzeitig, in den höheren Gedächtnisauslastungen nur einen.

    Ihn als Ausbilder zu verlieren, kam für Garven nicht in Frage. Es brachte sie in einen personellen Engpass, ein kleiner Preis, um ihn in den eigenen Reihen zu halten.

    Daher lag es an Garven, häufiger praktische Lektionen abzuhalten, um die restlichen Ausbilder zu entlasten und einen reibungslosen Ablauf zu gewährleisten. Er rieb sich mit der Hand im Gesicht.

    Theoretisch mag das gut klingen, in der Praxis zeigte sich, dass die Schüler unter seiner Führung eher zu Fehlpässen neigten.

    Garven mied es meistens, direkt am Platz zuzusehen, da seine Anwesenheit die Begabten verunsicherte, doch Bill hatte ihn darum gebeten. Von den dreizehn Neurekrutierten gab es einen weiteren Magier im Element der Erde, zwei im Wasser und einer im Spektrum der Luft. Der Luftbegabte schien ein Talent zu sein. Er lernte schnell, brauchte wenig Wiederholungen und würde in den kommenden Tagen die nächste Stufe im Vortex – das Tor zum Unterbewusstsein – beschreiten, dabei zählte er erst vierzehn Sommer.

    Kanash, eben jener junge Luftmagier, er kam aus dem tiefen Süden, auf der Flucht vor der Tyrannei seines Königs und hatte hier, in Weirâg, mit seiner Familie Schutz gesucht. Sein Vater war Gelehrter und hatte sich ihrem Glauben zugewandt.

    Seine Familie hatte sich integriert und nachdem die Seher sein Talent vernahmen, hatte er sich voll Euphorie in den Dienst seiner Majestät gestellt. Und eben dieses Königreich war es, dass ihr eigener Herrscher aufsuchte, um neue Handelsverträge zu schließen.

    Nachdem Norvyn für alle den Mittag ausrief, atmeten die Rekruten durch und wuschen sich an den Wasserbassins. Unter dem wachen Blick ihres Heerführers hatten sie sich völlig verausgabt.

    Genau das verlangte er von seiner Einheit. Jede Übungsstunde musste an ihre Grenzen gehen.

    Es konnte jederzeit sein, dass eines ihrer verbündeten Länder um Hilfe rief. Vor vier Jahren, zu dem Zeitpunkt war Garven der zweite Offizier des fünften Bataillons, wurden sie nachts aus ihren Betten gerissen und mussten in ihre Handelsstadt Bregar aufbrechen. Piraten aus dem Westen überfielen die Inselketten zwischen der Nordsee und dem Tränenriss.

    Seitdem gab es einmal im Jahr eine Übung, in der das gesamte Bataillon in der Nacht geweckt und ausgesandt wurde.

    Bill hatte seine Unterlagen soeben in der Ledertasche verstaut, als Vigo auf sie zu geeilt kam. Er hatte sich eine frische Uniform angezogen und schloss im Gehen die oberen Knöpfe. Seine schwarzen, halb langen Haare tanzten vor seiner Nase. Vigo war eine Nasenlänge kleiner als Garven und die Schultern etwas schmaler. Die Uniform verbarg die sehnigen Muskeln.

    »Lasst uns essen, mir knurrt der Magen«, sagte er lächelnd und drehte sich halb wieder zum Gehen.

    Bill nickte.

    »Ich komme gleich nach«, erwiderte Garven knapp. »Ich wollte noch schnell einen Blick auf die Ausbildung der Getreuen werfen.«

    Vigo lachte. »Mach nicht zu lange, sonst bleibt nichts mehr übrig.« Er und Bill hoben kurz die Hand und verließen den Platz.

    Der nächste Ausbildungsplatz lag hinter der Steinwand, in die ein Tor eingelassen war. Die Getreuen und Kundigen waren weitaus zahlreicher als die Magier. Ihre Schicht hatte in der Morgendämmerung begonnen und sie waren erst kürzlich von ihrem Mittag zurück. Träge nahmen sie Stellung auf.

    Ein Kundiger gähnte herzhaft. Erschrocken schlug er sich die Hand vor den Mund, als er Garven erkannte.

    Als die anderen Getreuen und Kundigen ihn entdeckten, hielten die Ausbilder und Rekruten inne. Augenblicklich nahmen sie Haltung an und begrüßten ihn im Chor.

    »Guten Tag, Heerak Garven Abalain, Heerführer des fünften Bataillons.«

    Garven hob die Hand zum Gruße.

