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Mit Märchen zum Glück
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eBook167 Seiten1 Stunde

Mit Märchen zum Glück

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Über dieses E-Book

Jedes Leben ist ein Märchen. Es erzählt, wie Menschen ringen, Not durchleben und heilsame Wege finden, die zu einem glücklichen Ende führen. Lebenswahrheiten wollen weitergegeben werden, wollen ermutigen und Lösungen bieten.
Diese Geschichten sind wie ein Mosaik aus silbergrauen Steinen, gesammelt in einem langen Leben, eingetaucht in Märchenfarben.
SpracheDeutsch
Herausgebernet-Verlag
Erscheinungsdatum10. Dez. 2021
ISBN9783957203267
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    Buchvorschau

    Mit Märchen zum Glück - Helena Beuchert

    Vom König mit der dünnen Haut

    Es ist noch gar nicht lange her, da lebte einmal ein junger König, der regierte sein Reich klug und gütig. Alle Bewohner hatten ein sattes Auskommen, und die bunten Märkte waren bis über die Grenzen berühmt. Doch der König war mit einer dünnen Haut in die Welt geboren worden. Jeder missgünstige Gedanke, jede zornige Verwünschung traf ihn und schlüpfte ihm unter die Haut. Jede abfällige Bemerkung zeichnete sein Gesicht. Besonders an den Festtagen, an denen der König von der Balustrade herunter zu seinem Volk sprach, setzten ihm die Spitzen der Neider zu. Auch wenn er mit der Kutsche die Wachparade abfuhr, trafen ihn die ausgespuckten Nadeln. Manche hatten sogar Widerhaken und krallten sich fest.

    Nach jedem öffentlichen Auftritt suchten ihn seine Getreuen am ganzen Körper nach diesen gemeinen Spitzen ab.

    Die treuesten Diener wussten von den Wunden, die seinen Körper zeichneten. Er selbst verbarg den Makel und ließ sich auf jeden Mantel einen hohen Kragen schneidern. Doch nach und nach verlor der König die Freude an der Begegnung mit Menschen und zog sich immer mehr zurück. Im Schloss wurde es still, so still, dass die Wachen miteinander flüsterten, wenn sie einen Befehl weitergaben.

    Dann und wann hob der König einen Vorhang und schaute hinaus in den grünenden Garten. Aber selbst zum Herumspazieren in der Blütenpracht hatte er keine Lust mehr.

    Viele Menschen vermissten den König und trauerten mit ihm. Wer über den großen Platz vor dem Palast ging, schaute zu den Fenstern hinauf, als könne er den König herbeizaubern. Doch dieser ließ sich nicht sehen. Das fröhliche Geschrei und laute Feilschen auf den Märkten wich ruhigen Geschäften, und alle gingen eilig wieder nach Hause.

    Eine Imkerin, deren Familie schon seit Menschengedenken einen Honigstand am Rand des Marktes unterhielt, spürte die Veränderung im Volk. Oft dachte sie darüber nach, wie sie dem König helfen könne.

    Sie hatte eine schöne Tochter. Die lachte so glockenhell und unbeschwert, dass es eine reine Freude war. Oft kamen Händler und Handwerksburschen nur an den Stand, um das Mädchen lange ansehen zu können, und kauften mehr Ware, als sie brauchten. Da packte die Mutter eines Morgens einen großen Henkelkorb voller Töpfchen feinsten Blütenhonigs und schickte die Tochter damit zum Palast: Sie solle dem Koch doch ein paar Kostproben darbieten.

    Dieser ließ sich verzaubern und bat sie in die Küche, wie es sonst nicht seine Art war.

    Und alsbald schallte glucksendes Lachen durchs Haus – so unbeschwert fröhlich und frei, wie es lange nicht mehr im Schloss zu hören gewesen war.

    Der König vernahm es, ging dem Lachen entgegen und kam in die Küche. Da stand die junge Imkerin und scherzte mit dem Koch. Voll Grazie ließ sie gerade alle Küchenjungen der Reihe nach von dem köstlichen Bienensaft probieren.

    Unbefangen bot sie auch dem König einen Löffel voll an. Und er ließ sich verführen, genoss den Honig und lächelte dem Mädchen zu. Dann wies er den Koch an, die ganze Ware zu kaufen, und bat die junge Frau, doch morgen neue Töpfe zu bringen.

