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Die Heidin: Alpbachtaler Sagenbuch
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eBook334 Seiten3 Stunden

Die Heidin: Alpbachtaler Sagenbuch

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Über dieses E-Book

Bereits 1966 gab Berta Margreiter im zweiten Teil des Heimatbuches von Reith bei Brixlegg 41 Sagen aus Reith und Umgebung heraus (Schlern-Schriften 186/II). Dieser Band ist vergriffen, die Herausgeberin sammelte weiter, sodass die vorliegende Neuauflage nunmehr das gesamte Alpbachtal umfasst und der Sagenbestand um mehr als das Doppelte angestiegen ist. Die Quellenangaben weisen eine Vielzahl von Geschichten als mündliche, bislang schriftlich nicht fixierte Überlieferung aus. Eine übersichtliche Gliederung ermöglicht dem Leser die Wahl zwischen Glockensagen, Schatzsagen, Berg- und Almsagen, Erzählungen über Feen, Zwerge, Hexen, Riesen, Teufel und Hausgeister, von geheimnisvollen Kräften, von Schuld und Sühne, von der Weihnachtszeit, aus der Pestzeit und rund um Schloss Matzen.
SpracheDeutsch
Erscheinungsdatum31. Mai 2016
ISBN9783703009143
Die Heidin: Alpbachtaler Sagenbuch

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    Buchvorschau

    Die Heidin - Berta Margreiter

    Verfasserin

    Die Heidin

    Eine Wetterglocke aus Alpbach

    Früher gab es in ganz Tirol die sogenannten „Wetterglocken. Ihnen schrieb man eine besondere Abwehrkraft gegen die gefürchteten Sommergewitter zu, die oft viel Schaden anrichteten. Diesen Glocken gab man häufig die Namen von Tieren. Tief gestimmte und mächtige bezeichnete man als „Stiere oder „Kühe, kleinere und heller klingende als „Hunde, „Katzen, „Geißen und dergleichen. So gab es im Unterland das „Salvenhündl bei Hopfgarten, die „ltterer Katz, den „Brixner Stier", aber auch die bekannten Wetterglocken in der Radfelder Gegend.

    Ein alter Spruch lautet:

    Wenn’s Wieshündl bellt

    und’s Krauthaferl schellt,

    wenn die Feldhock nid mag,

    kimmb koa Riesl und koa Schlag.

    Mit dem „Wieshündl war die Glocke im Turm der Kirche St. Leonhard auf der Wiese gemeint, als „Krauthaferl galt die Wetterglocke in Radfeld, und als „Feldhock" bezeichnete man die Muttergottes in der Auflegerkapelle an der Straße von Rattenberg nach Kundl.

    Von allen diesen Glocken unterschied sich, schon dem Namen nach, die „Heidin von Alpbach, volkstümlich „Hoadin genannt. Sie wird heute noch geläutet, wenn sich über den Bergen ein Gewitter ankündigt. Die Glocke ist von einfacher Gußform, von der einstigen Inschrift sind nur noch wenige Buchstaben auszunehmen. Dem Vernehmen nach handelt es sich dabei um solche nach dem alt-germanischen Alphabet.

    Über die Herkunft der bekannten Wetterglocke versucht die Sage in drei Versionen aufzuklären:

    Die Glocke am Thierberg

    Knapp zehn Minuten von der heutigen Alpbacher Pfarrkirche entfernt liegt der Weiler „Dorf". Am Südrand dieses Weilers rauscht der Dorfer Bach, der in vergangener Zeit unermeßlichen Schaden anrichtete. Nunmehr ist er gut verbaut. Weiter droben erhebt sich der Thierberg, ein Kalksteingeschröf, das mit Lärchen, Föhren, Fichten und dichtem Gestrüpp bewachsen ist. Da und dort fristen Waldbuchen ein kümmerliches Dasein.

    Hier – auf dem Thierberg – stand in alten Zeiten eine Zwingburg. Von ihr ist heute weit und breit nichts mehr zu sehen. Nur Eingeweihte wissen noch den tiefen Graben unweit der Thierberghöfe zu deuten und ahnen vielleicht auch den Grund, warum gerade hier eine kleine Kapelle erbaut wurde, die heute noch Vorübergehende zu kurzer Rast und frommer Einkehr laden will.