    »Weitermachen.«

    Angespannt machten sie sich wieder an ihre Aufgaben, manche blickten immer wieder zu Garven. Er mochte es einfach nicht, den Rekruten bei der Ausbildung zuzusehen. Sein Rang verunsicherte sie immer und störte sie bei den Lektionen.

    Eine Gruppe stand tatenlos neben der von Ausbilder Melma.

    Er ging auf sie zu und Melma sah zu Garven auf.

    »Wo ist Ludan Briest?« Er war ein weiterer Ausbilder im Bereich der Feuermagie.

    »Er hat ein Magenkrampf und lässt sich den Tag durch den Kopf gehen, mein Herrak«, antworte er schelmisch grinsend. »Daher fehlt uns ein Feuermagier.« Er blickte zu der Gruppe, die darauf wartete, etwas zu tun zu haben.

    »Verstehe. Bei welcher Lektion seid Ihr?«

    »Mit meiner Gruppe bin ich soweit, kleine Funken zu erzeugen, während Briests Gruppe die Intensität der Flammen bestimmen soll.«

    Garven nickte und ging auf die Gruppe zu. »Kommt mit mir.«

    Sie gingen ein gutes Stück von der Gruppe weg und steuerten eine steinerne Sitzgruppe an.

    »Setzt euch«, befahl er.

    Die Kundigen sahen sich unter einander an, bevor sie langsam dem Befehl folgten. Schweißperlen standen ihnen auf der Stirn und Garven konnte sehen, dass manche von ihnen flach atmeten.

    Die Kundigen hatten nur eine geringe Gedächtnisauslastung und konnten niemals voll ausgebildete Magier werden. Dennoch waren sie vielen Magiern als Unterstützung hilfreich.

    Ihre Fähigkeiten begrenzten sich darauf, Funken zu erzeugen, diese konnten jedoch reichen, um ein Lagerfeuer zu schüren. Ebenso spürten sie das Feuer, ohne dass man es mit dem bloßen Auge erkennen konnte. Wie bei Glutnestern, die sich oft nach Bränden versteckten und nur ein Windhauch genügte, um sie neu zu entfachen.

    Ebenfalls nutzen Magier ihre Erzeugung von Funken und verstärken diese, um sie anschließend nach Bedarf zu formen. Das sparte ihnen Ressourcen, die im Krieg schnell erschöpft wären.

    Sie saßen im Kreis, ihre Blicke ruhten fest auf Garven. Er sah in die Runde, streckte die Hand nach vorne und erschuf mehrere Feuerkugeln.

    »Schließt die Augen.«

    Sie taten, wie geheißen. Seine Feuerkugeln waren lautlos, kein Knistern, da es nichts gab, das er verbrannte. Er bewegte langsam die Hand nach links.

    »Wer die Intensität der Flamme stärker spürt, lehnt sich vor ihr zurück. Wer sie weniger spürt, lehnt sich in ihre Richtung.«

    Die fünf rotierenden Kugeln schwebten umeinander, um sich anschließend auf die Kundigen zu zubewegen. Seine Schüler wichen überrascht zurück, hielten die Augen jedoch geschlossen.

    Wie eine Welle bewegten sich die Kundigen, während einer sich zu der Kugel lehnte, war ein anderer bereits bedrängt und wich zurück. Nur Einer reagierte nicht.

    Garven lenkte die Kugel dicht vor dessen Gesicht, die Hitze musste unerträglich werden, doch wich der Bursche nicht zurück. Man musste kein Magier sein, um zu spüren, dass die Bartstoppeln langsam versengten.

    Als er die Kugeln wieder zur Mitte führte, steigerte er die Hitze in ihnen, augenblicklich wichen alle ein Stück zurück. Anschließend ließ er sie kleiner werden, die Kundigen beugten sich alle nach vorne. Als sie erloschen, riss ein Kundiger die Augen auf, weil er fast von seiner Sitzbank geflogen wäre.

    »Ihr habt das gut gemacht«, stellte Garven fest und nickte ihnen zu. Leises Murmeln glitt durch die Runde, manches Gesicht errötete.

    Die Intoleranz des einen Burschen machten Garven jedoch wütend.

    »Du da«, sagte er und zeigte auf ihn. »Wie ist dein Name?«

    Dessen Miene blieb unberührt. »Drolf Eisenhauer.«

    »Erzeug einen Funkenregen.«

    Drolf zuckte mit den Schultern. Er schloss die Augen und hob die Hände, er drehte sie im Kreis, als würde er etwas hinaufbeschwören.

