Frieden! Jetzt! Überall!: Ein Aufruf
Von Michael Müller, Peter Brandt und Reiner Braun
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Über dieses E-Book
Michael Müller
Michael Müller, geb. 1948, ist Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschland. Er war von 1983 bis 2009 Mitglied des Bundestages, in der Zeit umweltpolitischer Sprecher, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Parlamentarischer Staatssekretär im Umweltministerium. Müller ist seit Jahren in der Friedensbewegung aktiv und engagiert sich bei "Abrüsten statt Aufrüsten".
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Buchvorschau
Frieden! Jetzt! Überall! - Michael Müller
Ebook Edition
Peter Brandt
Reiner Braun
Michael Müller (Hg.)
Frieden!
Ein Aufruf
»Ich möchte, dass wir von diesem Wahnsinn des Wettrüstens wegkommen.«
(Willy Brandt)
Westend VerlagMehr über unsere Autoren und Bücher:
www.westendverlag.de
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.
Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.
ISBN 978-3-86489-744-3
© Westend Verlag GmbH, Frankfurt/Main 2018
Umschlaggestaltung: © Jasmin Zitter, ZitterCraft, Mannheim
Satz und Datenkonvertierung: Publikations Atelier, Dreieich
Inhaltsverzeichnis
Teil I
ZWEI AUFRUFE ZUR FRIEDENSPOLITIK
Wir melden uns zu Wort
Die Welt gerät aus den Fugen
Am Rande des Friedens
Ende des INF-Vertrages – Ende der Vernunft
Der Fetisch der Aufrüstung
Si vis pacem, para pacem!
Aufrufe zu Abrüstung und Entspannung
Erstunterzeichner
Die Spirale der Gewalt beenden – für eine neue Friedens- und Entspannungspolitik jetzt!
Erstunterzeichner
Erstunterzeichner/innen des Aufrufs aus Deutschland:
Mitglieder des Deutschen Bundestages (MdB):
Gruppen aus Deutschland:
Mitglieder des Europaparlaments:
Erstunterzeichner aus den USA:
Gruppen aus den USA, die Unterstützung des Aufrufs beschlossen haben:
aus anderen Ländern:
DAS JAHRHUNDERT DER EXTREME1
WAS IST ZU LERNEN AUS DER URKATASTROPHE?
Verselbständigung des Krieges
Industrialisierung des Krieges
Vom begrenzten zum totalen Krieg
Was müssen wir lernen?
Die Eskalationsspirale des Krieges
FRIEDENS- UND ENTSPANNUNGSPOLITIK
Einleitung der Herausgeber
ZUR GENESE DER ENTSPANNUNGSPOLITIK
Die ersten Ansätze einer Entspannungspolitik
Die Rolle der SPD während der Außenpolitik der 1920er-Jahre
Das atomare Patt im Kalten Krieg
Wandel durch Annäherung
DER FRIEDENSKANZLER WILLY BRANDT
Ohne Frieden ist alles nichts
Die Europäisierung Deutschlands
Das »andere Deutschland«
Die Fähigkeit, lange Linien zu ziehen
Friedenpolitik für die Eine-Welt
Der Weg zu einem friedlichen Europa
DIE ZWEITE PHASE DER ENTSPANNUNGSPOLITIK
AUSBLICK AUF DAS GLOBALE JAHRHUNDERT
PERSPEKTIVEN DER FRIEDENSPOLITIK
Die Rolle Europas
Nachhaltigkeit und Regionalisierung
Eine gemeinsame Welt
FRIEDENSARBEIT
170 EUROPAKREUZE
Für Frieden und Verständigung
Teil II
I. ALTE UND NEUE KRIEGSGEFAHREN
DIE WELT AM RANDE DES FRIEDENS
WIR BRAUCHEN EINE DEBATTE ÜBER SICHERHEITS- UND AUSSENPOLITIK1
Der Bankrott der etablierten Politik
Eine Sicherheitspolitik auf Basis des gesunden Menschenverstands
KRIEGSURSACHEN: VERTEIDIGUNGSWAHN UND ANDERE LÜGEN
Erinnerungskultur
Kriegsursache Geschichtsnationalismus
Kriegsursache Kriegsschuld
Kriegsursache Kapitalismus
Kriegsursache Kriegsinteressen
Kriegsursache Militarismus
Kriegsursache Hazardismus
Kriegsursache Verteidigungslüge
Kriegsursache Ungerechtigkeit
Kriegsursache Hass
Kriegsursachen entgegenwirken
EUROPAS EGOISTISCHER HEGEMON
Die Entleerung der europäischen Idee
Der Traum vom Vereinten Europa
Aussöhnung, Einbindung und Integration
Die Rolle Deutschlands
RETTET DEN MULTILATERALISMUS!Plädoyer für eine regelbasierte Weltordnung
Weltinnenpolitik
Die Welt gerät aus den Fugen
Donald Trump und die Krise des Atlantizismus
Sicherheit mit und vor Russland
Rettet den Multilateralismus!
UMWELTKONFLIKTE, KLIMAWANDEL UND SICHERHEIT IM ANTHROPOZÄN
Ressourcenknappheit, Umweltzerstörung und Gewaltkonflikte
Klimawandel als Sicherheitsrisiko
Militärs als Umweltschützer?
Beiträge zu einem nachhaltigen Frieden
NACHHALTIGKEIT: SCHLÜSSEL ZUM FRIEDEN
Leitidee Nachhaltigkeit
Kriegsgefahr Klimawandel
Agrarwende jetzt!
Umwelt- und Ressourcenschutz ist Friedenspolitik
Naturschutz ist Menschenrecht
EXISTENZBEDROHENDE RISIKEN ALS THEMA DER FRIEDENSFORSCHUNG
Nullsummenspiele und Plussummenspiele
Klimagefahren als Friedensfrage
Centre for the Study of Existential Risk
Globale katastrophale biologische Risiken
Künstliche Intelligenz kann außer Kontrolle gereaten
II. ABRÜSTUNG JETZT!
AN EINER WEICHENSTELLUNG
DOOMSDAY MACHINE
Nuklearer Winter
Das Spiel mit dem Feuer
WELTUNTERGANGSUHR IN WASHINGTON
ABRÜSTEN STATT AUFRÜSTEN
Die Kampagne Abrüsten statt Aufrüsten
Die Gewerkschaften sind vorne dabei
Drei zentrale Behauptungen
Auch deshalb: Abrüsten statt aufrüsten
Mehrheit gegen Aufrüsten
Wie soll es weitergehen?
AUFRÜSTEN: NEIN!
