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Deutsche Sagen
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eBook370 Seiten3 Stunden

Deutsche Sagen

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Über dieses E-Book

Wir präsentieren eine Sammlung von Deutschen Sagen. Das Werk umfasst insgesamt 585 Sagen aus dem deutschen Sprachraum, und gilt als die bedeutendste Zusammenstellung ihrer Art. Brüder Grimm sind Jacob Grimm und Wilhelm Grimm. Sie waren ein Brüderpaar von deutschen Akademikern, Philologen, Kulturforschern, Lexikographen und Schriftstellern, die gemeinsam Volksmärchen sammelten und veröffentlichten.
SpracheDeutsch
HerausgeberSharp Ink
Erscheinungsdatum16. Juli 2023
ISBN9788028309596
Deutsche Sagen
Autor

Brüder Grimm

Die Gebrüder Grimm prägen mit ihren Kinder- und Hausmärchen bis heute unsere Auffassung dessen, was Märchen sind. Jacob Grimm und sein Bruder Wilhelm Grimm wurden in Hanau geboren, verbrachten jedoch den Großteil ihres Lebens gemeinsam in Kassel. Neben ihrer weltberühmten Märchensammlung veröffentlichten die Brüder im Laufe ihres Lebens verschiedene größere und kleinere sprachwissenschaftliche Werke, die zum Teil bis heute Relevanz haben.

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    Buchvorschau

    Deutsche Sagen - Brüder Grimm

    Zum Geleit

    Inhaltsverzeichnis

    Wer Ohr und Geist dem Klang und Sinn der Sage öffnet, spürt in ihr das Atmen der kindlichen Volksseele. Der hört im Sturmgebraus das Wüten des wilden Woden und glaubt Wald und Wasser bewohnt von verzauberten Jungfrauen; dem klingt die versunkene Glocke, und der neckende Kobold versteckt sich im Gebüsch; dem wird »von heimatswegen ein guter Engel beigegeben, der ihn, wenn er ins Leben auszieht, unter der vertraulichen Gestalt eines Mitwandernden begleitet. Wer nicht ahnt, was ihm Gutes dadurch widerfährt, der mag es fühlen, wenn er die Grenzen des Vaterlandes überschreitet, wo ihn jener verläßt. Diese wohltätige Begleitung ist das unerschöpfliche Gut der Märchen, Sagen und Geschichten, welche nebeneinander stehen und uns nacheinander die Vorzeit als einen frischen und belebenden Geist nahe zu bringen streben.« Wenn es diesem Buche gelingt, das Band zwischen Volk und Heimat fester zu knüpfen, so hat es seinen Zweck erreicht.

    Ernst Jaedicke.

    Aus grauen Tagen

    Inhaltsverzeichnis


    Der Bürger Marsilius

    Inhaltsverzeichnis

    (Ludwig Bechstein)

    Zu den Heidenzeiten geschah es, daß ein römischer Kaiser Cöln belagerte und es in große Not brachte. Es begann in der Stadt an allem zu mangeln, am meisten aber an Holz. Da war ein edler Bürger und Hauptmann in der Stadt gesessen, der hieß Marsilius, der ersann einen listigen Anschlag und gab guten Rat. Eine Schar Frauen, als Männer verkleidet, mußte mit Karren und Holzwagen zu dem einen Tor hinaus und nach dem Walde ziehen, dort Holz zu fällen oder auch nur so zu tun; die Bürger aber unter ihrem Führer Marsilius zogen zu einem anderen Tore hinaus, um dem Feinde, sobald er sich gegen die Schar der Frauen wenden würde, in den Rücken zu fallen.

    Und es geschah alles so, wie es vorgesehen war. Die Bürger drangen mit großer Macht auf den Feind, und auch die Frauen trugen ihre Wehren nicht zum Schein. Und die Cölner gewannen einen vollständigen Sieg, erwarben viele Beute und machten eine große Schar von Gefangenen, darunter den Kaiser selbst, der ihre Stadt belagert. Der ward in einen tiefen Turm gelegt und sollte dann auf offenem Markte enthauptet werden.

