Leidenschaft für Menschenwürde und Frieden in Europa: Versöhnung - Solidarität - Inklusion
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Buchvorschau
Leidenschaft für Menschenwürde und Frieden in Europa - Theobald Rieth SJ
Theobald Rieth SJ
Leidenschaft für Menschenwürde und Frieden in Europa
Versöhnung – Solidarität – Inklusion
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über
http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-95894-028-4 (Print) / 978-3-95894-029-1 (E-Book)
Redaktion: Kerstin Pahl, Katharina Fenner, Andrea Pistor, Alexander Schug, Maria-Luise Bayer
© Copyright: Omnino Verlag, Berlin / 2016
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
Alle Bilder Theobald Rieth oder privat, wenn nicht anders in den Bildunterschriften vermerkt.
Die Veröffentlichung des Buches haben unterstützt:
Jan van Aaken, Claudia Abt, Sophie Anca, Familie Ballhausen, Maria-Luise Bayer, Matthias Bayer, Thomas Bedorf, Jan Bessling, Margarete v. d. Borch, Dagmar Caspers, Gregor Delvaux de Fenffe, Katharina Fenner, Bernd Geldmacher, Tobias Gerken, Lorenz Gessner, Julia Häcker, Tina Hoffmeister, Ove Kähler, Maria Kaplan, Bjoern Neal Kirchner, Renate Krähmer-Klein, Martina Kohlhaas, Familie Kolfenbach, Nils Kreimeier, Daniel Köster, Alexander Laur, Roland Meyer, Wolfgang Mirlach, Lutz Müller, Axel Müller-Hofvenschioeld, Kerstin Pahl, Andrea Pistor, Burkhard Seif, Alexander Schug, Bernhard G. Schütz, Gunnar Wälzholz
Inhalt
Vorwort von Maria-Luise Bayer
Editorische Anmerkungen
Einleitung von Theobald Rieth SJ
Teil 1
Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner, 1944 – 1954 und Vorgeschichte
Teil 2
Ideen und Taten für solidarisches Handeln, Leben in Freiheit und Demokratie, 1954 – 2008
Teil 3
Inklusion sozialer und ethnischer Minderheiten in Europa, 2008 – 2014
Schlusswort zur Trilogie
Anhang
Vorwort von Maria-Luise Bayer
Als ich gebeten wurde, ein Vorwort zu diesem Werk zu schreiben, habe ich zunächst abgelehnt mit der Begründung, dass ich es nicht kann. Erst danach fiel mir ein Wort von Pater Rieth SJ ein, das er häufig auch zu Jugendlichen sagte, wenn sie Angst hatten, sich an neue Dinge zu wagen: „Sag nicht, das kann ich nicht, sondern das kann ich NOCH nicht."
Und so möchte ich den Versuch wagen, etwas zu schreiben – auch aus Dankbarkeit für alles, was ich bei P. Rieth lernen durfte und was er für junge Menschen bis zu seinem Lebensende getan hat.
Seit ich 1986 in der Arbeitsstelle der Jesuiten im Bistum Aachen meine Tätigkeit begann, erlebte ich P. Rieth immer als den rast- und ruhelosen Menschen, der viel von seinen Mitarbeiter/innen verlangte, der sich aber selbst auch nicht schonte, wenn es darum ging, für Frieden und Versöhnung einzutreten und jungen Menschen, vor allem auch Benachteiligten, neue Horizonte und Zukunft zu eröffnen.
Die Tatsache, dass er mehrere Herzinfarkte und zwei Schlaganfälle überlebte, war für ihn ein Zeichen, dass Gott von ihm noch mehr Eifer und Einsatz erwartete. So war es für ihn immer auch ein Anliegen, junge Menschen zum Nachdenken zu führen, ihnen die Augen für die Not der Mitmenschen zu öffnen, sie zum mitmenschlichen Handeln und zur Solidarität anzuregen und sie vor allem immuner zu machen gegen Indoktrination und Gewalt. Das Eintreten für Menschenwürde und die Menschenrechte bedeuteten ihm sehr viel.
So wollte er auch junge Menschen davor bewahren, in eine ähnliche Situation zu geraten, in die er selbst vor und während des 2. Weltkrieges kam.
Nach seinen Schlaganfällen 2003 mit linksseitiger Lähmung begann eine Zeit, in der er sehr häufig Alpträume hatte; er erlebte in seinen Träumen erneut die Grausamkeiten des Krieges und seine eigenen Taten, in die er als 18-Jähriger getrieben wurde.