Wir sind noch immer da
Bundesausschuss Friedensratschlag
Inhaltliche Schwerpunkte
Vielfalt von Aktionen und Themen
Erfolge und Niederlagen
NEUE ENTSPANNUNGSPOLITIK JETZT! DÉTENTE NOW! Политика разрядки, немедленно!
Zur Vorgeschichte:
BESSER LEBEN OHNE AUFRÜSTUNG
Eine konkrete Vision
Wandel tut not
MEHR FÜR DAS MILITÄR? NICHT MIT UNS!
Aus der Geschichte lernen?
Die Rolle Europas
Die Rolle Deutschlands
Das Zwei-Prozent-Ziel
Notwendig: Weltinnenpolitik
ABRÜSTUNG JETZT! Die römisch-katholische Perspektive
Die Botschaft der katholischen Kirche
Gerechtigkeit schafft Frieden
Sicherheit auf die Füße stellen
Abrüstung ist notwendig
TEURE UND GEFÄHRLICHE GROSSMACHTTRÄUME
Einseitiges Wettrüsten
Deutsche Dominanz
Armee im Einsatz ist schon lange normal
Aufmarsch gegen Russland?
Rekrutierungsoffensiven und Propaganda
Abrüstung jetzt!
WÜRDE STATT WAFFEN
Rüstungswahnsinn
Verspielte Friedensdividende
Wachsende Kriegsgefahr
Abrüsten statt aufrüsten
RÜSTUNGSKONTROLLE VERHINDERT KRIEG!
Kuba-Krise: Erste Rüstungskontrolle zur Verhinderung des Atomkriegs
Wandel durch Annäherung
Ausstieg aus der Rüstungskontrolle
Niedergang der konventionellen Rüstungskontrolle
Neues Säbelrasseln
WIDERSTAND IST NOTWENDIG
Die neue Rüstungsspirale
Deutschlands Rüstungsausgaben steigen exorbitant
Die Rolle der Bundeswehr
»Abrüsten statt Aufrüsten« organisiert Widerstand
III. DIE KRISE UM DEN INF-VERTRAG
ENDE DER GEMEINSAMEN SICHERHEIT?
RETTET DEN INF-VERTRAG! ES GIBT KEINE GEWINNER
Den INF-Vertrag retten1
Was ist passiert?
Das Ziel muss bleiben: Eine atomwaffenfreie Welt
LEKTION VERSTANDEN?
DEFEND THE INF TREATY
EINE GEMEINSAME EUROPÄISCHE ANTWORT
Weitreichende Folgen für die Rüstungskontrolle
Sieben Empfehlungen
ZUM SCHADEN ALLER STAATEN
Die Axt im Friedenswald
GEFAHREN AUS DEM ENDE VON INF
Der Verfall der Rüstungskontrolle
Wie man Verifikationsprobleme lösen kann
IV. ENTSPANNUNGSPOLITIK JETZT!
DER WEG ZU EINER WELTINNENPOLITIK?
WIR WAREN SCHON WEITER!1
Die Eine-Welt in Unordnung
Handeln im Sinne von Willy Brandt
Die Lähmung überwinden
WANDEL DURCH ANNÄHERUNG
Die Visionen von Willy Brandt und Egon Bahr
Die Früchte der Entspannungspolitik
Die Grundidee bleibt aktuell
WER DAS ATOMARE WETTRÜSTEN STOPPEN WILL, MUSS EUROPA STÄRKEN
Ein epochaler Einschnitt
Die Rolle der Europäer
Deutschland in der Zwickmühle
Neubestimmung der europäischen Politik
Ein eigenes Profil entwickeln
UNSER FRIEDEN IM ZANGENGRIFF VON RECHTSPOPULISTEN
Vertane Chancen
Angriff auf die liberale Demokratie
ENTSPANNUNG JETZT!
Eine Welt ohne Krieg
Große Hoffnungen und neue Rückschläge
Neustart der Entspannungspolitik
ZUR ORDNUNG DER UNORDNUNG: PLÄDOYER FÜR EINE WERTEBASIERTE REALPOLITIK
Das Verschwinden des Westens
Fromme Wünsche und falsche Strategien
Säule der europäischen Friedensordnung: Abrüstung
Abschreckung ist MAD
Soziales Gleichgewicht als Voraussetzung für Frieden
Ökologisches Ungleichgewicht: Es ist fünf vor zwölf
Europa ist ein Pol, Deutschland nicht
Die Zukunft: Neue Allianzen und altes Recht
GLOBALISIERUNG UND GERECHTIGKEIT – PLÄDOYER FÜR EINE GEERDETE ENTSPANNUNGSPOLITIK
Wiederkehr der Klassen
Destabilisierung globaler Ökosysteme
Ökonomisch-ökologische Zangenkrise und autoritäre Versuchung
Imperiale Rivalität, Militarismus, Kriegsgefahr
Eckpunkte für eine »geerdete« Entspannungspolitik
ENERGIEWENDE ALS FRIEDENSPROJEKT
Wer stoppt das Erdbeben?
Ein Risikoindex als Maß für Konfliktpotenziale
Der Klimawandel wird zum Fluchttreiber
IPCC 1.5 – Die Welt ist noch zu retten
Die Energiewende als Überlebensfrage – auch für den Westen
EINE NEUE WELTORDNUNG BRAUCHT EINE NEUE ENTSPANNUNGSPOLITIK
Multiple Krisen
Zeit für einen Paradigmenwechsel
Sechs Säulen einer neuen Entspannungspolitik
Eine neue Entspannungspolitik ist nötig und möglich
V. FRIEDENSPROJEKT EUROPA
EUROPA IN DER SCHLÜSSELROLLE
FRIEDEN IST MEHR ALS DIE ABWESENHEIT VOM KRIEG
Die Europäische Union als Friedensprojekt
Grundprinzip Solidarität
Europa als globaler Friedensakteur in einer multipolaren Welt
EUROPA – DIE ANTWORT AUF KRIEG
Europa – das Friedensprojekt
Rollback – neue Gefahren von innen
Die EU als Militärmacht?
Fehlende Rüstungsexportkontrolle
Die EU als Zivilmacht
EU-Diplomatie stärken
FRIEDENSMACHT AM ENDE? DAS UNEINGELÖSTE VERSPRECHEN EINFORDERN!
Ein wirkliches Friedensprojekt ist notwendig
FRIEDENSPROJEKT EUROPA
Das doppelte Gründungsversprechen des Friedensprojekts Europa
Europa im Krisenmodus
Europa im Sog einer neuen Aufrüstungsspirale
Notwendige Kurskorrekturen
DIE UNION WEITERENTWICKELN
Vor einer Schwerpunktverschiebung?
»PESCO« und »Militärische Mobilität«: Unterstützung der NATO?
