Altmärkische Volkssagen
Von J. D. H. Temme
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Buchvorschau
Altmärkische Volkssagen - J. D. H. Temme
Inhalt.
I. Altmärkische Sagen.
Das Haus des Kaisers zu Stendal.
Erbauung des Doms zu Stendal.
Die Rolandssäulen.
Der verschwundene Tambour.
Die gottesschänderischen Juden.
Das wunderbare Feuer zu Stendal.
Der Kinderesser zu Stendal.
Der Betrug um die Leichengebühren.
Die betenden Straßenräuber.
Die alte Glocke in Koblake.
Das steinerne Kreuz bei Großen-Möhringen.
Das Marienbild zu Schleuß.
Die Pferdetrappe bei Darnstedt.
Der Teufel und der Schreiber zu Klein-Schwechten.
Die rote Erde bei Dentz.
Der Teufelsstein zu Ostheeren.
Die Wahrzeichen an der Stephanskirche zu Tangermünde.
Die Jungfrau Lorenz.
Die Papenkühle bei Bellingen.
Der geigende Pfarrer.
Das Büchelchen.
Das Gespenst zu Schorstett.
Die Belagerung von Rogätz.
Die alte und die neue Stadt Gardelegen.
Die Sankt Georgen-Kapelle vor Gardelegen.
Die Wette um das Tor zu Gardelegen.
Das Wams des Geräderten.
Die Isern-Schnibbe bei Gardelegen.
Der Selische See.
Die goldene Laus bei Bismark.
Die Totenglocke zu Kalbe.
Die Stadt Salzwedel.
Das Stadtholz bei Salzwedel.
Klaus Ule.
Der bestrafte Meineidige.
Der Elternmörder in Salzwedel.
Die wüste Kirche zu Danne.
Der Mittelpunkt der Welt
Die großen Steine bei Ballerstedt.
Die gestohlene Glocke in Ristedt.
Tetzels Ablaßkasten in Flechtingen.
Die beste Religion.
Das Unwetter in Groß-Gerstädt.
Der bestrafte Sabbatschänder zu Bombeck.
Hakkeberg.
Die bestraften Räuber.
Der Lehnekenberg bei Dahrendorf.
Der Lehnekenstein bei Bonese.
Die Spinnerin im Mond.
Die kluge Nonne zu Arendsee.
Der Name Arendsee.
Der Arendsee.
Der Mehlberg am Arendsee.
Der gekeilte Dieb.
Der Inspektor Krusemark zu Seehausen.
Die Hand auf dem Grab.
Der Kaiserbesuch in Osterburg.
Die Feuersbrunst in Osterburg.
Die rote Erde bei Krumke.
Der letzte Pfarrer in Krumke.
Das Kloster Krevese.
Die beiden Frauen zu Aulosen.
Der Werwolf in Hindenburg.
Der Kobold in Lichterfeld.
Der Münchensee bei Osterholz.
Gott läßt sich nicht spotten.
Die zwei Todesengel.
Die Tempelherren-Schlösser.
Der neue Adel in der Altmark.
Der Name Jagow.
Der Name Schulenburg.
Der Name Gans von Putlitz.
Der wunderbare Ring in der Familie von Alvensleben.
Der alte Ziethen.
II. Abergläubische Meiinungen u. Gebräuche i. d. Alttmark.
III. Sagen aus den übrigen Marken.
Ursprung der Geschlechter Habsburg, Zollern etc.
Die wunderbarste Sage von Berlin
Die Zauberinnen in Berlin.
Die Bildsäule des Kurfürsten von Sachsen in Berlin
Die gespenstischen Mäher bei Berlin.
Das Unwetter und Kurfürst Joachim I.
Gesichter der Kurfürsten Joachim I. und II.
Joachim von Schapelow
Der Müggelberg bei Köpenick
Das Grab bei Rheinsberg.
Der Stein bei Stolzenhagen
Die sieben Steine bei Morin.
Der Adamstanz bei Wirchow.
Die alte Stadt im Blumental.
Der Markgrafenberg bei Rathenau.
Das Wunderblut zu Belitz.