    Einer der Kundigen kicherte bei dieser Darbietung, doch Garvens Blick ließ ihn innehalten. Er schnippte mit den Fingern und ein feiner Funkenregen entsprang ihnen. Nun bewegte er die Hände schaukelnd und ließ sie sanft zum Boden gleiten.

    Garvens Miene war steinern. »Du bist der Sohn unseres Schmieds, richtig?«

    Er nickte stolz. »So ist es.«

    »Du beherrscht deinen Funkenregen sehr gut«, begann Garven. Seine Stimme klang hart und nicht minder wohlwollend. »Doch diese Zirkusdarbietung ist hier fehl am Platz.«

    Der Junge, volljährig konnte er bei diesen feinen Gesichtszügen nicht sein, rümpfte empört die Nase, doch er hielt Garvens Blick stand.

    »Sobald Ludan Briest wieder genesen ist, werde ich eine Einzelstunde für dich anberaumen, in der du dich voll und ganz auf das Spüren der Feuerwege konzentrieren wirst.«

    Zorn glitt über die Gesichtszüge des jungen Eisenhauers.

    »Jawohl, mein Heerak«, antwortete er bissig.

    »Nun werdet ihr unseren Schmied Eisenhauer aufsuchen, bestellt ihm meine Grüße und richtet ihm aus, er soll euch heute Nachmittag im Bereich der Schmelztemperaturen verschiedener Metalle unterrichten.«

    Er erhob sich und die Gruppe Kundiger tat es ihm gleich.

    »Jawohl, unser Heerak. Wir danken für die Lektion.«

    Er hob wieder die Hand, sagte dem Melma Bescheid und verließ den Platz.

    Als er den ersten Torbogen passiert hatte, lehnte mit überkreuzten Armen Jilmas Bram an der Wand.

    »Sei gegrüßt, Garven«, sagte er leise. Seine Miene wirkte ernst, als er zu ihm aufsah. Wie die meisten war Jilmas einen guten Kopf kleiner als Garven.

    Er schob die Kapuze seines schlichten Leinmantels ein Stück zurück, um Garven besser in die Augen sehen zu können. Seine dunklen Augen wirkten oft leblos, so das Garven manchmal Mühe hatte, ihren Ausdruck zu deuten.

    »Wie bist du hier reingekommen?«, fragte Garven leise, doch konnte er den überraschten Unterton in seiner Stimme nicht verbergen.

    »Wenn ich es dir sage, müsstest du mich wohl töten.«

    »Das müsste ich auch so. Warum hast du nicht bis heute Abend gewartet?«

    »Weil du da keine Zeit haben wirst.« Er lächelte wissend. Garvens Stirn legte sich in Falten, er beugte sich näher an Jilmas heran.

    »Was macht dich da so sicher?«

    »Weil ich aus einer verlässlichen Quelle weiß, dass Herzog Tueri heute eine Sitzung einberufen wird.« Er zwinkerte Garven zu und reichte ihm ein Pergament.

    Er faltete es auseinander und las den kurzen Text.

    Seine Kiefermuskulatur trat deutlich hervor und er zerknüllte die Nachricht in seiner Hand.

    »Verstehe. Er wird Kundschafter unserer Einheit in den Nebelwald schicken, um diese Ereignisse zu klären.«

    Jilmas schüttelte den Kopf.

    »Da wäre ich mir nicht so sicher. Aber dir sollte klar sein, wer dafür verantwortlich ist.«

    Garven hob eine Augenbraue. »Sonst wärst du nicht hier.«

    Jilmas nickte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Es trägt seine Handschrift.«

    »Wie sicher ist die Information?«, hakte Garven nach.

    »Ich erwarte meine Späher in drei Tagen zurück.«

    »Drei Tage«, sagte er mehr zu sich, als zu Jilmas. »Gibt es Überlebende?«

    »Nach meinem Wissen nicht.«

    Jilmas hob die Hand. »Ich sollte jetzt verschwinden, bevor dein nächster Trupp hier aufschlägt.«

    »Danke«, bestätigte Garven und drückte Jilmas eine Goldmünze in die Hand.

    Als Garven im Speisesaal eintraf, wurden gerade drei Becher Qhava serviert. Neben Vigo stand ein voller Teller, gefüllt mit gegarten Kartoffeln und drei Scheiben Krustenbraten, dazu in Butter geschwenktes Gemüse.