Subventionsschub für die Rüstungsindustrie
»Versicherheitlichung« ziviler und entwicklungspolitischer Aufgaben
Militärkooperationen mit Diktaturen
(Gesamt-)europäische Friedensordnung fördern
Afrikapolitik kohärent gestalten
OSZE stärken
Aufrüstung unterbinden
FRIEDEN AUS ÖKUMENISCHER SICHT
Europa und der Rechtspopulismus
Einmischen und Spaltungen überwinden
DIE SACHE DARF NICHT ZUR RUHE KOMMEN
Die Rückkehr der Nuklearrüstung?
Rüstungskontrolle ist weiter notwendig
Die nuklearen Supermächte rüsten auf
Gefahren für Europa
Europa ist gefordert
Vertrauensbildende Schritte sind möglich
EUROPA BRAUCHT DIE WENDE ZUM GESELLSCHAFTLICHEN FRIEDEN
In Frieden mit sich selbst
Frieden erfordert Freiheit, Gleichheit und Solidarität
Das baufällige Haus Europa
VI. PARTNERSCHAFT MIT RUSSLAND
EINE GESAMTEUROPÄISCHE PERSPEKTIVE
EINE FRAGE DES VERTRAUENS
Die Hoffnungen haben sich nicht erfüllt
Ein längerer Entfremdungsprozess
BLICK ZURÜCK NACH VORN
Aus der Geschichte lernen?
Russland: Partner oder Gegner?
FRIEDENSORDNUNG, WIE?1
Diametral abweichende Positionen
Die Gespenster der Vergangenheit und die deutsche Frage
Was ist die gemeinsame Basis?
GEMEINSAME SICHERHEIT MIT RUSSLAND:Kern einer europäischen Friedensordnung
Mit Russland Sicherheit schaffen
HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT Oder: Mehr Weltinnenpolitik wagen!
Entspannungspolitik in einer veränderten Welt
Weltinnenpolitik als Grundlage des Friedens
Frieden aktiv schaffen
ENTSPANNUNGSPOLITIK DARF NICHT UNTERWERFUNG SEIN
… außer für die Polen
Entspannungspolitik, ein Erfolg
Das große Missverständnis
Frozen Conflicts
Die NATO-Osterweiterung war keine Einkreisung
Die Putin-Grätsche von Vilnius
Bedingungen für Nord Stream II
VON METUS PUNICUS ZU METUS PUTINUS: Mediales Abrüsten als Vorbedingung für reales
Der Kampf um die medialen Botschaften
Die Fähigkeit zu erkennen und zu bewerten
Der Petersburger Dialog
ANHANG
Die Herausgeber
Die Autoren
Anmerkungen
ZWEI AUFRUFE ZUR FRIEDENSPOLITIK
DAS JAHRHUNDERT DER EXTREME1
WAS IST ZU LERNEN AUS DER URKATASTROPHE?
FRIEDENS- UND ENTSPANNUNGSPOLITIK
ZUR GENESE DER ENTSPANNUNGSPOLITIK
DIE DRITTE PHASE DER ENTSPANNUNGSPOLITIK
AUSBLICK AUF DAS GLOBALE JAHRHUNDERT
PERSPEKTIVEN DER FRIEDENSPOLITIK
170 EUROPAKREUZE
I. ALTE UND NEUE KRIEGSGEFAHREN
WIR BRAUCHEN EINE DEBATTE ÜBER SICHERHEITS- UND AUSSENPOLITIK1
KRIEGSURSACHEN: VERTEIDIGUNGSWAHN UND ANDERE LÜGEN
EUROPAS EGOISTISCHER HEGEMON
UMWELTKONFLIKTE, KLIMAWANDEL UND SICHERHEIT IM ANTHROPOZÄN
EXISTENZBEDROHENDE RISIKEN ALS THEMA DER FRIEDENSFORSCHUNG
II. ABRÜSTUNG JETZT!
DOOMSDAY MACHINE
WELTUNTERGANGSUHR IN WASHINGTON
ABRÜSTEN STATT AUFRÜSTEN
Neue Entspannungspolitik JETZT! Détente NOW!
TEURE UND GEFÄHRLICHE GROSSMACHTTRÄUME
WÜRDE STATT WAFFEN
AUF UND AB DER RÜSTUNGSKONTROLLE
WIDERSTAND IST NOTWENDIG
RETTET DEN INF-VERTRAG! ES GIBT KEINE GEWINNER
LEKTION VERSTANDEN?
IV. ENTSPANNUNGSPOLITIK JETZT!
WIR WAREN SCHON WEITER!1
WANDEL DURCH ANNÄHERUNG
UNSER FRIEDEN IM ZANGENGRIFF VON RECHTSPOPULISTEN
ZUR ORDNUNG DER UNORDNUNG: PLÄDOYER FÜR EINE WERTEBASIERTE REALPOLITIK
GLOBALISIERUNG UND GERECHTIGKEIT – PLÄDOYER FÜR EINE GEERDETE ENTSPANNUNGSPOLITIK
EINE NEUE WELTORDNUNG BRAUCHT EINE NEUE ENTSPANNUNGSPOLITIK
V. FRIEDENSPROJEKT EUROPA
FRIEDENSMACHT AM ENDE? DAS UNEINGELÖSTE VERSPRECHEN EINFORDERN!
DIE UNION WEITERENTWICKELN
FRIEDEN AUS ÖKUMENISCHER SICHT
EUROPA BRAUCHT DIE WENDE ZUM GESELLSCHAFTLICHEN FRIEDEN
VI. PARTNERSCHAFT MIT RUSSLAND
BLICK ZURÜCK NACH VORN
FRIEDENSORDNUNG, WIE?1
GEMEINSAME SICHERHEIT MIT RUSSLAND:Kern einer europäischen Friedensordnung
HOCH DIE INTERNATIONALE SOLIDARITÄT Oder: Mehr Weltinnenpolitik wagen!
ENTSPANNUNGSPOLITIK DARF NICHT UNTERWERFUNG SEIN
VON METUS PUNICUS ZU METUS PUTINUS: Mediales Abrüsten als Vorbedingung für reales
TEIL I: FÜR EINE NEUE ENTSPANNUNGSPOLITIK
ZWEI AUFRUFE ZUR FRIEDENSPOLITIK
Reiner Braun, Peter Brandt, Michael Müller
Wir melden uns zu Wort
Wenn es um den Frieden geht, hat jeder das Recht, mitzureden. Wir melden uns zu Wort, weil wir den Frieden bedroht sehen. Unsere Einmischung ist auch die Aufforderung zu einem anderen Denken und Handeln. Wir bezweifeln nicht die Zuständigkeit politisch legitimierter Gremien. Die alleinige Kompetenz indes, für den Frieden tätig zu sein, haben sie nicht. In der Demokratie gibt es kein Monopol auf politische Willensbildung. Im Gegenteil: Die Demokratie braucht eine starke Zivilgesellschaft.