    Schon war ein köstlicher Teppich bereitet, der des Römerkaisers Blut trinken sollte, und schon mußte der Kaiser auf ihn niederknien. Da sprach er: »Ließet ihr mich leben, ihr Bürger von Colonia, so sollte euch mein Leben viel nützlicher sein denn mein Tod!« Da wurde dem Henker geboten, noch zu harren, und es wurde noch einmal Rat gehalten. Und Marsilius riet, dem Kaiser das Leben zu schenken, aber von ihm stattliche Gerechtsame zu begehren. Der Rat war den Cölnern abermals genehm, und Marsilius und die Senatoren entwarfen die Gerechtsame, welche sie fordern wollten, und schrieben sie auf eine glatte Tierhaut. Und der Kaiser mußte sie besiegeln und seinen großen Ring in ein dickes Stück Wachs auf dem pergamentnen Brief drücken und seinen Namenszug daneben schreiben nach alter Sitte.

    Solches geschah an einem Donnerstage im Monat Junius, und hernachmals haben die Bürger zu Cöln fort und fort am Donnerstag nach dem heiligen Pfingstfest diesen Tag begangen und ihn Holzfahrttag geheißen und sind mit Gesang und Spiel und Festlust nach dem Walde gezogen. Marsilius aber ward ob seines guten Rates hoch geehrt und der Stadt vornehmster Bürger und Hauptmann. Und als er gestorben war, wurde sein Sarg in der Stadtmauer beigesetzt, da, wo man es nachher zu St. Aposteln genannt hat, und ihm dort ein steinern Denkmal aufgerichtet. Auch ist seine Bildsäule noch am Gürzenich zu sehen, dem alten Kauf- und Ballhaus der Stadt Cöln, neben ihrem Begründer Marcus Agrippa, zu ewigem Gedächtnis.

    Des Königs Grab

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Die Westgoten wollten durch Italien nach Afrika wandern, unterwegs starb plötzlich Alarich, ihr König, den sie über die Maßen liebten. Da huben sie an und leiteten den Fluß Barent, der neben der Stadt Consentina vom Fuße des Berges fließt, aus seinem Bette ab. Mitten in dem Bett ließen sie nun durch einen Haufen Gefangener ein Grab graben, und in dem Schoß der Grube bestatteten sie, nebst vielen Kostbarkeiten, ihren König Alarich. Wie das geschehen war, leiteten sie das Wasser wieder ins alte Bett zurück und töteten, damit die Stätte von niemand verraten würde, die, welche das Grab gegraben hatten.

    Die Störche

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Als Attila schon lange die Stadt Aquileja belagerte und die Römer hartnäckig widerstanden, fing sein Heer an zu murren und wollte von dannen ziehen. Da geschah es, daß der König, im Zweifel, ob er das Lager aufheben oder noch länger harren sollte, um die Mauern der Stadt her wandelte und sah, wie die weißen Vögel, nämlich die Störche, welche in den Giebeln der Häuser nisteten, ihre Jungen aus der Stadt trugen und gegen ihre Gewohnheit auswärts ins Land schleppten. Attila, als ein weiser Mann, rief seinen Leuten und sprach: »Seht, diese Vögel, die der Zukunft kundig sind, verlassen die bald untergehende Stadt und die einstürzenden Häuser!« Da schöpfte das Heer neuen Mut, und sie bauten Werkzeuge und Mauerbrecher; Aquileja fiel im Sturm und ging in den Flammen auf; diese Stadt wurde so verheert, daß kaum die Spuren übrig blieben, wo sie gestanden hatte.