    Der Besitzer der Zwingburg war ein grausamer Heide. Er bedrückte die umwohnenden Bauern mit harter Fronarbeit und forderte von ihnen viele Abgaben. Besonders haßte er seine christlichen Untertanen, sie waren am meisten seiner Willkür ausgeliefert.

    In dem Turm der Burg hing eine Glocke. Wenn sie ertönte, mußten die Bauern sofort ihre eigene Arbeit im Stich lassen, um dem Herrn da droben dienstbar zu sein. Harte Strafe drohte denjenigen, die sich verspäteten oder gar den Ruf der Glocke mißachteten.

    Es war die Zeit, da in unseren Tälern das Christentum Einzug hielt. Auch in Alpbach versammelten sich die Neubekehrten des öfteren zu gemeinsamen Andachten, obwohl sie wußten, daß der Ritter auf der Zwingburg gottlos lebte und keine christliche Gemeinschaft dulden wollte. Um seinem Argwohn zu entgehen, wählten sie entlegene Hütten, um dort ungehindert beten und feiern zu können.

    Der Burgherr jedoch hatte seine Spione. Diese meldeten ihm sofort, was ihnen verdächtig erschien.

    So geschah es immer öfter, daß die Glocke gerade zu den Andachten der Christen ertönte und alles aufschreckte. Da aber – wie schon erwähnt – diese Zusammenkünfte meist außerhalb des Dorfes stattfanden, war es für die Teilnehmer fast unmöglich, zeitgerecht auf der Burg einzutreffen. Dafür hatten sie dann schwer zu büßen.

    Wieder einmal fanden sich die Gläubigen in einem einsam gelegenen Bauernhof zusammen. Plötzlich ertönte der helle Klang der Thierberger Glocke. Auch diesmal hatte ein Späher die frommen Beter verraten. Diese eilten schnell zur Burg hinauf, doch vor dem Tor stand schon der Heide mit etlichen seiner Knechte. Nach einem kurzen Verhör befahl er ihnen, die Christen bis aufs Blut auszupeitschen.

    Kaum aber hatten sie mit ihrem unseligen Werk begonnen, da zog sich über dem Thierberg ein schreckliches Gewitter zusammen. Aus dem hellen Tag wurde stock-dunkle Nacht. Blitze zischten, Donner grollten. Der Regen strömte hernieder, als hätte der Himmel all seine Schleusen geöffnet. Es heulte, stürmte, die Erde erbebte. Und Hagelkörner schossen aus den Wolken, die waren groß wie Hühnereier.

    Die Menschen waren außer sich. Sie schrien, jammerten, weinten.

    Nach Stunden erst legte sich das Unwetter. Am Thierberg droben war alles verwüstet. In die Burg hatte mehrfach der Blitz eingeschlagen. Überall brachen Feuerzungen hervor und lohten gleich riesigen Fackeln in die sternlose Nacht.

    Von der Burg blieb nur mehr ein Schutthaufen übrig.

    Im Wald lagen Bäume entwurzelt, viele schöne Stämme waren geknickt und nur mehr als Brennholz verwendbar. Der Dorfer Bach, unfähig, die anströmenden Fluten zu bergen, sprang aus seinem Bett und warf sein Übermaß in die angrenzenden Wiesen und Äcker. Sand, Steine und Treibholz bedeckten das vormals blühende Land. Die Hagelkörner hatten die ganze Ernte vernichtet.

    Droben am Thierberg aber standen die Christen, die auf Befehl des Heiden gezüchtigt werden sollten. Sie allein blieben im Umkreis der Burg unversehrt. Laut priesen sie Gott, und so schritten sie den Abhang des Thierberges hinunter.

    Nun waren sie von ihrem Peiniger befreit. Er lag entseelt unter Schutt und Asche, war elend zugrundegegangen wie auch seine Knechte.

    Die dankbaren Christen aber machten sich ans Werk. Sie erbauten ein Kirchlein an der Stelle, wo heute die Pfarrkirche zum heiligen Oswald steht.

    Die Sage aber weiß noch mehr:

    Nach Jahrhunderten ging wieder einmal ein heftiges Unwetter über den Thierberg nieder. Und wieder schwoll der Dorfer Bach zum reißenden Ungeheuer an. Wieder überschüttete er die Ufer mit Sand, Lehm und Geröll.