Das Wunderblut zu Zehdenick.
Das Wunderblut zu Wilsnack.
Das wunderbare Gesicht zu Prenzlau.
Die geharnischten Männer zu Küstrin.
Der Bärenskirchhof in Grimnitz.
Das vermauerte Tor zu Gransee.
Die Strohbrücke bei Himmelpforten.
Der schwarze Mönch zu Ueckermünde.
Die Kapelle des h. Kreuzes bei Perleberg.
Der große Stein bei Reetz.
Das fluchende Weib.
Die Mißgeburt zu Jütkendorf
Die Zaubersäcke zu Küstrin.
Die stillen Frösche zu Schwante.
Die Ratten in Neustadt-Eberswalde.
Die Schlangen von Prenzlau.
Die Schlangen zu Bernau.
Das Bernauische Bier.
Die Wundereiche bei Wittstock.
Der bestrafte Sabbatschänder.
Der Name Pritzwalk.
Das blutende Hirschhorn.
Die Blutkammer zu Wilsnack.
Das Fräulein bei Wittenberge.
Der Hildebrand bei Wittenberge.
Der Blutregen in Großmantel.
Historie v. d. Magd zu Frankfurt a. d. O., so Geld gegessen.
Die Magd und die Männlein zu Help.
IV. Sagen aus dem Magdeburgischen.
Die Wiedererbauung Magdeburgs.
Das Kaiserbildnis im Dom zu Magdeburg.
Der Schäfer am Dom zu Magdeburg.
Der schwörende Mönch.
Die gefesselten Männer am Dom zu Magdeburg.
Die frommen Hunde in Magdeburg.
Kriegeszeichen.
Der gefangene Jude zu Magdeburg.
Die heiligen Leichnams-Kapelle zu Magdeburg.
Das Gespenst auf dem Tye in Magdeburg.
Bestrafte Tanzlust.
Die Kardinalsbirne.
Der Erzbischof Ernestus zu Magdeburg.
Der Warner vor der Schlacht, u. d. Magdeburger Taufe.
Das blutige Brot.
Die Metze und die Magd.
Der Totengräber in Magdeburg.
Wolmirstett.
Der heilige See bei Neuhoff.
Vorwort.
Die Altmark besteht gegenwärtig aus den vier Landrätlichen Kreisen Stendal, Gardelegen, Salzwedel und Osterburg; außerdem gehören einzelne Teile der Kreise Wolmirstedt und Neuhaldensleben dazu. Sie bildet einen Teil des Regierungsbezirks Magdeburg und der Provinz Sachsen. Sie war früher, bis zu ihrer Einverleibung mit dem ehemaligen Königreich Westfalen, eine für sich selbst bestehende, abgeschlossene Provinz des Preußischen Staats, mit selbständiger Verfassung, mit einem eigenen Obergericht, das in ihrer damaligen Hauptstadt Stendal seinen Sitz hatte, usw.
Diese Selbständigkeit hat manche Eigentümlichkeit in Charakter, Sitten, Kleidung und Leben der Altmärker aufrechterhalten, zu welcher vielleicht die Umstände, daß ein großer Teil der Altmark früher von den Wenden bewohnt war, daß unter Albrecht dem Bären ein ebenso eigentümliches Volk, die Niederländer, in die Mark, namentlich in die Wische, gerufen wurden, so wie, daß die Altmark die langjährige Residenz nicht nur der brandenburgischen Markgrafen, sondern selbst mehrerer Deutschen Kaiser war, den ersten Grund gelegt haben mögen. Soviel ist gewiß, man erkennt einen Altmärker, besonders einen Altmärker vom Land, leicht und auf den ersten Blick. Alle Generalisierung und Uniformierung der neueren Zivilisation, alle politische Verschmelzung mit anderen Stämmen und Regierungen hat seine Besonderheiten, seinen spezifischen Nationaltypus nicht zu verwischen vermocht. Ist er auch ein Preuße, ist er auch ein Märker, so ist er doch ein Altmärker, und von der Altmark geht der erste Ruhm und Glanz der brandenburgischen Marken und des preußischen Thrones aus.