    Sage von Attalus dem Pferdeknecht und Leo dem Küchenjungen

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Zur Zeit, als Theodorich und Childebert, die Frankenkönige, in Hader und Zwietracht lebten und viele edle Söhne zu Geiseln gegeben oder in Knechtschaft gebracht wurden, trug sich auch folgende Begebenheit zu. Attalus, von guter Abkunft und ein naher Verwandter des heiligen Gregor, geriet in die Dienstschaft eines Franken im Trierischen Gebiet und wurde zum Pferdewärter bestellt. Der Bischof Gregor, um sein Schicksal besorgt, sandte Boten aus, die ihn aufsuchen sollten, endlich auch fanden und seinem Herrn Gaben anboten, um Attalus freizukaufen. Der Mann verwarf sie aber und sprach: »Einer von solcher Geburt muß losgekauft werden mit zehn Pfund Goldes.« Also kamen die Abgesandten unverrichteter Dinge wieder heim zu Gregor; aber Leo, einer seiner Küchendiener, sprach: »Wofern Ihr mir erlauben wollet, ihn aufzusuchen, könnte ich ihn vielleicht aus der Gefangenschaft erledigen.« Der Bischof war froh und gestattete es ihm; da kam auch Leo an jenen Ort und suchte den Knaben heimlich fortzuschaffen, allein er konnte nicht. Darauf verabredete er sich mit einem anderen Manne und sprach: »Komm mit mir dahin und verkaufe mich in dem Hause des Franken; der Preis, den du empfängst, soll dein Gewinn sein.« Der Mann tat's und schlug ihn um zwölf Goldgulden los; der Käufer aber fragte den Knecht, welchen Dienst er verstünde. »In Zubereitung aller Dinge, die auf der Herren Tische gegessen werden, bin ich gar geschickt und befürchte nicht, daß einer mich darin übertreffe; denn selbst königliche Gerichte kann ich bereiten, wenn du dem König ein Gastmahl geben wolltest.« Jener antwortete: »Nächsten Sonntag werden meine Freunde und Nachbarn zu mir eingeladen werden; da sollst du ein Mahl zurichten, daß alle sagen, in des Königs Hause hätten sie Besseres nicht gefunden.« Leo sagte: »Mein Herr, lasse mir nur eine Menge junger Hähne bringen, so will ich dein Gebot schon erfüllen.« Als nun das geschehen war, stellte er auf den Sonntag ein solches und dermaßen köstliches Essen zu, daß alle Gäste nicht genug loben konnten. Die Freunde des Herrn kehrten nach Hause zurück, der Herr aber schenkte dem Küchenknecht seine Gunst und gab ihm Gewalt und Aufsicht über alle seine Vorräte. So verlief ein Jahr, und der Herr liebte ihn immer mehr und setzte alles Vertrauen auf ihn. Einmal ging nun Leo auf die Wiese, nahe beim Haus, wo Attalus die Pferde wartete, und fing an mit ihm zu reden; und sie legten sich weit voneinander auf die Erde, mit zugedrehtem Rücken, damit niemand mutmaßen möchte, daß sie zusammen sprächen, »Zeit ist es,« sagte Leo, »daß wir an unser Vaterland denken; ich mahne dich, wenn du heute Nacht die Pferde in den Stall gebracht hast, so laß dich nicht vom Schlaf überwältigen, sondern sei munter, wann ich dich rufe, daß wir uns fortmachen können.« Der Franke hatte aber wieder viele Verwandte und Freunde zu Gast geladen, unter anderen den Schwiegersohn, der mit seiner Tochter verheiratet war. Als sie nun um Mitternacht aufstiegen und schlafen gehen wollten, reichte Leo seines Herrn Schwiegersohn einen Becher zu trinken. Der scherzte und sprach: »Wie, Leo? Möchtest du wohl mit deines Herrn Pferden durchgehen und wieder in deine Heimat?« Er antwortete gleichsam scherzweise die Wahrheit und sagte: »Ja, heute nacht, wenn's Gottes Wille ist.« »Wenn mich nur«, erwiderte der Schwiegersohn, »meine Leute gut bewachen, daß du mir nichts von meinen Sachen mit entführst.« So im Lachen schieden sie voneinander, wie aber alle entschlafen waren, rief Leo den Attalus aus dem Bett. »Hast du ein Schwert?« – »Nein, bloß einen kurzen Spieß.