    »Du bist spät dran, dein Essen dürfte kalt sein«, stellte Vigo lächelnd fest.

    Garven nahm neben ihm Platz, Bill nahm einen vorsichtigen Schluck des heißen Getränkes und sah wieder in seine Ledermappe.

    »Briest ist schon wieder krank«, stellte Garven fest.

    Bill blickte kurz auf. »Hat er dieses Mal einen Magenkrampf?«

    Garven nickte.

    Vigo lachte laut auf. »Also gestern bei Madam Rossau war er noch kerngesund.«

    »Wie lange war er dort?«, fragte Garven mürrisch und nahm einen weiteren Bissen des Bratens zu sich. Der gute Geschmack milderte seine Wut ein wenig.

    Vigo zuckte mit den Schultern. »Kassi wird es wissen.«

    »Gut.«

    Bill blätterte weiter durch seine Notizen und fügte gelegentlich etwas hinzu. Der Kohlestift war lautlos, er kratzte nicht wie die Federn, die sie üblicherweise benutzten.

    Er räusperte sich. »Zwei weitere unserer verbündeten Länder fragen an, ihre Begabten bei uns ausbilden zu lassen«, begann Bill. »Scheinbar hat unser Würdenträger dem zugestimmt.«

    Garven schluckte und legte die Stirn in Falten. »Wir haben nicht mehr viel Kapazitäten frei.«

    »Das habe ich ihm auch gesagt.« Bill legte sein Brillenglas auf die Mappe und rieb sich das Auge. »Jedenfalls ist eine Gruppe von zehn Jungen auf dem Weg zu uns, damit sie durch den Vortex geführt werden können.«

    Garven schwenkte den Becher Qhava, ein Gebräu aus gemahlenen Bohnen, welches der Süden hierher importierte, in der Hand.

    »Wann werden sie ankommen?«

    Bill kniff leicht die Augen zusammen. »Ich schätze in etwa vierzehn Tagen, plus minus ein paar Tage.«

    Die milden Frühjahrstage wurden langsam von den warmen Sommertagen abgelöst. In wenigen Wochen würden viele seiner Männer nach Hause kehren, um die Familie bei der ersten Ernte zu unterstützen.

    »Das bedeutet dann viele Nachtschichten«, stellte Vigo ernüchternd fest und stützte seinen Kopf auf seiner Hand ab.

    Darauf hatte keiner von ihnen Lust, selbst Bill nicht, der es liebte, die Begabten durch den Vortex zu führen und in die Geheimnisse der Magie einzuweihen.

    Sie unterhielten sich noch ein wenig über ihre Schüler und Kashan, der mehr Förderung brauchte und vor allem über Lencer, der seine Gefühle wenig im Zaum halten konnte und sich ständig Verbrennungen zuzog, weil er zu viel oder zu schnell die magischen Partikel absorbierte.

    Ein Bote betrat den Raum und steuerte zielsicher Garven an.

    »Seid gegrüßt, Heerak Abalain«, sagte er und hob die Hand zum Gruße.

    Der Bote öffnete eine Ledermappe und hielt sie Garven hin.

    »Eine Nachricht von Herzog Tueri.« Während er den Text überflog, kramte der Bote aus seinem Lederbündel ein Fässchen Tinte und öffnete den Lederband, indem die Schreibfeder ordentlich aufbewahrt wurde.

    »Der Herzog bittet um Gegenzeichnung.«

    »Seid gegrüßt, in dringender Angelegenheit bitte ich alle Heerführer nebst Euren ersten Offizieren nach der Abendgebetsstunde, sich im Saal der Krieger einzufinden.

    Herzog Levis Tueri.«

    Dankend nahm der Bote das unterzeichnete Pergament entgegen, verstaute die Utensilien in langjähriger Übung und verschwand so schnell, wie er gekommen war.

    »Der Herzog hat ein Treffen der Heerführer anberaumt.«

    »Und ich werde dich begleiten?«, fragte Bill und zog die Augenbrauen hoch.

    »Selbstverständlich.«

    »Dabei wollte ich mich eigentlich meinen Studien widmen«, sagte er und atmete schwer aus.

    Vigo lachte, der als Einziger den Abend frei hatte.

