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Das Land
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eBook307 Seiten3 Stunden

Das Land

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Über dieses E-Book

Nach langem Aufenthalt im Ausland kommt Daniel nach Hause zurück. Er stellt rasch fest, dass es nicht mehr das Land von früher ist, zu vieles hat sich verändert. Grenzen wurden verschoben, das politische System ist ein anderes, viele Dinge des täglichen Lebens funktionieren anders als früher, offenbar besser. Er will den Dingen auf den Grund gehen, stellt viele Fragen – und mit den erhaltenen Antworten kommen neue Fragen. Eine Reihe alter und neuer Freunde unterstützt ihn dabei, Antworten zu finden. Dabei lernt er Annette kennen und lieben. Sie begleitet ihn zu einer wichtigen Ehrung seines Bruders. Dann endlich stellt er sich die entscheidende Frage: Soll ich bleiben?
SpracheDeutsch
Herausgebertredition
Erscheinungsdatum26. Juli 2022
ISBN9783347699052
Das Land
Autor

Robert Geller

Mein so genannter Brot-Beruf Banker und Betriebswirt hat mich zur Software-Entwicklung getrieben. Ich beschäftige mich seit gefühlten 100 Jahren mit der Entwicklung von Bank-Software. Privat treiben mich die Leichtathletik und das Laufen und als Autor kennt mich noch niemand. Das soll sich ändern. Ach so: mein Jahrgang = 1963

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    Buchvorschau

    Das Land - Robert Geller

    Cover-EBook

    Inhaltsverzeichnis

    Gebrauchsanweisung I

    Gebrauchsanweisung II (technisch)8

    Prolog

    1. Kapitel – Ankunft

    2. Kapitel – Erste Eindrücke

    3. Kapitel – Lektüre

    4. Kapitel – Kneipe I

    5. Kapitel – Orientieren

    6. Kapitel – Buchladen

    7. Kapitel – Annette

    8. Kapitel – Freunde

    9. Kapitel – Recherchen

    10. Kapitel – Der Zerfall

    11. Kapitel – Kirche

    12. Kapitel – Die neuen Gesetze

    13. Kapitel – Kneipe II

    14. Kapitel – Intermezzo

    15. Kapitel – Bahnfahrt

    16. Kapitel – Graz

    17. Kapitel – Stammtisch

    18. Kapitel – Technik und Italien

    19. Kapitel – Südtirol

    20. Kapitel – Meran

    21. Kapitel – Im Restaurant des Helden

    22. Kapitel – Szenenwechsel

    23. Kapitel – Holland

    24. Kapitel – Kleiner Bruder

    25. Kapitel – Resterampe

    26. Kapitel – Lüneburg

    27. Kapitel – Nach Berlin

    28. Kapitel – In Berlin I

    29. Kapitel – In Berlin II

    30. Kapitel – Abendessen

    31. Kapitel – Sightseeing

    32. Kapitel – Vorglühen

    33. Kapitel – Im Humboldt

    34. Kapitel – Festakt

    35. Kapitel – Nachwehen

    36. Kapitel – Pläne

    Personenregister

    Zeittafel

    Zitate

    Weiterschreiben

    Dank

    Robert Geller

    Titelei

    Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung „Impressumservice", Halenreie 40–44, 22359 Hamburg, Deutschland.

    © 2022 Robert Geller · robertgeller.de

    Lektorat: Büchermacherei · Ursula Hahnenberg · buechermacherei.de

    Covergestaltung: Chris Gilcher · buchcoverdesign.de

    Satz u. Layout / E-Book: Büchermacherei · Gabi Schmid · buechermacherei.de

    Bildquellen: Adobe Stock ID 330007381, Adobe Stock ID 213195534, Adobe Stock ID 73035994 und freepik.com

    Druck und Distribution im Auftrag des Autors: tredition GmbH, Halenreie 40–44, 22359 Hamburg, Germany

    ISBN Softcover: 978-3-347-69903-8

    ISBN Hardcover: 978-3-347-69904-5

    ISBN E-Book: 978-3-347-69905-2

    Den Idealisten gewidmet

    (zumindest den meisten)

    Gebrauchsanweisung I

    Es mag ungewöhnlich erscheinen, ein Buch mit einer Gebrauchsanweisung zu versehen. Ich tue es trotzdem, auch, um wesentliche Motive meinerseits aufzuzeigen.