« – Da ging Leo in seines Herrn Gemach und nahm Schild und Lanze. Der Herr aber fragte halbwach: »Wer bist du, und was willst du?« – »Leo bin ich, dein Diener; und ich wecke den Attalus, daß er früh aufstehe und die Pferde zur Weide führe; denn er verschläft sich und ist noch trunken.« Der Herr sprach: »Tu', wie du meinst;« und nach diesen Worten schlief er von neuem wieder ein. Leo aber ging zur Tür hinaus, wappnete den Jüngling; und die Stalltüre, die er noch abends zur Sicherung der Pferde mit Hammerschlägen vernagelt hatte, stand jetzt offen, gleichsam durch göttliche Schickung. Da dankte er Gott seines Beistandes, und sie nahmen die Pferde mit aus dem Stall und entwichen; auch einen Falken nahmen sie, nebst den Decken. Beim Übergang der Mosel wurden sie aufgehalten und mußten Pferde und Decken im Stich lassen; und auf ihre Schilde gelegt, schwammen sie den Strom hinüber. Als die Nacht kam und es dunkel wurde, gingen sie in einen Wald und bargen sich. Und schon war die dritte Nacht gekommen, und noch keinen Bissen Speise hatten sie in ihren Mund gebracht und wanderten in einem fort. Da fanden sie auf Gottes Wink einen Baum voll Obst, das man Zwetschen zu nennen pflegt, und erlabten sich daran. Darauf langen sie in Campanien (Champagne) an; bald hörten sie hinter sich Roßtritte und sprachen: »Es kommen Männer geritten, werfen wir uns zur Erde, daß sie uns nicht erspähen!« Und siehe, ein großer Dornstrauch stand daneben; dahinter traten sie, warfen sich nieder zu Boden mit aus der Scheide gezogenen Schwertern, damit, wenn sie entdeckt würden, sie sich alsbald wehren könnten. Die Reiter aber, als sie zu der Stelle gelangt waren, hielten gerade vor dem Dornstrauch still; ihre Pferde ließen den Harn, und einer unter ihnen sprach: »Übel geht es mir mit diesen beiden Flüchtlingen, daß wir sie nimmer finden können; das weiß ich aber, so wahr ich lebe, würden sie ertappt, so ließ ich den einen an den Galgen hängen, den andern in tausend Stücke zerhauen mit Schwertschlägen.« Der die Worte sprach, war ihr Herr, der Franke, welcher aus Rheims herkam, sie zu suchen und sie unfehlbar gefunden hätte, wo nicht die Nacht dazwischen gekommen wäre. Nach diesem ritten die Männer wieder weiter, jene aber erreichten noch selbe Nacht glücklich die Stadt, gingen hinein und suchten einen Bürger auf, den sie fragten, wo Paulus des Priesters Haus wäre. Der Bürger zeigte ihnen das Haus. Als sie aber durch die Gasse gingen, läutete das Zeichen zur Frühmette; denn es war Sonntag. Sie aber klopften an des Priesters Türe, und sie ward aufgetan. Der Knabe fing an zu erzählen von seinem Herrn. Da sprach der Priester: »So wird wahr mein Traum! Denn es träumte mir heut von zwei Tauben, die flogen her und setzten sich auf meine Hand. Und eine von ihnen war weiß, die andere schwarz.« Die Knaben sagten dem Priester: »weil ein heiliger Tag heute ist, bitten wir, daß du uns etwas Speise gebest; denn heute leuchtet der vierte Tag, daß wir kein Brot noch Mus genossen haben.« Er barg aber die Knaben bei sich, gab ihnen Brot mit Wein begossen und ging in seine Metten. Der Franke war auch an diesen Ort gegangen und hatte die Knaben gesucht; als ihm aber der Priester eine Täuschung vorgesagt, kehrte er zurück; denn der Priester stand in alter Freundschaft mit dem heiligen Gregor. Als sich nun die Knaben mit Speisen zu neuen Kräften gestärkt hatten und zwei Tage in diesem Hause geblieben waren, schieden sie und kamen glücklich bei Bischof Gregorius an, der sich über ihren Anblick freute und an dem Halse seines Neffen Attalus weinte. Den Leo aber mit all seinem Geschlechte machte er frei von der Knechtschaft und gab ihm ein eigen Land, wo er mit Frau und Kindern als ein Freier sein Leben beschloß.