    »Während wir weg sind, Vigo, machst du bitte eine Aufstellung der Ausbilder, die uns in den ersten vier Wochen des langen Sommers zur Verfügung stehen. Wenn du damit fertig bist, kannst du gerne ins Freudenhaus gehen.«

    Vigos Miene wirkte theatralisch gespielt enttäuscht, dann zwinkerte er Garven zu. »Ich werde fertig sein, bevor du in der Ragdim ankommst. Ich kann Lina doch nicht warten lassen.«

    Dann ertönte der Glockenschlag, der den Nachmittag und gleichzeitig das Ende ihrer Pause verkündete.

    Auf dem Weg zur Ausbildungsstätte dachte Garven an Jilmas Information, sie hinterließ einen faden Geschmack in seinem Mund.

    Mit ihr kamen die Erinnerungen an schwere Eisenbeschläge und der Geruch von Fäulnis zurück.

    Als die Abenddämmerung hereinbrach, blickte er in den Wandspiegel und rückte seine Verdienstorden zurecht, bis er sich entschied, sie doch abzunehmen.

    »Bist du soweit?«, fragte Bill durch die geschlossene Tür.

    »Ja«, antworte Garven knapp und legte sich den schwarzen Reitermantel, mit den feinen, goldenen Stickereien, über.

    Garvens Haare wurden allmählich zu lang, einzelne, dunkelblonde Strähnen fielen ihm immer wieder ins Gesicht. Esther, ihre Küchenchefin, gefiel es, wenn er sie länger trug. Ihn störte es.

    Sie lächelte, als die beiden auf sie zugingen.

    »Meine Herrschaften«, begann sie. Ihre dunkelbraunen Haare, mit weißen Strähnen durchzogen, hatte sie zu einem Dutt gebunden. Feine Fältchen um Augen und Mund unterzeichneten ihre freundlichen Züge.

    »Die Pferde stehen bereit.«

    »Guten Abend, Esther«, sagten sie im Chor, nickten ihr zu und verließen ihr Heim.

    Als sie losritten, brach die Dunkelheit herein. Sie bogen auf die Hauptstraße, die sie am inneren Festungswall entlang bis zu den Toren führte.

    Die Straße war breit genug für etliche Transportkaravanen oder die schwere Reiterei in Formation.

    Bill und Garven lenkten ihre Pferde auf den Botenstreifen, der es ihnen erlaubte, auch in den Abendstunden schneller zu reiten.

    An diesem Abend herrschte weniges Treiben. Einzelne Händler kehrten von ihren Handelszügen zurück und die Söldner, die sie zum Schutz angeheuert hatten, sangen erheitert darüber, ihren Sold im Freudenhaus auf den Kopf zu hauen.

    Hinter den nachtfarbenen Mauern erhob sich die abgrundschwarze Festung drohend gen Himmel.

    Wenn die Sonne unterging, überzog ein blauer, sich wie Wellen bewegender Schatten den Wall und die Feste Ragdim. Es war ein überwältigender Anblick, an den man sich auch nach Jahren nicht satt sah.

    Bei Sonnenaufgang waberten karminrote Schatten über die sonst matte Oberfläche, manche Künstler hatten die Mauern als lebendig und mit eigenem Willen beschrieben.

    Um den Mythen Einhalt zu gebieten, ließ die Gelehrtenkammer verkünden, dass es Reflexionen waren, die in den Abendstunden von der untergehenden Sonne aufs Meer und von dort zurückgeworfen wurden. In Wahrheit, konnte keiner der Gelehrten sich dieses Phänomen erklären.

    Bill hatte anhand dieser Erklärung Tränen gelacht. Es war selten, ihn so inbrünstig lachen zu hören. Das Meer lag am anderen Ende des Landes. Selbst von den Türmen hatte er es zumindest nicht sehen können.

    Der Stein, der vor Jahrhunderten verarbeitet wurde, stammte aus dem Eisgebirge, das drohend hinter der Ragdim emporragte und dessen Ausläufer weit ins Meer hinausragten. Es gab kaum Verfall an ihr und wenn doch, konnten diese Schäden nicht repariert werden, da ihr hiesiges Werkzeug nicht genügend Stabilität aufwies und daran zerbrach.

    Die Ragdim war ein Mysterium, dass viele Weltenreisende und Schaulustige anlockte, um sie zu erforschen.

    Das Haupttor des Festungswalls war geöffnet, Fackeln beleuchteten die Passage. Die wachhabenden Soldaten nickten ihnen kurz zu. Im Schritt ritten sie an ihnen vorbei und steuerten das Hauptgebäude an. Vor ihnen baute sich das große Eingangstor auf. Auch hier standen wieder Soldaten. Auf dem Innenhof herrschte noch reges Treiben, Boten und Bedienstete eilten von einem Ort zum nächsten. Ein Handelswagen wurde entladen, während der Küchenchef seine Untergebenen dirigierte. Mehrere Leibwächter folgten ihren Adeligen in angemessenem Abstand.