Bei dem Kulturphilosoph Antonio Gramsci heißt es: »Alles hat ein Innen und ein Außen, die Macht der Herrschenden ist immer auch die Ohnmacht der Beherrschten.«¹ In der Demokratie sind wir nicht ohnmächtig, auch nicht in der internationalen Ordnung, zumal wir in der schnell zusammenwachsenden Welt auf Gegenseitigkeit angewiesen sind. Dass es zwischen der inneren Verfassung einer Gesellschaft und den regulativen Prinzipien, die sie der Welt vorschlägt, eine gewisse Übereinstimmung geben müsse, machte Georg Friedrich Wilhelm Hegel in seiner historisch-dialektischen Denkweise deutlich.² Das gilt auch und gerade für die Fragen des Friedens.
Unsere Zeit braucht deshalb einen breiten Diskurs, was heute getan werden muss. Dabei kritisieren wir nicht nur die Hochrüstung. Wir warnen auch davor, dass die Menschheit – selbst in Europa – »am Rande des Friedens« (Siegfried Lenz) lebt. Vieles ist unsicher geworden, neue Gefahren und Bedrohungen sind hinzugekommen, die ihre Ursache vor allem in der Globalisierung nicht nur der Märkte, sondern auch der Umweltgefahren haben. Die simple Antwort, die in der Politik und vielen Medien darauf gegeben wird, heißt »Mehr Geld für die Rüstung«. Aber gerade wer den Frieden will, muss die zunehmende Militarisierung beenden und sich mit aller Kraft für eine Zivilisierung des internationalen Zusammenlebens und der vielfältigen ökonomischen, sozialen und ökologischen Konflikte einsetzen.
Abrüsten statt Aufrüsten, eine neue Entspannungspolitik jetzt! Andernfalls droht das 21. Jahrhundert zu einem Jahrhundert neuer Gewalt und erbitterter Verteilungskämpfe zu werden. In der globalen Epoche werden die Grenzen des Wachstums sichtbar, ökonomische, soziale sowie ökologische. Das sind keine starren Grenzen, aber es sind Grenzen, die für unser Leben essentiell sind, und die deshalb nicht überschritten werden dürfen. Im Brundtland-Bericht der Vereinten Nationen von 1987 heißt es dazu: »Die Erde wird zu einer verschmutzten, überbevölkerten, störanfälligen und ungleichen Einheit.«³ Als Konsequenz fordert der Bericht eine Wende hin zu einer nachhaltigen Entwicklung, in der wirtschaftlich-technische Innovationskraft mit sozialer Gerechtigkeit, ökologischer Verträglichkeit und mehr Demokratie eng miteinander verbunden ist.
Dass der Frieden in erster Linie eine politische und gesellschaftliche Gestaltungsaufgabe ist, zeigt auch ein Blick in die schmerzhafte europäische Geschichte. Heute heißt die Lehre daraus: Nachhaltigkeit muss zur Grundlage einer »Weltinnenpolitik«⁴ werden, lokal, national und international. Und diese Weltinnenpolitik braucht starke Zivilgesellschaften. Andernfalls gerät die liberale Demokratie immer stärker unter den Druck, wie der sich ausbreitende Nationalismus und der aufkochende Fundamentalismus zeigen.
Doch die geschichtlichen Erfahrungen verblassen oder sie werden schlicht verdrängt. Der einhundertjährigen Wiederkehr des Ersten Weltkriegs, der »Urkatastrophe« des letzten Jahrhunderts, wurde im offiziellen Deutschland nur unzureichend gedacht. Und achtzig Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges macht sich erneut ein aggressiver Nationalismus breit, Gespenster der Vergangenheit tauchen in neuen Formen wieder auf.
Zentrale Merkmale der Gegenwartsgesellschaft sind Kurzfristigkeit, Differenz und Abgrenzung. Für den Sozialhistoriker Eric Hobsbawm ist diese »permanente Gegenwart« eines der bedrohlichsten Phänomene unserer Zeit.⁵ Die »Diktatur der kurzen Frist« ⁶, wie der Sozialwissenschaftler Richard Sennett das Zeitregime des globalen Kapitalismus nennt, zerstört eingespielte Routinen und gefestigte Zusammenhänge. Der Frieden braucht aber die Fähigkeit, lange Linien zu erkennen und Zusammenhänge zu verstehen. Aber statt in eine gemeinsame Zukunft zu investieren, in Infrastruktur, Bildung, Entwicklungszusammenarbeit sowie Klima- und Naturschutz, verstärkt sich die soziale und ökologische Entbindung aus der Gesellschaft. Doch der Glaube, dass es hochgesicherte, grüne Oasen des Wohlstandsauf einem unwirtlichen Planeten geben könnte, ist eine fatale Illusion. Unmittelbar einsichtig ist, dass ein wirksamer Klimaschutz mehr zum Frieden beiträgt als ein massiver Klimawandel, dessen Folgen Wetterextreme, Ernährungskrisen, Migration und Verteilungskonflikte sind.
Dennoch kommt es seit zwei Jahrzehnten zu neuer Aufrüstung und Konfrontation, nachdem die Idee der gemeinsamen Sicherheit in den Siebziger- und Achtzigerjahren zur Grundlage von Abrüstung und Rüstungskontrolle durch die Friedens- und Entspannungspolitik wurde. Und 1990, nach dem Ende der zweigeteilten Welt, gab es sogar die große Chance einer neuen, dauerhaften Sicherheitsarchitektur in Europa, die weltweit zum Vorbild hätte werden können. Diese Chance wurde vertan. Die Fronten verhärten sich, alte Feinbilder werden neu aufgebaut.