    Doch bald zeigte sich der Wildbach wieder zahm. Langsam zog er sich in sein Bett zurück, floß klar und glucksend, als hätte es die bösen Tage nie gegeben. Die Bauern, die mit dem Aufräumen beschäftigt waren, machten jedoch eine eigenartige Entdekkung:

    Aus dem Schlamm hervor glänzte der Helm einer Glocke, es war jene, die im Turm der Zwingburg die Männer zum Frondienst gerufen hatte!

    Nun gewann sie andere Bedeutung. Man grub sie aus, brachte sie in die neue Kirche, weihte sie und gab ihr einen Namen. Die Heidin!

    Und seither hängt sie in schöner Gemeinschaft mit allen anderen Glocken im Turm, ruft zu Gebet und Andacht, unbeschadet ihrer unruhvollen Vergangenheit.

    Und was lag näher, als gerade sie zur Wetterglocke zu bestimmen, sie, die alle Unwetter so gut überstanden hatte? Was wüßte sie nicht alles zu erzählen – von uralter Zeit, von Willkür und Gefahren, von ungerechtem und bösem Wollen!

    Als Wetterglocke bewies sie ihre Stärke. Bald hatte sie den Ruf, weitaus die beste in der ganzen Talschaft zu sein.

    Die streitbaren Brüder

    Zu einer Zeit, als noch viele Heiden das Tal bewohnten, stand auf dem Vorsprung des Thierberges eine stattliche Ritterburg. Die Besitzer betrieben einen ergiebigen Bergbau, nebenbei aber frönten sie dem Räuberunwesen. So wurden sie allmählich reich und begütert, in den unterirdischen Gewölben häuften sich zahllose Schätze.

    Zuletzt bewohnten zwei Brüder diese Burg. Sie lebten jedoch in Zwietracht miteinander, deshalb wollten sie sich trennen. Einer sollte den Besitz übernehmen, der andere mit Geld und anderen Werten abgefertigt werden.

    Aber auch hier gerieten sie in Streit. Der scheidende Bruder sah sich übervorteilt, er bildete es sich zumindest ein; immerhin war sein Erbe ganz beträchtlich. Diesen Schatz vergrub er auf dem „Hösl", einem bekannten Übergang zwischen Alpbach und Wildschönau.

    Ja, da hatte er das Seine wohl in Sicherheit gebracht, die Zweifel aber ließen ihn nicht los. Hatte sein Bruder ihn betrogen?

    Düstere Rachegedanken umschwelten ihn. Und in einer Nacht, als alle schliefen, da setzte er die Burg in Brand.

    Schnell griff das Feuer um sich. Nichts konnte gerettet werden. Alle Menschen in dem weitläufigen Gebäude kamen elend um.

    Der Ritter aber, der das unselige Werk auf dem Gewissen hatte, hockte während der ganzen Zeit auf einem Felsvorsprung und sah unbarmherzig zu. Das Schreien der gequälten Menschen ging unter im Brechen der Balken, im Prasseln der blindwütigen Feuersbrunst.

    Ein Funkenregen nach dem anderen ergoß sich in den nachtschwarzen Himmel, glühende Geschosse flogen ins Weite. Und eines davon traf den Übeltäter am Kopf. Dies war die Vergeltung. Besinnungslos stürzte der Ritter den Abhang hinunter. Auf einer ebenen Fläche blieb er liegen.

    Er war tot. Tot wie sein Bruder und alle, die ahnungslos in der Burg geschlafen hatten. Jene verbrannt, zu unkenntlichen Resten verkohlt, dieser hier eine Beute hung-riger Vögel. Der leblose Körper lockte die Aasgeier in Massen an, sie rissen ihre Schnäbel in den noch warmen Leichnam, und tagelang umkreisten sie das einsame Lager unter dem Thierberg.

    Die Seele aber fand noch lange keine Ruhe. Als Geist war der Ritter aufs Hösl hinauf gebannt, dort mußte er seine vergrabenen Schätze hüten.

    Er fand erst seinen Frieden, als man nach Jahren an dieser Stelle eine kleine Kapelle erbaute.

    Wie aber kam es zur Heidenglocke?

    Als das Schloß niederbrannte, da schmolzen auch die reichen Schätze in den Gewölben. Diese flossen den Felsen hinab und erstarrten drunten zu einer festen Rinde.

    Man fand sie später auf und verwendete sie, um für die neuerbaute Kirche in Alpbach eine Glocke zu gießen. So entstand die Heidenglocke.