    Kurz vor dem Eingangstor erwartete der Stalljunge sie bereits. Er grüßte sie knapp und nahm die Zügel ihrer Pferde.

    Sie eilten die Treppe empor. Die Festung selbst war verwinkelt, wenn man sich hier nicht auskannte, verlief man sich des Öfteren.

    Der Saal der Krieger, ein für Garven völlig veralteter Begriff, lag im fünften Stockwerk. Dieses stand nur den Führungskräften des Militärs zur Verfügung sowie Herzögen mit beratener Funktion und selbstverständlich dem Würdenträger.

    Um in den fünften Stock zu gelangen, mussten sie erst auf die andere Seite des Aufgangs.

    Auch hier hielten wieder Soldaten Wache, sie traten ein Stück zur Seite und gaben so symbolisch den Weg frei. Eine langweilige Aufgabe, die Garven in seiner Zeit als einfacher Soldat gehasst hatte. Die Zeit ging einfach nicht rum, es gab nichts zu sehen oder zu hören, unterhalten konnte man sich schlecht, sonst musste man gleich mit einer Dienstbeschwerde rechnen, während die Wachen an den Festungswallpassagen durchaus ihren Spaß hatten.

    Unzählige Gemälde glitten an ihnen vorüber, als sie den spärlich beleuchteten Gang folgten. Sie zeigten die größten Kriegshelden, die ihre Nation je hervorgebracht hatte. Die bedeutendsten Heerführer seit Beginn der Monarchie. Unter ihnen befand sich ein Paladin, der als unangefochtener Kriegsherr galt.

    Dieses Gemälde hatte viele inspiriert, auch Garven. Er hatte zwar eine andere Meinung über den Glauben und konnte Paladine nicht ausstehen, doch die Berichte über Rogan Dan weckten das Gefühl von Ehrfurcht in ihm.

    Am Ende des Ganges lag die schwere Eichentür, auf dessen Türblatt der große Krieg vor hundert Jahren eingraviert war.

    Statt mit Türklinken bestückt, zierten die zwei Flügeltüren stumpfe Schwerter, die als Griffe dienten. In ihren Schaft waren Juwelen aus dem weiten Norden eingelassen. Ein Juwel, für jedes ihrer drei verbündeten Länder.

    Drei Soldaten hielten Wache. Als sie Bill und Garven erkannten, begrüßten sie sie knapp und öffneten die rechte Tür.

    »Garven Abalain, Heerak des fünften Bataillons, sowie sein erster Offizier Bill Fontain sind eingetroffen.«

    Dann trat er zur Seite und ließ die beiden passieren.

    Ein Bote schenkte gerade Wein ein, er sah Garven fragend an. Mit einer Geste deutete Garven, ihm ebenfalls einzuschenken.

    Zwei Heerführer fehlten noch, auch Herzog Levis Tueri war noch nicht anwesend.

    Garven nahm neben Heerak Laurentius Gabris, Heerführer des vierten Bataillons, Platz.

    »Seid mir gegrüßt«, sagte Garven knapp.

    »Ihr mir ebenfalls«, antwortete dieser, ohne eine Miene zu verziehen. Eine tiefe Narbe zog sich von dessen Unterlippe bis zum Kinn, die sich hell von seiner sonnengebräunten Haut abhob. Seine Gesichtszüge waren die eines eisernen Mannes, der zu oft harte Entscheidungen getroffen hatte.

    An seiner Seite war er in den Krieg der Inselketten gezogen. Obwohl das Wissen um Magie streng gehütet wurde, waren die Heerführer und ersten Offiziere im Bilde, da eine Zusammenarbeit unabdinglich war. So war es, dass jeder Heerak, mit Ausnahme dem des ersten Bataillons, ein Magier war.

    Nicht lange nach dem Krieg wurde Garven der Posten des Heerführers angeboten. Heerak Gabris war es, der Garven vor zwei Jahren für die Stelle des Heeraks im fünften Bataillon vorschlug.

    »Kennt Ihr den Grund für unsere Zusammenkunft?«, flüsterte Gabris.