Er las in dieser Zeit viele Kriegsberichte und verfolgte Dokumentarfilme im Fernsehen, um noch mehr über die Geschehnisse im Krieg und deren Hintergründe zu erfahren. Vieles hatte er als Jugendlicher damals nicht gewusst.
Erst 2007 wurde er etwas ruhiger, als er von einer Mitarbeiterin des Volksbundes Deutscher Kriegsgräberfürsorge gebeten wurde, ihr für ihre Diplomarbeit zu erzählen, wie er dazu gekommen ist, nach dem Krieg mit der Jugendarbeit auf Soldatenfriedhöfen zu beginnen. Auf der Grundlage dieser Interviews begann er, seine Kindheitserinnerungen und vor allem seine Erfahrungen als Jugendlicher und junger Erwachsener im Krieg niederzuschreiben. Ich bemerkte, wie dadurch eine Last von ihm abzufallen begann und auch seine Alpträume weniger wurden, die ihn allerdings noch bis zu seinem Lebensende begleiteten.
Da wir 2008 von Aachen nach Lohhof/Mindelheim umziehen mussten, und er seine Kräfte für den Aufbau der Jugendarbeit im neuen Umfeld einsetzte, blieben seine schriftlichen Lebenserinnerungen beim Stand 1959, seiner Priesterweihe, stehen. Erst Ende 2009 erstellte er eine Kurzfassung über sein Leben und seine Projekte unter dem Titel „65 Jahre Engagement für Versöhnung und Frieden, 1944 – 2009". Im Vorwort dazu schreibt er u.a.: „Die nachfolgenden Wegmarken aus 65 Jahren meines Lebens zeigen, dass Entscheidungen fürs Leben ohne „Verliebt-sein ins Gelingen = Hoffnung" nicht tragen. … Lächelnd müssen wir in unserem Leben lernen, dass unsere Sprünge kürzer und das Tempo langsamer werden, aber dass Träume immer auch Impulse für die Zukunft geben. Diese Erfahrungen meines Lebens möchte ich anderen Menschen mitteilen, damit Versöhnung und Frieden auf Erden weiter wachsen."
Auf mehrfaches Bitten und Drängen von Freunden, sein Leben und seine Projekte auch ab 1959 so ausführlich wie die vorhergehenden Abschnitte zu beschreiben, begann er nach der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes in 2012 mit der Fortsetzung seiner Lebenserinnerungen, auch in Dankbarkeit gegenüber den vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ohne die er seine Projekte nicht hätte verwirklichen können.
So begann er, seine Lebenserfahrungen einschließlich der Vorgeschichte über seine Kindheit und Jugend in einer Trilogie mit den drei Sinnkreisen
1944 – 1954: Frieden durch Versöhnung ehemaliger Kriegsgegner
1954 – 2008: Frieden durch Solidarität unter Freunden, Solidarisch handeln
2008 – 2014: Frieden durch Inklusion sozialer und ethnischer Minderheiten in Europa
zusammenzufassen. Leider konnte er das Gesamtwerk wegen technischer Probleme nicht mehr schriftlich in Händen halten und so auch keine Korrekturen oder Veränderungen anbringen.
Ich bin daher den ehemaligen Friedensdienstleistenden, die von sich aus die Idee hatten, das Lebenswerk von P. Rieth SJ in einem Buch zu veröffentlichen, sehr dankbar, dass sie quasi stellvertretend für ihn Korrekturlesen, auch dankbar dafür, dass sie versuchen, mit der Veröffentlichung dieses Werks auf die Aufgabe jedes Einzelnen hinzuweisen, die Pater Rieth mit seinem jahrzehntelangen Engagement aufzeigen wollte: Menschen und Völker miteinander verbinden, Brücken bauen und dort sein, wo wir gebraucht werden, vor allem bei den Schwächsten in unserer Gesellschaft.