    Alle im Schloss erstaunten sich über ihren König.

    Den ganzen Tag über und die halbe Nacht lief er von Fenster zu Fenster, schaute gedankenverloren hinaus und summte vor sich hin.

    Auch musste ihm der Koch immer wieder neue Honigschälchen bringen, die er genüsslich mit dem Finger ausschleckte.

    Schon lange bevor die Imkerin wiederkam, saß er in der Küche, sprach mit dem Koch über dies und das und schaute unverwandt zur Tür.

    Dann war sie endlich da mit ihrem glockenhellen Lachen und ihrer köstlichen Fracht. Der König wusste selbst nicht, wie ihm geschah. Er fasste sie an der Hand und führte sie hinauf in seine Gemächer. Strahlend zeigte er ihr alle Kammern und die prachtvollen Säle. Gemeinsam zogen sie die Vorhänge in jedem Zimmer zurück und winkten den Menschen zu, die über den Platz gingen.

    Am Mittag musste sie an seiner Seite an der Tafel sitzen, und dann wanderten sie gemeinsam im Schlossgarten auf und ab. Die Diener hörten ihn dabei aus der Ferne reden, als würde er der jungen Frau sein ganzes Leben zu Füßen legen.

    Als die Imkerin sich am Abend verabschiedete, war dem König ein glückliches Lächeln ins Gesicht gegraben. Sie dagegen war still und nachdenklich geworden.

    »Ob er ihr von seinem Makel erzählt hat?«, raunten sich die Diener zu. »Hoffentlich kommt sie wieder, damit er lachen kann!«

    »Vielleicht weiß sie einen Rat und kann ihm helfen?«

    Alle im Schloss waren voll banger Unruhe in dieser Nacht. Nur der König hatte einen wunderbaren Traum und zog die schöne Imkerin gleich in sein Zimmer, als sie am Morgen wiederkam.

    Und dann hörten die Diener, die vor der Tür lauschten, die beiden flüstern, kichern und lauthals lachen, bis sie irgendwann Hand in Hand zur Tür herauskamen.

    »Schafft alle Honigtöpfe aus der Küche herbei!«, befahl der König mit fester Stimme. »Bevor ich zur Wachparade ziehe oder eine Rede halte, möchte ich, dass ihr umhergeht und allen ein Schälchen Honig serviert! Geizt nicht mit der köstlichen Gabe! Frauen, Männer und Kinder – alle, die in meine Nähe kommen, sollen süße Lippen bekommen. Wenn einer sein Maul aufreißt, dann stopft es ihm mit Honig!«

    Und so wurde es gemacht. Zwar konnte keiner aus dem Volk den seltsamen Befehl verstehen, aber der Honig schmeckte ausgezeichnet.

    Wer dabei war, eine gemeine Spitze auf den König loszuspucken, dem blieben die Nadeln im Honig hängen und piksten ihn selbst. Die Neider verschluckten sich an der seltsamen Mischung von galliger Missgunst und pappsüßem Honig und husteten, was das Zeug hielt. Den ewigen Nörglern rutschten die stachligen Kommentare mit dem Honig in den eigenen Hals zurück. Immer weniger Nadelstiche trafen den König, obwohl er den Menschen so nah war, wie er es liebte.

    Und noch ehe die Herbstnebel ins Land zogen, heirateten die schöne Imkerin und der König. Sie waren ein inniges Paar und wurden sehr glücklich.

    Für all die Bosheiten, die den König weiterhin verletzten, ersann die junge Königin ein Rezept: Sie rührte einen Löffel Honig sämig, ließ dann den König drei Mal kräftig hineinspucken und strich ihm diese Salbe auf seine Wunden. So heilten sie im Handumdrehen.

    Und wenn die beiden nicht gestorben sind, dann regieren sie heute noch mit großer Weisheit und vielen Honigtöpfen.

    Wie die Pause ins Haus kam

    Es ist noch gar nicht lange her, da lebte einmal ein Mädchen, das war durchscheinend blass und kümmerte klaglos vor sich hin. Und wären die Winter nicht ins Land gekommen – wer weiß.