    »Nein, Ihr etwa?«

    Laurentius Gabris schüttelte leicht den Kopf. »Es kann nichts Gutes verheißen, wenn sie Euch miteinbeziehen«, antwortete er. In seiner Stimme klang ein seltsamer Unterton mit.

    In diesem Moment wurden beide Flügeltüren geöffnet.

    »Der hohe Gesandte der Tempelgemeinschaft, der Bote des Lichts, Würdenträger Rima Roho Athâha ist eingetroffen«, verkündete ein Soldat.

    Ihr Würdenträger, der Bote des Lichts, trat ein, gefolgt von zwei Paladinen. Wie sehr Garven ihre Anwesenheit verabscheute.

    Sie trugen stets ihre schwere Rüstung auf Hochglanz poliert. Man konnte meinen, dass goldene Ziselierungen auf ihr eingearbeitet waren, doch es waren Buchstaben, Zitate aus dem heiligen Buch des Sonnenvaters. Sie formten ihre Magie, anders als die Alchemisten, aus dem Rezitieren heiliger Tempelschriften, während Alchemisten erlernte Muster abriefen.

    Der Bote des Lichtes hielt kurz inne und betrachtete jeden eingehend, bevor er an der Stirnseite Platz nahm. Kurz darauf folgten Herzog Levis Tueri und die beiden Heerführer des ersten und siebten Bataillons sowie der An-Ben-Vâ Reiwen.

    Eine Feder kratzte über Pergament, als der Protokollschreiber eifrig alle Anwesenden erfasste.

    Zu Garvens Unglück saß dieser direkt hinter ihm. Dieses Geräusch machte ihn aus unerfindlichen Gründen aggressiv.

    Garven betrachtete Reiwen eingehend. Er war hoch gewachsen, hatte ein scharfkantiges Gesicht und relativ schmale Augen. Seine schwarzen Haare trug er stets zu einem Zopf gebunden. In seiner Heimat war es Tradition, die Haare lang zu tragen. Diese Mode hielt nun auch im eigenen Land Kilây Einzug, der sein Freund Bill nacheiferte.

    Reiwen war einer der Überlebenden im Krieg der Inselketten. Garvens Kameraden fanden ihn damals und brachten ihn schwer verletzt zu ihren Heilern. Als er gesundete, stellte Reiwen sich in den Dienst seiner Majestät. Die Erwählung eines An-Ben-Vâ lag über hundert Jahre zurück. Da der König keine Kinder hatte, würde Reiwen der nächste Thronfolger werden und das Bündnis mit dem Königreich Rengal gewahrt. Es war nicht leicht, einen würdigen Nachfahren zu finden, denn am Ende entschied die Ragdim selbst, wer in ihr herrschen durfte.

    Nur diesen würden sie erst in zwei Monden wieder zurückerwarten, wenn die Reise gut verlief. Sein Plan war, zum Mittsommerfest zurück zu sein. Bill hatte zu Hause gleich eine Berechnung der Reisedauer vorgenommen und war skeptisch, ob er es bis dahin zurückschaffen würde. Der königliche Berater Alfons Tueri war mit ihm gekommen und Herzog Levis Tueri, sein Sohn, übernahm derweil die Entscheidungsgewalt des Militärs und war zusätzlich für die Steuereintreibungen des südlichen Randbezirkes zuständig.

    Vigo hatte damals laut gelacht, erinnerte sich Garven zurück, denn viel zu tun hatte er nicht, was die militärischen Angelegenheiten betraf.

    Ihr Land zeichnete sich durch zwei Dinge besonders von anderen ab: In der Hafenstadt wurden die besten Schiffe ihres Kontinentes gebaut und Schiffsmänner ausgebildet sowie in Weirâg, ihrer Hauptstadt, die besten Streitkräfte ausgebildet. Strenge Hierarchien und gewissenhafte Aufgabenerfüllung führten zu einer guten Ausbildung der Soldaten. Ihr Land war, im Gegensatz zu den anderen, flächenmäßig klein und der Süden gebot über eine militärische Stärke, die ihre bei Weitem übertraf. Aber das machte nichts, denn sie führten nicht ständig Krieg mit anderen Ländern.

    Seit Garven denken konnte, hatte ihr Land keinen Krieg begonnen und nur ihre Verbündeten unterstützt. Garven war froh, dass sie einen König hatten, der nicht dem Größenwahn verfiel.

    Herzog Levis Tueri hatte gegenüber des Würdenträgers Platz genommen. Da es nun an ihm gewesen wäre, die Runde zu eröffnen, erhob er sich knapp und gab das Wort an den Herzog weiter.