Noch im Jahr 2000 war das anders gewesen. Wladimir Putin trat die Nachfolge von Boris Jelzin an, der ein großes wirtschaftliches und soziales Chaos in seinem Land hinterlassen hatte. Die Ausgangsbedingungen für eine enge Partnerschaft schienen günstig. Deutschland sah Russland als »herausgehobenen Partner«⁷. Putin äußerte sich positiv zur Europäischen Union. Er warb im Deutschen Bundestag für europäische Antworten auf die neuen Bedrohungen in der Welt. Er forderte die Westeuropäer dazu auf, nicht nur nach Amerika zu schauen. Putin beklagte sich, dass Russland noch immer nicht vom Westen als gleichberechtigter Partner angesehen würde. Er sei dazu bereit und warb nachdrücklich für das Gemeinsame Haus Europa.⁸
Die Annäherung endete schnell. Warum ist es nicht zu einer europäischen Partnerschaft mit Russland gekommen? Beobachter machen den Einschnitt an der Münchener Sicherheitskonferenz 2007 fest, auf der Putin wütend und völlig unprotokollarisch westliche Bestrebungen anprangerte, ein unipolares Weltsystem zu errichten, das den Erfahrungen der Geschichte und den Regeln der Demokratie widerspräche: »Ich denke, dass für die heutige Welt das monopolare Modell nicht nur ungeeignet ist, sondern überhaupt unmöglich.«
Putin stellte klar, dass sich Russland mit der Expansion der NATO nach Osten auf keinen Fall abfinden würde. Er kritisierte die nukleare und konventionelle Aufrüstung, insbesondere den Aufbau neuer Raketenabwehrsysteme in Polen und Rumänien, die Washington mit der neuen Bedrohung aus dem Iran begründete, und die Weigerung der NATO-Staaten, den AKSE-Vertrag zur konventionellen Rüstung von 1999 zu unterschreiben.⁹
Zweifellos gab es in der postsowjetischen Epoche erhebliche Mängel in der Sensibilität und Beurteilung der russischen Interessen, auch über die der neuen EU- und NATO-Mitglieder in Mittel- und Osteuropa. Umgekehrt gab es mögliche Fehlinterpretationen in der Motivation und den Zielen der EU-Politik. Überwölbt wurde das Ganze von einer beginnenden Neuausrichtung der amerikanischen Außenpolitik in Richtung pazifischer Raum. Lange Zeit wurde diesem Entfremdungsprozess wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Der Konflikt schwelte vor allem in der Ukraine, bis er im Jahr 2014 zum Ausbruch kam. Entscheidend ist, dass es in den letzten Jahrzehnten keine ernsthaften Initiativen, auch nicht von der EU, gab, die durch den 11. September 2001, den Irakkrieg und den Terror ausgelöste Dynamik des Militärischen zu brechen.
Die Europäer hätten nach 1990, nach dem Ende des zweigeteilten Europas, vorangehen müssen, um die Friedensdividende zu nutzen. Diese Zeit war ein »Rendezvous mit dem Schicksal«, wie US-Präsident Franklin D. Roosevelt derartige historische Schlüsselsituationen nannte. Doch das Rendezvous wurde verpatzt. Zwar erhob die Charta von Paris für ein neues Europa, die 1990 auf einem KSZE-Sondergipfel in Paris von 32 europäischen Staaten sowie den USA und Kanada unterschrieben wurde, den vertraglichen Anspruch, in Europa dauerhaft Frieden zu schaffen, die Spaltung zu beenden und Menschenrechte und Grundfreiheiten einzuhalten.¹⁰ Aber statt zu einer dauerhaften gesamteuropäischen Sicherheit zu kommen, wurde der Zusammenbruch der sozialistischen Staatengemeinschaft als »Sieg« gefeiert.
»Das Risiko, dass Atomwaffen tatsächlich eingesetzt werden, ist heute größer als für eine sehr lange Zeit. Passivität ist keine Option.«
Margot Wallström, schwedische Außenministerin
Die ungelösten Fragen im Verhältnis zu Russland wurden lange Zeit ignoriert oder unterschätzt. Das Säbelrasseln wurde lauter, bis der Konflikt mit der »Orangenen Revolution« in der Ukraine offen ausbrach. Seit den Protesten in Kiew ist der Kalte Krieg zurück, alte Konfliktlinien sind wieder da, die Konfrontation nimmt zu. Zahlreiche militärische Konflikte behielten den Charakter von Stellvertreterkriegen und haben schlimme Folgen, wie der unfassbar grausame Krieg in Syrien zeigt.
Die Welt verändert sich, sie wird immer mehr zu einer zerbrechlichen Einheit, aber verändert sich auch die Politik? Warum werden wichtige UNO-Beschlüsse wie die Agenda 2030 mit den siebzehn Nachhaltigkeitszielen oder das Ziel des Pariser Klimavertrages noch immer vernachlässigt, auch in der Europäischen Union? Das Ungleichgewicht in den Ausgaben für Krisenprävention und Konfliktvermeidung zu denen für das Militär wird immer größer. Die internationale Politik bleibt in den alten Denkmustern offenbar gefangen. Welche Zukunft hat die NATO, das stärkste Militärbündnis der Welt? NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte kürzlich: »Die Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt war zwar sehr gefährlich, aber gleichzeitig auch sehr vorhersagbar.«¹¹ Was wird passieren, wenn es keine klaren politischen Vorgaben für Abrüstung und Rüstungskontrolle gibt?
Weil die Politik es nicht schafft oder nicht schaffen will, ist eine starke Friedensbewegung notwendig – bei uns, in Europa und weltweit. In den vergangenen Jahrzehnten hat sie auf beiden Seiten der früheren innerdeutschen Grenze viel Mut und Weitsicht bewiesen. Und das war gut für unser Land und für Europa. Die enge Zusammenarbeit mit Gewerkschaften, sozialen Organisationen und der Umweltbewegung hat in den Achtzigerjahren in Deutschland eine Kultur des Friedens geschaffen.
Die ist auch heute notwendig, nicht nur wegen des neuen Kalten Krieges, sondern weil wir auch vom anthropogenen Klimawandel, von dem Überschreiten planetarischer Grenzen und von der Zuspitzung sozialer Ungleichgewichte bedroht sind. Auch das ist das Produkt eines überholten Denkens und egoistischer Interessen, die die Folgen des Handelns oder Nichthandelns »externalisieren«¹², also auf die Natur, auf Arme und auf künftige Generationen abwälzen. Damit gerät das bisherige Modell des nationalen Wohlfahrtsstaats, das zum inneren Frieden beigetragen hat, an sozial-ökologische Grenzen. Der »Fahrstuhl« funktioniert immer weniger.
Das ist bisher jedoch noch nicht richtig angekommen, auch nicht in unserer Gesellschaft. Die Merkmale der Gegenwart sind vor allem Kurzfristigkeit, Abgrenzung und Differenz, verursacht von dem dominierenden Vergesellschaftungsmodus, der nicht mehr Demokratie, Gemeinwohl und Gemeinsinn verwirklicht, sondern auf schnelle Gewinne ausgerichtet ist. Mit den neoliberalen Machtspielen kann die EU aber nicht in der globalen Auseinandersetzung bestehen. Sie muss zum Vorreiter einer sozial-ökologischen Transformation werden. Dafür braucht die EU eine Weiterentwicklung der sogenannten »Vier großen I’s«: Innovationen, Infrastruktur, Integration und Investitionen.