    Seit Jahrhunderten, bis heute, ist sie allen wohlvertraut: als Wetter- und als Sterbeglocke.

    Die Felsengrotte am Thierberg

    Die dritte Fassung der Glockensage, mit der sich Ritter von Alpenburg in seinen „Österreichischen Alpensagen" aus dem Jahre 1860 befaßte, stimmt mit den beiden anderen überein, daß sie tatsächlich URALT sein soll.

    Demnach hat sie schon geklungen, als sich die ersten Christengemeinden bildeten, sehr zum Ärgernis der vielen Heiden, die noch in diesem Gebiet hausten, „vornehmlich in den felsigen Klüften des Thierberges".

    Aber diesmal heißt es, sie hätte die Bekehrten zu den Versammlungen gerufen, keine Rede ist von einem grausamen Burgherrn, nichts von Unwetter, Blitzschlag und dergleichen. Keine Brandstiftung ist erwähnt, kein logischer Ablauf von Schuld und Sühne! Finsternis legt sich um das Geschehen, und eine lange Zeitspanne wird einfach übersprungen. Nur ein märchenhafter Nachklang ist geblieben:

    Es stieg einmal ein Hüterbub am Thierberg herum, hüpfte von einem Geschröf zum andern, da härte er plötzlich ein helles Klingen. Es erinnerte an Glockengeläute und schien ihm seltsam vertraut. Der Bub ging dem Schall nach und war noch gar nicht weit gekommen, da stand er vor einer Felsengrotte, die er noch nie gesehen hatte. Es hingen drei Glocken darin!

    Der Hüterbub überwand seine Bedenken, ging mutig hinein und wälzte mit vieler Mühe und Anstrengung die kleinste dieser Glocken vor den Eingang hinaus. Nun aber war es mit seiner Kraft zu Ende, er mußte aufgeben. Doch schnell lief er ins Dorf hinunter, um Hilfe zu holen. Wie er den Leuten von seinem Fund erzählte, waren sie sehr erstaunt, und sofort stieg eine ganze Schar mit ihm zum Thierberg hinauf. Wie sie aber droben ankamen, da zeigte sich die Felswand glatt und unzugänglich wie eh und je. Von einer Grotte war nichts zu sehen, und nur die eine Glocke, die der Bub herausgewälzt hatte, lag noch davor. Die beiden anderen waren verschwunden.

    Indes freuten sich die Leute auch über diese eine Glocke, schafften sie hinunter in die Kirche und hängten sie in den Turm. Und weil sie allem Anschein nach aus der Heidenzeit stammte, nannte man sie dementsprechend „Heidin".

    Diese Glocke gewann im Lauf der Zeit gar hohes Ansehen. Sie zeigte sich wirksam im Abwehren der Gewitter, die man großteils dem Walten der bösen Hexen zuschrieb. So heißt es, daß ein Alpbacher Vikar einmal zum Mesner sagte:

    „Tritt mit deinem rechten Fuß auf den meinen und schau dabei zum Kirchturm hinauf!"

    Der Mesner gehorchte und sah zu seinem Entsetzen, wie eine Hexe mit fliegenden Haaren sich schrecklich abmühte, den Klöppel der Heidin aufzuhalten, um so den Anschlag zu verhindern. Aber sie brachte die Glocke nicht zum Schweigen, es gelang ihr nicht.

    Früher einmal war es in Alpbach Brauch, daß bei Gewittern der Geistliche mit der Monstranz aus der Kirche ging und vom Friedhof aus gegen die Wetterseite hin den Segen gab. Dazu wurde mit allen Glocken geläutet. Auch heute noch gibt es das sogenannte „Wetterläuten, die „Wetterämter und Bittprozessionen, um verheerende Schäden aus Feld und Flur fernzuhalten.

    Und wenn man unter allen Glocken im Umkreis die sagenhafte Heidin am meisten schätzte, so kam das nicht von ungefähr: Man wußte, sie vertrieb nicht nur die schweren Wolken, sie half auch gegen bösen Zauber und Hexenwerk.