    »Guten Abend, meine Herren«, begann er. »Ich halte es kurz. Wir erhielten Kunde, dass eine Räuberbande über die Ebene von Ashru zieht, Dörfer überfällt und brandschatzt.« Ein Raunen ging bei diesen Worten durch die Runde. Garven setzte sich weiter auf, obwohl er diese Information bereits von Jilmas erhalten hatte. Der Herzog sah Garven einen Augenblick lang an, bevor er fortfuhr.

    »Die letzte Nachricht erhielten wir aus einem Dorf, nahe am Nebelwald. Wir haben eine Liste mit den Orten der Überfälle angefertigt und sind zu dem Schluss gekommen, dass sich ihre Route Richtung Silayn und zum Bol-Massiv zieht.«

    »Unserem König entgegen«, stellte Gabris fest.

    Der Herzog nickte. »Das ist unsere Befürchtung.«

    »Wie viele Dörfer wurden überfallen?«, fragte Foma Gain, erster Offizier Gabris.

    »Derzeit sind uns acht bekannt.«

    »Jedes Einzelne ist eines zu viel!«, Beda Baumeister, Heerak des dritten Bataillons, schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ist ihre Nationalität bekannt?«

    Der Herzog schüttelte den Kopf.

    »Es gibt keine Zeugen, die befragt werden können und die Dörfer wurden komplett niedergebrannt.« Er sagte es in einer Ruhe, wie es für diese Nachricht unpassend, für seine Stellung aber nicht minder falsch war. Dennoch zog sich ein unangenehmer Druck durch Garvens Magengegend. Lennard Foss, Heerak des zweiten Bataillons, ergriff das Wort.

    »Es klingt nach den Geschehnissen, die bereits vor zehn Jahren das Land erschüttert haben.«

    Der Herzog nickte. »Aus diesem Grund«, er hielt einen Moment inne und blickte zu dem Boten des Lichtes, »hat die Tempelgemeinschaft entschieden, die Geschehnisse von den Paladinen untersuchen zu lassen.«

    Stille durchzog den Raum, in Garven keimte die Wut. Er behielt seine steinerne Miene, doch Zorn erfasste ihn.

    Wieso sie, warum schickt er nicht uns, warum nicht unsere Einheit? Levis hatte ihm damals versprochen, ihn über alle Aktivitäten, die auf den Namenlosen schlossen, einzubeziehen.

    »Ebenso werdet ihr Einheiten aus dem zweiten und vierten Bataillon entlang der Handelsroute nach Silayn, bis über die Grenze zum Bol-Massiv entsenden und dort verharren, bis unser König zurückkehrt. Solltet ihr dort von weiteren Überfällen erfahren, reitet ihr die südliche Handelsroute weiter, unserem König entgegen.«

    Gabris ergriff das Wort. »Der König wird erst in zwei Monden zurückerwartet. Sollen wir des Weiteren Schutzmaßnahmen für die Dörfer dort treffen?«

    Kaum merklich kniff Levis die Augen zusammen. »Wenn es euch beliebt«, antwortete er knapp. Seine Stimme hatte einen scharfen Unterton.

    »Eure Einheit, Heerak Gabris, wird sich in Silayn lösen und zwischen Passvora und Midnok patrouillieren, bis ihr weitere Instruktionen unseres Würdenträgers erhaltet.«

    Gabris war eine mögliche Zusammenarbeit mit den Paladinen ebenso unangenehm, wie es bei Garven der Fall wäre.

    Er blickte neben sich, Bill wirkte höchst konzentriert. Sein Augenglas war abgelegt, seine Stirn lag in tiefen Falten.

    Der Herzog verteilte die Aufgaben in aller Kürze, aufkeimende Diskussionen unterband er sofort. Keiner der Anwesenden war begeistert, dass alle wichtigen Entscheidungen im Vorfeld mit dem Boten des Lichts getroffen worden waren, sie aber keinesfalls miteinbezogen wurden.

    Ebenso untersagte der Herzog, eine Sperre der Feiertage für ihre Einheiten zu erheben, in denen die Soldaten ihren Familien bei der Landwirtschaft halfen.

    »Wir sollten unsere gesamte Streitmacht nicht für ein paar Banditen aufrufen. Es wäre lächerlich«, beendete er seinen Satz.

    Wie konnte er in dieser Situation nur so närrisch sein?

    Unwillkürlich fasste er an sein Handgelenk und rieb über die

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