Wir verstehen »Abrüsten statt Aufrüsten« und »Für eine neue Entspannungspolitik jetzt!« als Aufforderung zu einer überfälligen öffentlichen Debatte über Frieden und Sicherheit. Wir sind überzeugt, dass unsere Zeit die Prinzipien der Demokratie, Nachhaltigkeit und Gemeinsamkeit stärken muss, die in den Berichten der Unabhängigen UN-Kommissionen definiert wurden: Gemeinsame Sicherheit, Gemeinsames Überleben und Gemeinsame Zukunft.
Die Suche nach gemeinsamer Sicherheit gehört deshalb ins Zentrum vor allem europäischer Politik, nicht nur weil uns alte und neue globale Gefahren bedrohen, sondern auch weil die Politik Donald Trumps einer zerstörerischen Achterbahnfahrt gleicht. Trump kommandiert die Partner wie Untergebene herum und erpresst sie zu höheren Rüstungsausgaben. Er sieht die EU-Staaten nicht als gleichberechtigt an. Dennoch nimmt sogar in Europa eine Anpassung an den »Trumpismus« zu, auch in unserem Land. Nicht nur die USA, auch die Westeuropäer scheinen verlernt zu haben, das offene Gespräch mit Russland, dem wichtigsten Nachbarn im Osten, der ein Teil der gemeinsamen europäischen Geschichte ist, zu führen. Die Friedensbewegung muss dagegenhalten, zusammen mit dem »anderen Amerika«, das den autoritären und ignoranten Kurs im Weißen Haus stoppen will.
Die Welt gerät aus den Fugen
Die Aufgaben der Friedensbewegung müssen vor dem Hintergrund einer Welt gesehen werden, die aus den Fugen gerät. Die alte Weltordnung ist vorbei. Die Ideen der (unvollendeten) europäischen Moderne, die in den letzten beiden Jahrhunderten zum Weltmodell aufgestiegen sind, geraten unter Druck. Neue Machtverhältnisse bilden sich heraus.
An dieser Weggabelung geht es entweder um Militarisierung oder Zivilisierung der Zukunft. Obwohl dieser Umbruch noch schwer überschaubar ist, auch weil seine Tragweite noch unzureichend erkannt ist, steht fest: Wir brauchen Systeme der kollektiven Sicherheit, die nicht nur militärische Macht kontrollieren, was schon aufgrund der Geschwindigkeit und Vernichtungskraft moderner Waffensysteme notwendig ist, sondern die auch wegen der heraufziehenden weltwirtschaftlichen Rezession, sich zuspitzender sozialer Ungleichgewichte, globaler ökologischer Gefahren und ungelöster kultureller Konflikte aufkeimende Gewalt einzudämmen vermögen.
»Die Hoffnung, dass das Ende des Kalten Krieges ein Zeitalter der Entspannung einläuten würde, hat sich als Illusion erwiesen. Das Risiko von militärischen Auseinandersetzungen ist so groß wie seit 1989 nicht mehr. Rund um den Globus toben mehr als dreißig Kriege und bewaffnete Konflikte. Umso wichtiger ist der Einsatz für Frieden, Demokratie und Freiheit – von Gewerkschaften, aber auch von Parteien und Zivilgesellschaft. »Abrüsten statt Aufrüsten« – das ist das Gebot der Stunde. Europa, und an vorderster Stelle Deutschland, kommt dabei eine Vorreiterrolle zu. Europa wurde als Projekt des Friedens und des sozialen Fortschritts gegründet.«
Reiner Hoffmann, Vorsitzender des DGB
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks kam es anfangs zu einer Art »Pax Americana« statt zu einer »gemeinsamen Sicherheit«. Der Zwischenherrschaft folgte mehr und mehr ein weltpolitisches Vakuum, auch geprägt durch vielfältige Formen terroristischer Gewalt, die nicht zuletzt durch die Militarisierung der Nahostregion sowie die Radikalisierung ideologischer Konfrontation gefördert wurden. Heute ist das Ringen um eine neue Weltordnung im vollen Gange. Die kurze Zeit der unipolaren Welt ist vorbei. Manche der heutigen Reaktionen der USA, die immer noch 36 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben tätigen und höchste Wirtschaftskraft erreichen, müssen vor diesem Hintergrund gesehen werden. Sie sind eine gespaltene Nation. Unter Präsident Trump haben sie sich mit »America First« von einer kooperativen Politik verabschiedet und sind ein unberechenbarer Machtfaktor. Vor allem China, aber auch Russland und Indien versuchen, machtvolle globale Player zu werden. China mit ökonomischer Wucht und militärischer Kraft, Russland mit neuer Stärke als Ordnungsmacht.
Die großen Player treffen auf eine uneinige und zerstrittene EU, die seit einigen Jahren im Krisenmodus ist, zu dem auch der Brexit kräftig beiträgt. Wohin treibt die EU unter den alten und neuen Fliehkräften? Entsteht vielleicht sogar eine Weltordnung ohne den europäischen Westen? Folgt die EU mit ihren Plänen einer europäischen Armee der imperialen Logik, dass eine starke Wirtschaftsmacht auch eine starke Militärmacht sein muss? Oder hat sie die Kraft und den Willen, unter der Leitidee der Nachhaltigkeit zu einer Erneuerung des europäischen Modells von Moderne zu kommen, das weltweit ausstrahlt?
Das bedeutet: In den letzten beiden Jahrzehnten wurden die Chancen für die Verständigung im europäischen Haus nicht genutzt, zumindest erst sehr spät als Handlungsfeld erkannt.¹³ Stattdessen schreitet die Militarisierung voran: Mehr Geld für die Rüstung und für neue Waffensysteme, Ende der Rüstungskontrolle und Abrüstung. Zwischen Russland, der Europäischen Union und der NATO verfestigen sich die Spannungen. Entlang der 1 300 Kilometer langen Grenze zu Weißrussland/Russland nimmt auf beiden Seiten die konventionelle Aufrüstung zu. Immer häufiger werden Manöver und Alarmübungen zu Provokationen militärischer Stärke, zuletzt mit »Anakonda 16«, dem größten NATO-Aufmarsch überhaupt. Eine wechselseitige Eskalationsdynamik trug zum militärischen Konflikt in der Ukraine bei – mit der Folge einer Angliederung der Krim an Russland. Der Krieg hat bereits mehr als 10 000 Opfer zu beklagen – mitten in Europa.