    Dieses Buch enthält einen ganzen Reigen politischer und gesellschaftlicher Elemente, fiktiver Geschehnisse und Vorstellungen von einer politischen Organisation. Ich will damit nicht behaupten, so müsse es sein, so sei alles besser. Das möge jede / r selbst bewerten. Jedoch zeige ich mit dem Werk auf, wie es sein könnte; eventuell stelle ich sogar so etwas wie eine ideale Organisation vor. Das ist eben meine Sicht oder Spinnerei. Betrachtet man den medialen Mainstream, durch den einem ständig Gebrauchsanweisungen und dergleichen aufgenötigt werden, drängt sich in Bezug auf dieses Buch der Gedanke auf: warum eigentlich nicht?

    Damit bin ich beim Hauptmotiv meines Buches angelangt. Ich habe es als Gedicht gefasst – es ist mir einfach so aus der Feder (pardon: der Tastatur) geflossen:

    Denken

    Denke

    Ohne Verbote

    Auch über Eck

    Und abstrus

    Denke

    Das ist schon ein Ding mit dem Denken. Dazu gehört übrigens, zu Ende zu denken, nicht auf halber Strecke stehenzubleiben, nicht die kurzfristige, leider oft kurzsichtige, Lösung zu suchen. Eben nicht wie gestern und heute in der Politik und auch in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Maxime lautet: zu Ende denken!

    Ja, und eines noch: nicht alles glauben. Zumindest nicht im ersten Wurf. Erst mal hinterfragen. Ob mich da einer hinters Licht führen will, ob das überhaupt angehen kann, was der mir erzählt. Und schon bin ich wieder bei meinem Credo gelandet: Denken.

    Das soll genug der Gebrauchsanweisung sein, da jeder zusätzliche Text wieder eine Einschränkung beschriebe.

    Gebrauchsanweisung II (technisch)

    Wie ausgeführt versuche ich ein wenig, die Welt von morgen zu erklären. Damit stelle ich sehr viel aus der Jetzt-Zeit in Frage. Das sind aber eben auch die Fragen, die mich umtreiben. Ganz sicher hast Du, liebe Leserin, lieber Leser, ganz eigene Fragen. Daher habe ich eine Reihe von Notizmöglichkeiten eingefügt. Du findest hinter fast allen Tagebuch-Kapiteln mehrere linierte Zeilen, die Dich dazu anregen sollen, spontan eigene Gedanken zu notieren.

    Wenn Du mit Freunden und Bekannten über dieses Buch diskutierst – was ich sehr hoffe – nutze doch einfach Deine aufgeschriebenen Gedanken. Wenn sich aus vielen guten Gedanken und Gesprächen Initiativen entwickeln würden, die unser Umfeld etwas besser machten, hätte sich das Schreiben für mich gelohnt …

    Müsste ich hier einen Verweis auf meine Widmung anbringen?

    Prolog

    Also, wieder nach Hause. Wieder nach Deutschland.

    Aber ist das noch mein zu Hause?

    Und Deutschland ist es ja auch nicht mehr, allein schon der Name. Obwohl alle, mit denen ich zu tun hatte, immer nur von Deutschland sprechen oder gesprochen haben. Auch Leute, mit denen man nur ein wenig Small Talk gemacht hat. Ob das mit dieser Bezeichnung auch alle so sehen, die jetzt dazu gehören, die Bürger des Landes sind?

    Genau das ist ja auch ein Grund, warum ich mich entschlossen habe …

    1. Kapitel – Ankunft

    Von oben sieht alles wie immer aus. Wie früher?

    Aussteigen, reingehen, Gepäck – wie überall.

    Raus, in die Ankunftshalle. Die Leute sehen auch nicht anders aus als früher und – sie verhalten sich – wie überall.

    Ah, da ist ja Sebastian.

    Sebastian. Einer meiner ältesten Freunde, vielleicht der einzige, den ich hier noch habe. Zumindest ist er es, mit dem ich immer wieder Kontakt hatte. Seit ich weggegangen bin, und danach, in diesen ganzen wirren Zeiten. Super, dass ich wenigstens einen habe, auf den ich mich verlassen kann.

    Er wirkt ganz locker, so wie ich ihn eben kenne. So ist auch seine Begrüßung. Hallo, wie geht’s?

    Servus. Mensch, wie lange ist das her?

