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Richtung Süden: Roman
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eBook68 Seiten59 Minuten

Richtung Süden: Roman

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Über dieses E-Book

Dieses Romandebüt in deutscher Sprache kommt einem Coup gleich! Sprachliche Erregung, nicht etwa, weil die Nerven angegriffen werden, sondern gesellschaftliche Zustände, die der namenlose Erzähler als Signale einer bedrohlichen Zukunft liest.
Die Zeitdiagnose, die er aus den Beobachtungen seines Umfelds zieht, ist radikal. Im Zentrum seiner Kritik steht der öffentliche wie private Gebrauch der Sprache: Sie bezeichnet nicht mehr, was ist, sondern redet die Wirklichkeit schön.
Das Mittelmeer etwa: Einst Symbol für die Schönheit einer über der blauen See sanft untergehenden Sonne, ist es zum kalten Friedhof ungezählter Menschen geworden, die nur eines wollten: überleben. Der, der hier spricht, kann und will die beiden Bilder nicht in eins bringen und über die zum Himmel schreiende Diskrepanz zwischen Illusion und Wirklichkeit nicht einfach hinwegblicken.
Und die namenlose Stadt, in der er lebt, gleicht inzwischen in derart vielen Punkten allen anderen Kleinstädten, dass die Wiederholung des zum wiederholten Male Gesehenen schlicht unerträglich dumm wirkt. Was tun? Was vor allem tun, wenn einem plötzlich, wie aus dem Nichts, eine Pistole zugeschoben wird? Amok laufen? Oder auf die Sprache mit Sprache reagieren? Lesen Sie selbst!
SpracheDeutsch
HerausgeberSecession Verlag
Erscheinungsdatum26. Feb. 2021
ISBN9783905951622
Richtung Süden: Roman

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    Buchvorschau

    Richtung Süden - Nils Trede

    Man kommt niemals an. Deshalb geht man auch nirgends hin. Und das stimmt nicht. Man geht zumindest los. Wenn man auch nicht ankommt. Es ist zum Wahnsinnigwerden. Dieses Fragen ohne Antworten. Dieses Reisen ohne Ziel. Man müsste das alles einmal wieder zurechtrücken. Sprachlich ausrückend zurechtrücken. Wir müssten die Welt und uns selbst ganz neu erfinden, uns selbst und die Welt ganz neu ansprechen, bevor wir wieder in Aktion treten können.

    Auf dem Hauptplatz an den kahlen Bäumen entlanglaufen, unter grauem Himmel, in trüber Februarluft. Straßenbahn links. Der schrille Signalton beim Türschluss. Einmal etwas Wichtiges festhalten: Rousseau hat es doch sehr treffend ausgedrückt:

    Verrecke. Mir geht es gut.

    Sagt derjenige, der wohlgenährt und zufrieden an einem am Boden dahinsiechenden Mitmenschen vorübergeht. Wenn du wüsstest, wie sehr du mich neulich schockiert hast. Mit deiner obszönen Bemerkung. Die sich ganz ähnlich angehört hat wie der Rousseau’sche Satz. Ströme im Sturm der Haustür entgegen, eiskalter Wind fegt über den Kathedralplatz. Kenne jemanden, der behauptet, nur ein Wahn könne die Menschen dazu bringen, für einen Glauben ein solches Gebäude zu errichten. Und ich behaupte noch etwas ganz anderes: Dass nämlich der Fleischer suizidgefährdet ist. Der, der fünfzig Meter weiter unten in unserem Viertel seinen Laden hat. Das sieht man ihm an. Vielleicht nicht auf den ersten Blick, aber man sieht es ihm an. Und ich frage mich, ob man ihn einmal darauf ansprechen sollte?

    Verdammt. Gleich wird es ein Problem geben. Wenn ich mit leeren Händen zuhause auftauche, wird es ein großes … wusste ich es doch. Alexandra kommt mir bereits entgegen.

    - Hast du die Einkäufe gemacht?

    - Nein, hab’ ich nicht. Die Einkäufe werden doch ohnehin immer gemacht. Eher früher als später und zu viele sowieso.

    - Was ist los mit dir? Warum redest du so? Stimmt etwas nicht?

    - Alexandra. Hör mir zu! Ich muss dir etwas sagen. Etwas Wichtiges. Das hast du ja auch bemerkt.