»Wir wollen mehr Geld für friedliche Maßnahmen in den Bereichen der Bildung, der Gesundheit, der Kinder- und Altenpflege, und weniger Geld für die Zerstörung, geschweige denn für das Leasing von unbemannten Kampfdrohnen oder Killerroboter, die heutzutage technologisch möglich sind.«
Sharan Burrow, Generalsekretärin Internationaler Gewerkschaftsbund
Hinzu kommen neue Formen der Gewalt: Terrorismus, organisierte Kriminalität und die »fünfte Dimension der Kriegsführung« mit Hilfe der Digitalisierung technischer Prozesse. Aus der dunklen Gegenwelt des Digitalen kommt die Gespenster des »Cyberkriegs« und der »Cyberattacken«. Mit Hilfe kaum überschaubarer Netzwerke wird ein Missbrauch möglich, der als Begründung herhält, noch mehr Geld in die Militärhaushalte zu pumpen.
Am Rande des Friedens
Der Frieden, unvollkommen allemal, ist jedoch nicht allein durch Hochrüstung bedroht. Frieden kann nicht ausschließlich als »Nicht-Krieg« definiert werden. Soziale Ungerechtigkeiten und ökologische Gefahren spitzen sich dramatisch zu, mit weitreichenden Folgen für den inneren und äußeren Frieden. Eine Minderheit mehrt ihren Wohlstand auf Kosten Dritter: »Wir leben nicht über unsere Verhältnisse. Wir leben über die Verhältnisse anderer.«¹⁴ Immer mehr Menschen – im globalen Norden wie zunehmend auch im globalen Süden – machen sich eine »imperiale Lebensweise« zu eigen, die sich »an den ökologischen und sozialen Ressourcen andernorts [bedient], um sich selbst einen hohen Lebensstandard zu sichern.«¹⁵
Krieg ist kein Schicksal und keine Naturgewalt, sondern hat immer eine Vorgeschichte, die wir hinnehmen oder verändern können. Die Verhinderung von Krieg und Gewalt ist eine politische und gesellschaftliche Aufgabe und auch eine kulturelle, soziale und ökologische Herausforderung.
Wir müssen deshalb den Begriff des Friedens weiter fassen, zumal wir Mitwisser und Mittäter dessen sind, was auf unserem Planeten passiert. Die große Migration aus Armuts-, Krisen- und Konfliktgebieten hat schon begonnen. Mit der Globalisierung der Umwelt- und Naturzerstörungen stehen wir vor neuen Herausforderungen wie den Folgen des Klimawandels, dem Kampf um knappe Ressourcen oder dem Zusammenbruch ganzer landwirtschaftlicher Systeme. Mit der Erderwärmung und Naturzerstörung verstärken sich die sozialen Ungleichheiten. Zeitlich und räumlich sind die Auswirkungen der ökologischen Krise nämlich äußerst ungerecht verteilt. Wüstenzonen, tiefliegende Inseln und Küstengebiete oder bevölkerungsreiche Flussdeltas sind viel stärker betroffen als die Länder des globalen Nordens, zumal sie sich in der Regel kaum schützen können. Der Ruf nach Anpassung an den Klimawandel ist in vielen armen Weltregionen eine realitätsferne Forderung.
»Hundert Jahre ist es her, dass mit dem Waffenstillstand von Compiègne der Erste Weltkrieg zu Ende ging. Aus heutiger Sicht sehen wir auch, wie daraus spätere Kriege, zum Beispiel im Nahen Osten, und Nationalismen, zum Beispiel in Europa, genährt wurden und werden. Jetzt stehen wir vor einer neuen Aufrüstungswelle. Diesen Gruppendruck zur Aufrüstung, der in der Nato herrscht, darf die Bundesregierung nicht übernehmen.«
Wiltrud Rösch-Metzler, Pax Christi
Dabei sehen wir schon heute fast täglich die Bilder über das Elend wuchernder Armutsviertel und riesiger Slums, sich ausbreitende Zonen des Hungers und eine wachsende Zahl von Flüchtlingen, die ihre Heimat verloren haben. Aus anhaltendem Bevölkerungswachstum, insbesondere in Afrika, modularem Hyperkonsum und nachholender Industrialisierung, Öl- und Wasserpeaks und wachsender Ungleichheit in den Lebenschancen können schon in wenigen Jahrzehnten negative Synergien erwachsen, deren Folgen jenseits unserer Vorstellungskraft liegen. Die Spaltung der Welt wird tiefer.
Die alten und neuen Bedrohungen werden auf zahlreichen Konferenzen, Tagungen und in unzähligen Veröffentlichungen deutlich beschrieben. Daran mangelt es nicht. Zur Verschleierung wird deshalb die Aufrüstung der Bundeswehr als »notwendige Ausrüstung zum Schutz der eigenen Soldaten« hingestellt. Überzeugend ist das nicht für ein Land, das auf weltweit Rang acht der Rüstungsausgaben steht.
Ende des INF-Vertrages – Ende der Vernunft
Mit der Demontage des INF-Vertrages, der von Michail Gorbatschow und Ronald Reagan am 8. Dezember 1987 unterzeichnet worden war, kollabiert ein zentraler Grundpfeiler der europäischen Sicherheitsordnung. Damals galt die Angst besonders den Mittelstreckenraketen, die in kurzer Zeit ihr Ziel erreichen können und sich deshalb nur schwer abfangen lassen. Sie gelten deshalb vorrangig als Erstschlagwaffen. Militärstrategen spekulierten damals sogar offen mit der Möglichkeit begrenzter atomarer Konflikte.
Die INF-Vereinbarung war ein mutiger Durchbruch. Sie zur Abrüstung von über 2 600 landgestützten nuklearen Mittelstreckenraketen und Marschflugkörpern mit einer Reichweite von 500 bis 5 500 Kilometern sowie den dazugehörigen Abschussvorrichtungen. Der INF-Vertrag, der zur Verschrottung einer ganzen Kategorie von Atomwaffen, also zu realer Abrüstung geführt hat, ist ein Erfolg, aber auch ein Vermächtnis der Friedensbewegung. Er war ein großer Schritt zu mehr Vernunft im Nuklearzeitalter, der jetzt zurückgenommen werden soll.
In den letzten Jahrzehnten verhinderte das Abkommen, dass sich die halbe Welt mit Atomwaffen ausrüstete, wofür die USA und die Sowjetunion im Gegenzug Abrüstung versprachen. Neun Staaten – die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan Israel und Nordkorea – verfügen heute über 14 465 Atomwaffen.
»In einer solch beknackten Welt braucht es eine mächtige Friedensbewegung.