    Schon als es zur Welt kam, rutschte es leicht, fast nebenbei, aus dem Muttermund. Die Hebamme, die gerade am Fenster stand und eine Tasse Kaffee trank, bemerkte es nur, weil es zu wimmern begann. »Da haben wir ja unsere kleine Pause«, sagte sie peinlich berührt.

    Die Eltern, die sich noch nicht Mühe gemacht hatten, einen Namen zu finden, griffen die Bemerkung auf. »Wir haben eine kleine Pauseline bekommen«, erzählten sie überall.

    Und das war wirklich so. Immer, wenn das Mädchen weinte, konnte die Mutter eine Pause von der schweren Feldarbeit machen und es stillen. Sie stillte es lange, sehr lange, denn die Kleine wollte nicht recht gedeihen.

    Sorgenvoll blickte die Großmutter in die Wiege.

    Im Winter, wenn sich alle zurück ins warme Haus zogen, blühte die kleine Pause auf. Die Männer bosselten an den Gerätschaften in der Scheune und gönnten sich so manchen Plausch. Die Frauen stopften Socken, nähten neue Kragen an die Arbeitshemden und sangen dabei Kirchenlieder.

    Pauseline trug ihre Puppe von einem Stuhl zum anderen und bettete sie in weiche Sofakissen. Sie saugte all das fröhliche Geplauder, das monotone Klopfen und Kleppern, in sich auf wie Honigmilch. Manchmal nickte sie mit allen zusammen in ein Mittagsschläfchen ein und wachte erquickt wieder auf.

    Der Vater spielte am Feierabend mit seinem Mädchen Hoppe-hoppe-Reiter auf den Knien. Nur der Großvater äugte unruhig zum Nachbar-Hof hinüber, der verlassen dalag.

    Im Frühjahr kaufte ihn der Vater. Jetzt waren sie Großbauern und angesehen im Dorf. Doch nicht nur ihr Ansehen, auch ihre Arbeit verdoppelte sich. Waren sie bisher schon alle ausgelastet, so überrollte sie jetzt eine Flut von Pflichten.

    Schon im März rüsteten sich alle zur Feldarbeit. Der alte Bauer gab Befehle, denen keiner widersprach. Die kleine Pause wurde hin- und hergeschubst – keiner wollte sie mehr haben.

    »Von nichts kommt nichts«, schnauzte der Großvater und trieb die Familie von morgens bis abends zum Schaffen an. Selbst am Sonntag mied er den flehenden Blick von Pauseline und hielt alle an, in Haus und Scheune – versteckt vor den Leuten – weiterzuwerkeln.

    Da lief sie fort, lief, so schnell ihre dünnen Beine sie trugen, lief den ganzen Tag und schlief erschöpft am Wegrand ein. Eine Spinne krabbelte über sie hinweg und begann, in ihrer Armbeuge ein Nest zu weben. Vögel hopsten pickend um sie herum. Pauseline rührte sich nicht.

    Ein Wanderbursche, der pfeifend des Weges kam, beugte sich am Morgen über sie, fühlte, dass sie atmete, und streichelte ihr zart übers Gesicht.

    Erstaunt schlug sie die Augen auf und lächelte.

    Er gab ihr zu essen und zu trinken, setzte sich neben sie und fragte nach dem Woher und Wohin.

    Da färbten sich ihre Wangen rot und füllten sich wieder mit Leben. Hand in Hand gingen sie weiter. Wenn Pauseline müde wurde, trug sie der Bursche ein Stückchen auf seinen Schultern und trällerte ein Wanderlied dabei.

    So kamen sie an ein Stadttor. »Hier müssen wir Abschied voneinander nehmen«, sagte er, »drinnen wartet bei einem Meister viel Arbeit auf mich.«

    »Aber ich könnte mich doch in eine Ecke der Werkstatt setzen und warten, bis du eine Pause machen kannst, oder Feierabend hast«, bettelte die Kleine.

    Doch der Bursche blieb fest: »Es wird nicht gerne gesehen, wenn ich gleich mit einem Pausenwunsch ins Haus falle. Ich muss mir meinen Feierabend erst verdienen.«

    Traurig kauerte Pauseline sich in eine Nische der Stadtmauer.

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