    Der kommende Wald und die klingenden Schellen

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Als Childebert mit großer Heeresmacht in Guntrams und Fredegundens Reich einbrach, ermahnte die Königin ihre Franken zu tapferem Streit und ließ Guntrams hinterlassenes Söhnlein in der Wiege voraustragen; dem Säugling an Mutterbrust folgten die gewaffneten Scharen. Fredegund ersann eine List. In finsterer Mitternacht, angeführt von Landerich, des jungen Chlotars Vormund, erhob sich das Heer und zog in einen Wald; Landerich griff ein Beil und hieb sich einen Baumast; darauf nahm er Schellen und hing sie an des Pferdes Hals, auf dem er ritt. Dasselbe zu tun, ermahnte er alle seine Krieger; jeder mit Baumzweigen in der Hand und klingenden Schellen auf ihren Pferden, rückten sie in früher Morgenstunde dem feindlichen Lager näher. Die Königin, den jungen Chlotar in den Armen haltend, ging voraus; damit Erbarmen über das Kind die Krieger entzünden möchte, welches gefangen genommen werden mußte, wo sie unterlägen. Als nun einer der feindlichen Wächter in der Dämmerung ausschaute, rief er seinen Gesellen: »Was ist das für ein Wald, den ich dort stehen sehe, wo gestern abend nicht einmal ein kleines Gebüsch war?« »Du bist noch weintrunken und hast alles vergessen«, sprach der andere Wächter; »unsere Leute haben im nahen Wald Futter und Weide für ihre Pferde gefunden. Hörst du nicht, wie die Schellen klingen am Halse der werdenden Rosse?« (Denn es war von alten Zeiten her Sitte der Franken, und zumal der östlichen, daß sie ihren grasenden Pferden Schellen anhingen, damit, wenn sie sich verirrten, das Läuten sie wiederfinden ließe.) Währendessen die Wächter solche Reden untereinander führten, ließen die Franken ihre Laubzweige fallen, und der Wald stand da leer an Blättern, aber dicht von den Stämmen schimmernder Spieße. Da überfiel Verwirrung die Feinde und jäher Schrecken; aus dem Schlaf erweckt wurden sie zur blutigen Schlacht, und die nicht entrinnen konnten, fielen erschlagen; kaum vermochten sich die Heerführer auf schnellen Rossen vor dem Tode zu retten.

    Die Sage von Gambara und den Langbärten

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Als das Los geworfen war und der dritte Teil der Winiler aus der Heimat in die Fremde ziehen mußte, führten den Haufen zwei Brüder an, Ibor und Aio mit Namen, junge und frische Männer. Ihre Mutter aber hieß Gambara, eine schlaue und kluge Frau, auf deren weisen Rat in Nöten sie ihr Vertrauen setzten. Wie sie sich nun auf ihrem Zug ein anderes Land suchten, das ihnen zur Niederlassung gefiele, langten sie in die Gegend, die Schoringen hieß, da weilten sie einige Jahre. Nah dabei wohnten die Vandalen, ein rauhes und siegstolzes Volk, die hörten ihre Ankunft und sandten Boten an sie: daß die Winiler entweder den Vandalen Zoll gäben oder sich zum Streit rüsteten. Da ratschlagten Ibor und Aio mit Gambara, ihrer Mutter, und wurden eins: daß es besser sei, die Freiheit zu verfechten, als sie mit dem Zoll zu beflecken und ließen das den Vandalen sagen. Es waren die Winiler zwar mutige und kräftige Helden, an Zahl aber gering. Nun traten die Vandalen vor Wodan und flehten um Sieg über die Winiler. Der Gott antwortete: »Denen will ich Sieg verleihen, die ich bei Sonnenaufgang zuerst sehe.« Gambara aber trat vor Frea, Wodans Gemahlin, und flehte um Sieg für die Winiler. Da gab Frea den Rat: die Winiler Frauen sollten ihre Haare auslösen und um das Gesicht in Bartes weise zurichten, dann aber frühmorgens mit ihren Männern sich dem Wodan zu Gesicht stellen vor das Fenster gen Morgen hin, aus dem er zu schauen pflegte. Sie stellten sich also dahin, und als Wodan ausschaute bei Sonnenaufgang, rief er: »Was sind das für Langbärte?« Frea fügte hinzu: »Wem du Namen gabst, dem mußt du auch Sieg geben.« Auf diese Art verlieh Wodan den Winilern den Sieg, und seit der Zeit nannten sich die Winiler Langbärte (Longobarden).