    Dass ich seit einiger Zeit immer raus muss, mich immer bewegen, immer durch die Straßen ziehen muss. Das ist so, weil, Alexandra! Hör mir zu: Unheil naht. Großes Unheil. Europa wird bald wieder in Schutt und Asche liegen. Krieg wird ausbrechen, Chaos unser Leben beherrschen. Bald wird es so weit sein. Außer es gelingt uns, noch rechtzeitig umzusteuern und die Gesellschaft auf dem Fundament der Zwischenmenschlichkeit und Nächstenliebe neu zu errichten. Sonst wird das alles sehr böse enden. Sehr bald, sehr böse. Warum sagt niemand etwas? Wo kommt das her? Das schweigende Ansehen des Schlimmen? Krieg, Alexandra, Krieg! Ein Krieg naht!

    Die Kinder streiten sich mal wieder. Bestimmt sind sie übermüdet. Der Kleine wirft sich auf den Boden, mitten in der Küche. Denkt, dass er damit etwas erreichen werde. Komm, steh auf, Simon!, sage ich zu ihm. Ich liebe dich. Da steht er auch schon wieder auf. Was ich sagen wollte: Es bestehen Zusammenhänge. Zusammenhänge zwischen meinem Reden und dem Zustand der Welt. In dem Fakt, dass es uns beiden nicht gerade gut geht. Darin bestehen Zusammenhänge. Aber materielles Ausrücken, das kannst du vergessen. Deswegen ja sprachliches Ausrücken. Es ist die einzige Möglichkeit. Die letzte Chance. Noch zwei Stunden im Internet surfen, ein Bier kippen, dann vor den Spiegel treten. Wieder in der Sackbauchphase. Wie jeden Februar. Verläuft phasenweise. Nach der Sackbauchphase kommt die Brettbauchphase. Bis zum Phasenwechsel wird wohl noch etwas Zeit vergehen. Vielleicht schon einmal anfangen. Auf den Boden legen und immer schön rauf und runter. In der Hüfte, eins, zwei … vergiss es. Dann eben Sackbauch.

    Am nächsten Morgen wieder raus in die Stadt. Möwen flattern über dem aufgequollenen Wasser des Flusses. Auf den Bus warten, in einem schäbigen Glaskasten, Telefonzellen gegenüber, verblichene Scheiben, Wasserlachen unter den nackten Bäumen, aufgeweichte Zigarettenstummel auf dem hartgedrückten Boden. Bus kommt an. Runter in die Unterführung, raus aus der Unterführung. Ibis, C&A. Jemand schrubbt das große, auf die Fassade gepappte Plastiklogo. Die Hotelfassade … wie? Ist aus H-förmigen Betonsegmenten zusammengestückt. Vor dem Hotel eine Skulptur: Fußgänger schreitet auf einer schrägstehenden Metallstange dem Himmel entgegen. Sowohl in dieser als auch in dieser und jener anderen Stadt. Ist wie Nordsee und KFC. Gibt es auch überall. Oder Tschibo. Mein Gott, wie ermüdend das ist. Das Wiederholen der Wiederholungen. Das wiederholte Anblicken des bereits zum wiederholten Male Gesehenen. Materielles Ausrücken wird in dieser Situation nicht möglich sein. Schalte einmal die Maschine ab! Ja, du. Schalte sie ab und mache an! Mache an und wähle ein Wort. Eines, das sich auf die Welt und auf die Menschen bezieht. Versuche, es zu setzen. Du wirst sehn, es wird nicht gehen. Es wird seinen Sinn nicht entfalten können. Denn du wirst es, sowie es aufgetaucht ist, unter dem Schutt deiner Vorgeschichte sogleich wieder verschwinden lassen. Wie die Bienen sollte man es machen. Sich gemeinsam, mit Achtung füreinander, organisieren. Jeder für jeden und mit zwischenindividueller Wärme. Mit wärmenden, reaktionsfreudigen Materialien. Anstelle kalter Platten. Bus hält an, fährt weiter. Naga Manell – Beratung und Coaching. Steht auf einem Schild über einer Klingel. Litfaßsäule, pummelige Walze mit braungrüner Stahlkappe oben drauf. Dass niemand auf die Idee kommt, diese zu entfernen.

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