[…] Das Wort Abrüstung habe ich lange nicht mehr gehört.«
Udo Lindenberg, Sänger und Maler
Die Regierungen in Washington und Moskau werfen sich gegenseitig vor, den Vertrag zu verletzen. Vermutungen werden zu Tatsachen gemacht. Entscheidend ist, dass diese Fragen nicht auf dem vertraglich geregelten Weg in einer entsprechenden Kommission geklärt werden. Es gab nicht einmal den Versuch dazu und auch nicht den Willen, das russische Angebot zu akzeptieren, die fraglichen Waffensysteme vor Ort zu inspizieren. Stattdessen wurde die rhetorische Dosis militärischer Kraftmeierei gesteigert. US-Präsident Trump kündigte an, massiv in eine Raketenabwehr im Weltraum zu investieren. Im Auftrag der Air Force arbeiten amerikanische Rüstungsriesen wie Lockheed an Hyperschallwaffen mit bis zu zwanzigfacher Schallgeschwindigkeit. Russland konterte mit den Tests der »Awangard«-Rakete, die ebenfalls bis zu Mach 20 erreichen soll.
In dieser Auseinandersetzung spielen die EU-Staaten, die lange Zeit die Gefahr nicht wahrhaben wollten, bisher kaum eine Rolle. Sie halten nicht wirklich dagegen, die atomare Aufrüstung zu stoppen. Die Bundeskanzlerin versuchte in einem Gespräch mit US-Präsident Trump am Rande der G-20 Konferenz in Buenos Aires vor allem Zeit zu gewinnen, wobei auch sie Russland für das Scheitern des INF-Vertrages verantwortlich macht.
Friedens- und Entspannungspolitik sieht anders aus. Das Ende des INF-Vertrages wäre vorerst das Ende der internationalen Abrüstungs- und Rüstungskontrollpolitik, die Europa und die Welt ein Stück sicherer gemacht haben. Die Unvernunft kehrt zurück, als ob die Erinnerung daran verloren gegangen ist, was die Atombombe bedeutet, welches Elend und welcher Schrecken mit ihr verbunden ist und welch großer Anstrengungen es bedarf, sie zu verschrotten. Obwohl 122 Länder den Besitz von Atomwaffen in der UNO geächtet haben, beginnt das Spiel mit dem Feuer erneut.
Wie regieren die europäischen NATO-Staaten? Der Generalsekretär und frühere norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg, forderte Russland auf, »wieder vertragskonform zu werden« und kündigte zugleich an, dass die NATO sich bereits auf den Ernstfall vorbereite. Die NATO habe nicht die Absicht, neue landgestützte Raketen in Europa zu stationieren.
Aber im politischen Raum werden die Rufe nach Aufrüstung lauter. CDU-Europaabgeordneter Elmar Brock und der CDU-Verteidigungsexperte im Bundestag, Roderich Kiesewetter, schließen die nukleare Option, eine neue Runde atomarer Nachrüstung in Europa, nicht aus. Auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen spielt mit dem Gedanken einer atomaren Aufrüstung: »Gerade weil wir am Anfang der Diskussion stehen, ist es eben wichtig, dass wir jetzt nicht anfangen, zu hierarchisieren oder einzelne Punkte rauszunehmen, sondern wirklich die ganze Palette mit auf den Tisch liegen lassen.«¹⁶
Was heißt das? In welchem Land sollen die atomaren Waffensysteme stationiert werden? Knüpft Frau von der Leyen vielleicht auch an die Überlegungen von Konrad Adenauer und Franz-Josef Strauß an, die Mitte der Fünfzigerjahre Deutschland zur Nuklearmacht machen wollten, weil sie den USA als militärischer Schutzmacht nicht trauten? Damals protestierten die »Göttinger Achtzehn«¹⁷ mit ihrem Manifest vom 12. April 1957 erfolgreich gegen diese Pläne. Darin hieß es: »Für die Entwicklungsmöglichkeit der lebensausrottenden Wirkung der strategischen Atomwaffen ist keine natürliche Grenze bekannt. Heute kann eine taktische Atombombe eine kleinere Stadt zerstören, eine Wasserstoffbombe aber einen Landstrich von der Größe des Ruhrgebietes zeitweilig unbewohnbar machen. Durch Verbreitung von Radioaktivität könnte man mit Wasserstoffbomben die Bevölkerung der Bundesrepublik wahrscheinlich schon heute ausrotten. Wir kennen keine technische Möglichkeit, große Bevölkerungsmengen vor dieser Gefahr sicher zu schützen.«¹⁸
Die Aufkündigung des INF-Vertrags hat auch gravierende Folgen für andere Abkommen der Rüstungskontrolle. Gefährdet ist insbesondere die Verlängerung des »New-Start«-Abkommens, das die strategische nukleare Stabilität zwischen den USA und Russland regeln soll. Die beiden Atomwaffengiganten verfügen über rund neunzig Prozent des nuklearen Arsenals, aber sie trauen sich gegenseitig so wenig wie in den Zeiten des Kalten Krieges. Nur wenn dieser Vertrag erhalten bleibt, kann die Tür für eine Welt ohne Atomwaffen geöffnet bleiben, doch die Weichen gestellt.
Der Grund für die amerikanische Haltung liegt in China, das bisher nicht in die Abrüstung der Mittelstreckenraketen einbezogen wurde, aber von Washington als wachsende Bedrohung angesehen wird. China rüstet auf, eine neue Weltmacht wächst heran. Damit droht sich das Kräftemessen zu erweitern. Das Ende des INF-Vertrages würde dann auch ein atomares Wettrüsten in Ostasien bedeuten, zu Lasten der Sicherheit. Vertragliche Regelungen gibt es ebenfalls nicht mit Indien, Korea, Pakistan und dem Iran. Überall, auch in Großbritannien, Frankreich und Israel, wird an neuen Waffensystemen geforscht und gearbeitet, auch an Sprengköpfen, mobilen Abschussrampen und Cyberwaffen, die das eigene Arsenal stärken und das gegnerische ausschalten sollen.
Die Friedensbewegung muss klar machen, wie groß die Gefahr der atomaren Hochrüstung ist. Die Ideen von Rüstungskontrolle, Abrüsten statt Aufrüsten und Sicherheitspartnerschaft sind nicht überholt. Um den INF-Vertrag zu retten, muss ein transparentes Kontrollverfahren über die wechselseitigen Vorwürfe eingeleitet werden. Vor allem die EU-Staaten müssen Druck machen, damit der INF-Vertrag eine Zukunft hat.
Der Fetisch der Aufrüstung
Wenn höchste Repräsentanten unseres Staates fordern, »Deutschland muss mehr Verantwortung übernehmen«, dann meinen sie damit meist, dass die Militärausgaben drastisch gesteigert werden müssen. Die Grundlage ist der rechtlich nicht verbindliche, aber von den Regierungen der NATO-Staaten akzeptierte Beschluss, die Ausgaben auf jährlich mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen, ein Fetisch, der keinen