Die Eigentümlichkeit des Altmärkers findet sich wieder in seinen Sagen. Ist daher die Sammlung des Sagenschatzes eines Volkes, dieser nationalsten Volkspoesie, dieses Spiegels seiner ganzen Denk- und Gefühlsart, seiner Geschichte, seines Lebens, überhaupt etwas Interessantes, mag man sie als Gegenstand müßiger Unterhaltung, oder als Hilfsmittel zum Studium der Völker und ihrer Geschichte betrachten, so erschien mir eine Sammlung der Volkssagen der Altmark doppelt interessant. Sie muß ein bedeutsamer Beitrag zu einer Sagensammlung unseres gesamten deutschen Vaterlandes sein. Für die deutsche Sage geschieht in der neueren Zeit wieder viel. Das muß in kurzem zu einem höchst interessanten Resultat führen. Ist sie nämlich aus allen Gauen Deutschlands gesammelt, so muß sie einen Blick in die Verschiedenheiten der Stämme und Gegenden, der Sitten, Gebräuche und Lebensweise, der Wirkungen der Verfassung, der politischen und religiösen Institutionen werfen, der für den beobachtenden Vaterlandsfreund von der entschiedensten Bedeutung ist. Die Sagen der Altmark werden dann nicht unbeachtet da stehen. Man wird ihren allgemeinen deutschen Ursprung und Charakter, man wird aber auch ihre besondere Bildung und Richtung anerkennen.
Die Altmark ist flach und eben. Im Gebirge soll die Sage besser gedeihen, als in der Ebene. Bei der Altmark bewährt sich das nicht. Sie ist reich an Sagen, besonders auf dem Land. Der gemütliche und gemütlich beschauende Charakter des Volkes, das zu langwierigen und mühsamen Anstrengungen des Geistes sich nicht hinneigt, hat hier an jeden Gegenstand seines Lebens und seiner Geschichte irgendeine übernatürliche, poetische Bedeutung geknüpft.
Der Reichtum des Altmärkischen Sagenschatzes ist nicht nach der vorliegenden Sammlung zu beurteilen. Einmal verschwindet überall die Sage mehr aus dem Volk, je mehr sie in die Bücherwelt übergeht. Sodann lebt in der Altmark die Sage mehr auf dem Land als in den Städten, und man muß bei der Verschlossenheit des Landvolks zu diesem schon in ganz besonderen und vertrauten Beziehungen stehen, um es mitteilsam für seine Sagen zu machen, die es gern für sich allein behält, so wie der Mensch überhaupt das nicht gern weggibt, was er, zumal in schöneren Stunden, selbst geschaffen hat, und was ihm eben darum um desto lieberes Eigentum geworden ist. Hat doch das Volk die Sage aus sich heraus produziert; wer will es ihm verdenken, wenn es sie nur für sich behalten will. Ich habe zwei Jahre mitten in der Altmark gelebt, und ich habe mir während dieser ganzen Zeit sehr viele Mühe gegeben, altmärkische Sagen zu sammeln; nur das hier Mitgeteilte ist meine ganze Ausbeute geworden. Von diesem ist mir das wenigste unmittelbar aus dem Mund des Volks zugekommen. Das meiste ist aus Chroniken geschöpft, deren die Altmark viele hat. Von den übrigen verdanke ich vieles Männern, die eine Reihe von Jahren lang unmittelbar unter dem Volk gelebt haben, von denen ich hier dankbar des um das Volksleben der Altmark in vielfacher Hinsicht verdienten Pfarrers Pohlmann in Grieben erwähne. Eine Wiederauflebung der altmärkischen Sage steht durch den im Jahre 1830 zu Salzwedel gegründeten „Altmärkischen Verein für Geschichte und Industrie" bevor, der sich viele Mühe gibt, die Geheimnisse und Eigentümlichkeiten des Volkslebens und Volkscharakters in allen seinen verschiedenen Richtungen zu erforschen und festzustellen. Durch die Güte des verdienstvollen Professors Danneil zu Salzwedel ist mir die Einsicht der Akten des Vereins gestattet, wofür ich hier öffentlich meinen Dank auszusprechen mich verpflichtet fühle.