    Ewig.

    Grinsen. Ja, genau. Das ist er, so wie früher, nur etwas älter.

    Komm, lass uns zum Auto gehen.

    Kaum weg vom Gelände, schlafe ich selig auf dem Beifahrersitz ein, bekomme von der ganzen Fahrt nichts mit. Anderthalb Stunden später rappele ich mich wieder hoch. Wir sind fast da. Ich muss es im Gefühl gehabt haben, dass es nicht mehr weit ist.

    Alles dunkel, man erkennt fast nichts. Aber das muss ich ja auch nicht. Nicht am ersten Abend.

    Tagebuch

    Toll, dass mir Sebastian ein Zimmer zur Verfügung gestellt hat. Schlüssel, alles. Ich kann kommen und gehen, wann ich will. Das Auspacken gestern habe ich noch schnell hinter mich gebracht. Dann war aber Schicht im Schacht und Schlafen angesagt.

    Heute also erste Eindrücke. Was wir wohl machen werden?

    Bestimmt Leute besuchen oder so.

    Schon merkwürdig, wenn ich bedenke, hier aufgewachsen zu sein, hier gelebt zu haben – und so fast gar nichts zu wissen über Land und Leute und Leben und Gesellschaft und …

    Ich weiß noch überhaupt nicht, was ich alles erkunden will. Aber ich habe mir ja Zeit dafür mitgebracht.

    Wenn Sie möchten, können Sie nun etwas notieren.

    2. Kapitel – Erste Eindrücke

    Frühstück. Alles da, Brötchen, Müsli. Sebastian hat sogar daran gedacht, dass ich lieber Tee trinke als Kaffee.

    Willst du einen O-Saft?

    Nee, danke.

    Na gut, setz dich doch. – Also, ich habe mir zwei Tage frei genommen. Danach ist Wochenende und bis dahin wirst du schon wissen, wie alles so läuft und was du als Nächstes machen willst. Montag muss ich wieder ins Büro und du kannst dann auf eigene Faust losziehen.

    OK. Aber ist denn alles so anders als früher?

    Naja, sagen wir mal so … Du bist jetzt wie lange weg?

    Acht Jahre, fast neun.

    Siehst du. Neun Jahre. Da hat sich schon so manches verändert. Diese Krisen damals und dann das ganze politische Tohuwabohu. Wer hätte das mit den USA schon erwartet? Oder, dass die NATO einfach so aufgelöst wurde und die EU sich mehr oder weniger selbst verdampft hat? Als sich hier vor fünf, sechs Jahren alles neu geordnet hat, ist vieles anders geworden, als du es vielleicht noch von früher in Erinnerung hast. Wie war das? Welche Geschichte hatten wir denn damals, als du das Weite gesucht hast?

    Diese merkwürdige Pandemie, während der alle verrückt gespielt haben – übrigens weltweit, nicht nur hier. Aber hier hat man ja wie üblich alles ein bisschen besser und genauer gemacht.

    Ja, ich weiß. Aber da sind wir alle, glaube ich, ein Stück lockerer geworden. Da haben wir viel von den Holländern gelernt und von den Ösis sicher auch.

    Wie meinst du das? Lockerer?

    Lass mal. Das wirst du schon noch merken. Ich glaube, wir gehen jetzt erstmal einkaufen. Wie sieht es bei dir im Übrigen mit Geld aus? Den Euro haben wir ja nicht mehr – Gott sei Dank. Das meiste geht bargeldlos, aber ein paar Mark wirst du schon einstecken müssen. – Ja, wir haben die Mark wieder. Allerdings ohne ‚Deutsche‘ davor. Schon kurios; eine Währung, die von Anfang an knallhart war. – Also, hast du ein bisschen was?

    Ja, ja. Ich hab mich eingedeckt. Kartenzahlung geht aber, oder?

    Natürlich. Karten, Handy. Auch mit registrierten implantierten Chips kannst du zahlen.

    Prima, dann läuft’s ja so ähnlich, wie ich es gewohnt bin. Wo wollen wir einkaufen?

    Nur bei uns im Supermarkt. Der hat im Grunde alles. Wenn du für ein Duschgel 20 Cent mehr zahlen musst als im Drogeriemarkt, holst du das durch das ersparte Fahrgeld wieder rein.

    Cent? Ich dachte, Ihr habt wieder die Mark?