    Berg- und Almsagen

    Der Schachtgeist vom Silberberg

    Am Eingang des Alpbachtales befand sich einst in der Nähe des Bauernhofes „Larcher ein großer Stollen des lllbergwerkes. Viele Knappen fanden dort Arbeit und Brot. Unter ihnen hauste der Schachtgeist. Dem Vernehmen nach war er ein sehr freundlicher und zugänglicher Geselle, der den Knappen zugetan war. Oft zeigte er ihnen, wenn er besonders guter Laune war, die ergiebigsten Fundstellen der Erze. Da saß er oftmals auf dem „Hund, einem Karren, der den Bergleuten zur Förderung diente, und half ihnen, wo er nur konnte.

    Dies ging so lange gut, als die Knappen rechtschaffen blieben. Doch wieder bewährte sich das alte Sprichwort:

    Nichts kann der Mensch

    schwerer ertragen –

    als eine ganze Reihe

    von guten Tagen –!

    Mit übermütigen Streichen fing es an. Statt zu arbeiten, spielten sie mit silbernen Kegeln, sorglos trugen sie goldenes Geschmeide in ihren Taschen und prahlten mit ihrem Reichtum. Das gute Essen schätzten sie nicht mehr, alles sollte immer noch besser und kostspieliger sein als das vorige. So wurden sie von Tag zu Tag leichtsinniger, und an Gott glaubten sie schon längst nicht mehr. Es kam zu Ausschreitungen, die man sich kaum vorstellen kann:

    Einmal, als das Essen aufgetragen wurde, verhöhnten sie die Gottesgabe, indem sie die gebackenen Küchel auf ihre Hüte spießten und wie kleine Bälle durch die Luft warfen. Kartoffeln und Kuchen zerquetschten sie mit bloßen Händen und hefteten den Brei sodann an ihre Schuhsohlen.

    So ging es einige Zeit. Manch gutgemeinte Warnung, besonders von den armen Bergbauern ringsum, schlugen sie in den Wind. Ja, es kam noch ärger:

    Die Knappen ergaben sich dem Götzenkult. Sie stellten silberne Göttinnen her, führten zuchtlose Tänze auf, in eigens zu diesem Zweck erbauten Hütten. Und infolge des nimmersatten Trinkens gerieten sie untereinander in Streit, nicht selten entstand auch eine Rauferei, die mehr als einmal mit einem Totschlag endete.

    So hatte der Reichtum, der wachsende Wohlstand, nichts als üble Früchte gezeitigt. Man sprach davon, daß die Knappen zum Schuheputzen frische Butter verwendeten oder auch die Butterkugeln zum Kegeln nahmen. Einmal sollen sie sogar – rein zu ihrer Unterhaltung – einem noch lebenden Stier die Haut vom Leib geschunden haben.

    Der Schachtgeist sah und hörte vieles, was ihm mißfiel. Sein Unmut erwachte und steigerte sich zu tiefem Groll. Sein gutmütiges Wesen verlor sich mehr und mehr, es machte einer finsteren Entschlossenheit Platz. Mürrisch saß er auf dem Hund, sprach nur mehr selten ein Wort, und nie mehr gab er zu erkennen, wo das meiste Silbererz zu finden sei.

    Die Gottlosen aber setzten unbekümmert ihr wüstes Treiben fort.

    Eines Tages stand der Larcherbauer vor seiner Haustür, um nach dem Wetter zu schauen. Ihm war, als schwebe etwas Unheilschwangeres in der Luft, obwohl der Tag von fast überirdischer Schönheit war. Der Wald oberhalb des Hofes hob sich tiefschwarz ab von den hellgrünen Wolkenfeldern, die gespenstisch das Himmelsgewölbe durchjagten.

    Es war ein Föhntag. Zum Greifen nahe stand das Wiedersberghorn vor seinen Augen, obwohl es in Wirklichkeit viele Wegstunden vom Larcher entfernt war. Vom Inntal herauf klangen Kirchenglocken, feierlich und wie getragen von einer Mahnung, die dem Lauschenden ans Herz griff. Unwillkürlich dachte er an die Knappen.

    „Was ist nur los heute? fragte er sich. „Die Kühe im Stall sind unruhig, sie zerren an den Ketten. Haben sie etwa genug vom ewigen Eingesperrtsein?

    Aber das allein war es nicht. Und schon stürmte – mitten in sein Sinnieren hinein – ein kleines Männlein den Hang herauf. Es war der Schachtgeist.

    Die langen Haare hingen ihm wild über die Schultern, und mit allen Zeichen des Entsetzens rannte er. Er verhielt einen Augenblick, dann schrie er dem Larcher mit hohler, sich überschlagender Stimme zu:

    Tuats zua die Tiar

    geht’s Unglück fiar –

    muaß auffi zu der Illn

    die Knappschaft stilln!