Über meine Grundsätze bei der Auswahl der mitgeteilten Sagen kann ich hier nur weniges sagen. Es sind dieselben, die den Landrat von Tettau und mich bei Herausgabe der „Volkssagen Ostpreußens, Litauens und Westpreußens" (Berlin 1837) geleitet und die wir dort in der Einleitung niedergelegt haben. Ich darf mich im ganzen darauf beziehen. So wie wir dort von der Ansicht ausgingen, nur solche Sagen aufzunehmen, die aus dem Volk hervorgegangen oder sein Eigentum geworden, nicht aber demselben von außen her aufgedrängt und ihm immer fremd geblieben waren, so habe ich auch hier nur eben solche Sagen mitgeteilt, und bei denen, die ich aus Chroniken schöpfte, aus ihrer Quelle und Beschaffenheit sorgfältig erwogen, ob sie für echte Volkspoesie oder aber für fremdartiges Machwerk zu halten seien. Dies hat bei einiger Mühe und Aufmerksamkeit, bei Vergleichung der einzelnen Sage mit dem Gesamtcharakter der übrigen Sagen des Volkes und mit dem Leben und Charakter des letzteren, keine großen Schwierigkeiten. In derselben Weise, wie bei jener Sammlung, habe ich es mir auch hier zur strengsten Pflicht gemacht, die aufgenommenen Sagen nur geradeso wiederzugeben, wie sie im Mund des Volkes leben oder früher gelebt haben, ohne alle eigene Zutat, ohne alle Ausschmückung. Mag auch manche er mitgeteilten Sagen ebensosehr einer Pointe entbehren, als ihr durch eine geringe Nachhilfe eine bessere, eine poetischere Gestaltung und Vollendung zu geben gewesen wäre, ich habe solche Mittel auf das strengste verschmähen zu müssen geglaubt, den Hauptzweck meiner Arbeit festhaltend: nur die Schöpfungen und die Poesie des Volkes zu geben.
Aus demselben Grund habe ich mich denn auch hier ganz der einfachen, prunklosen Darstellungsweise befleißigt, in der jene preußischen Sagen vorgetragen sind, und die mir einer einfachen Volkssage allein angemessen zu sein scheint. Wo die Chronik nicht, was öfter ihr Fehler ist, zu weitläufig wurde, habe ich ihr meistenteils fast wörtlich nacherzählt. Wo ich nicht aus der Chronik schöpfte, und ich also mehr selbstbildend hinsichtlich der Form auftreten mußte, erschien mir die einfachste und kürzeste Erzählungsweise die beste. Ich halte es für keinen geringen Fehler in vielen der neuesten Sammlungen von Volkssagen, daß sie in einem überladenen, sentimentalen, modern-novellenartigen Stil vorgetragen werden. Sie erhalten dadurch das unangenehme Ansehen formloser Gestalten. Sie sind nicht mehr eine Sage des Volks; sie sind noch weniger in den gebildeteren Kreisen als Eigentum einheimisch. Dort stößt sie die Form zurück, hier die Materie, der Inhalt. Sie passen nirgends recht hin.
Bei der Anordnung habe ich zum großen Teil von der in den preußischen Sagen beobachteten Form abweichen müssen. Dort wurde die Ordnung hauptsächlich mit durch die Rücksicht auf die Geschichte des Landes bedingt, so daß eine große Menge von Sagen, als einer bestimmten Geschichtsperiode angehörend und sich auf dieselbe beziehend, zusammengestellt werden mußten, und nur die übrigen nach der verschiedenen Örtlichkeit oder Verwandtschaft ihres Inhalts geordnet werden konnten. Eine solche Rücksicht fällt hier fort, und ich habe es daher vorziehen zu müssen geglaubt, die Sagen hauptsächlich nach der Örtlichkeit, für jede Örtlichkeit sodann aber chronologisch zu ordnen. Hiervon habe ich nur zuweilen eine Ausnahme gemacht, namentlich