    Ja, schon. Aber der Cent ist geblieben. Vielleicht haben sich da die Niederländer durchgesetzt. Egal: Eine Mark hat 100 Cent. Aber bilde dir nicht ein, dass es viel Kleingeld gibt. Die kleinsten Stücke sind 20 und 50 Cent. Die Märkte runden bei Bargeldzahlung auf und spenden das zu viel Kassierte automatisch an eine karitative Einrichtung. Wem das nicht passt, der kann bargeldlos zahlen.

    Also los.

    Kurze Fahrt. Nichts Auffälliges, alles scheint genauso zu sein, wie ich es von früher kenne. Die Verkehrsschilder könnten sich verändert haben – aber das ist ja nicht wichtig. Der Parkplatz wirkt sauber und geordnet. Den Einkaufswagen holt Sebastian wie früher von der Kette, er fährt aber nur mit seinem Handy über einen Kontakt und bekommt ihn los.

    Keine Münzen?

    Schon lange nicht mehr. Das funktionierte schon sehr bald nach dem Umbruch so. Weißt du, das ganze Währungswesen mit Zahlungsmethoden und dem ganzen Kram drumherum wurde vollkommen umgekrempelt und ein paar pfiffige Jungs haben Techniken und Verfahren zum Einsatz gebracht, die sich viele schon lange gewünscht haben – und manche sich überhaupt nicht vorstellen konnten. Übrigens sind wir gestern mit ähnlicher Technik aus dem Flughafen-Parkhaus ausgefahren. Hast du da schon geschlafen?

    Nein, aber wohl nicht aufgepasst.

    Bevor wir reingehen, bleibe ich nochmal stehen. Ein kleines knubbeliges Fahrzeug ist gerade auf den Parkplatz gefahren. Vier Leute sind ausgestiegen und in den Supermarkt gegangen. Das Gefährt bleibt mit offener Tür stehen.

    Was ist denn das da drüben?

    Sebastian grinst. Noch nie gesehen?

    Nee. Jetzt sag schon.

    Das ist ein selbstfahrender Kleinbus, elektrisch natürlich. Solche Modelle setzen fast alle Kommunen ein. Das ist für die älteren Herrschaften superpraktisch – die können den Weg zum Supermarkt so ganz locker machen und haben es von der jeweiligen Haltestelle im Ort bis nach Hause nicht mehr weit. Ein normaler, also großer, Bus wäre zu aufwändig. Und so haben wir ein tolles Bürgerangebot.

    Ich bin beeindruckt.

    Supermarkt. Vorgelagerter Bäcker mit Schnell-Café. Frische-Abteilung, Kühlung, Regale für Tod und Teufel, Bedientheke für Fleisch, Wurst, Käse, Fisch. Ein bisschen Getränke, Kleinzeug, Kasse.

    Wir kaufen etwas Fisch und ein paar Sachen von der Wursttheke. Da und dort fällt etwas in den Wagen.

    Vor der Kasse decke ich mich mit Zeitungen und ein paar Zeitschriften ein. Ein paar Titel kenne ich noch von früher. Schund scheint auch nach dem Umbruch nicht verschwunden zu sein – geht offenbar immer.

    Dann zurück nach Hause.

    So, jetzt mal ehrlich. Du bist doch nicht wirklich hergekommen, weil dir meine blauen Augen so gut gefallen oder du solche Sehnsucht nach der alten Heimat hast, oder?

    Erstens hast du überhaupt keine blauen Augen und zweitens hast du Recht. Im Grunde komme ich wegen meines Bruders. Er hat sich zwar nicht mit mir in Verbindung gesetzt – wir haben ja keinen Kontakt zueinander seit diesem blöden Streit damals. Aber du weißt ja, ich hatte immer einen guten Draht zu Meike, seiner Frau. Irgendwann vor drei, vier Jahren hat mein Telefon geklingelt und sie war dran. Es war schön, mit ihr zu reden; ich weiß bis heute nicht, wie sie meine Nummer herausgefunden hat. Vor zwei Jahren – da wurde Rüdiger 50 – hat sie wieder angerufen. Sie hat mich ziemlich bekniet, zu kommen, aber ich hab’s nicht getan. Und vor einem halben Jahr war sie wieder dran und hat mir Bescheid gegeben, dass Rüdiger zum Ehrenwerten ernannt werden soll. Was ist denn das für ein Schmarrn?