    Da schloß der Larcher eiligst die Haustür und wagte sich mit den Seinen vorerst nicht heraus. Und mit einem Male erscholl ein Poltern und Krachen, dazwischen ertönte vielstimmiges Geschrei. Den Menschen im Berghof lief ein Schauer nach dem anderen über den Rücken. Was war geschehen? Eine ganze Weile dauerte das Lärmen an, dann wurde es still, unheimlich still.

    Als sich die Leute endlich aus dem Hause wagten, sahen sie, daß der Larcherstollen eingestürzt war. Verschüttet zwischen Felsgeröll und Silbererz lagen die Knappen und fanden keinen Ausgang mehr.

    Endlose Stunden des Grauens vergingen. Hunger und Durst quälten die Eingeschlossenen, ihre trockenen Zungen fuhren über feuchtes Gestein, sonst gab es keine Linderung.

    Sie wußten nicht, daß man draußen fieberhaft arbeitete, um sie zu retten. Frauen und Kinder mühten sich mit den Männern ab, doch das Schicksal war unerbittlich.

    Als man den eingestürzten Stollen endlich freigelegt hatte, bot sich den Rettern ein grauenhafter Anblick:

    Alle Knappen waren tot. Hier ragte eine erstarrte Hand aus dem Schutt, dort ein Fuß, blutüberströmt. Manche waren im Stollen, der sich mit Wasser gefüllt hatte, ertrunken. Schneebleiche Gesichter, die von einem wahnwitzigen Sterben zeugten. In einigen Fäusten erblickte man die angenagten Sohlen ihrer eigenen Stiefel.

    Viele hatten die Augen weit offen. In den starren, unnatürlich erweiterten Pupillen stand noch das hellichte Entsetzen.

    In schrecklichem Zustand fand man jene, die nicht im Berg selbst zugrunde gingen. Ihr Leib war aufgedunsen, vergiftet von dem Wein, den sie getrunken. Im Faß befand sich eine Schlange, von der man nicht wußte, wie sie hineingekommen war.

    Auf einem riesigen Schutthaufen hockte der Schachtgeist. Ihm hatte die Katastrophe nichts anhaben können. Mitten unter den entseelten Körpern verharrte er regungslos, ein getreuer Wächter bis zuletzt.

    Seine Miene drückte gleichermaßen Kummer wie Erbitterung aus, und er blieb auf seinem Posten, bis man die Leichen abholte für die letzte Fahrt auf den Kirchhof.

    Dann wurde der Geist nie mehr gesehen.

    Wer aber ein Sonntagskind ist und gottbegnadet, der sollte hinabsteigen in den Keller des alten Silberberghofes. Er lege sein rechtes Ohr auf den Fußboden, vielleicht, es könnte ja sein, hört er dann das Rumoren der ruhelosen Seelen.

    In der Nacht auf Johanni aber sollte man besonders wachsam sein: Da ertönt ein feines Singen und Klingen ...

    Es sind die silbernen Kegel der toten Knappen.

    N. S. Am Brunnerberg erzählte man früher, der Schachtgeist wäre an diesem Hang hinauf zum Bergwerksstollen „Gilln" gelaufen. Hier ging der Spruch:

    „Pinzger, Pinzger, tua zua die Tiar,

    geht ’s Unglück fiar,

    muaß auffi zu der Gilln

    die Knappschaft stilln!"

    Bergklöpfler im Alpbachtal

    In den Bergwerken des Unterinntales, in Schwaz, Rattenberg und im Alpbachtal, erzählte man sich einst vom segensreichen Wirken der Bergklöpfler, die aber höchst selten gesehen wurden. Da klopften sie und hämmerten, bald nahe, bald fern aus dem Felsgestein, das war ihr Zeichen, daß sie am Werke waren. Und die alten erfahrenen Grubenleute, die es hörten, wußten auch sofort, was dieses Klopfen zu bedeuten hatte: Bald würden sie auf Erz- und Silberadern stoßen, der Berggeist zeigte sie an.

    Wie stellte man sich einen Bergklopfer vor? Nun, dem Vernehmen nach war er ein altes, graubärtiges Männlein, ähnlich dem bekannten Schachtgeist vom Silberberg, der jedoch

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