    Alboin wird dem Audoin tischfähig

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Als Alboin, Audoins Sohn, siegreich vom Feldzug gegen die Gepiden heimkehrte, wollten die Longobarden, daß er auch seines Vaters Tischgenoß würde. Audoin aber verwarf dies, weil nach der Gewohnheit des Volkes der Königssohn nicht eher mit dem Vater speisen dürfe, bis er von einem auswärtigen König gewaffnet worden sei. Sobald dies Alboin hörte, ritt er, nur von vierzig Jünglingen begleitet, zu Thurisend, dem Gepidenkönig, dessen Sohn Thurismod er eben erlegt hatte, und erzählte ihm, aus welcher Ursache er käme. Thurisend nahm ihn freundlich auf, lud ihn zu Gast und setzte ihn zu seiner Rechten an der Mahlzeit, wo sonst sein Sohn zu sitzen pflegte. Als nun Thurisend so saß und seines Sohnes Mörder neben sich erblickte, seufzte er vor Schmerz und sprach: »Der Platz ist mir lieb, aber der Mann leid, der darauf sitzt.« Durch diese Worte gereizt, hub der andere Sohn Thurisends an, der Longobarden zu spotten, weil sie unterhalb der Waden weiße Binden trügen und verglich sie Pferden, deren Füße bis an die Schenkel weiß sind, »das sind ekelhafte Mähren, denen ihr gleicht«. Einer der Longobarden versetzte hierauf: »Komm mit ins Asfeld, da kannst du sehen, wie gut die, welche du Mähren nennest, mit den Hufen schlagen; da liegen deines Bruders Gebeine, wie die eines elenden Gauls mitten auf der Wiese.« Die Gepiden gerieten dadurch in Wut und wollten sich rächen, augenblicklich faßten alle Longobarden ihre Degengriffe. Der König aber stand vom Tische auf, warf sich in ihre Mitte und bedrohte den, welcher zuerst den Streit anheben würde: der Sieg mißfalle Gott, wenn man in seinem eigenen Hause den Feind erlege. So beschwichtigte er den Zank, nahm nach vollbrachtem Mahl die Waffen seines Sohnes Thurismod und übergab sie dem Alboin. Dieser kehrte in Frieden zu seinem Vater heim und wurde nun dessen Tischgenoß. Er erzählte alles, was ihm bei den Gepiden begegnet war, und die Longobarden lobten mit Bewunderung sowohl Alboins Wagstück als Thurisends große Treue.

    Der lombardische Spielmann

    Inhaltsverzeichnis

    (Brüder Grimm)

    Als Karl vor hatte, den König Desiderius mit Krieg zu überziehen, kam ein lombardischer Spielmann zu den Franken und sang ein Lied folgenden Inhalts: »welchen Lohn wird der empfangen, der Karl in das Land Italien führt auf Wegen, wo kein Spieß gegen ihn aufgehoben, kein Schild zurückgestoßen und keiner seiner Leute verletzt werden soll?« Als das Karl zu Ohren kam, berief er den Mann zu sich und versprach ihm alles, was er fordern würde, nach erlangtem Sieg zu gewähren.

    Das Heer wurde zusammenberufen, und der Spielmann mußte vorausgehen. Er wich aber aus allen Straßen und Wegen und leitete den König über den Rand eines Berges, wo es bis auf den heutigen Tag noch heißt: der Frankenweg. Wie sie von diesem Berg niederstiegen in die gavenische Ebene, sammelten sie sich schnell und fielen den Longobarden unerwarteterweise in den Rücken; Desiderius floh nach Pavia, und die Franken überströmten das ganze Land. Der Spielmann aber kam vor den König Karl und ermahnte ihn seines Versprechens. Der König sprach:

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