    Vorsicht. Das klingt vielleicht ein wenig überkandidelt, ist aber tatsächlich eine hohe Ehre in unserem Staatswesen und – das dürfte das Wichtigste sein – der Titel „Ehrenwerter" wird von breiten Schichten der Bevölkerung und natürlich den führenden Kreisen anerkannt und geachtet. Ein Ehrenwerter ist so etwas wie ein Adliger der Republik.

    Das ist doch gesponnen.

    Nein, nein. Als das eingeführt wurde, und zwar im ganzen Land, in allen Regionen, gab es natürlich erstmal ein paar Verwerfungen. Der Adel wurde mit Bildung des neuen Staates komplett abgeschafft, wo es ihn noch gegeben hat. Damit sich niemand auf den Schlips getreten fühlte, hat man zuerst eine ganze Ladung von Ehrenwerten ernannt. Also eine ganze Menge Ex-Adlige, aber auch Leute, die sich immer schon für ungeheuer wichtig gefunden haben. Es wurde quasi versucht, den alten Proporz zumindest annähernd wieder herzustellen. Aber es sind auch einige durch das Netz gefallen, die dann eben nur noch „normale" Bürger waren. Vielen war das egal, aber einige haben noch eine Zeitlang lamentiert. Als sich der ganze Rummel um gekürte und nicht gekürte Ehrenwerte gelegt hatte, wurde ungefähr ein Jahr lang Pause eingelegt und seitdem werden in regelmäßigen Abständen neue Ehrenwerte gekürt. Und man muss wirklich sagen, dass es Leute sind, die es verdient haben und die dann auch hochgeachtet werden. Übrigens, die das im Regelfall auch schon vorher wurden. – Und jetzt hat es offenbar deinen Herrn Bruder erwischt.

    Genau. Meike meinte, dass sie sich sicher sei, er freue sich, wenn ich komme. Aber, dass ich auf der Einladungsliste nirgends aufgetaucht sei, wäre unmöglich. So etwas dem eigenen Bruder nicht zu sagen, gehe einfach nicht, und daher habe sie …

    Ja, schon klar. Und wann soll das Ganze stattfinden?

    In zwei Wochen in Berlin.

    Du gehst hin?

    Weiß ich noch nicht. Aber vermutlich werde ich es versuchen.

    Verstehe. – Gut. Ich überlasse dich dann mal deinen Zeitungen. Mit dem Kühlschrank habe ich dich ja bekannt gemacht. Heute Abend können wir noch einen trinken gehen – einen Happs zu essen gibt’s dort auch. Ich habe jetzt noch ein paar Sachen zu erledigen. Um sechs sollte ich wieder da sein.

    Tagebuch

    Es ist wohl doch nicht ganz so einfach, wie ich es mir vorgestellt hatte: kommen, schauen, verstehen. Es gibt eine ganze Menge Neues und Unerwartetes. Das wird mir schon nach dem Wenigen, was ich gesehen und gehört habe, klar.

    Techniken, bei denen früher jede Menge Bedenkenträger dagestanden und alles besser gewusst hätten. Immer dieser Absolutheitsanspruch, Perfektion bis ins I-Tüpfelchen, totale Sicherheit sogar im Klein-Klein. Wie habe ich mich bei einfachen Zahlvorgängen manchmal verrenken müssen und Rentner hat man lieber mit halbprivaten Initiativen von A nach B kutschieren lassen. Und das läuft jetzt so einfach – Respekt. Ich bin gespannt, was mir noch alles begegnen wird.

    Und dann ein Neo-Adel, Ehrenwerte – was soll denn das? Sogar mein Bruder soll in Kürze dazu gehören? Bloß weil er einen Doktortitel hat und mit seiner Forschung halbwegs erfolgreich ist?

    Was kommt als Nächstes?

    Wenn Sie möchten, können Sie nun etwas notieren.

    3. Kapitel – Lektüre

    Ich widme mich erst einmal den mitgebrachten Zeitungen.