Maria-Luise Bayer
Editorische Anmerkungen
Der vorliegende Text ist ein Fragment. Wer eine in sich geschlossene Erzählung erwartet, wird vielleicht enttäuscht sein. Aber die Summe der Gedankensplitter, klugen Worte und Rückblicke stellt dennoch eine facettenreiche Collage dar, die zusammengenommen ein Bild ergibt: das eines jungen Mannes, der begeistert in den Krieg Hitlers zog. Der grausame Bilder in seinem Kopf hatte – und sie nie wieder los wurde. Der es sich danach zur Lebensaufgabe machte, seine Lehren daraus zu ziehen und sie jungen Menschen weiterzugeben. Lehren über die Manipulation junger Menschen, Nationalismus, Rassismus, Krieg. Brücken zu bauen wurde ein zentrales Bild. Dieses Bild taucht durchgehend in seiner biografischen Skizze auf und ist das dominante Thema seiner Lebenserzählung. Man könnte meinen, dass das, was sich in dem folgenden Text darstellt, ein typisches Leben und typische Erfahrungshorizonte des 20. Jahrhunderts sind. Geschichte. Überwunden. Bald in Vergessenheit geraten. Aber Theobald Rieths biografische Skizzen gehen weiter und sind nicht nur auf seine eigenen konkreten Erfahrungen bezogen. Die Grundprinzipien seines Handelns sind verallgemeinerbar – und auch heute noch aktuell. Das Wirken von Theobald Rieth, mit Leidenschaft für Menschenwürde und Frieden einzutreten, ist vorbildlich, auf jeden Fall inspirierend. Wer erkennt schon, was seine Aufgabe in dieser Welt ist, und wer ist in der Lage, sich dieser Aufgabe mit aller Hingabe bis zuletzt zu verschreiben?
Die vorliegenden Texte sind von einer Gruppe ehemaliger Friedensdienstleistender gelesen und behutsam redigiert worden. Die Eingriffe beziehen sich vor allem auf formale Aspekte. Teils sind Passagen gestrichen worden. Weggelassen wurden Texte, die nicht von Theobald Rieth selbst stammen, der seiner biografischen Skizze etliche Textfragmente anderer Autoren hinzufügte. Leitend für das Redigieren war jedoch die Idee, die Stimme Theos stärker herauszuarbeiten, ihn – und nicht andere – sprechen zu lassen. Was aus der biografischen Skizze herausgenommen wurde, fand Platz in einem neuen 2. Teil, dem Anhang, in dem Texte von Theo und anderen Autoren wie auch Gedichte und Nachrufe zusammengefügt wurden.
Die Bearbeiterinnen und Bearbeiter der vorliegenden Texte
Einleitung von Theobald Rieth SJ
Den 1. Teil der Dokumentation widme ich meinen verstorbenen Eltern und Brüdern, meinen Jugendfreunden und meiner Jugendfreundin, meinen toten Kameraden und den Toten ehemaliger Kriegsgegner sowie allen, die halfen, dass wir nach dem Krieg einander die Hände zur Versöhnung und zum Frieden reichten.
Den 2. Teil der Trilogie widme ich meinen deutschen und europäischen Mitbrüdern im Jesuitenorden sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei den Projekten.
Den 3. Teil der Trilogie widme ich den von den Nazis ermordeten Sinti und Roma und allen, die durch Wort und Tat Frieden stiften, und meiner Schwägerin Renate, die aus ihrer Heimat Schlesien vertrieben wurde und in Westdeutschland eine neue Heimat fand, sowie ihrer jung verstorbenen Tochter Simone.
Von den angeführten Projekten, die in Kriegserfahrungen und Widerstand gegen Hitler begründet sind und die ich seit 1946 initiierte, bestehen heute noch viele in anderer Trägerschaft. Einige endeten, weil die Situationen sich geändert hatten. Mit den aktuellen Projekten spüre ich, dass ich mit 88 Jahren meinem Lebensziel, junge Menschen für Menschenwürde und Frieden zu sensibilisieren, näher gekommen bin und es Zeit ist, Saat und Ernte Jüngeren anzuvertrauen.
Die Chronik habe ich erstellt, um Menschen zu ermutigen, auf die Berufung ihres Lebens zu hören und sie zu verwirklichen. Texte und Bilder folgen Situationen auf meinem Weg und geben Einblick in mein Handeln.
Wir können uns freuen, dass Momentaufnahmen so unterschiedlich, so unzulänglich und bruchstückhaft sind. Sie zeigen, dass wir alle unterwegs sind. Am Ziel werden wir sehen, ob Aussaat und Ernte gelungen sind.
Es ist gut zu spüren, dass auch dann eine Hand uns führt, wenn wir versagen: „Wenn unser Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles." (1 Joh. 3, 20). Diese Worte haben mich oft getragen, wenn ich am Verzweifeln war und aufgeben wollte.
Unsere Hoffnung (nach Ernst Bloch: „Verliebt sein ins Gelingen") darf