    430000 SchülerInnen starten in die Matura-Prüfungen

    Unionsweit sind ca. 430000 Schülerinnen und Schüler aufgerufen, sich ihren Matura-Prüfungen zu stellen. Natürlich versuchen die Probanden, in ihren Haupt- und Neigungsfächern ihr Bestes zu geben. Aber auch für Lehrerinnen, Lehrer und weitere Aufsichtsführende sind zwei anstrengende Wochen angebrochen, müssen sie doch für einen reibungslosen Prüfungsablauf sorgen und Unvorhergesehenes souverän meistern. Damit für alle möglichst optimale Bedingungen herrschen, wurden für die Durchführung der Prüfungen neben schulischen Liegenschaften auch viele weitere öffentliche und private Räumlichkeiten einbezogen. Am spektakulärsten dürfte erneut die Prüfungsabnahme in der Messe des Flugzeugträgers Abel Tasman sein …

    Sahara-Wachbrigade nach 6 Monaten Einsatz zurück

    Die mit der Bewachung der Solarfelder in Libyen und Algerien betraute 21. Brigade der Unionsstreitkräfte kehrt nach ihrer regulären Einsatzzeit von sechs Monaten nach Hause zurück. Zunächst wird an den Heimatstützpunkten Diepholz, Oldenburg und Groningen alles an mitgeführten Geräten in Ordnung gebracht. Danach können die Soldatinnen und Soldaten in eine längere Freizeitphase eintreten, die sie sich während der langen Einsatzzeit verdient haben. Die Ablösung wird durch die 52. Brigade aus Salzburg und Amberg übernommen.

    Lebenslang wegen Zerstörung der Lebensgrundlage

    Der 38-jährige, der durch arglistige Betrügereien, dreiste Einschüchterungen und unverhohlene Drohungen fünf Senioren um ihr Hab und Gut gebracht hat, wurde in zweiter Instanz zu dreimal lebenslänglicher Haft verurteilt. Der Täter hatte seine Opfer außerdem zu erheblicher Verschuldung gezwungen, sodass zwei von ihnen sich das Leben nahmen, da sie keinen anderen Ausweg mehr sahen …

    Präsident Ataman spricht beim Rat der Provinzen

    Bekanntlich lassen sich die Provinzen nur ungern in ihre Angelegenheiten hineinreden. Wenn sich jedoch der Präsident der Union ankündigt, kann man ihn schwerlich ausladen. So wurde aus einer planmäßig anberaumten Sitzung der Provinzkammer ein besonderes Event, indem die Tagesordnung kurzfristig geändert und Unions-Themen aufgenommen wurden. Außerdem wurde die Rede von Präsident Ataman als Schluss- und rednerischer Höhepunkt angesetzt.

    Tagebuch

    Was steht da alles in der Zeitung?

    Bin ich hier richtig? Ist das alles wahr? Was bedeutet das?

    Klar weiß ich, dass Matura Abitur heißt. Aber gilt das jetzt überall? Und was soll das mit diesem Flugzeugträger? Als ich das Land verlassen habe, war das größte Schiff der deutschen Marine eine Fregatte. Gut, die Holländer gehören ja jetzt dazu. Eventuell hatten die größere Pötte, aber ein Flugzeugträger? Wobei der Name Abel Tasman schon darauf hindeutet, dass das Thema Marine einen ganz anderen Stellenwert gewonnen hat.

    Und was ist das mit diesen Solarfeldern in der Sahara? Truppen? Eine ganze Brigade? Das sind doch mindestens 6 000 Personen und einiges an Gerät. Was soll das alles?

    Und dann erst das Ding mit dieser lebenslangen Haft – dreifach. Hui, ein dicker Hund. Zerstörung der Lebensgrundlage – das war mir als Delikt bisher nicht bekannt. Es klingt aber irgendwie vernünftig, hätte man vielleicht schon früher haben sollen. Wenn ich nur an diese Finanzkrise zurückdenke. Aber die Strafe ist echt hart.

    Der letzte Artikel hat mich fast umgehauen: Präsident Ataman? Deutschland war ja schon ziemlich multikulturell, als ich wegging. Die Türken waren die größte Ausländergruppe und viele waren auch eingebürgert. Ataman ist doch wohl ein türkischer Name. Respekt, wenn es jetzt einer geschafft hat, das höchste Staatsamt einzunehmen. Das hätte ich nicht vermutet. Rat der Provinzen, das mutet da schon eher fremdartig an. Aber ich habe sogar im Ausland mitbekommen, dass hier strukturell quasi kein Stein auf dem anderen geblieben ist. Die Bundesländer wurden abgeschafft. Für mich undenkbar. Allein Bayern mit dem Gehabe seiner Führungsleute –

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